Zwischen zwei senkrechten Plexiglasscheiben befinden sich kleine Stahlkügelchen, sodass sie sich nur in zwei Dimensionen bewegen können. Da alle Kugeln die gleiche Größe haben, hätten sie die Möglichkeit sich unter dem Einfluss der Schwerkraft flächendeckend einheitlich anzuordnen. Man findet allerdings nur einzelne Bereiche, in denen die Kugeln geordnet sind. Darin wird jede Kugel von sechs weiteren umgeben ist. Dies ist der Zustand minimaler potenzieller Energie, in dem die Kugeln insgesamt die tiefste Lage eingenommen haben. Alle anderen Anordnungen erforderten mehr Platz und mehr Energie. Daher mag es auf den ersten Blick erstaunlich erscheinen, dass nicht alle Kugeln diese zweidimensionale hexagonal dichteste Kugelpackung realisiert haben.
Wenn man sich etwas Zeit lässt und das System schüttelt, schafft man es zwar, noch bessere Ordnungen herzustellen als die im Foto. Aber es dürfte kaum gelingen, allein durch Schütteln die perfekte hexagonale Ordnung für alle Kugeln zu realisieren.
Die Schwierigkeit rührt vor allem daher, dass die Kugeln nach jeder Schüttelaktion in chaotischer Weise der tiefsten Stelle zustreben, sich dabei in die Quere kommen und gegenseitig blockieren.
Interessant sind die vor allem im unteren Bereich vorzufindenden Fehlstellen, in denen einzelne Kugeln fehlen. Diese Löcher in der gitterartigen Anordnung verhalten sich jedoch selbst wie Kugeln und stören in keiner Weise die hexagonale Struktur.
Dieses Spielzeug kann als Modell zur Veranschaulichung reale Systeme z.B. aus Molekülen in einem dreidimensionalen Gitter angesehen werden. Auch darin findet man ähnliche Gitterfehler, auch wenn dabei keine Kraft von außen wirken muss, sondern die Anziehung der Teilchen untereinander im Spiel ist.
Ganz unten sind die „Sterne“ (d.h. die ausgespaarten Kugeln) gleichmässiger, d.h. die jeweilige Leere ahmt die nicht vorhandene Kugel wunderbar nach.
Weiter oben scheint fehlender Gewichtsdruck diese „Idealform der Leere“ zu deformieren.
Potenzielle Energie, in der Schule oft gehört, aber nie verstanden.
Wir hatten einen Mathelehrer und einen Physiklehrer. Ersterer war charismatisch, der zweite in dieser Beziehung (unfreiwillig) das Gegenteil. Mathe war ein Genuss letztlich, Physik so spannend wie Geschichte und deren Zahlen darin.
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Ich habe noch ein wenig experimentiert und festgestellt, dass die Fehlstellen in dem Foto zufällig unten gehäuft auftraten. Scheint also nichts mit den auflastenden Kugeln zu tun zu haben.
Potenzielle Energie (besser vielleicht „Höhenenergie“) ist die Energie, die man aufwenden muss, um einen Gegenstand gegen die Schwerkraft auf eine bestimmte Höhe zu bringen. Dass ein Dachziegel Potenzelle Energie „hat“, sieht man dann daran, wenn ein gelöster Dachziegel von selbst herunterfällt und dabei seine Energie in Bewegungsenergie umwandelt…
Guter Physikunterricht hängt in der Tat sehr stark von der Lehrerpersönlichkeit und davon inwieweit er es wagt, Verständnis statt verfrühte Mathematisierung bei den Schüler*innen zu erreichen.
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Genau das ist es ja mit der „Potenzellen Energie“.
Mit dem gesunden Menschenverstand würde Klein-Gerhard ja sagen, daß der Ziegel der Schwerkraft ausgesetzt wird, und sozusagen hinabgezogen wird.
Eine Umsetzung der Potentiellen Energie „im“ Ziegel widerspricht doch sehr dem normalen Denken.
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Klar, die potenzielle Energie hängt eng mit der Schwerkraft zusammen. Diese ist aber überall (in Erdnähe) gleich groß. Dennoch wird ein Dachziegel in einer Höhe von1 m als weniger bedrohlich als in 10 m Höhe angesehen. Damit hätte man ein gutes Gefühl für das, was einen wesentlichen Aspekt der potenziellen Energie ausmacht. Oder: Jeder Mensch würde einen Sack Zement lieber 1 m hoch heben, als ihn 10 m hoch zu transportieren. Es gäbe unzählige Beispiele, die zeigen, dass man ein durchaus anschauliches Gefühl für potenzielle Energie hat, was mit Schwerkraft allein nicht zu erfassen ist.
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Ich musste an die Schlusssteine in Torbögen denken, die nicht runterfallen können, obgleich (oder weil) alles in ihnen nach Unten strebt.
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Das ist eine sehr passende Assoziation. Ich würde mich wundern, wenn Kleist nicht auch den tiefer liegenden Gedanken gehabt hätte, dass etwas sich selbst aufheben kann oder das Nichts sich wie ein Etwas verhalten kann…
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wie die Schlange, die sich selbst verschlingt…
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Ja, das ist noch so eine „Figur“, die so manche Situationen charakterisiert…
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Ich als physikalisch und mathematisch „naturbelassene“ Person finde die Anordnung der Kugeln grafisch interessant: Flächen, die sich mit unregelmässigen Linien und Sechsecken abwechseln. Die Spannung, die die Zwischenräume zu den verdichteten Flächen bilden.
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„Naturbelassen“ ist gut, werde ich mir merken. Was das Graphisch-Ästhetische an den Kugeln betrifft, so war es für mich ausschlaggebend, das hier zu dokumentieren. Man kann damit immer wieder neue, schöne und interessante Strukturen zwischen Ordnung und Chaos schaffen. Dass es im Dreidimensionalen auch noch Beziehungen zu Festköperstrukturen in der Physik besitzt, ist eine schöne Zugabe.
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