Christian Ucke, Hans Joachim Schlichting. Physik in unser Zeit 51/3 (2020). S. 138-140
Kreisel müssen nicht unbedingt mit der Spitze auf einer festen Unterlage rotieren. Im hier vorgestellten Spielzeug bringen zwei hängende Kreisel durch eine raffinierte Reibungskopplung eine drehbar gelagerte Stange in Rotation, indem diese Drehimpuls von den Kreiseln übernimmt.
Der in der Abbildung 1 gezeigte Karussellkreisel besteht aus einem Ständer mit einer konkaven Einbuchtung oben, einer Haltestange sowie zwei daran angehängten Kreiseln. Die klassischen, per Hand anzudrehenden Holzkreisel enthalten in der Achse einen dünnen, zylindrischen Magneten, dessen ebene Stirnfläche mit dem Kreiselstiel oben abschließt. Die Haltestange hat mittig einen kurzen Stift mit einer kleinen Stahlkugel von ungefähr 2 mm Durchmesser am Ende, der in der konkaven Einbuchtung frei drehbar lagert.
An den Enden der Haltestange sind ebenfalls stecknadelförmige Stahlstifte eingesetzt. An ihrem unteren Ende besitzen sie jeweils einen kugelförmigen Kopf mit etwa 2 mm Durchmesser, mit dem man die sich zunächst auf einer Unterlage drehenden Kreisel aufnimmt [1]. Durch die Anziehungskraft ihrer Magnetachsen hängen sie nun wie die Schalen einer klassischen Waage herab. Da die Kreisel gleich schwer sind, ist das System wie eine austarierte Waage im Gleichgewicht. Ihre Masse von jeweils 14 g ist so bemessen, dass sie ausreichend fest am Stift hängen und auch bei leichtem Schaukeln während des Rotierens nicht gleich abfallen.
Der eigentliche Trick besteht darin, die beiden Kreisel möglichst zügig nacheinander per Hand auf eine möglichst hohe Drehzahl zu bringen, sie dann zügig an die Haltestange anzuhängen und diese samt der rotierenden Kreisel vorsichtig auf den Ständer zu setzen. Man erreicht beispielsweise auf einem Rasierhohlspiegel als glatte Unterlage bis 2000 min–1 – eine typische Drehzahl für kleine, handangedrehte Kreisel. Da diese Prozedur einige Zeit und Geschicklichkeit benötigt, haben die angehängten Kreisel in unseren Versuchen meist nur Drehzahlen um die 1500 min–1.
Erst nach dem Aufsetzen der Haltstange gewinnt die Bezeichnung Karussellkreisel ihren Sinn, denn diese fängt nun mit den noch schnell rotierenden Kreiseln selbst an zu rotieren. Während sich die Stange mitsamt den beiden Kreiseln immer schneller dreht, sinkt umgekehrt die Drehzahl der Kreisel rapide ab, bis sie bezüglich der Haltestange stillstehen. Danach büßt nun das System mit der Haltestange reibungsbedingt an Drehgeschwindigkeit ein, bis auch diese Rotation ihr Ende findet. Das es fast unmöglich ist, beide Kreisel auf exakt gleiche Drehgeschwindigkeit zu bringen und zudem gleichzeitig anzuhängen, kommt normalerweise einer der beiden Kreisel zuerst zum Stillstand. Solange sich noch ein Kreisel dreht, wird auch die Rotation der Haltestange angetrieben. Wegen der Trägheit läuft diese Drehung sogar über den Stillstand beider Kreisel hinaus nach. Übrigens kann man die bereits hängenden Kreisel auch recht effektiv mit einem Strohhalm seitlich anpusten und so das System in Rotation versetzen….(weiterlesen im PDF)
PDF: Doppeltes Drehspiel
Als Fan von Kreiseln ist das eine wunderbare Neuentdeckung, danke Joachim ❣️
Liebe Grüße
Ulli
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Das freut mich, liebe Ulli. Obwohl das Prinzip seit langem bekannt war, ist die magnetische Hängekopplung eine wahre Verbesserung.
Liebe Grüße, Joachim
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Das klingt irgendwie aufregend.
Das Ganze habe ich im übrigen erst beim zweiten Lesen verstanden.
Man könnte Wettbewerbe veranstalten: Wer schafft das System am längsten in Gang zu halten , d.h. ab dem Anbringen der Haltstange auf dem Ständer. 🙂
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Ein solcher Wettbewerb wäre in der Tat wesentlich komplexer als einen Kreisel möglichst lange in Rotation zu versetzen.
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Sehr interessanter Artikel. Hab das gleichmal mit Lego nachgebaut und frage mich welchen Einfluß die Luftbewegung um Konstrukt hat?
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Vielen Dank! Die Idee mit Lego ist und bietet vielleich auch eine einfache Möglichkeit zur Untersuchung der Luftbewegung!
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