
Da keiner auf der Bank sitzt, um die schönen Herbstfarben zu betrachten und sich von ästhetischen Eindrücken forttragen zu lassen, kann man sich fragen, ob das alles auch da ist, wenn keiner hinschaut. Das klassische Sichtbarkeitspostulat besagt, dass Gott nichts geschaffen habe, was der Mensch nicht auch (an)schauen könne. Mit diesem Argument wurde zu Beginn der Neuzeit die Realität dessen angezweifelt, was über die Fähigkeit der Augen hinaus durch das Fernrohr und andere optische Hilfsmittel zu sehen war. Die Frage war, ob nicht bei Abwesenheit von Betrachtern der Aufwand der Schönheit überhaupt getrieben werden müsste.
Ohne Betrachter wäre die Natur sicher deutlich ärmer. Pflanzen haben zwar auch Sinne, aber in der ehemaligen Welt ohne Tiere gab es wohl keinen Anreiz, ästhetisch zu konkurrieren.
An eine gottgefällige, d.h. besonders ästhetische Natur kann ich in der ersten Zeit der Erde nicht denken. An l’art pour l’art glaube ich da nicht.
Ein gewisser (evolutionärer) Druck gehört dazu.
Es gibt ja, was Du anfangs gesagt hast, physikalische Phänomene, die vom Menschen nicht wahrgenommen werden. Ich kann mir aber keinerlei physikalische Phänomene vorstellen, die von irgendwelchen Lebewesen „nicht bemerkt werden“, schon aus Fitnessgründen. Vermutlich sogar Radioaktivität zählt dazu.
Alle Aussagen können mit einiger Verlässlichkeit ja nur auf der Basis des derzeitigen Wissens gemacht werden.
Sieht denn jeder dasselbe?
Ich denke nicht… Aber wer weiß? Man kann ja noch nicht einmal wissen und feststellen, ob jeder dasselbe wahrnimmt, wenn es um denselben Gegenstand/dieselbe Sache geht.
Läge wirklich laut Redensart die „Schönheit im Auge des Betrachters“, würde das – auch was du andeutest, Joachim – ohne Betrachtung nicht existieren. Oder in weniger schöner Form.
Wenn ich nur diesen von dir gezeigten Fall der Herbstbelaubung als Beispiel nehme, stellen sich schon einige Fragen. Die Verfärbung ist durch belegte biochemische Prozesse in dem Strauch verursacht, müsste also ein „objektiver“ Fakt sein. Aber eine anders als unsere konstruierte Optik würde vielleicht andere oder gar keine Farben wahrnehmen.
Ob nun schön oder nicht, allein die Optik ist schon fragwürdig, insofern sie von unserer Art des Wahrnehmens abhängt.
Was mag es da nur sein, das ich fotografiere? Aber Kameras werden natürlich von Menschen so konstruiert, dass die entstehenden Abbildungen unsere Wahrnehmung bestätigen. Kein Beweis also für eine „objektive“ Technik.
Was so ein harmloses Foto plus nachdenklichem Kommentar alles anrichten kann!
Du hast vollkommen recht. Schon Galilei hatte mit seinem Fernrohr Schwierigkeiten, seine Mitmenschen davon zu überzeugen, dass sie etwas Reales sehen, wenn sie in das Rohr blicken. Ähnliche Schwierigkeiten gab es mit Fotografien in Völkern, die weitgehend von der westlichen Zivilisation abgeschlossen waren. Alles ist erkenntnistheoretisch sehr voraussetzungsvoll. Schon die Frage, ob alle dasselbe „vor Augen“ haben, wenn sie Rot sehen, lässt sich wohl nicht allgemeingültig beantworten.
Auf dem Hintergrund ist es recht verwegen, anderen Menschen deine (meine, …) Fotos zu zeigen, nicht wissend was die BetrachterInnen eigentlich sehen. Zumal schon die Farbkalibrierung oder Helligkeit der Monitore vom Original stark abweichende Bilder zeigt.
So ist es. Dem bin ich kürzlich selbst zum Opfer gefallen, als ich einige auf dem Fotoapparat gut aussehende Fotos bei der Nachlese auf dem Monitor weggeworfen habe, weil dieser völlig verstellt war. Das ist bei besonderen Phänomenen schon sehr ärgerlich.
Ja, sowas ist schade und nur selten mit Photoshop vollständig reparierbar.
Aber man lernt dazu. Und was ist schöner als Herausforderungen mit Lernzuwachs 😉
Stimmt, danach kann man glatt süchtig werden.
Insbesondere, weil es sich um absichtslose Naturschönheit handelt.