
Die Bäume trieften nur so vom letzten Regen. Doch das Geräusch der fallenden Tropfen, die sich aus den letzten feinen Wasserströmen speisten, ließ allmählich nach. Einige Tropfen blieben schließlich noch hängen. In der Nacht kühlte es sich auf etwas unter den Gefrierpunkt ab. Jedenfalls empfing mich der nächste Morgen mit reifüberzuckerten Pflanzen.
Erstaunlicherweise hingen einige Tropfen immer noch an den Zweigen. Aber sie waren gefroren, wie man an den Luftkanälen feststellen konnte, die die Tropfen durchzogen. Es sollte ein sonniger Tag werden und das geschah dann erstaunlicherweise auch. Ich behielt einige „Eistropfen“ im Auge. Weil sie am Ast festgefroren waren, fielen sie nicht herab. Vorerst. Denn die Sonne trat ihren nun schon etwas größer gewordenen Bogen mit ganzer Strahlkraft an. Das blieb nicht ohne Wirkung auf die „Eistropfen“. Es tat sich was.
Ich sah es zuerst daran, dass die inneren Luftkanäle schwanden. Die Luft löste sich in dem Maße im Wasser, wie es aus dem Eis hervorging. Schaut man genauer hin, so sieht man auf dem Foto, dass der Tropfen im oberen Bereich noch gefroren ist und Reste der Luftkanäle aufweist, während sich im unteren Bereich ein transparentes Säckchen mit flüssigem Wasser füllt und eine Trennlinie zwischen fest und flüssig sich allmählich nach oben bewegt.
Alles ging Hand in Hand bis der ursprüngliche Zustand vom Vortag wieder hergestellt war.
Eine meist übersehene völlig unwichtige Kleinigkeit. Sicher. Aber auch eine schöne Geschichte, die sich an den Bäumen vieltausendmal abspielt, ohne dass jemand Notiz davon nimmt. Ich mag diese Miniveranstaltungen im Verborgenen!
Das kann ich wohl nie selbst erleben.
Wir stehen frühestens etwa 8:30 auf.
Das mit dem Entfrieren des Tropfens scheint so schön einfach (etwa das Säckchen aus Wasser).
Das erscheint erstaunlich.
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Nachdem ich kürzlich eingefrorene Tropfen mit innerem Röhrensystem gesehen habe, waren die Vorgänge in meine Aufmerksamkeit geraten. Ich hätte mich ansonsten wohl kaum hingestellt, um die Dinge zu beobachten…
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An die Röhren kann ich mich natürlich erinnern, vergass aber den Grund dieser Erscheinung. So ist es oft.
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Das kenne ich auch. Obwohl ich bei dir (durch deine Kommentare) den Eindruck habe, dass du ein sehr gutes Gedächtnis haben musst. 🙂
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Nachdem ich den Kommentar schon geschrieben hatte, ist mir noch was „nachgefiltert worden“. 🙂
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Da warst du in deinem Schreiben also schneller als die aufgescheuchten Gedanken…
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So ist es 😉
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🙂
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Wer sagt „Die Einsamkeit nähme zu“, der hat die kleinen Momente noch nicht erlebt.
Wer sagt „Alles sei so unübersichtlich“, der hat noch nicht an der stillen Freude des Nicht-Verstehen genascht.
Wer sagt „Ich habe keine Zeit“ der hat sich noch nie im Ziellosen gesonnt, dort wo die Zeit ins Unendliche läuft.
Wer sagt „Die Natur sagt mir nichts“ der hat seine Ohren für freies Gold verstopft.
Wer sagt „Alles sei gesagt“ dem empfehle ich Naturvorträge
Wer sagt „Der Lärm der Welt wird unerträglich“ der nehme für einige Stunden ein Waldbad.
Wer sagt „Ich verliere so schnell die Geduld“ dem rate ich: Halte einfach einmal einige „Eistropfen“ beim Sonnenaufgang im Auge.
Wer sagt „Kultur ist nur was für Gebildet“ dem empfehle ich Miniveranstaltungen im Verborgenen!
„Wir sind so gerne in der freien Natur, weil diese keine Meinung über uns hat.“
Friedrich Nietzsche
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Ja, so könnte man die vielfache Lehre aus den Beobachtungen ziehen.
Aber wir bilden uns eine Meinung über die Natur, weil wir sie schamlos in ihren intimsten Verrichtungen beobachten.
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Ja, ja: Wer nicht hören will muss „fühlen“. Die Natur ist ja „selber schuld“: von sich aus zeigt sie sich ja nur widerwillig. Aber durch wissenschaftliche List- sorry:modernere Methoden- wird sie zur Preisgabe gezwungen. Sie durch Gehorsam zu erobern, zu der Francis Bacon vormals riet, dazu hatt der moderne Mensch nicht die Geduld. Er will sich ihrer bemächtigen, nicht mehr kooperieren.
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Bacon ist nicht ganz unschuldig an der Entwicklung der neuzeitlichen Naturwissenschaften…
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So fein beobachtete „Miniveranstaltung“, wobei mir das mit den Luftkanälen im Gedächtnis bleiben wird, und ich bei Gelegenheit nachschaue und näher hinschaue, wie das mit den Übergängen der Zustände vonstatten geht. Ich weiß ja nun Bescheid!
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Das Schöne an diesen Beobachtungen winziger Vorgänge ist, dass man keine Geräte etc. benötigt. Es gehört noch zu unserer primären Erfahrungsdimension.
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Wieder sehr schön geschrieben!
Danke!
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Vielen Dank! Für mich war es ein Vergnügen, an diesen winzigen Vorgängen teilzunehmen, die meist unbemerkt im Verborgenen stattfinden.
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Mir war nicht bewusst, wie komplex so ein simpel aussehender Vorgang ist 😀 ich werde es demnächst mit anderen Augen sehen.
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Beobachten und Gefallen daran finden kann ich nur empfehlen…
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Ist das „nur“ eine „unwichtige Kleinigkeit“ eine „schöne Geschichte“? Reiht sich nicht eigentlich auch „das Leben“ aus lauter Kleinigkeiten an Kleinigkeiten? Statt auf diese „Kleinigkeiten“ zu achten, treten wir gegen „den Globus“ sobald uns Unheil wiederfährt. Diese „Erkentnisform“ nenne ich die individuelle Symphonie des Leibes. Ein jeder Leib hat die seine. Hermann Schmitz (und vor ihm Nietzsche) versuchte mit seiner Neuen Phänomenologie sein Leben lang „das Ergreifende auf Begriffe zu bringen“.
„Man erwäge doch, daß aus diesem Mangel (an Beachtung des Leibes) sich fast alle leiblichen und seelischen Gebrechen der einzelnen ableiten: nicht zu wissen, was uns förderlich, was uns schädlich ist, in der Einrichtung der Lebensweise, Verteilung des Tages, Zeit und Auswahl des Verkehres, in Beruf und Muße, Befehlen und Gehorchen, Natur- und Kunstempfinden, Essen, Schlafen und Nachdenken; im Kleinsten und Alltäglichsten unwissend zu
sein und keine scharfen Augen zu haben — das ist es, was die Erde für so viele zu einer» Wiese des Unheils «macht. (Nietzsche: „Der Wanderer und sein Schatten“)
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Ja, der Schatten verfolgt den Wanderer in den verschiedensten Formen. Beim Fotografieren stört der Schatten aber oft, als sollte die Beobachtung individuell bleiben und nicht publik gemacht werden.
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Metaphysik … auf deine Art inspirierend und unphilosophisch. So lese ich dich … schaue deine Fotografien. Das sgnt. Kleine im letztendlich unerklärlich ganz Großem entdecken und erkennen und auch vice versa … auch im elementaren Zusammenspiel eines Augenblicks in die Natur unser aller Selbste. Herzlichen Dank dafür. Mehr als nur aufschlußreich oder spannend sind deine Zeilen/Fotos … ist deine Sicht in die Physik. Du erzeugst/schaffst Wissen auf *eine mehr als nur interessante Art und Weise …. so manche meiner AHA’s/ Heurekas oder wie auch immer ich das benenne, bewirken bewegende Bilder in denen deine Worte so lange tanzen bis nur noch *dein Bild unursächlich verbleibt. Elementare Grüße Dir 😉 NowHere
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Vielen Dank! Es freut mich natürlich, wenn meine kleinen Beobachtungen Gefallen finden. Auch dir schöne Grüße!
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meine Wenigkeit grüßt zurück 😉 wächst beobachtend an deiner großartigen Art
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🙂
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Eine mini-nature Zaubershow! Wunderschön 😃
Herzlichen Dank.
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Vielen Dank!
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