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Marginalia, Physik im Alltag und Naturphänomene

Jeder muss seine Rolle finden

Hier rollt sich etwas ein.
Drei haben sich dieser Bewegung angeschlossen, obwohl ihr Engagement sich darin erschöpft, ein modernen industriell gefertigtes Schloss an ein altes kunstvoll gefertigtes Gitter einer alten Kirche in Florenz anzuschließen.
Ich muss zugeben, dass der Ort gut gewählt ist: Die Schlösser sind hier (noch) vereinzelt und ihnen umgibt der einmalige Flair eines altehrwürdigen Ortes. Auf der Kölner Eisenbahnbrücke ist man demgegenüber nur einer unter Tausenden. Ob dadurch eine größere Garantie für die Haltbarkeit einer beschlossenen Beziehung gegeben ist, sei dahingestellt. Denn auch wenn das Anschließen gemeinsam beschlossen wurde, kann damit auch die Angelegenheit als abgeschlossen in dem Sinne bedeuten, dass man sich darum nicht mehr kümmern muss. Auch der Schluss ist zumindest etymologisch in Schloss eingeschlossen.
Dagegen hilft auch nicht, dass die Schlösser wie Sicherheitsschlösser aussehen. Wahrscheinlicher ist vielmehr, dass diese sogenannten Liebesschlösser Billigversionen sind, die einzig für diesen Zweck hergestellt werden, zumal sie meist nicht in Fachgeschäften für Schlösser, sondern in Souvenierläden erworben werden.
Da der Schlüssel zudem üblicherweise nach Anbringen des Schlosses weggeworfen wird, lassen sich diese Anbringsel nicht wieder auf einfache Weise lösen, auch wenn die Irreversibilität der Beziehung, die durch diesen Brauch symbolisiert werden sollte, möglicherweise längst nicht mehr besteht.

Diskussionen

18 Gedanken zu “Jeder muss seine Rolle finden

  1. es ist wohl ein wenig wie mit der Rindenschnitzerei, nur weniger schmerzlich für die Bäume. Da steht dann für alle Ewigkeit „Anna liebt den Fritz“ und v.v. und es wächst sich ein Mögen sie alle für einen Moment glücklich sein. .

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    Verfasst von gkazakou | 17. Mai 2021, 00:43
    • Positiv betrachtet, hast Du absolut recht.

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      Verfasst von christahartwig | 17. Mai 2021, 09:44
    • Die Schlösser sind in der Tat harmloser als die geschnitzten Bäume, die daran u. U. zugrunde gehen können. Sicher sind das momentane Glücksgefühl beim Anbringen des Schlosses und das rituelle Wegwerfen des Schlüssels ein starkes Argument. Wenn es allerdings zum Massenphänomen wird (Anzahl der Schlösser > 3), sodass Brücken einsturzgefährdet werden, wie vor einigen Jahren der Pariser Pont des Arts über die Seine von den Schlössern befreit werden musste, wird deutlich, dass das tatsächliche Gewicht dieses modernen Brauchs das symbolische bei weitem überschreitet. Wichtig und Gewichtig stehen hier ihrer etymologisch gemeinsamen Wurzel zum Trotz in einem krassen Missverhältnis.

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      Verfasst von Joachim Schlichting | 17. Mai 2021, 09:48
  2. Ein Schloss ist eben kein gutes Symbol.

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    Verfasst von kopfundgestalt | 17. Mai 2021, 01:36
  3. Der tiefe Sinn dieser Aktionen hat sich mir nie „erschlossen“ Immerhin…. ein Schlüsselerlebnis, der besonderen Art. Da liebe ich eher die Schlüsselblumen, die leider kaum noch zu finden sind auf unseren überdüngten Wiesen. In meiner Kindheit pflückte ich händevoll (immerhin waren diese damals kleiner) davon. Du siehst, eine Assoziationskette tut sich auf zu nächtlicher Stunde. Liebe Grüße aus dem schlosslastigem Köln, Marie

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    Verfasst von mmandarin | 17. Mai 2021, 04:33
    • Vermutlich ist es die gewichtige Materialisierung des Zusammengehörigkeitsgefühls junger Menschen, denen die rechten Worte fehlen. Deine kreative Assoziationskette zeigt, was Menschen entgeht, wenn sich keine passenden Worte mehr einstellen. Die Schlüsselblumen und die sich mit Blumenkränzen schmückenden Mädchen aus der Kindheit habe ich noch gut vor Augen. Und was die schlosslastige Eisenbahnbrücke in Köln betrifft, die ich bei umsteigebedingten Wartezeiten so manches Mal überquert habe, so kann man schon einen angemessenen Eindruck von der Macht schwarmartiger Aktionen gewinnen. Gruß, Joachim.

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      Verfasst von Joachim Schlichting | 17. Mai 2021, 10:02
  4. Lieber Joachim,
    Ich denke, es ist schwierig die eigene Rolle und den Sinn zu finden.
    Danke für diese gelungene Überschrift und eine schöne Woche von
    Susanne

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    Verfasst von Susanne Haun | 17. Mai 2021, 08:21
  5. Vergnüglicher als die Erscheinung der „Liebesschlösser“ finde ich deinen sprachverspielten Text, lieber Joachim.

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    Verfasst von Ule Rolff | 17. Mai 2021, 08:37
    • Ich danke dir, liebe Ule. Die Schlösser haben mich schon seit Jahren herausgefordert und als ich sie dann zunehmend auch an altehrwürdigen Einrichtungen fand, fühlte ich mich zu einem nicht ganz ernst zu nehmenden Statement genötigt.

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      Verfasst von Joachim Schlichting | 17. Mai 2021, 10:06
  6. Ich habe das Einsetzen dieser „Schlosserei“ irgendwie verpasst, und die Schlösser fielen mir erst auf, als sie schon in deutlicher Menge an allen möglichen Brückengeländern und Umzäunungen auftauchten. Diese der Willkür von Abriss und Vandalismus preisgegebenen Beziehungssymbole wären auch in jungen Jahren nicht mein Ding gewesen. Einzig interessante Frage: Wer war da der Trendsetter? Wie funktioniert also nicht das Schloss, sondern der Hype auf das Schlösschen?

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    Verfasst von christahartwig | 17. Mai 2021, 09:42
    • Das ist eine gute Frage. Mir fällt diese „Schwarmdynamik“ seit vielen Jahren vor allem im Bereich physikalischer Spielzeuge auf. Es begann damit, dass fast von einem Tat zum anderen Kinder und Jugendliche mit Jojos ausgestattet waren und es dabei zu großer Virtuosität brachten. So schnell wie der Hype kam, so schnell klang er dann auch wieder ab. Irgendwann gab es dann etwas Neues mit derselben Dynamik zwischen Beginn und Ende. Zuletzt war es der Fidget Kreisel… Als er dann im 1 Euroshop verkauft wurde, wusste ich, dass es vorbei war. In der heutigen Zeit sind es vermutlich irgendwelche eindrucksvollen Youtube-Videos, die die Kids zum Nachmachen animieren und dann zu einem Massenphänomen anschwellen. Aber das kann nur ein Teil der Erklärung sein, denn Anregungen gibt es viele, es muss auf irgendeine undurchschaubare Weise einen Nerv der Zeit treffen.

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      Verfasst von Joachim Schlichting | 17. Mai 2021, 10:22

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