Laservermessung des Flammenschattens
Wilfried Suhr, H. Joachim Schlichting. Physik in unserer Zeit 53/1 (2022), S. 65 – 69
Eine im Sonnenlicht stehende, brennende Kerze wirft auf eine dahinter befindliche weiße Wand ein Lichtmuster, in dem kaustikähnliche Aufhellungen zu sehen sind. Die Abhängigkeit des Brechungsindexes von der Temperatur und der Stoffzusammensetzung erweisen sich als Ursachen dieses Phänomens.
In der dunklen Jahreszeit helfen Kerzen, die Stimmung
etwas aufzuhellen. Steht eine brennende Kerze auf der
Fensterbank, so kann es vorkommen, dass das Licht der
tiefstehenden Sonne den Schatten der Kerze auf die innere Fensterleibung wirft. In einem solchen Fall lohnt es sich, genau hinzuschauen. Denn auf der weißen Wand erkennt man nicht nur den Schatten der Kerze und eines Teils der Flamme, sondern zu beiden Seiten der Flamme ein von der Brennschüssel ausgehendes und sich nach oben erstreckendes langes helles Band (Abbildung 1). Dieses ist noch heller als die im direkten Sonnenlicht liegende Wand. Demgegenüber erscheint der innerhalb dieser Lichtbänder liegende
Bereich etwas dunkler. Oberhalb des Dochts befindet sich ein Schatten der eigentlichen Kerzenflamme, der allerdings deutlich schlanker als diese ist und nur durch die Leuchtzone der Flamme hervorgerufen wird (Abbildung 2, Bereich II links). Bei genauerer Betrachtung entdeckt man oberhalb des Dochts auch noch einen kleinen Lichtfleck, der wie die Lichtbänder heller ist als die direkt von der Sonne beschienene Wand. Im Folgenden gehen wir insbesondere diesen Aufhellungen im projizierten Lichtmuster der Kerze nach, die auf eine Zunahme der Lichtintensität hinweisen. Abgesehen von Streuvorgängen breitet sich das Sonnenlicht in homogener Luft von konstanter Temperatur geradlinig aus. Sobald jedoch Temperaturunterschiede auftreten, wird das Licht gebrochen. Das kann zu erstaunlichen Phänomenen
führen wie etwa Luftspiegelungen über einer aufgeheizten Straße. Wenn aber bereits solche verhältnismäßig moderaten Temperaturunterschiede in der Luft derart auffällige Auswirkungen auf das Verhalten des Lichts haben, sind Brechungserscheinungen im Zusammenhang mit einer brennenden Kerze geradezu zu erwarten. Denn bei letzterer sind noch wesentlich größere Temperaturunterschiede
im Spiel. Außerdem ändert sich durch die Verbrennung von Kerzenwachs die stoffliche Zusammensetzung
der Gase, was ebenfalls das Brechungsverhalten des Lichts beeinflusst…
weiterlesen: Der facettenreiche Schatten einer Kerzenflamme
Zusammenfassung
Bei der Projektion einer brennenden Kerze auf eine helle Wand wird das durch die Flamme und Abgasfahne der Kerze gehende Licht in unterschiedlicher Weise aus seiner ursprünglichen Richtung abgelenkt. Als Ursache dafür erweisen sich die infolge der Verbrennung auftretenden großen Temperaturdifferenzen und die damit einhergehenden Änderungen des Brechungsindexes sowie der hohe Brechungsindex des entstehenden Wachsdampfes im Flammenkern. Mit Hilfe von experimentellen und theoretischen Untersuchungen gelingt es, im Rahmen der Strahlenoptik von der beobachtbaren Lichtablenkung auf die Verteilung des Brechungsindexes in diesem Bereich zu schließen.
Der ausschließlich naive Blick in den Schein ist für immer verschlossen. Schweigend geh ich duch die Gassen alles sieht so entschlüsselt aus.
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Ich denke, dass auch für den „naiven“ Blick die Feststellung, dass die Kerzenflamme nicht nur eigenes Licht ausstrahlt, sondern auch fremdes Licht auf subtile Weise fokussiert, durchaus erstaunlich sein kann.
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Der helle Fleck rührt also von der Brechung des Lichts durch unverbranntes Material her.
In der Kosmologie setzt man wohl ähnliche Erkenntnisse ein, um sagen zu können, was sich auf fremden Sternen so abspielt.
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Ja, und die Brechung führt zu einer einer Art Fokussierung des Lichts, wodurch es im Schattenbereich an dieser Stelle etwas heller wird.
Was die Kosmologie betrifft, so denkst du vermutlich an Gravitationslinsen.
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