
Ursprünglich war das Fenster ein praktisches Bauelement, das eine semitransparente Kommunikation mit der Außenwelt ermöglicht. Durch das Fensterglas wurde es möglich, Räume materiell von der Außenwelt zu trennen ohne wesentliche optische Einschränkungen hinnehmen zu müssen. Doch die Glasscheiben führen darüber hinaus ein multivisuelles Eigenleben, dass oft zu verblüffenden, manchmal sogar künstlerisch anmutenden Effekten führt. Im vorliegenden Foto erleben wir Fenster von außen, wobei ihre Wirkung als Lichtfalle und Spiegel dominiert. Obwohl dies ursprünglich kaum beabsichtigt war, kann ihne eine gewisse Ästhetik nicht abegesprochen werden. Auch spielen Fenster in der Kunst eine wichtige Rolle.
o, ich mag solche visuellen Doppeldeutigkeiten und Spiegelfechtereien sehr!
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Das geht mir genauso, spiegeln solche Mehrdeutigkeiten doch unser ach so rational gedachtes Alltagsleben auf eine besondere Weise wider….
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Auch der Mensch wird ja durchaus als „Fenster in der Evolution“ beschrieben. Ebenso spielt die Spiegelelung eine Rolle in der Lacanschen Theorie: im Spiegelstadium sähe sich das Kind zum erstenmal als „Ich“. Fast könnte man geneigt sein zu ergänzen: und bleibt „Individuum“, Spiegelbetrachter, in Egozentrischer Zeit sein Lebenlang.
Helmut Plessner faßt die Nähe des Menschen zu Deinen Fensterbildern ja so: er spricht beim Menschen von einer „Exzentrischen Positionalität“: die Gestelltheit und die damit zusammenhängende Realisierung eigener Lebendigkeit und nennt sie Gebrochenheit, da sich das exzentrisch-positionale Lebewesen zugleich zentrisch und ex-zentrisch realisiert und seine Gebrochenheit darin bestehe, in seinen Lebensvollzügen das ständige Hin-und-Her zwischen beiden Polen vermitteln zu müssen. Charakteristisch für die exzentrische Position ist also nicht bloße Distanz, sondern die Dopplung von Distanz und gleichzeitigem Angesprochensein durch das Hier und Jetzt.
Auch Peter Sloterdijk beschreibt den Humanen-Innenraum als ein System von hybriden kommunizierenden Gefäßen, Hohlkörper, die zugleich dicht und leck sind, die einmal Behälter und einmal Inhalt spielen müssen und die zur selben Zeit Innenwand und Außenwand-eigenschaften besitzen. Sie richten nicht nur sich selber in symbolische Ordnungen ein, sondern werden auch in die existierende gemeinsame Welteinrichtung mit anderen hineingenommen, sind unruhige Behälter die sich gegenseitig enthalten und ausgrenzen. Sie teilen ein nicht simples Nähefeld. Sie sind somit nie In-dividuen sonder Di-viduen. Stehen in einem bunten Blitzlicht-Geflecht, „ führen darüber hinaus (modern) ein multivisuelles Eigenleben, dass oft zu verblüffenden, manchmal sogar künstlerisch anmutenden Effekten führt dem eine gewisse Ästhetik nicht abegesprochen werden kann. Auch spielen Fenster_Menschen in der Kunst eine wichtige Rolle.“ Selbst für Wohnungsgebundene gibt immer noch „ein Fenster zum Hof“.
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Vermutlich ist die Tiefgründigkeit der Fenster oft deshalb nicht zu sehen, weil man vom hellen Außen in ein dunkles Innen blickt. Die Hinweise auf Sloterdijk erinnern mich ein wenig an die Kleistsche Flasche. Hat S. diesen Begriff irgendwann einmal erwähnt?
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Nein, aber diese Seiten sind neben dem Text bebildert. Die Bilder findest Du hier:
http://kpuchetbarette.blogspot.com/
Nach den Bildern der kommunizierenden Röhren gibt es noch ein Bild über Mathematische Knoten in Bezug auf die komplexe Verstrickung menschlicher Beziehungen. Dazu findest Du hier etwas: https://people.math.ethz.ch/~akveld/ArtikelAkveldNeumaier.pdf
Das wird dir sicherlich gefallen..wegen der Mathematik!
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Vielen Dank! Du verwöhnst mich mit Literatur. Wie wär es, wenn du mir auch noch ein bischen Zeit dazu transferieren würdest? 🙂
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PS Ich bin mir sicher, er würde die Kleistsche Flasche als ein gutes Sinnbild nutzen.
Wenn Du die Knotentheorie aus Psychoanalytischer Sicht vertiefen möchtest:
„Knoten“ von Ronald D. Laing Taschenbuch – 1. Januar 1987
Der findet bei Sloterdijk Erwähnung. Ich selber habe Knoten in der „Sturm-und Drangzeit“ natürlich gelesen. :-))
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Das Buch habe ich vor sehr langer Zeit gelesen (als es alle gelesen haben). Es muss auch irgendwo im Hause vorhanden sein. Aber ich werde es jetzt nicht suchen.
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Sorry, „übergehe“ meine Hinweise einfach, es sei denn Du hast Zeit und es interessiert Dich — dann hat man ja auch meistens die Zeit.
Aber wir sind doch Modern: wir sind die Gleichzeitigen…
apropo Zeit:
Von einem Engländer würde erzählt, so schildere es Goethe- er habe sich aufgehangen um sich nicht täglich an- und auszuziehen. (Gefunden bei R. Safranski „Zeit“).
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Zum Aufgehängten: Dabei lieben doch die Menschen nichts mehr als das Immergleiche. Es muss also einen triftigeren Grund gegeben haben…
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Ein Einschreiben eines Wunsches: Die Fenster hätten gerne eine andere Gestalt, doch wer hört sie, wer sieht ihr Flehen?
Kaum ist die Stunde vorbei, mag sich niemand mehr erinnern…
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So wird es sein – aber leider hilft da auch keine Physik 😉
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