Als ich kürzlich durch Kommentare angeregt mal wieder „Das Ende der Welt“ von Christoph Ransmayr hervorkramte, das ich vor etwa 10 Jahren las, stieß ich auf die folgende Stelle über den Stein. Da ich zahlreiche Steine und Versteinerungen gesammelt habe und immer wieder fasziniert von ihnen bin, möchte ich Ransmayr sprechen lassen, denn so schön könnte ich es nie ausdrücken:
Welcher Stoff sei denn besser geeignet, wenigstens eine Ahnung von unangreifbarer Würde, von Dauer, ja Ewigkeit zu tragen, als der aus den raschesten Wechselfällen der Zeit herausgenommene, von aller Weichheit und allem Leben befreite Stein? Auch wenn eine Klippe unter der Zerstörungskraft der Verwitterung, der nagenden und schabenden Jahrtausende oder der Glut des Erdkernes schmelze, zerfalle, zerstäube und sich neu bilde wie irgendeine beliebige Gestalt der organischen Welt, so würde doch schon der gewöhnlichste Kiesel jedes Imperium und jeden Eroberer unvorstellbar lange überdauern und noch friedlich im Schatten einer Kluft oder im weichen Tonbett einer Höhle liegen, wenn alle Paläste eines Reiches längst verfallen, die Dynastien verwest und die schimmernden Mosaikböden eines Thronsaales haushoch von Erde bedeckt wären, so unfruchtbar, daß über der versunkenen Pracht nicht einmal mehr Disteln und Windhafer gedeihen würden. Wie tröstlich und menschenwürdig sei doch das Schicksal der Versteinerung gegen den ekelerregenden, stinkenden, mit Fransen aus Würmern und Maden behängten Prozeß des organischen Verfalls, habe Naso* gesagt; gegen diese Widerlichkeit erscheine die Versteinerung geradezu als Erlösung, als grauer Weg ins Paradies der Halden, der Kare und Wüsten. Der meteoritenhafte Prunk des Lebens sei nichts, die Würde und die Dauer der Steine alles…**
Am Beispiel eines versteinerten Baumstamms sind die physikalischen und chemischen Prozesse skizziert, die zu einer Versteinerung führen können.
Foto: Die auf diesem aus einem Fels herausgebrochenen im Vordergrund prangenden Ammoniten sind etwa so groß wie eine 1Euro-Münze.
* Mit Naso ist der antike römische Dichter Publius Ovidius Naso (43 v. Chr. bis vermutlich 17 n. Chr.)
** Christoph Ransmayr. Die letzte Welt. Frankfurt 1998, S. 157f
Tja, der Stein lebt in seiner Zeit. Alle Äonen gibt er einen Ton von sich, womit sein Sekundenzeiger sich eine Stelle weiterbemüht 🙂
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Bei uns im Hausberg gibt es einen natürlichen „Waschbeton“, bei dem also zwei Phasen der Versteinerung stattgefunden haben.
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Das sind wirklich prächtige Ammoriten! Glücklich der Finder!! Merkwürdig, dass sie nicht gleichdrehen.
Inhaltlich mag ich Ovid (Ransmayr) nicht folgen. Was die Dauer des Steins angeht, so hat er natürlich recht, aber Dauer allein ist ja noch kein Ruhmesblatt. Und wenn auf versunkenen Prachtbauten tatsächlich nichts Rechtes wächst (man kann noch nicht ausgegrabene antike Stätten an der kargen Grasnarbe erkennen), so zeigt das , dass der organische Lebensprozess zwar nur langsam wieder anläuft, aber sich am Ende eben doch durchsetzt und das mineralische Element in sich aufnimmt. Das Lebendige schafft immer neue Form, das Mineralische hingegen ist dem langsamen Verfall, dem es nichts entgegenzusetzen hat, ausgeliefert.
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Du hast natürlich Recht, wenn man das Organische als Ganzes und nicht als individuelles Detail daraus (z.B. ein bestimmter Kopffüßler begreift. Der Ammonit als Stein überdauert den ehemaligen Kopffüßler und sogar die inzwischen ausgestorbene Art um Äonen. Ein weiteres Argument: Das Mineralische ist älter und Voraussetzung für das Organische.
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