Nichts erscheint in solchem Maße vegetabilisch; nicht einmal, wo sie doch die Durchpausung wirklicher Pflanzen verewigen, die Spuren des Farns in der Steinkohle, der Meerlilie im Schiefer. Und trotzdem sind die Dendriten nie lebendig gewesen. Niemals bewässerte auch nur ein Tröpfchen ihre verzweigten Spitzengewebe, niemals schwärmten Samen aus geheimen Quersäcken in ihnen hoch, um sie ringsum zu vermehren. Ihr zartes Laubwerk wurde von einer blinden Kristallisation toter Stoffe, metallischer Oxyde in den Stein eingeschrieben. Doch ihre Büschel, ihr Gezweig erblühen so wunderbar, daß sich der Uneingeweihte mit Sicherheit darüber täuscht. Nur mit Mühe kann man ihn über seinen Irrtum aufklären.
Vorspiegelung sicherlich diese Salze, die das Pflanzlich so vollkommen simulieren, wobei sie allesamt dem Leben und dem Verderben enthoben sind. Trotzdem kann ich mich nicht der Überzeugung erwehren, daß diese falschen Farne, die mit der Pflanze nur das Aussehen gemeinsam haben und einer Welt angehören, die mit der ihrigen unvereinbar ist, auf ihre Weise den Geist belehren, daß es weit umfassendere Gesetzmäßigkeiten gibt, die gleichzeitig das Unbelebte wie das Belebte regieren. *
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Caillois, Roger: Steine. München: Hanser 1983, S. 30f.
Es gibt wohl sicher so etwas wie ein Arsenal, aus dem sich Natur bedient. Ganz frei sind Formen nicht.
Indiz dafür waren Schwebfliegen und Wespen in Kreta , die ganz gelegentlich etwas von einheimischen Formen und Farbstrukturen abwichen, aber offenbar in geordneter „Spielvariante „.
Aber sicher davon reden könnte ich nur, wenn ich alle Dschungel der Welt kennen würde. 😀
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Wir sind natürlich in manchen Gebieten, die wir hier ansprechen Dilettanten und gehen weitgehend mit dem gesunden Menschenverstand an die Dinge heran. Oft ist es – zumindest bei mir – nur die Ästhetik, die mich fasziniert. Spezialistenwissen darf man nicht erwarten. Aber auch hier die Frage: Wer kennt schon alle Dschungel der Welt?
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Kennt man nicht.
Es wird ja auch spekuliert, daß es Zonen im Weltraum gäbe, ausserhalb der Lichtschranke, für die andere Physikalische Gesetzte gelten könnten.
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Diese Spekulation kann man à priori nicht ablehnen.
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Das ist einfach großartig in Bild und Worten! Dies Geheimnis gilt es wohl weiter zu entschlüsseln.
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Das stimmt. Roger Caillois unternimmt einen Zugang zu den Steinen, der von ästhetischen, poetischen und wissenschaftlichen Motiven geleitet wird. Das gefällt mir weil bei unvoreingenommener Betrachtung alle diese Aspekte zum Klingen gebracht werden.
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Das volle Klingen!
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So ist es.
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Ja, das ist gut gesagt.
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🙂
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Klasse! Ich habe eine Palme zu bieten 🙂

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Sehr schön, deine Aufnahme. Die Eiskristalle klappern wohl alle möglichen und unmöglichen Pflanzen ab. Leider wird es bei uns ab jegtzt wohl weniger. 😉
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