Dieser Spruch fiel mir ein, als ich den Buntspecht (Foto) zum ersten Mal auf dem Balkon direkt neben meinem Schreibtischfenster entdeckte. Er macht sich hier jetzt schon seit Monaten über die Meisenknödel her, die eigentlich für kleinere Vögel gedacht waren. Während letztere lautlos an der Speise nippen – wenn man einmal von kleineren akustisch untermalten Streitereien absieht – bearbeitet der Specht (es ist ein Männchen) mit kurzen, sehr schnellen Trommelwirbeln die Brüstung, die fast überall im Haus zu hören sind. Ich bekomme schon vom bloßen Hinschauen Kopfschmerzen.
Die Balkonbrüstung mitsamt ihrer Weinranken ist offenbar ein guter Resonanzkörper, ähnlich gut wie die hohl klingenden Bäume im Wald, an denen die Spechte üblicherweise ihre weithin vernehmbaren Trommelwirbel zelebrieren. Während der Phasen des Trommelns nimmt der Specht gar keine Speise zu sich – das tut er in den Pausen dazwischen. Vielleicht kommentiert er auf diese drastische Weise die Vor- und Nachteile der Futterstelle oder erzählt nur etwas vom Pferd. Leider kann ich ihn trotz der Lautstärke nicht verstehen.
Aber er kann auch anders. Da ich ihn vom Fenster aus ständig vor Augen habe, erlebe ich zuweilen, wie er ganz ruhig mit langsamer Gestik Weinranken inspiziert. Stück für Stück scannt er sie gewissermaßen von allen Seiten mit dem Auge ab. Ja, mit einem Auge, das er sehr dich an die Ranken hält. Was er da wohl sucht oder herausfinden möchte?
Wenn der Specht angeflogen kommt – das tut er relativ häufig – fliegen die Meisen und Spatzen im vorauseilenden Gehorsam davon; sie sitzen dann geduldig in sicherer Entfernung in Lauerstellung. Sobald er weg ist, übernehmen sie wieder das Geschäft, manchmal sogar zu dritt an einem Knödel.
Hin und wieder versucht sich auch ein Eichelhäher an den für kleine Vögel gedachten Futterkrümeln. Dabei liegen noch zahlreiche Eicheln unter den Eichen ganz in der Nähe. Vielleicht ist das Meisenfutter ja so etwas wie ein Nachtisch? Apropos Eichelhäher: Ich wundere mich immer wieder, wie viele Eicheln er nacheinander runterzuschlucken vermag. Allerdings gelangen sie auf diese Weise nicht in seinen Magen, sondern in seinen Kropf. Nachdem die Schale dort aufgeweicht ist, würgt er sie wieder heraus und frisst den Kern.
Das hat auf wunderbare Weise fast mit dem gerade von mir geendeten Buch von Volker Arzt „Kumpel und Komplizen“ zu tun. Da beschreibt er all die (oft schon bekannten) Intelligenz – und Bewusstseinsleistungen von Vögeln, Meerestieren, Schimpansen, Bonobos, Elefanten und… Ratten.
In der Tat ist es heutzutage kein Geheimnis mehr, daß etwa Hühner nicht so doof sind wie es das „dumme Huhn“ als Begriff gemeinhin vorgibt.
Arzt legt neben dem Konkurrenzprinzip der Tierwelt auch das der Kooperation aus.
Bonobos, die „edle“ Rasse der Menschenaffen , glänzen ja besonders durch Kooperation. Nur schade, daß in den menschlichen Genen sich die der Bonobos nicht festhalten konnten. Agressivere Anteile setzten ihre Dominanz fort.
Nun sind wir an dem Punkt, an dem Kooperation dringend geboten wäre. Vielleicht sollten wir in den Urwald gehen und die Bonobos pfleglich studieren, Tag für Tag, damit wir es sehen.
Wir sind in der Lage, in die tiefsten, kleinsten Dimensionen unserer Wirklichkeit zu schauen, aber das des Miteinander, dazu sind wir nicht in der Lage. Stattdessen bellen wir, schreien, sind von Eigennutz geprägt, sind uneinsichtig und verschroben.
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Das Studium der Bonobos wird vermutlich kaum ausreichen, da eine Verhaltensänderung über vernuftgeleitete Einsicht nur schwer zu erreichen ist. Wir bekommen es doch Tag für Tag von den großen Leuten dieser Welt vorgeführt, dass oft verachtenswerte Emotionen ihr Handeln bestimmt…
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Das „Studium der Bonobos“ war natürlich ein Scherz, wie sollte es denn auch anders sein.
Schaut man sich heute politische Talkshows an, dann bestehen diese fast ausnahmslos aus Bashing der anderen Partien und fast nie durch Konstruktives. Man fragt sich, was der Sinn solcher Veranstaltungen sein soll.
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Der Sinn sind hohe Einschaltquoten und da macht man das was ankommt. Ich kann dem auch nichts abgewinnen.
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Mal wieder einiges gelernt, bravo! Liebe Grüße
Juergen
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Vielen Dank, lieber Jürgen! Von den Tieren kann man in der Tat noch einiges lernen. LG, Joachim.
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