
Auf einer Exkursion besuchten wir eine Ausgrabungsstätte mit den Überresten einer vergangenen Kultur. Es waren flache Holzkästen mit einem gläsernen Deckel aufgestellt, durch den hindurch man einen erklärenden Text lesen konnte. In einigen Kästen waren die Texte bereits so vergilbt, dass man den Schwierigkeiten hatte ihm bedeutungsvolle Informationen zu entnehmen. Und in einem Kasten war bereits der Text ganz verschwunden – es sei denn, man macht sich daran, die stattdessen auf dem nackten Boden des Kastens abgebildeten Hieroglyphen zu entziffern (siehe Foto).
Was immer sie aussagen mögen, ihr Ursprung ist jedenfalls ein ganz natürlicher. Unter der Scheibe hingen einige Kondenswassertropfen, denen die heiße Sonne gerade den Garaus machte. Das heizte den Kasten auf, sodass die Tropfen allmählich verdampften. Sicherlich würden sie in der nächsten Nacht in anderer Konstellation zurückkommen, wenn sich ein Teil des Wasserdampfes erneut an der abgekühlten Scheibe verflüssigte und vielleicht andere Botschaften darstellte.
Aber die Sonne macht noch etwas anderes. Sie bildete die Tropfen auf dem Boden des Kastens ab. Da diese optisch so etwas wie deformierte Linsen darstellen, bricht sich in ihnen das Licht mit der Folge, dass es den Krümmungen der Tropfen entsprechend abgelenkt wird. Auf diese Weise wird Licht an bestimmten Stellen gesammelt und macht sich als Brennflecken, sogenannten Kaustiken, bemerkbar. Zwangsläufig fehlt dann an anderen Stellen Licht und es entstehen lichtfreie Stellen – Schatten.
Mir ist es also nur gelungen diese Hieroglyphen physikalisch zu entziffern und mich ihrer Naturschönheit zu erfreuen.
Letzthin wurde diskutiert, wie lange man Botschaften haltbar machen könnte.
Soweit ich weiß, gibt es da ein Problem mit mehr als einer Million Jahren.
Die Hoffnung ist natürlich , daß irgendwann, wenn es intelligente Lebewesen in ferner, ferner Zukunft geben sollte, diese Botschaften entziffert werden können und zudem auch nicht auf bodenlos Lapidares zu stossen sein wird.
Wenn dem doch so sein sollte, dann sollten sich die neuen Granten nicht wundern: Vielleicht war da auch im Ganzen (was immer das auch sei) nichts Substantielles dabei.
Der Kopf der ehemaligen ein riesengroßer, mit einem verdammt großen Sack an Ideen, und dennoch nur verschüttete Milch.
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Die Haltbarmachung ist ein schwieriges Problem. Selbst in der von lebenden Menschen überschaubaren Zeit gibt es bereits Probleme: So kann ich meine alten Disketten schon lange nicht mehr lesen, weil es keine „Abspielmöglichkeiten“ mehr gibt. Ganz abgesehen davon, dass ich gar nicht weiß, ob die Information überhaupt noch lesbar ist. Der Schriftsteller Niccholson Baker hat schon vor Jahren in seinem Buch „Der Eckenknick“ auf die Vernichtung von erhaltenswerten Büchern etc. durch Digitalisierung hingewiesen. Im Falle einer Krise ist Materielles und sei es nur auf Papier gedrucktes (man denke an die Papyrusrollen, die uns heute noch Informationen bieten) wesentlich sicherer als Elektronisches, das leicht ohne großen Aufwand gelöscht werden kann… Aber das ist ein weites Feld.
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„Vernichtung durch Digitalisierung“, an so etwas hatte ja keiner gedacht. 😉
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Ist es nicht oft so, dass man bei auf den ersten Blick sehr überzeugenden Neuerungen den Pferdefuß nicht sieht? 😉
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Das ist bei Plastik so und bei der Kernkraft.
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Ja, leider!
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Sehr sehr bitter!
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😦
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„Mir ist es also nur gelungen…“ Was heißt hier „nur“? Dir ist die Wiedergabe wundervoller Naturhieroglyphen gelungen.
Die Digitalisierung von Texten ist, wenn das Original abhanden kommt, in der Tat eine sehr unsichere Aufbewahrungsweise. Andererseits ist sie aber doch eine Extra-Sicherung, falls mal wieder Feuer alles vernichtet wie damals, als die Alexandrinische Bibliothek in Flammen aufging, oder aber auch heute, wenn die Zensur wieder Bücher verbrennt. (Ich las grad Oskar Maria Grafs: „Ich verlange, verbrannt zu werden“).
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Da gebe ich dir vollkommen recht. Das Problem ist nur, dass viele Bibliotheken ihre Papier-Originale vernichten, um Platz zu schaffen. Um Wenn man die Digitalisierung zusätzlich vornimmt, ist sie natürlich ein Gewinn, von dem ich seit einigen Jahren profitiere, indem ich von meinem Computer aus Texte lesen kann, die in früheren Zeiten praktisch unzugänglich waren.
Oskar Maria Graf habe ich früher einmal auf Formentera gelesen, weil wir im Haus eines schweizer Schriftstellers wohnten, der einige Werke von Graf besaß.
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BOLWIESER – ich sah nur die Verfilmung von Fassbinder, aber WAS für ein Film! Für mich der beste Film (Zweiteiler!) von Fassbinder und ein Ausrufezeichen für Graf.
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Ja, ich erinnere mich, das war in den frühen Siebziger Jahren, meine letzten Jahre in Hamburg. Fritz Raddatz einer meiner damals geschätzten Literaturkritiker (weil er m.E. so gut reden konnte) hatte den Film sehr gut besprochen. 🙂
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Kurt Raab spielte die Hauptrolle – besser geht es nicht.
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Ja, damals gab es noch Themen und richtiges Kino… 😉
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