
Vor einigen Tagen hat mir Claudia Hinz diese schöne Aufnahme von einer Sitzbank geschickt. Der Anblick stimmt uns sofort auf den (vielleicht) bevorstehenden Winter ein, insbesondere dann wenn man sich auf diese Bank setzt. Ich würde das allerdings nicht empfehlen. Zwar sind die Eisstacheln relativ harmlos, sie schmelzen sofort dahin, sobald ein warmer Hintern die dazu nötige Schmelzwärme liefert. Aber genau das ist das Problem. Denn vermutlich würde die Wärmeabgabe, die zum Schmelzen (also der Überführung der Eiskristalle in Wasser) nötig ist, einen drastischen Eingriff ins Wohlbefinden dieses empfindlichen Körperteils führen, zumal das entstandene Wasser zumindest normale Textilien durchtränkt und auf diese Weise die Wärmeleitung zusätzlich „befeuert“. Wenigstens im Prinzip, wie Physiker oft zu sagen pflegen.
Außerdem – und das scheint mir noch schlimmer zu sein – würde man ein seltenes, naturschönes Gebilde unwiderruflich zerstören und das auch noch mit dem Hintern. Welcher Kunstverständige könnte das schon mit seinem Gewissen vereinbaren.
Aber nun im Ernst: Wie kam es überhaupt zu diesem herausfordernden „Naturkunstwerk“?
Ich stelle es mir folgendermaßen vor: Die auf der Bank vorhandenen Regentropfen sind in der kalten Nacht zunächst gefroren, während sich an trockenen Stellen (Rau)reif bildete. Entscheidend ist dabei ja immer, dass Keime vorhanden sind, an denen der Wasserdampf kondensieren bzw. sublimieren (also direkt in Eis übergehen) kann. Die besten Keime sind normalerweise die Eiskristalle selbst, deswegen wachsen sie ja an den Stellen weiter, an denen der Anfang geglückt ist. Wurde den Wassertropfen bereits durch die eisige Verhärtung das innewohnende Verlangen (letzteres ist kein physikalischer Terminus) genommen, kugelförmig zu werden, so erinnert durch den üppigen Eishaarwuchs inzwischen nicht das geringste mehr daran, dass dieses Verlangen überhaupt einmal bestanden haben könnte. Es wäre also durchaus verständlich, dass den Tropfen deshalb die kristallinen Haare zu Berge stehen. 😉
. 😉
„Wenigstens im Prinzip, wie Physiker oft zu sagen pflegen.“
Das verstehe ich so, daß der Sitzende vorher abgeht. 😉
„Das Verlangen“, kugelförmig zu werden, ist allzeit vorhanden, wird aber in den allermeisten Fällen gestresst. Schon ein armer Tropf, dieser Tropfen.
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Bei den Menschen ist es oft umgekehrt, wenn sie sich dagegen wehren kugelförmig zu werden. Aber auch der Tropfen hat es nicht leicht, weil er auf dieser unvollkommenen Welt sein Ziel fast nie erreicht. Aber er hat es vor Augen (die oft nur Reflexe der Sonne sind 😉
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Ernst, Humor, Kunst und Wissenschaft, – worauf soll man eingehen? Ohne Kommentar darf das doch nicht bleiben. Zumindest läd diese Bank nicht zum Sitzen ein, und wer möchte schon ein Kunstwerk zerstören?
Wissenschaftlich – und spaßig zugleich. Sollen doch anderen „die Haare zu Berge stehen“.
Der Rauhreif jedoch macht es ja vor: Wie sich Eiskristall an Eiskristall fügt, bis wahre Wunderwerke entstehen!
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Danke für diese kleine Rezension! 😉
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Personifizierende Physik – hast du da ein neues literarisches Genre erfunden, Joachim? Großes Lesevergnügen!
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Ja, manchmal verleitet es mich dazu, etwas über die Stränge zu schlagen. Bei der Bank kommen persönliche Erfahrungen hinzu, als ich mir vor Jahren wirklich mal einen nassen Hintern geholt habe.
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Ein herrlicher Text, vielen Dank dafür!!!
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Und vor allem ein tolles Foto! Dafür danke ich 🙂
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