Hier bildet ein Fenster ein gegenüberliegendes zweites Fenster durch spiegelnde Reflexion ab. Allerdings tut es das nicht so wie man es von einer ordentlichen Spiegelung erwarten würde. In den gespiegelten Bruchstücken ist kaum das Abbild eines normalen Fensters zu erkennen. Vielmehr wird es total verzerrt dargestellt, obwohl man dem spiegelnden Fenster keine entsprechenden „Anomalien“ ansieht. Sie sind aber da. Denn es handelt sich um ein doppelt verglastes Fenster, das offenbar geringe Deformationen aufweist, die man allerdings ohne diese Abbildung kaum erkennen würde.
Die Deformationen – eine der Scheiben ist nach innen, die andere nach außen gewölbt – kommen dadurch zustande, dass im luftdicht abgeschlossenen Hohlraum zwischen den beiden Scheiben ein Über- oder ein Unterdruck herrscht.
Da die Spiegelung an der hinteren Scheibe stets etwas lichtschwächer ist, weil bereits ein Teil des Lichts an der vorderen Scheibe reflektiert wurde, kann man einen Unterschied in der Helligkeit des gespiegelten gegenüberliegenden Fensters erkennen. Demnach fungieren die vorderen Scheiben als Wölbspiegel, die hinteren als Hohlspiegel.
Daraus lässt sich wiederum schließen, dass zwischen den beiden Scheiben ein größerer Luftdruck als der natürliche äußere Luftdruck herrscht. Und das setzt voraus, dass zum Zeitpunkt der Herstellung des Fensters ein größerer Außendruck vorhanden war als zum Zeitpunkt dieser Fotografie. Daraus folgt entweder, dass der Herstellungsort tiefer gelegen war als das Fenster (höherer Luftdruck). Oder aber zum Zeitpunkt der Aufnahme herrschte wetterbedingt ein sehr niedriger Luftdruck. Auf diese Weise kann ein Fenster eine ganze Geschichte „erzählen“, man muss nur genau hinhören – pardon: hinschauen.
Habe ich das Bild jetzt physikalisch entzaubert? Sicher nicht, denn die zauberhafte Struktur bleibt erhalten. Vielleicht, so denke ich manchmal, wird sie durch die Beschreibung überhaupt erst bemerkt und dadurch bemerkenswert. Ich spreche in solchen Zusammenhängen gerne von einer Wiederverzauberung…
Nein, Joachim, du hast das Bild nicht entzaubert. Bei mir im Kopf ist das interessante Physikalische vom Mythischen getrennt. Ich kann gut glauben, hinter dem Fenster die weißen Schleier der Feen des kommenden Frühlings zu sehen.
Komme gut durch das Wochenende, LG von Susanne
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Danke, liebe Susanne. Jetzt sehe ich auch die Feen, wie sie eine nach der anderen durch die Scheiben schweben, als wäre die Materie nichts und damit steht einem zauberhaften Frühling wirklich nichts mehr im Wege.
Liebe Grüße, Joachim.
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Das ist ja wirklich merkwürdig und bemerkenswert. Viele Spiegelungen fielen mir schon auf, aber so etwas sah ich noch nie. In der Beschreibung wird es ja erklärt. Aber entzaubert ist es damit noch nicht ganz. Fällt ein Teil der Spiegelung (links) auf die Wand anstatt in das doppelverglaste Fenster?
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Nein, links blickt man schräg durch die groben Fugen der Steine auf die Scheibe. Spiegelungen sieht man wirklich nur auf bzw. in den Scheiben.
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Du entdeckst so etwas.
Ich mag das ein wenig vergleichen mit meinem Blick auf die Blätter eines x-beliebigen Strauchs. Dass ich dort etwas finden werde, nach und nach, das ist ausgemacht. Man muss nur insistierend stieren.
Dass Glas verformbar ist, ist auch nicht bekannt. Man erkennt diesen Sachverhalt durch solch Phänomene.
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Manchmal wundere ich mich selbst, dass mir beim Flanieren durch die Straßen so etwas auffällt. Denn normalerweise habe ich ja meinen Blick auf die Straße und Passanten gerichtet. Aber irgendwie fasst mich dann gewissermaßen aus dem Augenwinkel so etwas an. Die Geschichte entsteht dann in der Betrachtung.
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Danke. Die Steine der Mauer springen also vor. Dahinter ist die spiegelnde Scheibe links z.T. verdeckt.
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Genau. Ein zusätzlicher Reiz des Fotos entsteht daraus, dass man das nicht sofort durchschaut. 😉
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😊
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