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Energie und Entropie, Physik im Alltag und Naturphänomene, Physikalisches Spielzeug & Freihandversuche

Ein Prall, ein Schall und Brandgeruch

Ein Prall – ein Schall – dicht am Gesicht –
Verloren ist das Gleichgewicht.

So töricht ist der Mensch. – Er stutzt,
Schaut dämisch drein und ist verdutzt,
Anstatt sich erst mal solche Sachen
In aller Ruhe klarzumachen. –

Hier strotzt die Backe voller Saft;
Da hängt die Hand, gefüllt mit Kraft.
Die Kraft, infolge der Erregung,
Verwandelt sich in Schwungbewegung.
Bewegung, die in schnellem Blitze
Zur Backe eilt, wird hier zu Hitze.
Die Hitze aber, durch Entzündung
Der Nerven, brennt als Schmerzempfindung
Bis in den tiefsten Seelenkern,
Und dies Gefühl hat keiner gern.

Ohrfeige heißt man diese Handlung,
Der Forscher nennt es Kraftverwandlung
*

Auch wenn man heute eher von Energieumwandlung sprechen würde, ist der entscheidende Gedanke, den Wilhelm Busch hier herausarbeitet, die Umwandlung von Bewegungsenergie in Wärmeenergie – Busch spricht von Hitze. Ich habe versucht, das Experiment nachzustellen, aber nicht mit ruhender Backe und bewegte Hand, sondern mit einer 100 g schweren Stahlkugel, die ich auf eine harte Unterlage fallen lasse.
Um den Umwandlungseffekt nicht nur zu visualisieren, sondern auch berechnen zu können, lege ich auf die Stahlunterlage ein Blatt Druckerpapier. Wenn die Kugel auf die Unterlage auftrifft, wird fast alle Energie auf einmal in einer winzig kleinen Berührfläche freigegeben. Es kommt zu einem Knall und einer starken lokalen Erhitzung bzw. Temperatursteigerung. Obwohl der Knall nicht zu überhören ist und damit auch ein Teil der freigesetzten Energie als Schallenergie abgegeben wird, ist ihr Beitrag vergleichsweise gering und wird hier nicht weiter verfolgt.Durch die lokale fast augenblickliche Energieabgabe, kommt es zu einer starken Temperaturerhöhung. Das erkennt man daran, dass ein Loch im Papier entsteht. Und dieses Loch ist in den meisten Fällen sogar durch einen auf die Verbrennung zurückgehenden braunen Rand gesäumt. Hinzu kommt, dass man einen deutlichen Brandgeruch wahrnimmt und manchmal von einer kleinen Rauchfahne umweht wird.
Wer hätte gedacht, dass die Temperaturerhöhung durch die beim Stoß freiwerdende Energie die Entzündungstemperatur von Papier (ca. 360 °C) übertrifft?
Dies kann man übrigens leicht rechnerisch abschätzen. Geht man nämlich vereinfachend davon aus, dass die Bewegungsenergie beim Fall der Kugel aus 1 m Höhe vollständig in Wärme (besser: thermische Energie) verwandelt wird, so kommt man zu einer Temperaturerhöhung von ca. 600° C. Das liegt so weit über der erforderlichen Entzündungstemperatur, dass die vereinfachenden Voraussetzungen mehr als ausgeglichen werden.


* Wilhelm Busch (1832 – 1908)

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Diskussionen

19 Gedanken zu “Ein Prall, ein Schall und Brandgeruch

  1. Spannend, lieber joachim!

    Gefällt 1 Person

    Verfasst von kopfundgestalt | 15. November 2021, 00:08
  2. ist ja toll. Loch und Brandgeruch, wer hätte das gedacht. Bei der Ohrfeige wird ja auch ein (beträchtlicher?) „Teil der freigesetzten Energie als Schallenergie abgegeben“ – das ist auch das einzige, was ich als Eigenerfahrung beitragen kann. Gehört habe ich Ohrfeigen, gespürt nie.

    Gefällt 1 Person

    Verfasst von gkazakou | 15. November 2021, 01:41
    • Da kannst du aber von Glück reden, ich habe Ohrfeigen aus Kindheits- und Jugendzeiten noch unangenehm in Erinnerung und das Gefühl zurückbehalten, dass die Verformungsenergie mit tagelangen Ohrenschmerzen das Entscheidende waren.
      Die Schallenergie ist zwar auffällig wegen der Empfindlichkeit unserer Ohren aber vom Anteil her ist sie in den meisten Fällen vernachlässigbar.

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      Verfasst von Joachim Schlichting | 15. November 2021, 09:21
  3. Hier tritt auf die Bühne: das unbändige Leben, Sphärenstörungen (alias Kränkung), leibliche Empfindung, Assoziationen, unbedingter Wille, Physik, Kontext und Technik.

    Ich gehe davon aus, dass die schlagende Energie sich nicht durch eine Selbstzündung in Bewegung gesetzt hat. Also muss sie sich in diesem Energieumwandlungsspiel ihrerseits als Energiesensible, -empfängliche und – umwandlerin positioniert haben und eine energieerzeugende Quelle vorgefunden haben. War die Quelle der Ärger über einen verbrannten Braten und der Mann der „nur“ der Ersatz-Empfänger?

    Die Frage wäre also: Wer oder was war Quelle, durch wen oder was wurde sie übertragen und warum reflektiert sie die Energie durch einen Schlag, warum nutzt sie keine energiereichen Worte?

    Es gibt ja vergleichbare Situationen in denen eine Quelle – ein Energiebündel als Sprach- und Emotionsaussender eine schwache Ausgangsenergie als Emotions- und Wortschwingung verschickt (100 gr.) – sie mit (100gr) Sprachtonschwingung und Mimik bündelt und wirft – die dann als Sphärenstörung ankommt, sich dort durch 400 gr Empfängerenergie potenziert und zurückkommt. Evtl. wird dort nun eine weitere Sphärenstörung in Gang setzt, weil es nun „ein Fall“ geworden ist. Und das alle noch verschlimmbessert durch einen (energiereichen) Kontext (Nachbarn, Freunde, Partner,??), einer „gemeinsamen Fall-Geschichte“-.

    Wie bei Deiner Versuchskugel, die ja zum „Fall“ wird, also ihr Gewicht versechsfacht und das Papier in den „Fall“ einbezieht. Schon brennt es. Siegt hier starke Energie über schwache oder ist die Kugel jetzt „alleine“, hat kein Papier mehr?

    Frage: Hält der Empfänger in der Geschichte eigentlich auch seine andere Wange hin?

    Gefällt 1 Person

    Verfasst von paulpeterheinz | 15. November 2021, 07:56
    • Worte finden und diskutieren ist offenbar allemal „anstrengender“ als die aufgestaute psychische Energie physisch umzusetzen, zumal der lautmalerische Effekt meist seine Wirkung nicht verfehlt.
      Was die letzte Frage betrifft: In solchen aus dem Stammhirn kommenden Impulsen dürften christiliche Erwägungen kaum eine Rolle spielen, sodass die andere Wange meist verschont bleibt.

      Gefällt 1 Person

      Verfasst von Joachim Schlichting | 15. November 2021, 09:38
  4. Spannende und vergnügliche Physik, auch noch literarisch ein Genuss.
    Die Ohrfeige als „Anwendung“ kenne ich zum Glück nur theoretisch.

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    Verfasst von Ule Rolff | 15. November 2021, 09:33

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