Am 8. März feierte Anselm Kiefer seinen 75. Geburtstag. Das nehme ich zum Anlass an einen künstlerischen Aspekt seines Werkes zu erinnern, in dem er die reale Strukturbildung, wie sie beispielsweise bei der Bildung von Trockenrissen wirksam ist, in einige seiner großformatigen Bilder integriert. Ich hatte vor einigen Jahren Gelegenheit diese oft überdimensional großen Bildskulpturen im Grand Palais in Paris zu kennen und schätzen zu lernen.
Kiefer hat offenbar die natürlichen Vorgänge selbst in seine künstlerischen Aktivitäten integriert und damit diesen oft übersehenen und missachteten Alltagsphänomenen besondere Wertschätzung und ästhetischen Rang verliehen. Ich will hier nur das Beispiel „Palmsöndagen“ (Palmsonntag) nennen, auf das ich hier aus Urheberechtsgründen nur durch einen Link verweisen kann.
Stattdessen sieht man auf dem hier gezeigten Foto Trockenrisse im Watt des Hamswehrumer Tiefs (Ostfriesland), die eine ganz ähnliche Struktur wie in einem Detail von Palmsöndagen aufweisen.
Obwohl Trockenrisse etwa in Bildern von ausgedörrtem Ackerland in Afrika, negativ besetzt sind, gibt es andere Kontexte, in denen sie ihr ästhetisches Potenzial voll entfalten. Ich denke da nicht einmal an die polygonalen Risse in alten Gemälden, die gewissermaßen einen Teil der Patina derselben ausmachen und selbst bei Restaurierungen beibehalten werden, sondern vor allem an die immer wieder neu entstehenden Rissstrukturen in austrocknenden Pfützen und anderen Feuchtgebieten.
Wenn schlammhaltiger Boden austrocknet verdunstet das Wasser. Dieser Substanzverlust macht sich darin bemerkbar, dass in der Oberfläche eine Zugspannung entsteht. Diese wird schließlich so groß, dass die Oberfläche reißt. Dabei geht sie wie nach den Naturgesetzen nicht anders möglich in ein polygonales Netz aus Rissen über.
Wer sich mehr Details zur Entstehung solcher Rissstrukturen wünscht, schaue hier oder hier oder hier.
Kiefer ist für mich seit jeher eine grösse.
Immendorf, lüpertz…alle vom Alter her Wegbegleiter.
Kiefer erlebte ich oft. Bei würth in künzelsau, dann zuletzt in der küppersmühle in Duisburg.
Dieses schwere materiebild dort, das hatte Risse ohne Ende und ich erwartete fast, dass sich da etwas löst. Aber nichts lag am Boden.
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Viele seiner Arbeiten sind im doppelte Sinne gewichtig. In den großen Hallen des Grand Palais dominierten diese riesigen – man muss schon sagen 3D-Bilder – denn die Materialien waren sehr dick aufgetragen. Das muss in der Tat ziemlich gut fixiert gewesen sein und an den Transport und das Montieren und Demontieren möchte ich gar nicht erst denken.
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James Rosenquist fertigte auch für einen Palais in Paris (war es der Grand Palais!?!) ein Deckengemälde an. Da die zuständige Regierung mehrmals wechselte, wurde es nie installiert/abgenommen.
In seiner Not zeigte er es dann in einer großen Galerie in den USA, am Boden liegend. Man konnte durch Guckfenster zweier schmaler, künstlicher Gänge auf das sehr großformatige Bild schauen.
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Wird wohl das Grand Palais gewesen sein, denn im Petit Palais ist ja u.a. das Musée des Beaux-Arts de la Ville de Paris untergebracht.
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Ich denke auch.
Ich habe seine Lebenserinnerungen gelesen, bekomme das Buch aber trotz dreimaliger Anfrage nicht zurück 😉
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Solche Sammler kenne ich auch. 😉
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