Vor einigen Jahren begegnete ich beim Wandern immer mal wieder eingekleideten Bäumen und identifizierte diese Aktivitäten als Guerilla-Knitting. Mit den Jahren haben Wind und Wetter den teilweise sehr schönen Kunstwerken den Garaus gemacht. Die Stellen, die ich im Blick hatte, verschwanden mit der Zeit wieder und ich dachte, dass diese Aktivitäten der Vergangenheit angehörten.
Gestern nun sah ich bei einer kleinen Wanderung auf einem sehr abgelegenen und nur schwer zugänglichen Pfad wieder etwas von der Art. Einzelne Tannenbäume sind geschmückt mit gestrickten Eiskristallen (siehe Fotos). Jedenfalls war das die Assoziation, die mir sofort in den Sinn kam, was man mir nach der bisherigen Schneefreiheit in unserem Gebiet nachsehen möge. Und ich hatte auch gleich eine Erklärung für ihr Auftreten bereit, indem ich diese Installation als stillen Protest gegen das bisherige Ausbleiben des Schnees in unserer Gegend ansah. Wenn dem jedoch so sein sollte, so fragte ich mich anschließend, wer denn wohl als Adressat dieses Protests anzusehen sei. Außerdem würde man Protest doch an die große Glocke hängen und nicht an im Wald versteckte Tannen.
Eine verspätet endeckte Weihnachtsdekoration kann ebenfalls ausgeschlossen werden und zwar schon deshalb, weil die Wollkristalle äußerst frisch und unversehrt aussehen und daher auf eine kurzfristige Anbringung schließen lassen.
Und dann bemerkte ich auch noch, dass hier auch physikalisch etwas faul ist: Reale Eiskristalle weisen eine hexagonale Symmetrie auf, besitzen also sechs Spitzen. Die hier angetroffenen und von mir zunächst als handwerklich nachempfundene Eiskristalle angesehenen Wollsterne können nur mit fünf Spitzen aufwarten.
Oder handelt es sich hier um symbolische Handlungen einer neuen Bewegung, die aus der coronabedingten Häuslichkeit hervorgegangen ist? Vielleicht ist es aber auch nur eine neue Variante des Guerilla-Knittings, die hier ihren Ausgang nimmt.
Ich werde die Entwicklung im Auge behalten. Jedenfalls steht das Ziel meiner nächsten Wanderungen bereits fest.
Die Tätigkeitsfelder von Guerilla haben sich doch sehr verändert seit meiner Jugend …
(der Baumschmuck ist allerdings gehäkelt, nicht gestrickt. Ziemlich sicher.)
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Also würdest du die auch der Guerilla zurechnen. Ich hatte wie gesagt erst vor einigen Jahren davon erfahren. Vielen Dank für die Richtigstellung aus berufenem Mund. Ich habe früher statt am „Nadelunterricht“ – wie es damals hieß – am Werkunterricht teilnehmen müssen, geschlechtsbedingt. 😉
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Tja, siehste: und ich hätte lieber mit den Jungs gewerkelt statt mit den Mädels zu häkeln.
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Zum Glück kann man heute wählen. Dennoch scheint die Beherrschung textiler Techniken auch bei Mädchen im Schwinden begriffen zu sein.
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😂 ganz grosse Klasse. Ein Wiederstand aus den Nähkästchen! Ich kannte bisher nur Guerillagärtnern, wo ‚Samenbomben‘ in langweilige Gärten geworfen werden 😅
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Mir gefallen die Leute, die hier Handarbeiten zu einem „höheren“ Zweck in der Natur „ablegen“ und natürlich zur Freude von Menschen, die zufällig dort vorbeikommen. 🙂
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Ich hätte die Idee, dass jemand hier demonstriert, dass Häkeln auch Kunst sein kann, wenn auch eine niederschwellige.😉
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Allerdings erwartet sie oder er wohl kaum Rückmeldungen, um das bestätigt oder widerlegt zu bekommen…
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