Seit meinem 5. Lebensjahr fahre ich leidenschaftlich gern Fahrrad. Das Fahrrad ist eines der in vielerlei Hinsicht perfekten individuellen Fortbewegungsmittel. Es hat schon vor 100 Jahren seine optimale Form gefunden, an der nur noch Kleinigkeiten verbessert wurden. Eine dieser Kleinigkeiten ist der Dynamo, mit dem ich von Anfang an auf Kriegsfuß stand, weil er selten richtig funktionierte und die Fahrten bei Dunkelheit und/oder Nässe stets zu einer Herausforderung machte. Seitdem er in die Nabe des Vorderrades integriert werden kann, ist auch dieses Problem gelöst.
Auf einer meiner Touren in Ostfriesland – vor etwa 20 Jahren – als ich wieder einmal Probleme mit dem Licht hatte, erlebte ich wie sich der Himmel plötzlich verfärbte und einen Vorhang aus vorwiegend grünem und einige Zeit später auch rotem Licht auf und zu zog. Zunächst dachte ich an ein fernes Feuerwerk bis mir klar wurde, dass es sich um eine für unsere Breiten seltene Polarlichterscheinung (Aurora) handelte. Das Naturschauspiel hielt mindestens eine halbe Stunde an und mich in Atem. Vergessen war der defekte Dynamo meines Fahrrads – es war fast, als würde die Aurora mir den Weg erleuchten.
Meine Gedanken wurden aber auf einen anderen Dynamo gelenkt, der im Innern der Erde rotiert und auch für dieses Polarlicht verantwortlich war. In einer Tiefe von zwei bis fünftausend Kilometern befindet sich nämlich eine große Masse geschmolzenen Eisens mit etwas Nickel versetzt. Dieser flüssige Kern wird von Innen durch natürliche radioaktive Prozesse erhitzt, hauptsächlich durch den Zerfall von Uran. Seine Oberfläche wird durch den Kontakt mit dem Erdmantel abgekühlt, von wo die Energie schließlich ins Weltall abgestrahlt wird. Ähnlich wie beim Wasserkochen steigt warme Flüssigkeit auf, kühlt sich an der Oberfläche ab, sinkt wieder, erwärmt sich erneut, steigt auf usw.. Es entsteht eine Konvektionsbewegung, die ihrerseits von der Rotation der Erde überlagert wird und zu spiralförmig verdrillten Bewegungsbahnen des flüssigen Eisens führt.
Eine unregelmäßig rotierende leitfähige Flüssigkeit ruft infolge von Instabilitäten bereits kleinste Magnetfelder hervor, die sich selbst verstärken. Die in diesem Feld bewegten elektrischen Ladungen üben Kräfte auf die Elektronen des Eisens aus, sodass ein elektrischer Strom entsteht. Er entspricht in etwa der in der rotierenden Spule eines Dynamos fließendem Elektrizität. Dieser Strom ist von einem Magnetfeld umgeben, das im Falle der rotierenden Eisenschmelze im Innern der Erde dem äußeren Magnetfeld der Erde entspricht, das wir z.B. mit dem Kompass wahrnehmen können.
Neben anderer nützlicher Eigenschaften ist vor allem der globale Schutz vor dem sogenannten Sonnenwind hervorzuheben, durch das die Erde zumindest für höhere Lebewesen bewohnbar wurde. Da die bewegten geladenen Teilchen aus dem Sonnenwind und auch der kosmischen Strahlung einen elektrischen Strom darstellen, sind sie selbst von Magnetfeldern umgeben. Diese wechselwirken mit dem Magnetfeld der Erde in der Weise, dass sie abgelenkt werden und die Erde umkreisen. Da die Erdmagnetfeldlinien in der Nähe von Nord- und Südpol in die Erde eintreten, gelangen die geladenen Teilchen, die die Feldlinien in engen Spiralbahnen umrunden, in die Atmosphäre. Dabei treffen sie auf Sauerstoff- und Stickstoffatome und ionisieren sie:
Das heißt: Elektronen der Atome dieser Gase werden auf ein höheres Energieniveau angehoben. Und wenn sie dann wieder auf ihr altes Niveau zurückfallen, wird die freiwerdende Energie in Form von Licht ausgesandt. Immer dann wenn der Sonnenwind ziemlich stark ist, kann man dieses Polarlicht erleben und sich vorstellen, dass man gerade Zeuge des ästhetisch ansprechenden lichterlohen Ausdrucks eines ansonsten nicht wahrnehmbaren Abwehrmechanismus unserer Erde geworden ist.
An den eigenen Dynamo habe ich während des Solarlichts, das ausnahmsweise bis in unsere Gefilde reichte nicht gedacht. Die Lightshow war so eindrucksvoll, dass es auch ohne ging. Ich habe mir anschließend aber ein Beispiel an dem gut funktionierenden Geo-Dynamo genommen und für mein Fahrrad einen funkennagelneuen Nabendynamo gekauft.
Das Polarlicht im obigen Foto wurde von Paula Wittwer in Tromsø (Norwegen) aufgenommen, also nördlich des Polarkreises.
Sehr interessant, zu erfahren, dass auch in Norddeutschland solche Licht-Phänomene beobachten lassen.
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Ja, und zwar öfter als man denkt. So schön wie vor 20 Jahren habe ich es nachher aber nie wieder gesehen. Man muss ja auch zur richtigen Zeit zur Stelle sein und die Erscheinung muss hinreichend auffällig sein.
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Danke für die eingehende Beschreibung eines ungeheuren und zugleich faszinierend schönen Vorgangs, ohne den, wie du sagst, Leben auf der Erde gar nicht möglich wäre. , .
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…jedenfalls kein Leben, so wie wir es kennen.
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Spannend und verständlich dargestellt: tolles Thema.
Liebe Grüße, mal wieder vom Frühstückstisch,
Jürgen
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Vielen Dank, lieber Jürgen, ein Dynamo ist halt nicht nur so ein technisches Objekt.
Liebe Grüße, Joachim.
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Der Zusammenhang zwischen Erdspule und dem Sonnenwind, der sich doch nur an Gasatomen gütlich tut, tat sich mir nicht auf.
Was habe ich nicht verstanden?
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Den hatte ich auch gar nicht erklärt. Da mir deine Frage dennoch berechtigt erscheint, habe ich den Text entsprechend erweitert:
Da die bewegten geladenen Teilchen aus dem Sonnenwind und auch der kosmischen Strahlung einen elektrischen Strom darstellen, sind sie selbst von Magnetfeldern umgeben. Diese wechselwirken mit dem Magnetfeld der Erde in der Weise, dass abgelenkt werden und die Erde umkreisen. Da die Erdmagnetfeldlinien in der Nähe von Nord- und Südpol in die Erde eintreten, gelangen die geladenen Teilchen, die die Feldlinien in engen Spiralbahnen umrunden, in die Atmosphäre. Dabei treffen sie auf Sauerstoff- und Stickstoffatome und ionisieren sie:
Das heißt: Elektronen der Atome dieser Gase werden auf ein höheres Energieniveau angehoben. Und wenn sie dann wieder auf ihr altes Niveau zurückfallen, wird die freiwerdende Energie in Form von Licht ausgesandt. Immer dann wenn der Sonnenwind ziemlich stark ist, kann man dieses Polarlicht erleben und sich vorstellen, dass man gerade Zeuge des ästhetisch ansprechenden lichterlohen Ausdrucks eines ansonsten nicht wahrnehmbaren Abwehrmechanismus unserer Erde geworden ist.
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Dank Dir Joachim 🙂
„Immer dann wenn der Sonnenwind ziemlich stark ist…“
Das führt mich auf einen eher scherzhaft von mir immer mal verwendeten Satz: „Die Masse machts…“ zurück. 🙂
Der Sonnenwind hat mangels Stärke meist nicht die Chance, eine exorbitant große Masse an Atomen zu ionisieren.
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So ist es. Das zeigt sich auch darin, dass manchmal leichte schwankende Verfärbungen am Nachthimmel zu sehen sind, die sehr stark an abgedimmte Polarlichterscheinungen erinnern. Von unscheinbar bis spektakulär ist da wohl alles zu sehen. Wenn man sich z.B. in Alaska für eine Woche aufhält, so kann man fast sicher sein, ein brillanten Polarlicht zu Gesicht zu bekommen. Man muss allerdings wie bei anderen Naturerscheinungen auch hinschauen.
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