
Es ist als wollten Pfützen ihr schlechtes Image damit aufbessern, dass sie sich sehr oft als naturschöne Hervorbringungen von Zufall und Notwendigkeit präsentieren. Dabei spielen nicht nur die oft sehr individuelle Morphologie des Untergrunds und die Geschwindigkeit, mit der das Wasser unter dem Eis versickert eine wesentliche Rolle, sondern auch der Temperaturwechsel, die Bedeckung des Himmels und anders mehr. Jedenfalls lasse ich keine Gelegenheit aus, zugefrorene Pfützen aufzuspüren und wenn möglich wie Bilder in einem Kunstmuseum zu betrachten. In vielen Fällen gelingt es mir, wenigstens im Prinzip, die physikalischen Hintergründe ihrer Entstehung aufzudecken (siehe z.B. hier, hier, hier).
Ganze Welten für sich; Wunderwerke der Natur und klar, anzuschauen wie in einem Kunstmuseum. Sollte man die Natur oder/und den Zufall als Erschaffenden sehen?
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Da die Eisstrukturen mit physikalischer Notwenigkeit entstehen, die konkreten Randbedingungen aber von der zufälligen Beschaffenheit des Bodens, der jeweiligen Temperatur etc. abhängen, würde ich die Natur als „Erschaffende“ ansehen. Etwas rein Zufälliges (z.B. Rauschen) hat keine wie auch immer geartete Struktur.
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Ist die Pfütze so etwas wie der Blick in den stehenden Sumpf abgelebter Verhältnisse? Bietet die gefrorene Oberfläche gar das Bild einer Perspektive, als ob im Abgelebten auch Ansätze für Neues gesteckt hätten? Die aber, wenn der Untergrund „abläuft“, auf seichtem Grund gebaut bleiben?
Ist die Pfütze die Metapher für den „ewig flachen“ Grund auf dem alles aufgebaut ist.
Für das Vergebliche in allen Dingen?
Wie, als ob wir davon nichts sehen und spüren möchten, treten wir lustvoll-verächtlich in sie und zerstören das neue Bild, das sich zunächst als eisige, verzwickte, vertrackte Oberfläche zeigt. Weil wir an der ewigen Wiederkehr verzweifeln, rächen wir uns an der unschuldigen Pfütze, statt sich besinnend besinnlich vor sie zu stellen und ihrer Botschaft lauschend in die Ferne zu denken.
Vielleicht darüber nachsinnend, das das Vergänglich das wirklich Beständige ist. Dass wir uns am Flüchtigen halten können? Stattdessen säuseln wir den Menschen vor, sie seien durch Wandel und Veränderung belastet. Der Sozialstaat müsse einschreiten, Pfützen vernichten, Straßen asphaltieren, alles begradigen, die Kleinigkeiten übergehen und nur das große ganze bauen.
Ja, in der Pfütze liegt nicht die rasche Digitalisierung, nicht die Verschlankung des Staates, der Gesetze. Sie ist nicht die Lösung für Klimakrisen, nicht der Stoff gegen eine Pandemie. Aber sie machen Wege bunter, abwechslungsreicher. Nach jedem Regen neues Leben in Pfützen, nicht auf Asphalt.
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„Abgelebt“ klingt mir zu sehr nach (negativer) Wertung. Angesichts der auch in der Strukturierung einer Pfütze immantenten Ästhetik hat man es (zwar mit keinem Lebewesen) aber mit etwas zu tun, das gleich danach kommt. Wer eine zugefrorene Pfütze zertritt genießt zumindest die Akustik, vielleicht auch unbewusst seine Macht: Vielleicht eine Ersatzhandlung für die Zerstörung von Fensterscheiben, was ähnlich klingen würde. Leider muss in unserer kontrollierten und linearisierten Welt nach geeigneten Pfützen suchen…
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Ja, das Zertreten und kaputtmachen, dagegen sind öffentliche Plastiken nicht gefeit. Man kann sie meist nicht zertreten, aber zumindest ein wenig kaputtmachen – oder entwerten. Das ist wie in Beete herumhüpfen…
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Letzteres machen bei uns nur Tiere, wobei sie sich auch noch den Magen vollschlagen.
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„Die Welt muß romantisirt werden. So findet man den urspr[ünglichen] Sinn wieder. Romantisiren ist nichts als eine qualit[ative] Potenzirung. Das niedre Selbst wird mit einem bessern Selbst in dieser Operation identificirt. So wie wir selbst eine solche qualit[ative] Potenzenreihe sind. Diese Operation ist noch ganz unbekannt. Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnißvolles Ansehn, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe so romantisire ich es – Umgekehrt ist die Operation für das Höhere, Unbekannte, Mystische, Unendliche – dies wird durch diese Verknüpfung logarythmisirt – Es bekommt eine geläufigen Ausdruck. romantische Philosophie. Lingua romana. Wechselerhöhung und Erniedrigung.“ (Novalis)
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Danke, dass du noch einmal darauf hinweist. Das kann ich voll unterstreichen. Novalis habe ich in dieser Hinsicht in diesem Blog auch schon einige Male als Gewährsmann genannt bzw. zitiert.
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Hier wirken die Linien im Eis fast pflanzlich. Bei zugefrorene Pfützen schaltet sich meine Kamera auch fast von selbst an.
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Ja, das stimmt. In meiner Fotosammlung zugefrorener Pfützen sind zahlreich Beispiele für botanisch wirkende Strukturen – ähnlich wie bei den Eisblumen, aber auch wiederum ganz anders.
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Gefrorene Pfützen machen auf noch andererseits Spaß: beim drauftreten. Das mache ich noch heute oft. aber die Hintergründe der unterschiedlichen Zeichnungen finde ich ebenfalls spannend.
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Statt des visuellen Erlebnisses wäre dass dann eher ein akustisches Erlebnis, wie splitterndes Glas.
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Parallel wäre aber auch möglich 🙂
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Nicht ganz. Ich würde erst schauen und verdauen und dann zersplittern
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Auf dem Handy wirkte das gestern Nacht nicht. Aber schon da sah ich einen Fötus.
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Man merkt den Einfluss von Paul…
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Da kannte ich Paul noch nicht als ich solches wahrzunehmen pflegte, aber seis drum 😉
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War doch eher lieb gemeint.
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Achso 😃
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🙂
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Ist ist so schön im Regen nicht allein zu stehn.
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Wieso im Regen. Das klingt so negativ. Ich meinte das positiv. Zumindest meinen Blick hast du für das „Geburtliche“ geschärt und ich dachte, dass das auch für Gerhard gelten würde.
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Gerade Nachts…fern vom Trubel…dann helfen solche Pfützenbilder der Assoziation auf die Sprünge….
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Alles gut…es freut mich ja wenn meine kleinen Körner auf fruchtbaren Boden fallen. Ich bin ja auch gerne ein solch fruchtbarer Boden, auch für das Kleine unbeachtete….wie Pfützen!
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🙂
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Stimmt, nachts können Pfützen eine kunstvoll Unterwelt hervorbringen (https://hjschlichting.wordpress.com/2016/12/22/ein-lob-dem-schmutz/)
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