Man kann es nicht übersehen, die beiden Heftzwecken zeigen eine deutliche Zuneigung zueinander und das in einer äußerst ungewöhnlichen Situation. Denn sie hocken beide auf dem Wasser und das in einer Mulde.
Ist das nicht merkwürdig? Die Heftzwecken bestehen aus Eisenblech. Eisen hat eine größere Dichte als Wasser und müsste untergehen. Außerdem hat Wasser schwerkraftsbedingt eine ebene, glatte Oberfläche – zumindest, wenn kein Wind weht. Hier aber ist es durch die schweren Heftzwecken deutlich eingedellt.
Noch kurioser wird es, wenn wir in nicht allzu großer Entfernung von der einsamen Zwecke eine Zweite zu Wasser lassen. Die Zwecken bewegen sich aufeinander zu mitsamt ihrer Delle und vereinigen sich, wie man es auf dem Foto sieht – mit offensichtlicher Zuneigung. Das traute Glück lässt sich jedoch leicht stören. Ein paar Tropfen Spüli und ab gehts auf den Grund des Gewässers.
Darüber kann man sich freuen und vielleicht auch wundern. Aber man kann auch versuchen es zu verstehen, indem man den Zwecken zunächst einmal jegliche Art eigener Entscheidungen abspricht und damit physikalisch wird. Bei der Beschreibung haben wir nämlich eines außer Acht gelassen. Die Wasseroberfläche wird nicht nur durch die Schwerkraft bestimmt, sondern auch durch die Oberflächenspannung. Diese äußert sich anschaulich gesprochen darin, dass Wasser so etwas wie ein feines Häutchen hat. Das spielt zwar im großen und ganzen kaum eine Rolle, aber wenn man in kleinerer Dimension von Heftzweckgröße wandelt, macht sich das Häutchen deutlich bemerkbar.
Um eine Heftzwecke auf dem Wasser zu platzieren, muss man es ganz vorsichtig am Dorn fassend auf dem Wasser platzieren. Dann geht es seiner größeren Dichte entsprechend ein wenig unter aber ohne die Oberfläche zu durchstoßen. Denn durch die Eindellung des Wassers wird die Wasseroberfläche vergrößert. Dazu ist aber Oberflächenenergie nötig. Da die Natur unter den gegebenen Bedingungen geneigt ist, soviel wie möglich Energie an die Umgebung abzugeben und daher in diesem Fall die Oberflächenenergie so klein wie möglich zu halten, wird eine rückwirkende Oberflächenkraft aktiviert, die die Gewichtskraft der Zwecke ausgleicht. Das geht natürlich nur in einem ganz engen Rahmen. Ein Eurostück würde man so nicht zum „schwimmen“ bringen.
Die zweite Heftzwecke verhält sich wie die erste. Auch sie dellt die Wasseroberfläche gegen die Minimierungstendenz der Oberflächenenergie ein. Sobald die beiden Dellen sich nahe genug kommen, bewegen sie sich aufeinander zu und formen eine gemeinsame Delle. Die Dehnung der Wasseroberfläche durch diese Summendelle ist kleiner als die beiden einzelnen. Auf diese Weise kann Oberflächenenergie gespart, d.h. an die Umgebung abgegeben werden. Und genau das passiert hier.
Wenn man die Oberflächenspannung durch ein paar Tropfen Spülmittel vermindert, reicht die rückwirkende Kraft nicht mehr aus. Also das Phänomen ist in der Tat merkwürdig, aber nur im ursprünglichen Wortsinn – würdig gemerkt zu weren.
Schon witzig. Wo haben sie das nur gelernt? In der Reisszweckenschwimmschule
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Im Oberflächen-Land von Flüssigkeit tummeln sich wahrlich die merkwürdigsten Geschöpfe. Es lohnt sich sie und ihre Verhaltensweisen genauer unter die Lupe zu nehmen…
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🤣🤣🤣
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🙂
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Und das Ganze ergibt noch so ein unglaublich schönes Foto aus sanften Blautönen, weichen Linien und knackscharfem Metall.
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Ich gebe zu, dass die diskrete Ästhetik den Ausschlag gab, dies Foto zu zeigen. Danke für deine zutreffende Beschreibung,.,.
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Das sieht wirklich ganz besonders aus – fast ein bisschen unwirklich 😉
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Das „Unwirklich“ kannst du leicht widerlegen, wenn du das „Experiment“ selbst durchführst: Heftzwecken, eine Pinzette, mit der man sie nacheinander vorsichtig auf das Wasser setzt, ist alles was man braucht… 🙂
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Heftzwecken habe ich leider nicht und der Versuch, das ganze mit Stecknadeln nachzuempfinden ist gerade gnadenlos gescheitert… 😉
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Schade, mit Stecknadeln müsste es nämlich auch gehen, wenngleich es etwas schwieriger ist. Wenn man die Stecknadel auf einen kleinen Fetzen Zeitungspapier legt und diesen dann vorsichtig (z.B. mit einer Gabel) auf die Wasseroberfläche platziert, indem – nachdem das Papier mit der Nadel schwimmt – die Gabel vorsichtig nach unten wegzieht, könnte es vielleicht gelingen. Denn das Papier saugt sich mit Wasser voll und sinkt dann ab. Die Nadel bliebe dann – hoffentlich- auf der Wasseroberfläche… 🙂
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so, ich habe es jetzt nochmal mit anderen Stecknadeln probiert und mit deinem Gabel-Tipp. Und: es funktioniert :-))) Die beiden Stecknadeln finden sich auch sofort, wie magnetisch!
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Auf die ruhige Hand kommt es an – wie hier so auch in anderen Bereichen 🙂
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Das Papier habe ich tatsächlich gar nicht gebraucht. Nur eine ruhige Hand 🙂
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Super!
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Aber WAS treibt sie aufeinander zu? Sie müssen ja als Isolani irgendeine Information bekommen, daß dort, in der Mitte, zu zweien, die Oberflächenenergie insgesamt minimal werden wird..
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Ganz anschaulich gesprochen gleiten die Heftzwecken in die von der jeweils anderen hervorgerufene Vertiefung, die ein Stück weit über die direkt sichtbare Mulde hinausreicht. Wenn sie zu weit voneinander entfernt sind, bleiben sie dort wo sie sind und verhalten sich wie ein Isolani.
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Dann fand mein Versuch in einer zu kleinen Schale statt. Denn bei mir gingen sie immer aufeinander los.
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Ja, das wird der Grund gewesen sein. Es freut mich, dass du es nachgemacht hast. 🙂
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Verständlich ist mir das aufeinander zutreiben dennoch nicht. Denn beide reisszwecke liegen ja tiefer als der Ort, wo sie sich dann vereinen werden, meist in der Mitte zwischen den Startplätzen.
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Du musst Mulde und Zwecke als Einheit sehen. Das kann man auch sehen, wenn man sie in einer einiger Entfernung voneinander platziert und dann schaut, wie sich die Mulden mit den darin befindlichen Zwecken aufeinander zubewegen.
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Ja schon, aber die gegnerische Mulde als Vertiefung lockt doch nicht – wie etwa eine schiefe Ebene, der ich hinunterrrolle.
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Klar, die bewegen sich beide aufeinander zu und bilden schließlich EINE Mulde. Was „lockt“ ist wieder die Minimierung der Oberflächenenergie. Zwei einzelne Mulden haben eine größere Oberfläche als die Summe aus beiden. (Genauso wie zwei Seifenblasen auf dem Wasser, die einander nahekommen und sich vereinigen. Vereinigt haben sie eine kleinere Oberfläche als einzeln). Und da die Oberflächenenergie proportional zur Größe der Oberfläche ist, kann durch die Vereinigung Energie an die Umgebung abgegeben werden.
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Das hatte ich ja verstanden.
Aber dass diese Aussicht auf Optimierung Antrieb allein sein kann, ist für den Laien befremdend.
Das wirkt ja wie eine Intelligenz!
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Jeder VON SELBST ablaufende Vorgang (z.B. Dachziegel fällt herunter, Kerze brennt ab, heißes Wasser kühlt sich ab…) ist irreversibel (läuft nicht von selbst wieder zurück). Bei allen wird Energie an die Umgebung abgegeben. Dies ist in der Tat der Antrieb allen Geschehens. So kann beispielsweise eine abbrennende Kerze Wasser erwärmen und die Abkühlung zurückspulen.
Ich gebe zu, dass das alles kompliziert – weil ungewohnt – wirkt. Ist es aber eigentlich nicht.
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Ule Rolff hat es gut beschrieben, weich und knackscharf…
Überhaupt machen diese geschilderten Phänomene viel mehr Spaß als schulischer Physikunterricht es je gemacht hat. Obwohl wir teilweise engagierte und für das Fach sich begeisternde Lehrer hatten…
Danke.
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Du hast Recht. Solange der Physikunterricht in einem eigenen Raum mit Geräten befasst ist, die eigens dazu gemacht wurden, Physik zu treiben und ansonsten keine Berührpunkte mit der Welt und den Lernenden haben, bleibt er das unbeliebteste Fach.
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Wahrlich eine wunderbare Vereinigung von Prinzipien und Ästhetik.😀
Physik als Kunstschöpfer .
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Danke! Die Ästhetik lässt sich noch steigern, wenn man mit eine Pinzette einzelne Heftzwecken anhebt und noch etwas weiter in das Wasser drückt.
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Das mag man sich schon garnicht mehr vorstellen 😉
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Wenn ich mal wieder etwas mehr Zeit habe, versuche ich mal ein Video davon zu machen.
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