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Marginalia, Physik im Alltag und Naturphänomene

Winter

Nachdem gestern die Wintersonnenwende relativ kalt über die Bühne gegangen ist, können wir mit Fug und Recht von Winter sprechen, einer Jahreszeit, die uns in ihren typischen Merkmalen wie Frost, Schnee, Eisblumen, Schlittenfahren, Schlittschuhlaufen oder nur auf einer zugefrorenen Pfütze Glitschen (wie wir es in Norddeutschland nennen) immer mehr abhandenkommt. Wenn man alte Bücher über den Winter liest, so stehen oft dank der unwirtlichen Witterungsverhältnisse und deren Auswirkungen wie Kälte und Lebensmittelknappheit traurige Geschichten im Vordergrund, jedenfalls für den größten Teil der Menschen in unseren Breiten. Nicht nur wegen des Klimawandels, sondern vor allem wegen der Nutzbarmachung externer Energiequellen, die einen erheblichen Anteil an eben diesen haben, kommen wir meist gut über den Winter. Der Preis dafür ist für die Menschheit als Ganzer sehr hoch.
In einem der naturwissenschaftlich geprägten Bücher aus dem Jahre 1872 von Camille Flammarion über die Atmosphäre* sind derartige Probleme noch gar nicht in Sichtweite. Selbst zu meiner Kindheit und meiner frühen Schulzeit waren Winter noch Winter, auf die man sich spätestens im Herbst vorbereiten musste: Einkellerung von Kohle und anderen Brennstoffen, Kartoffeln, Rüben, eingeweckten Früchten etc. Denn die Jahreszeiten einschließlich des Winters glichen noch eher dem, was bei Flammarion beschrieben wird, obwohl die Energierally bereits in vollem Gange war. Nur die Auswirkungen konnten noch geflissentlich übersehen werden.

Das Bild stammt aus diesem Buch* von Flammarion und zeigt nebenbei wie aufwändig es damals noch war, farbige Bilder in Büchern abzubilden. Sie wurden auf besonders dickem Papier auf sogenannten Tafeln gedruckt und mussten in komplizierten technischen Verfahren hergestellt werden. Fotos gab es zu der Zeit allenfalls als Schwarzweißaufnahmen, die im Druck in ziemlich geringer Auflösung erschienen.


* Camille Flammarion. L‘ Atmosphère – Description des grands phénomènes de la nature. Paris: Librairy Hachette 1872, p.

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Diskussionen

18 Gedanken zu “Winter

  1. und Holz sammeln, Holzhacken, Torfstechen, Wassertonnen aufhacken, gefrorene Wäsche von der Leine nehmen, ohne sie zu zerbrechen, dicke Wollsocken und Pullover und Schals und Handschuhe und Pudelmützen stricken, stechende Schmerzen in den vor Kälte starren Händen zu haben, wenn sie „auftauten“, Schneeschippen und Schlittschuhlaufen auf den gefrorenen Tümpeln, ja, auch rodeln. Unterrichtet wurden wir in einer Baracke, durch deren Latten der Wind pfiff. Sie hatte nur einen Bullelrofen, da stand der Lehrer, bis wir beschlossen, die Sitzordnung zu ändern. …

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    Verfasst von gkazakou | 22. Dezember 2021, 00:27
  2. Der Winter war früher ein anderer.
    Weiche und hohe Schneemassen.
    Man konnte riesige Schneekugeln rollen.

    Ich kann mich an eine Schneewanderung mit meinem Bruder auf Skiern erinnern, da war ich schon etwa 18. Das ging damals über meine Kräfte.

    Mein Bruder ist auch mal im Eis des Mains eingebrochen und wurde durch einen Schiffer gerettet, so wurde uns kolportiert. Ich selbst bekam mal einen Hieb von einem Schlittschuh, als ich gefallen war. Eine riesige Beule war das Ergebnis, mehr nicht.
    Wir hatten auch eine „Maria-Hilf“-Bahn, die war recht kritisch, denn auf halber Strecke war ein Baum im Weg.
    Grösster Gewinn ging von einer Rodelbahn auf einer abschüssigen Strasse aus, da hatten wir noch diese Rodelböcke, mit denen es gewaltig abging.
    Im Sommer fuhren wir mit dem Fahrrad eine abschüssige Strecke zum nächsten Ort herunter, nicht ohne Gefahr, denn da gab es schon Autos. Wenn man die Abschlusskurve nicht schaffte, rauschte man ins Feld. Ist mir mal passiert.

    Ausgangs meiner Kindheit gab es Gleiter, die nicht länger als die Schuhe waren, mit denen konnte man schön skaten.

    Diese beachtenswerten Aspekte des Winters wurden sukzessive abgelöst durch diverse Ärgernisse: Glätte, Matsch und Räumpflichten.
    Glätte führte auch mal zu einem Autounfall, bei dem ich nach oben aussteigen musste, weil ich auf der Seite lag. Das Schlimme daran waren eher die Gaffer. Und dann natürlich ein geplanter Urlaub mit dem Auto, der so gecancelt war.

    In den letzten 10 Jahren ist mit der Winter sukzessive verhasst. Er bietet in der Regel Grau. Und Unfallgefahr. Und aufgebrochene Leitungen. Und und und…
    (Meine Mutter führte ich mal aus, sie fiel auf den Steis, das verzeihe ich mir eigentlich kaum).
    So bin ich die letzten 6, 7 Jahre im Winter in südlichere Gefilde ausgewichen. Auch meiner Frau zuliebe, die das wenige Licht der Winterszeit zu schaffen macht. (Nicht nur sie).
    Nein, Wnter mag ich nicht.
    Aber möge er zurückkehren aus einem einzigen Grund: Um anzuzeigen, daß es mit dem Klima nicht doch so schlecht bestellt ist, wie kolportiert.
    Nur aus diesem Grund.
    Ich brauche den Winter nicht.

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    Verfasst von kopfundgestalt | 22. Dezember 2021, 01:06
    • Ein schöner Bericht, der mich an viele ähnliche Vorkommnisse erinnert. Auch ich ziehe den Sommer vor, freue mich aber an den Froststrukturen in Pfützen, an den Pflanzen und die Stunden am Kamin… Schön ist es auch, wenn es dann wieder aufwärts geht und die Natur langsam zurückkommt. Wenn wir mal längere Ferien im warmen Süden machen, denke ich oft, dass ich das nicht das ganze Jahr über haben möchte.

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      Verfasst von Joachim Schlichting | 22. Dezember 2021, 09:48
  3. Bilder aus der Kindheit steigen auf, bei deinen Ausführungen über den Winter. Ich kenne sie noch gut. Schließlich wurde ich im Hochsauerland geboren. Da mein Vater Waldarbeiter war und ich in der damals waldreichsten Stadt Deutschlands aufgewachsen bin, mangelte es nie an Holz. Dennoch war damals nur ein Raum (die Küche) geheizt und samstags das Badezimmer. Ach ja…. schöne Bilder, vielleicht auch schön gefärbt…es gab auch die andere Seite. Das würde jetzt zu weit führen. Danke trotzdem Joachim und ein freudiges Weihnachtsfest wünscht Marie

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    Verfasst von mmandarin | 22. Dezember 2021, 03:46
    • Ähnliche Bilder steigen bei mir und den anderen Kommentatoren auf, die noch richtige Winter in einfachen Verhältnissen erlebte haben. Ich denke auch, dass aus unserer Kindheitserinnerung einiges positiv überhöht wird. Unsere Eltern und Großeltern waren sicherlich froh, wenn der Winter überstanden war… Ich wünsche auch dir und deinen Lieben schöne Feststage bei Licht und Wärme! Joachim.

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      Verfasst von Joachim Schlichting | 22. Dezember 2021, 09:54
  4. Das Bild..Einmalig, weckt erinnerungen. Als Gegengeschenk würde ich Dir gerne einen Auszug aus einem geplanten Buch vorlegen:

    Höhenrauschen

    …..Es gab im Dorf seiner Kindheit noch einen Herbst der sich vom Sommer und Winter unterschied. Abgemähte Felder, aufgestellte Strohbündel unter denen man verschwinden oder sie zum Springparcours umgestalten konnte. Je höher die Hindernisse, umso abenteuerlicher konnte man auch auf und über sie klettern. Die imaginierten Zuschauermengen klatschten tobend Beifall. Bis der Bauer kam. Schnell bot man ihm an, dafür beim Aufladen zu helfen. Nette nahmen das an. Dann kamen sie, die Pferdegespanne, echte, nicht die aus Kunststoff. Nicht mit Kutschen, aber mit großen Ladewagen fürs Stroh. Als Kind stand man oben, immer höher oben, stapelte die Strohballen hoch hinaus. Auf dem letzten durfte man bis zur Hofscheune sitzen bleiben. Keiner interessierte sich für Gefahr und Haftung. Später wurden es Traktoren statt Pferde. Aber auch die übten einen großen Reiz auf ihn aus. Kaum erkannte der Bauer sein Talent fürs Traktorfahren, durfte er ihn übers Feld steuern. Mit 12 Jahren, wenn er sich recht erinnerte. Solche Hilfen liebten die Landwirte in seinem Kinderreich. Ihn lehrte es Dinge die eigentlich viel später im Leben erst erlernt wurden. Es gab Arbeit die er schnell lernte, konnte und dann auch mochte. Später wird er sagen, es gab Dinge die von autotelischer Natur waren. Wahlweise auch autopoetisch und selbstreferentiel. Auf die Idee, dass die Welt komplex sein könnte kam er schon früh, wenn es Ärger gab.
    …….Die Reinigung der Tierställe war ihm vorbehalten, wöchentlich. Nach jedem Schlachtfest mussten sie mit weißem Kalk überstrichen werden. Tiere, auch wenn sie nicht lange blieben, sollten es sauber haben. Die Arbeit verbrachte er mit dem üblichen Murren. Immerhin kürzte sie seine wichtigere Abenteuer- und Traumzeit in der Natur. Später auch die herbeigesehnte Zeit um Drachen zu bauen und steigen zu lassen. Sie lehrten ihn, von Höhe und Ferne zu träumen. Zeigten was Stolz macht, wenn man etwas selber gebaut hatte. Egal ob die Bespannung aus Zeitungspapier und der Kleber aus Mehl war. Größe war wichtig. Und die Länge der Leine. Die Höhe und Weite auf die sie steigen konnten wurde zum Herbst-Dorfsport. Jedes Mal musste er Mutter überzeugen, warum er noch mehr Kordel benötigte. So stiegen sie hoch und zogen immer stärker am Seil. Über die Leine wurden Briefe aus Zeitungsschnipsel geschickt. Wenn man ein bestaunter Drachenführer werden wollte, musste schon einiges her. Oft genug reichten die Kinderkräfte zum Halten kaum aus. So ging auch mancher Drache seinen eigenen Weg und ward nicht mehr gefunden. Dann baute er einen neuen. Keine Frage dass er diese Arbeit liebte. Drachen summten Violinkonzerte die nach ihm klangen. Da ist man ohne Frage intrinsisch Motiviert, fühlt sich wie im Himmel.
    …..

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    Verfasst von paulpeterheinz | 22. Dezember 2021, 07:22
    • Das erinnert mich an meine Kindheit, die ich so ähnlich erlebte. Wir hatte eine kleine Landwirtschaft (50er Jahre) und die Getreideernte mit Hocken und selbstgebundenen Garben waren auch für uns Kinder immer der Höhepunkt. Es war für unsere Eltern/Großeltern eine harte, für uns Kinder aber eine schöne Zeit, auch wenn ich das vielleicht nachträglich etwas verkläre…

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      Verfasst von Joachim Schlichting | 22. Dezember 2021, 10:09
      • Ja, wer verklärt nicht gerne. Nur manchesmal kommt Erinnerungen an die Mühsal dieser Jahre auf. Was ich aber wohl nie vergessen werde, das war der alte Natzi, der nur fünfhundert Meter weiter wohnte. Erst als ich 12/13 war erzählten mir meine Eltern von ihm wie er sich in der grausamen Zeit im Dorf aufgespielt hatte. Als mein Vater im Krieg war und meine Mutter mit zwei Geschwistern und Opa flüchten mussten, hat er wohl die zurückgelassenen Wertsachen aus unserem Haus entwendet. u.a. ein Silberbesteck. Seitdem habe ich ihn gehaßt und wenn er in der Nähe war auch laut von häßlichen Nazis und Besteckdieben gesprochen. Meine Eltern aber wollten den Frieden und baten mich das nicht mehr zu tun. Immerhin -sagten sie- lag der Krieg ja 18 Jahre zurück. So waren für mich schon als Kind Natzis Großmäuler, Aufschneider und Diebe. Erst einige Jahre später, anläßlich einer Demo gegen einen NPD Kandidaten, für die ich Eier und Tomaten eingekauft hatte, klärten mich Studenten aus Münster und Köln über mehr auf. Sie brauchten nicht viel Überredung und ich war in heller Wut! Spätestens da waren die Kinder- und Jugendjahre irgendwie zu Ende, die letzten Reserven der Naivität verraucht. Der Horror- und Kampfgedanke gegen solche Gesinnungen hat bis heute überlebt.

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        Verfasst von paulpeterheinz | 22. Dezember 2021, 14:59
      • Diese Typen gab es wohl überall in den Dörfern. Aber mal ließ sie trotz allem in Ruhe. In vielen Fällen haben die Typen fast ungebrochen ihre Karriere mit anderem Vorzeichen wieder fortgesetzt.

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        Verfasst von Joachim Schlichting | 22. Dezember 2021, 16:43
      • Ja, und viel blieben sogar Reuelos…führten ein -je nach Schandtat- „unglaublichunvorstellbares “ Leben.

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        Verfasst von paulpeterheinz | 23. Dezember 2021, 10:05
      • Ja, leider.

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        Verfasst von Joachim Schlichting | 23. Dezember 2021, 10:14
  5. Ein schönes ausdruckstarkes Bild. Es strahlt trotz der Kälte eine Gemütlichkeit aus. Ich kenn aus Kindertagen noch eiskalte Schlafzimmer, ohne Heizung oder Ofen. Kälte ist mir unangenehm und dennoch mag ich den Anblick einer Winterwelt.

    Liebe Grüße,
    Syntaxia

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    Verfasst von bohlmeise | 26. Dezember 2021, 14:19
    • Als ich das Bild sah fühlte ich mich auch sofort an Kindheitstage erinnert, mit ähnlichen Bildern im Kopf, wie du sie beschreibst. Damals war man noch unmittelbar mit der Kälte konfrontiert und erlebte den wärmenden Ofen als etwas Tiefgreifendes, während es heute alles etwas lauer ist.
      Liebe Grüße, Joachim

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      Verfasst von Joachim Schlichting | 27. Dezember 2021, 10:06

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