Vor vielen Jahren – es muss so um 1980 gewesen sein – hatte ich eine große Ladung Sand zu Pflasterzwecken bestellt. Darin waren einige größere Steine enthalten. Einer gefiel mir besonders (rechtes Foto). Er war etwa 15 cm lang. Ich hatte gleich den Verdacht, dass er im Innern ein Geheimnis barg. Also versuchte ihn mit der spitzen Seite eines Hammers zu spalten. Das gelang erst beim zweiten kräftigen Schlag, beim ersten sprang nur ein Teil einer „Schale“ ab (rechtes Foto). Der Stein zerfiel in zwei Hälften (linkes Foto). Statt darin Ammoniten zu finden, musste ich mit der in der linken Hälfte zu sehenden Struktur Vorlieb nehmen. Es handelt sich um ein polygonales Muster mit einem Netzwerk von Adern feiner Kristalle.
Irgendwie geriet der Stein dann in Vergessenheit zumindest die ein Hälfte. Die andere begleitete mich während der Jahrzehnte als Teil eines Steinbeets. Beim Umgraben im Garten kam nunmehr die andere Hälfte zum Vorschein. Ich erkannte sie nicht sofort und brachte sie zum Steinbeet, wo es dann fast wie von selbst zur Wiedervereinigung kam. Die Hälften passen immer noch sehr gut zusammen. Nur in der Patina unterscheiden sie sich ein wenig, weil sie andere Lebensläufe hinter sich haben. Während der saubere Teil die ganze Zeit vom Zahn der Zeit geschützt in der Erde weilte, war der andere dem Zahn der Zeit oberhalb der Erde ausgesetzt. Aber sie passen noch genauso gut zusammen wie vor Jahrzehnten – jedenfalls rein morphologisch.
Unsere Freundin hat uns zwei Batiken überlassen. Sie sind durch die Sonne in Jahren ausgebleicht . Die Rückseite hat fast noch die Originalfarben.
Das ausgebleichte hat seinen Charme, das erinnert mich an kunstwerke, die bewusst der Verwitterung überlassen wurden oder bei dieser Prozess bewusst teil des kunstwerks ist.
Yves klein hat das damals auf die Spitze getrieben, als er ein goldblatt eines Restaurators der Luft übergab.
Bei Edward Hopper fiel mir in Köln 2004?! auf, dass die Farbe ungemein wichtig ist , die Originalfassung. Denn Hopper nutze ein intensives blau, ein dunkelblau, um eine Aussage zu liefern. Kein Zufall, sondern exakt ein schweres, dunkles blau.
Nun wird es nicht mehr das originalblau des Meisters sein..keine geringe Sache!
Aber es wird hingenommen.
Hingenommen wird auch die fast immer verfälschte und verfälschende Abbildung in Katalogen.
Nun kann man sagen: so what?!
Richtig. Es gibt drängendere Probleme, gerade in unserer Gegenwart, in der sich versagen an versagen reiht.
Aber wenn man nich tmal hopper Gerechtigkeit widerfahren läßt, einem toten Künstler, dann was dann.
Marita, unsere batikfrau, hatte jedenfalls den Rat, das Bild umzudrehen, damit für eine gewisse Zeit frische und unverbrauchte Farben genau den Zauber bewirken, der angedacht war.
Gute Nacht!!
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Vielen Dank, dass du dich zu so später bzw. früher Stunde noch zu so tiefschürfenden Gedanken aufgerafft hast. Die Diskrepanz zwischen einem Originalzustand und dem durch die Zeit veränderten Jetztzustand entsteht, verdiente es vielleicht selbst als Ausdruck eines künstlerischen Prozesses aufgefasst zu werden.
Ich habe mal einen Bericht gelesen (erinnere mich aber nicht mehr genau wo und wann) in dem die farbliche Veränderung eines (zeitgenössischen) Kunstwerkes mit seinem Original verglichen wurde, wobei das Original nun ausgerechnet durch eine Fotografie dargestellt wurde. Das wirft viele Fragen auf.
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Das kann so nicht funktionieren. Man bräuchte absolute Kriterien.
Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an Filonov. Der benutzte große Formate, wandfüllend. Aber auf jedem Quadratzentimeter fast war mächtiges Farb-und Strukturleben. Das kann man nicht fotografisch darstellen, nur exemplarisch vielleicht.
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Klar, komplexen, zumal 3D-Strukturen, ist fotografisch nicht ohne weiteres beizukommen. Wenn man aber nur an die fotografische Farbwiedergabe denkt, die in den Daten des Fotos über die Zeiten unverändert bleibt, während sich die Farben im Original ändern, kann es es schon Fragen zur Authentizität geben.
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Ein schönes Happy End!!
..grüßt Syntaxia
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Ja, so könnte man es nennen. Es ist zwar nur ein Stein, aber was heißt schon: NUR ein Stein.
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Eine sehr schöne Geschichte 🤗
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Und da sage noch einer, dass Steine unbelebt sind… 😉
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Ja und auch Geschichten erzählen und zum Schmunzeln einladen können 😊
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🙂
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Ich mag diese Geschichte von Aufspaltung und Wiedervereinigung sehr. Ost- und Westdeutschland wäre auch son Beispiel für „Die Hälften passen immer noch sehr gut zusammen. Nur in der Patina unterscheiden sie sich ein wenig, weil sie andere Lebensläufe hinter sich haben“.
Als bewusster künstlerischer Akt könnte er mich ebenfalls faszinieren. Ich habe bei Beuys mal gesehen, wie er eine Zeichnung auf Papier aufbrachte, die sich erst im Laufe der Zeit offenbarte. „Zeit“ als kalkuliertes Agens. Die Frage, wie die Zeitdimension ins Sein eingetragen ist, beschäftigt mich seit eh und je.
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Das ist eine sehr schöne Ergänzung, liebe Gerda, an den Vergleich hatte ich auch schon gedacht, dann aber doch nicht gewagt ihn direkt anzusprechen.
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