Ab heute beginnt der astronomische Herbst. Die Tage werden fortan kürzer als die Nächte. Die Sonnenuntergänge drängen sich immer mehr in Zeiten hinein, die wir bislang als Tag erlebt haben und die Sonne steht inzwischen später auf als ich. Und wenn man morgens über die Wiese geht, sieht man, dass die Spinnen über Nacht nur Wassertropfen gefangen haben.
Der schöne Sommer ging von hinnen,
Der Herbst der reiche, zog ins Land.
Nun weben all die guten Spinnen
So manches feine Festgewand.
Sie weben zu des Tages Feier
Mit kunstgeübtem Hinterbein
Ganz allerliebste Elfenschleier
Als Schmuck für Wiese, Flur und Hain.
Ja, tausend Silberfäden geben
Dem Winde sie zum leichten Spiel,
Die ziehen sanft dahin und schweben
Ans unbewußt bestimmte Ziel.
Sie ziehen in das Wunderländchen,
Wo Liebe scheu im Anbeginn,
Und leis verknüpft ein zartes Bändchen
Den Schäfer mit der Schäferin.*
* Wilhelm Busch, Im Herbst. Zu guter Letzt, München 1904
„Wo Liebe scheu im Anbeginn“
Mir geht es so und vielen anderen gewiss auch: Wieso rührt dieser zarte Beginn?
Weil sie zu rütteln mag an der Festung unseres Ichs? Dies ist mein 1. Gedanke dazu. Ob er richtig ist, weiß ich nicht, aber er leuchtet ein.
Über Freiheit schrieb jemand kürzlich, er käme von „freiem Hals“ im Germanischen. Frei ist man ja auch, wenn Liebe einen schwindlig macht und festes Land ein wenig verloren geht.
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Am Anfang ist noch alles neu, geheimnisvoll und es zeigen sich vermutlich zum ersten Mal vorher nie empfundene Gefühle.
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Dieser Wilhelm Busch! das kunstgeübte Hinterbein – beneidenswerte Bild-Wort-Schöpfung! Auch deine Fotos sind wieder köstlich. Die sprichwörtlliche Krähe (?) unter dem schweren Herbsthimmel und das perlenbestickte Feengewand. Bei euch im Norden geht es nun schneller bergab mit den Tagen als bei uns.
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Ich entdecke die Qualitäten des Busch eigentlich erst in den letzten Jahren. Ich merke immer wieder, wie gründlich du die Fotos anschaust. Die Krähe ist ja nun wirklich nicht sofort zu entdecken.
Ja, der Unterschied macht sich allmählich bemerkbar. Im Süden kommt die Sonne natürlich stets ein Stückchen höher und das macht viel aus! Dennoch, ich liebe die Jahreszeiten!
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Auch ich liebe die Jahreszeiten, am Äquator wäre mir langweilig. …
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Schon allein die Tatsache, dass man kaum einen Schatten hat, nimmt dem Lebensgefühl etwas Essenzielles. Ich war vor Jahren in Hongkong zu einer Zeit, als die Sonne im Zenit stand – mir kam alles so unwirklich vor, selbst in einem schönen Park… Bis ich entdeckte, dass es die fehlenden Schatten waren.
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Hübsch, das flüchtige und zarte Perlengewebe. Selten sieht man es so komplett und dann noch in so feiner Schärfe fotografiert.
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Danke! Mich fasziniert daran, dass die Netze fast immer vorhanden sind und erst durch die Tröpfchen sichtbar werden und damit gleichzeitig aufgehübscht aus der Anonymität hervortreten. Gruß, Joachim.
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Der Gedanke fasziniert mich auch. Und mir das Gewicht an Wasser vorzustellen, was die zarten Netze dabei tragen, ohne auch nur ein bisschen durchzuhängen.
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Gute Beobachtung! Dahinter steckt die Tatsache, dass Spinnenseide etwa 5 mal so stark ist wie Stahl derselben Dicke.
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Beeindruckend!
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🙂
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