Denn ich sah z.B. wohl, daß, ein Dreieck angenommen, seine drei Winkel zwei Rechten gleich sein mußten, aber ich sah darum noch keinen Beweis, daß es in der Welt ein Dreieck gäbe, während ich bei der Idee eines vollkommenen Wesens, auf deren Prüfung ich wieder zurückkam, fand, daß in dieser Idee die Existenz ganz ebenso liegt als in der Idee eines Dreiecks, daß seine drei Winkel gleich zwei Rechten sind, oder in der einer Kreislinie, daß alle ihre Teile gleich weit von ihrem Zentrum abstehen; oder sogar noch einleuchtender. Folglich ist der Satz, daß Gott als dieses so vollkommene Wesen ist oder existiert, mindestens ebenso sicher, als ein geometrischer Beweis es nur irgend sein kann.*
Fünfzähligkeit und Sechszähligkeit sind in der belebten Natur weit verbreitet. Bei der Dreizähligkeit denkt man natürlich zunächst an das Kleeblatt (obwohl das vierblättrige der Glückbringer ist). Wenn man genauer hinschaut, entdeckt man aber auch dort Dreiecke, wo man sie vielleicht nicht erwarten würde. Eine Tulpenblüte, die zunächst an eine sechszählige Struktur erinnert, zeigt sich bei näherem Hinsehen, als aus zwei ineinander gestellten Dreiecken bestehend, die ihrerseits jeweils aus drei Dreiecken bestehen (Foto). Überdies strahlen sie mit roten zerfließenden Herzen ins Gelbe der Blütenblätter aus. Die Schönheit dieses Musters rührt aber nicht nur von der vollkommenen Verwirklichung dieses Prinzips her, sondern gewinnt seine ästhetische Tiefenwirkung erst durch die zufälligen Abweichungen von der Idealform eines Dreiecks (siehe obiges Zitat). Schaut man sich mehrere Exemplare dieses Tulpentyps an, so stellt man außerdem ein hohes Maß an Individualität fest – niemals wird man auf identische Realisierungen stoßen.
*René Descartes (1596 – 1650). Hauptschriften zur Grundlegung seiner Philosophie. Mannheim 1863. S. 34
Guten Morgen!
Jedes Dreieck hat eine andere Schubkraft erfahren. 🙂
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Guten Morgen Gerhard! Schubkraft brauche auch ich heute… 🙂
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Der Blick auf die Details und alles wird gleich noch schöner. Wieder so ein herrliches Foto.
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Danke! Manchmal sollte man eine Blume nicht nur anschauen, sondern auch mal hineinschauen. Ich bin immer wieder überrascht über den Formenreichtum.
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Das stimmt. Ich fotografierte neulich ein Stiefmütterchen ganz dicht, es wirkt sofort anders, als wenn man die Blumen – wie beim Vorbeigehen – betrachtet. Betrachtet man die Details, staunt man über viele kleine Wunder.
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Nicht immer ist größere Nähe von Vorteil. Die Haut eines hübschen Gesichts aus der Nähe betrachtet kann manchmal ernüchternd wirken…;)
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Hm, dazu fällt mir jetzt nichts gescheites mehr ein.
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😉
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Descartes denkt wirkliich sehr um die Ecke, finde ich, bis er zudem erstaunlichen Satz kam, dass er IST (existiert). Die Tulpe ist da überzeugender, obgleich sie vermutlich nicht denkt. 😉
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Die naturwissenschaftlichen Gottesbeweise wirken aus unserer Perspektive alle etwas hergeholt. Man hätte so gern ein letztes, alles begründendes Prinzip. Wichtig scheint mir, dass Descartes die seit den alten Griechen wichtig gewordenen Idealgestalten, im Blick hat, was für die weitere Entwicklung der neuzeitlichen Naturwissenschaften von Bedeutung war.
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Descartes war der erste Philosoph, den ich während des Studiums intensivst betrachtete und es ist wie mit der ersten Liebe, sie hinterlässt ein schönes Gefühl, wenn man daran (an die Erkenntnisse) denkt.
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Das kann ich verstehen. Auf jeden Fall wir sein „Cogito ergo sum“, ich denke also bin ich, im Gedächtnis bleiben.
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