
Was mag das sein, das hier wie ein galaktischer Nebel durch zahlreiche Sterne hindurch gesehen daherkommt? Ich war mir vollkommen sicher, dass ich den Blick nicht nach oben gerichtet und kein Riesenteleskop vor Augen hatte, sondern ohne Hilfsmittel nach unten in eine zugefrorene Wasserpfütze.
Schaut man genauer hin, so erkennt man durch die ansonsten ziemlich glatte Eisschicht hindurch verfaulende Blätter und andere Überbleibsel aus der vergangenen Vegetationszeit. In die Eisschicht integriert zeichnen sich in zarten vor allem Blautönen Strukturen ab, die an Spuren biologischer Aktivität erinnern. Ähnlich wie beim Gefrieren von Wasser die darin enthaltene Luft gewissermaßen ausgeschwitzt wird, sind es hier vermutlich proteinhaltige Bestandteile der verwesenden Biomasse, die sich an der Wasseroberfläche abgesetzt haben und einen äußerst dünnen Belag bilden. Dieser ist offenbar so dünn, dass es aufgrund der Überlagerung des an der vorderen und hinteren Grenzschicht reflektierten Lichts zu ähnlichen Strukturfarben wie bei einer Ölschicht auf einer nassen Straße. Die weißen „Sterne“ sind winzige im Eis eingefrorene Gasblasen, die von innen mit Reif belegt sind.
Wie dem auch sei, es ist auf jeden Fall ein naturschöner Anblick, der zumindest einen Teil seines Geheimnisses bewahrt hat – jedenfalls bis jetzt. Ich habe schon einige Male die Schönheit zugefrorener und zufrierender Pfützen gezeigt. Dort wurden die Strukturen vor allem durch das parallel zum Gefrieren versickernde Wasser hervorgerufen. In diesem Fall zeugt aber die glatte Eisfläche davon, dass der Wasserspiegel während des Gefrierens weitgehend gleich geblieben sein muss. Als Ursache käme eine Versiegelung des Pfützenbodens durch die Sedimentation feinstrukturierter Überreste der verwesenden Biomasse infrage. Meist sind solche Pfützen sehr langweilig und manchmal bei genügender Länge allenfalls zum Glitschen zu gebrauchen. Hier aber finden wir in der verhältnismäßig dicken Eisschicht andere beeindruckende Strukturen.
Das Schöne an der dicken Eisschicht ist außerdem, dass sie nicht so leicht zu zerstören ist. Viele Menschen, auch Erwachsene, genießen eher das akustische Phänomen der klirrend zerbrechenden Eisscheiben als die Wohltat für die Augen.
Da sprichst Du viel an.
Einerseits den „Vandalismus“ zum Schluss des Textes als auch die Verbindung zu den Ölpfützen und den Hinweis auf die Sedimentation .
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Zuerst wollte ich nur einen Satz schreiben. Dann sprudelten aber die Ideen und ich schrieb sie freiweg (mit Rechtschreibfehlern – danke für deine Hinweise!) auf. Pfützen jeglicher Art sind inzwischen für mich zu inspirierenden Systemen geworden.
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Ja, Du schriebst es bereits. Seitdem achte ich auch wieder mehr auf Pfützen.
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Weil in heutiger Zeit viele Wege asphaltiert werden, muss man ursprüngliche Pfützen an ungewöhnlichen Plätzen suchen. Ich hatte kürzlich die Gelegenheit schöne Pfützen in einem Gelände zu finden, auf dem Schutt abgeladen wurde. Aber das ist jetzt auch vorbei.
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Das ist ja ähnlich wie mit den Wegrandblühern.
Ich hatte mal an einem solchen eine wunderbare Goldwespe fotografieren können. Ein paar Tage später war da aber alles abgemäht.
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Wir müssen uns weiterhin unsere Nischen suchen. 😉
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Ein Freund von mir führt einen Blog „Weitsicht aus der Nische“. Das fand ich immer ganz angenehm, aber vielleicht stammt der Begriff von einem Philosophen?!
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Der Titel klingt gut. Aus der Philosophie ist er mir nicht bekannt – was aber auch nicht heißen will…
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„Weitsicht aus der Nische“: Sloterdijk geht davon aus, das der Mensch kein Nischensucher, sondern ein Nischenbauer ist. Von dort könnte dann auch der Titel des Kollegen stammen, denn aus „seiner“ sekbstgebauten Nische hat jeder „seine“ Weit-Sicht..- In Band 3 „Schäume“ spricht er davon, dass die Moderne eine Gesellschaft „im Schaumgefüge“sei, in der zwar Kontakte zu den „gesucht-benötigten“, aber nicht „auszuhaltenden“ „Nachbarn“ gegeben sind, aber eine Rundumsicht, eine Übersicht über das Ganze nicht mehr besteht.
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Mit der Pfütze und seiner Betrachter stehen sich zwei Tatsachen wie Heere gegenüber. Das Menschliche mit seinen ambivalenten Betrachtern vertritt das Denkende-Hadern, die Pfütze repräsentiert, was einfach-natürlich so wurde. Die Pfütze repräsentiert zudem „das Erstgeborene“ während der Betrachter „die Nachkömmlinge“ vertritt. Beiden sitzt ihre lange gemeinsame Freund-Feind-Geschichte im Gepäck.
In der Pfützen-Kultur regiert weder Mittel noch Zweck. Sie kennt kein Schön und kein Hässlich, sie wertet nicht, sie macht das, was sie gemäß ihrer Verläufe macht. Sie „schaut“ nicht zurück und plant keine Zukunft. Sie ergeht sich im eigenen Getümmel. Sie ahnt nicht einmal, dass sie eine Pfütze ist.
Die Betrachter kommen aus einer Kultur, die aus Vergeistigung und Vertiefung der Grausamkeiten entstanden und sich ihrer Ambivalenz zwischen Loben und Toben, zwischen Verniedlichung und Vernichtung, zwischen Rebellion und Bewunderung bewusst ist. Dann kann es passieren, dass selbst vor einer unbedeutenden Pfütze, diese Ambivalenz kulminiert: entweder in gezähmter Bewunderung oder vernichtendem Ressentiment.
Die Pfütze spiegelt den denkenden Betrachtern – das ist sein Schicksal, wie es auch um sie hätte bestellt sein können, wenn das Ganze anders verlaufen wäre. Einige nennt man Schwärmer, die anderen Ungehaltene. Erstere betrachten lustvoll-sinnend das Netzwerk „Pfütze“, die anderen treten lustvoll-wütend das Eis kaputt. Beide werden lustvoll-irritiert von denen beobachtet, die Pfützen ganz ignorieren und sie mit Technik auf vier Reifen überfahren.
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Das ist eine schöne Charakterisierung der beiden Sphären einer Pfütze, die beide von großem Reiz sein können. Auf der Objektebene kann man sich zwar nasse Füße holen (aber zumindest als Kind hat man das geliebt). Aber man kann auch experimentieren (z.B. gezielte Beeeinflussung des Gefriervorgangs). Und auf der Metaebene kann man diese Erfahrungen in passende Worte zu fassen versuchen.
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Wir haben das „nasse Füße holen“ so wie nur ein Kind sich nasse Füße holt, verlernt. Wir haben uns statt dessen das Risiko zum Spiel auserkoren.
Du musst das Leben nicht verstehen,
dann wird es werden wie ein Fest.
Und lass dir jeden Tag geschehen
so wie ein Kind im Weitergehen von jedem Wehen
sich viele Blüten schenken lässt.
Sie aufzusammeln und zu sparen,
das kommt dem Kind nicht in den Sinn.
Es löst sie leise aus den Haaren,
drin sie so gern gefangen waren,
und hält den lieben jungen Jahren
nach neuen seine Hände hin.
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Ein schönes Gedicht! Obwohl ich meine, dass die Versuche, zumindest Aspekte des Lebens zu verstehen seinen Reiz hat 😉
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Habe vergessen zu erwähnen,
das es von Rilke stammt.
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Schade. 😉
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wiedermal toll beschrieben!
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Vielen Dank!
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Sehr beeindruckend, Joachim.
Es lohnt sich, nach unten zu schauen 👀
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Danke, Susanne! Wie die Hühner, die finden da unten auch mal ein Korn…
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… manchmal sogar sehr viele….
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Ja, das hängt von der Großzügigkeit des Körner streuenden und der Aufmerksamkeit der Hühner ab 😉
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