Im Winter zeigt sich die ansonsten ziemlich rabiate Waldrebe im Zusammenspiel mit der niedrig stehenden Sonne von ihrer feinen Seite. Ihre filigranen, silberfarbenen Samenstände irisieren in allen Spektralfarben, sofern man sie gegen die Sonne betrachtet. Diese Strukturfarben kommen durch Beugung des Lichts an den sehr feinen Strukturen der Haarbüschel zustande. Stark vereinfacht kann man sich die Beugung folgendermaßen vorstellen: Wenn eine mit den feinen Härchen wechselwirkende Lichtwelle dadurch in einzelne Teilwellen zerlegt wird und diese sich im Auge des Betrachters oder auf dem Chip einer Kamera überlagern, kann es zu einer Verstärkung, Abschwächung oder einer vollständiger Auslöschung der Intensität einzelner Wellenlängen kommen. Denn da die Teilwellen geringfügig unterschiedliche Wege zurückgelegt und dadurch einen sogenannten Gangunterschied erfahren haben, sind die Wellenberge und Wellentäler gegeneinander verschoben. Bei einer Verschiebung von beispielsweise genau einer Wellenlänge (aus dem Spektrum des weißen Lichts) fallen Wellenberge auf Wellenberge und verstärken das Licht. Eine Verschiebung um eine halbe Wellenlänge führt zur Auslöschung der entsprechenden Wellenlänge und damit der Farbe im Spektrum. Durch diese Verstärkung und Abschwächung einzelner Wellenlängen des weißen Lichts bleiben entsprechende Farben zurück, die auf dem Foto zu erkennen sind.
Die zerfaserte Pflanze führt zum Zerfassern des Lichts. 😀
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Aber die „Lichtfasern“ überlagern sich in unseren Augen zu schönen Strukturfarben.
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Müsste es nicht sein, fällt mir gerade ein, daß diese Strukturfarben sozusagen infinidezimal voneinander unterschieden auftauchen müssten? Aber wir sehen eine Strähne Blau, eine kleine Fahne rot ect
Es müsste doch ein irrwitziges Gesprengsel an winzigsten“Farbpünktchen“ auftauchen (neben all dem sonstigen Gleissen und Stillsein)?
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Gleiche Farben heißt, gleiche Bedingungen. Die feinen Elemente, an denen das Licht gebeugt wird, sind fast identisch und schaffen über einen gewissen Bereich gleiche Bedingungen.
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Das leuchtet 😉 ein
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🙂
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Diese zweite Blüte der Wildrebe gastiert gerne im Herbst bei uns in Dekogestecke auf der Terasse. Dort verschafft sie uns den Auftritt eines zweiten Sommers. Ab einem gewissen Alter behauptet sie, sie sei der zweite Frühling. Meist beginnt sie ihren Auftritt mit einer Ansage:
„Lieber Freund! Welch ein Sommer! Ich denke Sie mir im Zimmer sitzen[d], mehr Omelette als Mensch.“ ( Das Zitat stammt aus einem Brief Friedrich Nietzsches vom 30. Juli 1887, den er aus dem schweizerischen Sils an seinen Freund Heinrich Köselitz schrieb. Konkrete Temperaturangaben enthält der Brief allerdings nicht.)
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Bei uns in der Nähe ist ein ganzer „Wald“ von Waldreben, die im Gegenlicht der tiefstehenden Sonne wie Lampions aus sich heraus leuchten. „Omelette“ soll heißen, dass es zu heiß ist?
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Ich habe leider auch nicht mehr als tatsächlich ein Omelette, also ein Pfannkuchen, gefunden. Sicherlich fühlt er sich wie ein Teig im Omeletteeisen: von allen Seiten er-/überhitzt. Wenn man sein Zimmer in Maria Sils in einem klassischen Holzbau sieht, dann lebte er dort auf kleinstem Raum. Im Sommer sicherlich eher heiß. Ob er damit auch die „erhitzte Welt ringsum“ meinte, das kann ich nicht sagen. Wäre aber bei ihm denkbar.
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Vielen Dank für die Zusatzinformationen.
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So war die Welt eigentlich immer erhitzt…
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Ja, eigentlich immer. Nur immer anders. Nur kurz vor dem Einschlafen schicken wir Stoßgebete: Wenn das erhitzte doch nur abkühlen würde, alles nur leise zusammenbrechen würde, und morgen früh wohne ich dann in Ökolexika.
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Lieber Joachim!
Mal wieder was gelernt bzw. altes physikalischen Schulwissen über Optik aufgefrischt, danke!
Gruß Jürgen
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Danke, lieber Jürgen! Schön, dass deine Erinnerungen an deinen Physikunterricht nicht allzu schlimm sind 😉
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Fantastisch!
Neujahrsgruß von Sonja
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Danke Sonja! Auch dir ein gutes Neues Jahr! Joachim.
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Zauberhaft! Danke auch für die verständliche Erklärung!
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Vielen Dank! Bei der Erklärung musste ich natürlich stark vereinfachen. Die Interferenz gehört zu den schwierigeren Kapiteln der Optik. Aber da es zahlreich schöne Interferenzphänomene gibt, muss man sich der Erklärung stellen… 😉
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Verhalten sich denn hier optische Wellen exakt wie akustische (dort löschen oder verstärken sich ja auch die Wellen/Schwingungen eines Tones)? Oder spielen hier auch die Photonen als sich bewegende Teilchen eine Rolle, wofür es ja in der Akustik keine Entsprechung gibt?
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Ja, sie zeigen in vielen Aspekten und in der mathematischen Beschreibung große Übereinstimmungen. Allerdings benötigen akustische Wellen ein Medium (z.B. Luft), die Lichtwellen können sich auch im Vakuum fortpflanzen. Auslöschen und verstärken kann man auch akustische Wellen, das wird z.B. genutzt, um bestimmte Schallwellen zu unterdrücken (Stichwort: Antischall).
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Wie kann man sich denn Wellen ohne Medium zum Fortpflanzen vorstellen? Irgendwie geartete Teilchen, und seien sie noch so klein, müssen doch im Spiel sein? Oder ist ein Vakuum eben doch nicht „nichts“? Danke für die Erklärungen!
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Mit der Vorstellung ist es in der modernen Physik schwierig, weil man meist mehr oder weniger anschaulich den Inhalt einer mathematischen Gleichung zu beschreiben versucht. In beiden Fällen wird Energie durch eine wellenförmige Erscheinung transportiert. Beim Schall wird die Energie in Form einer sich fortpflanzenden Luftverdichtung- und -verdünnung transportiert. Beim Licht pflanzt sich gewissermaßen die Energie selbst fort. Sie tut es in einer Weise, dass alle Phänomen (z.B. die hier genannte Interferenz) mit Hilfe einer Gleichung beschrieben werden kann, die im Prinzip auch für sich fortpflanzende Wasserwellen auf dem Meer anwendbar ist und dort noch anschaulich ist. Es gibt zahlreiche Experimente, die zeigen, wie erschließungsmächtig und geradezu zwingend die Wellenvorstellung ist – aber das würde hier leider zu weit führen.
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Ich fürchte, hier muss ich mich ausklinken und ziehe meinen Hut vor der Physiker-(und leider zu selten: -innen)Zunft. Der Gedanke „reiner“, quasi sich selbst genügender Energie bleibt freilich faszinierend und findet vielleicht doch ein gewisses Korrelat in Alltagserfahrungen, etwa der zwischenmenschlichen Art…
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Man muss sich wohl damit abfinden, dass Phänomene in unserer Welt, die unseren beschränkten Sinnen nicht direkt zugänglich sind, nicht notwendigerweise eine Struktur besitzen, die wir aus der sinnlich wahrnehmbaren Welt kennen. Erstaunlicherweise lassen sich diese Strukturen mit Hilfe der Mathematik in konsistenter Weise erschließen. Veranschaulichungen bestehen darin, dass Teilaspekte Ähnlichkeit mit anschaulichen Phänomenen haben und das nutzen wir aus, um wenigstens einige Aspekte dieser Strukturen zu erfassen.
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Du verleihst der Physik Poesie, Joachim. Damit erfreust du inzwischen meine ganze Familie 🙂.
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Das freut mich nun wiederum. Damit komme ich zumindest in deinen Augen der Forderung Novalis‘ nach: „Die Wissenschaften müssen alle poetisiert werden“. Danke, Ule.
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