//
Physik im Alltag und Naturphänomene, Physikalisches Spielzeug & Freihandversuche

Wie man Seifenblasen am Platzen hindert

Vorboten des Platzens: Die runden, dunklen Bereiche gehen teilweise von Keimen aus und werden immer größer. Sie kennzeichnen Stellen, die dünner sind als die Wellenlängen des sichtbaren Lichts.

Die Dauer – eine noch einzuführende Wissenschaft

Paul Valéry (1871 – 1945)

Die schillernden Kugeln üben eine große Faszination aus: wegen ihrer Farbspiele, aber auch ihrer meist sehr kurzen Lebensdauer. Doch diese lässt sich mit ein paar Tricks auf über ein Jahr verlängern!

Wenn man sagt, Träume zerplatzen wie Seifenblasen, wird die Vergänglichkeit dieser fragilen Objekte sprichwörtlich. Bei den menschlichen Bemühungen, Träume wahr werden zu lassen und Seifenblasen ein längeres Leben einzuhauchen, gibt es zumindest beim letzteren Punkt bemerkenswerte Fortschritte.

Physikalisch gesehen ist eine Seifenblase ein kugelförmiger Flüssigkeitsfilm, der mit einem Gas gefüllt ist, normalerweise Luft. Wie man an den prachtvollen Interferenzfarben direkt erkennen kann, ist die Wand einer solchen Blase äußerst dünn. Denn das bunte Schillern bedeutet, dass bei den Lichtwellen, die an der Außen- und Innenseite des Films reflektiert werden und sich dann überlagern, einzelne Farben ausgelöscht und andere verstärkt werden. Das ist aber nur bei einer Wanddicke möglich, die in der Größenordnung der Wellenlängen des sichtbaren Lichts liegt, also unterhalb eines tausendstel Millimeters.

Auf die filigrane Seifenhaut wirkt gleich nach ihrer Entstehung die Schwerkraft ein. Infolgedessen rinnt Flüssigkeit auf Grund ihres eigenen Gewichts langsam die Wand hinunter. Dadurch wird diese im oberen Bereich immer dünner. Zuweilen zeigt sich die Umverteilung an einem wachsenden Tropfen am unteren Ende.

Die Beobachtung, dass die Erdanziehung die Lebensdauer der Blasen maßgeblich verkürzt, wird durch Experimente in der internationalen Raumstation ISS untermauert. In der dortigen Schwerelosigkeit existieren die Gebilde länger als bei ansonsten vergleichbaren Bedingungen auf der Erde.

Interferenzringe: Bei einer Seifenblase auf einem feuchten Blatt weisen kreisförmige Farbverläufe darauf hin, wie sich die Seifenhaut nach oben hin durch die Schwerkraft zunehmend verdünnt hat.

Zusätzlich zur Gravitation setzen den Seifenblasen weitere Vorgänge zu. So verdunstet mehr oder weniger Flüssigkeit aus der Wand, je nach den herrschenden meteorologischen Bedingungen. Bei hoher Luftfeuchte halten sich die Blasen länger als bei strahlendem Sonnenschein. Die lebensverlängernde Wirkung lässt sich bei Nieselwetter besonders gut beobachten. Nicht nur nimmt die Verdunstungsrate ab – vermutlich werden sogar die Wasserdampfverluste durch auftreffende winzige Wassertröpfchen teilweise kompensiert.

Die Blase ist außerdem äußeren Störungen unterworfen, beispielsweise durch Luftbewegungen. Diese lassen die Wandstärke schwanken und provozieren Ausgleichsströmungen, die in schillernden Schlieren ihren sichtbaren Ausdruck finden. Wenn das die Blase nicht schon vorher hat platzen lassen, beobachtet man gegen Ende ihrer Lebenszeit, wie von oben beginnend die Farben sukzessive verschwinden. Dann ist die Filmdicke geringer als die Wellenlängen des sichtbaren Lichts, und unterhalb von einigen zehn Nanometern steht das Ende der Blase unmittelbar bevor.

Die unmittelbarste Bedrohung der schwebenden Sphären ist eine äußere Berührung, sei es von Staub oder durch die Hand eines spielenden Kindes. Solche Kontakte fungieren als so genannte Nukleationskeime, die oft rasend schnell zu einem Loch in der Blase und somit zum Platzen führen. Manchmal genügen bereits Inhomogenitäten der Seifenkonzentration als Auslöser. Berührungen erfolgen in vielen Fällen mit benetzbaren (hydrophilen) Gegenständen. Sie entziehen der dünnen Wand punktuell sehr viel Flüssigkeit, die nicht schnell genug durch Ausgleichsströmungen ersetzt werden kann. Das muss nicht immer so sein: Auf regennassen Blättern bleiben Seifenblasen liegen, ohne zu zerspringen.

Unterschiedliche Maßnahmen können das Leben der Gebilde verlängern. Straßenkünstler haben sich Rezepte für Seifenblasen erarbeitet, die zumindest einige Minuten überstehen. Solche Erfolge haben Aymeric Roux, Alexis Duchesne und Michael Baudoin von der Université Lille im Jahr 2022 allerdings weit in den Schatten gestellt: Den drei französischen Physikern gelang es, Blasen mit einer Lebensdauer von bis zu 465 Tagen herzustellen.

Farbverläufe: Infolge lokal variierender Verdunstungsraten entstehen Ausgleichsströmungen auf der Blase. Das sorgt für unterschiedliche Wandstärken, die als bunte Schlieren zum Ausdruck kommen

Dabei haben die Forscher die destruktiven Prozesse in der Seifenblase systematisch beseitigt. Sie unterbanden ein Herunterrinnen der Flüssigkeit in der Wand, indem sie der Lauge winzige Plastikteilchen mit einem Durchmesser von etwa einem zehntel Millimeter zufügten. Die hydrophilen Partikel umgeben sich mit der Flüssigkeit und werden von dieser mit in die Kugelform gezwungen. Der Effekt ähnelt dem Verhalten von trockenen Sandkörnern, die durch Zugabe von Wasser zu dauerhaften Sandburgen gestaltet werden können: Dort hält die Feuchtigkeit die Körner in Form, und der Sand hindert durch seine Hydrophilie das Wasser am Abfließen. Bei der Blase verfestigen die Kügelchen zudem das Gebilde und machen es unempfindlich gegen Berührungen und andere Quellen von Nukleationskeimen.

Wie man aber von einer Sandburg weiß, verhindert die Bindung des Wassers an den Körnern nicht dessen Verdunstung. Jedes Strandkunstwerk zerfällt irgendwann, wenn man den Sand nicht ständig befeuchtet.

Um dem Wasserverlust in den Blasen vorzubeugen, haben die Forscher ihrer Mixtur Glyzerin zugegeben. Dabei handelt es sich um eine hygroskopische Substanz, das heißt, sie kann Wasserdampfmoleküle aus der Umgebung aufnehmen und damit der Verdunstung entgegenwirken. Das funktioniert umso effektiver, je größer die Dampfkonzentration in der umgebenden Luft ist. Durch eine passende Dosierung sorgte das Team für Ausgewogenheit zwischen dem Wasserverlust durch Verdunstung und der Absorption durch das Glyzerin in der Wand. Damit konnte die Blase nicht mehr austrocknen.

Die verschiedenen Komponenten und Vorgänge in den dergestalt präparierten Blasen waren so gut ausbalanciert, dass ein Exemplar 465 Tage durchhielt. Der Rekord steht allerdings in einem ernüchternden Kontrast zu den Eigenschaften, die wir gemeinhin mit einer Seifenblase verbinden – sie alle fehlten hier. Weder schwebte die Sphäre, noch spiegelte sie oder schillerte farbenprächtig, sondern sie lag auf dem Untergrund wie die weißliche Kuppel einer Radarstation. Am Schluss platzte sie nicht spektakulär, sondern fiel kraftlos in sich zusammen. Dazu, woran sie schließlich doch noch zu Grunde gegangen ist, können die drei Wissenschaftler nur Vermutungen anstellen. Sie verdächtigen Kolonien von Mikroorganismen, die sich im Flüssigkeitsfilm entwickelten und das sorgfältig austarierte Gleichgewicht schließlich zerstörten.

Quelle

Roux, A. et al.: Everlasting bubbles and liquid films resisting drainage, evaporation, and nuclei-induced bursting. Physical Review Fluids 7, 2022

Werbung

Diskussionen

14 Gedanken zu “Wie man Seifenblasen am Platzen hindert

  1. Die haben sich Zeit gelassen, die Mikroorganismen. „Nach Valery“ vielleicht doch nicht so lang: Was ist lang, was ist kurz?! 😀

    Like

    Verfasst von kopfundgestalt | 3. März 2023, 00:54
  2. Sag bloß, die haben zur Raumstation ein Fläschchen Pustefix mitgenommen…
    Morgengruß von Sonja

    Gefällt 1 Person

    Verfasst von wildgans | 3. März 2023, 06:33
  3. Das ich mich mal über Beiträge zur Physik freue hätte ich nicht gedacht, bis ich Deinen Blog entdeckt habe.
    Wenn die langlebigen Seifenblasen nicht schimmern, sind mir die „normalen“ lieber.

    Gefällt 1 Person

    Verfasst von Richard | 3. März 2023, 06:41
  4. Seifenblasen., die weder schweben noch schimmern finde ich nicht besonders attraktiv. Aber dass sie auf nassen Blättern länger überleben, ist ein guter Tipp 🤓

    Gefällt 1 Person

    Verfasst von Myriade | 3. März 2023, 09:40
  5. Tolle Performance…:)

    Like

    Verfasst von Joachim Schlichting | 3. März 2023, 21:01
  6. Sehr schöne Fotos!

    Like

    Verfasst von Gisela Benseler | 4. März 2023, 03:16

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..

Photoarchiv

%d Bloggern gefällt das: