Ein beeindruckendes architektonisches und in vielen Fällen auch künstlerisches Bauelement ist meines Erachtens die Form einer Helix, wie sie beispielsweise in der Wendeltreppe realisiert ist. Sie besticht durch große Einfachheit, mit der auf einer kleinen Grundfläche die Möglichkeit realisiert wird praktisch beliebig hoch zu steigen. Man kennt diese Einrichtung zum Beispiel von hohen Türmen. Im Foto ist eine Wendeltreppe aus dem Pantheon in Paris zu sehen, die in der Fotografie zusätzlich den subjektiven Effekt einer Spiralstruktur vermittelt. Wegen der perspektivischen Verkürzung beim Blick nach unten scheinen die Windungen nach innen zu spiralen, was sie in Wirklichkeit natürlich nicht tun.
Pfingstrose
Verhaucht sein stärkstes Düften
Hat rings der bunte Flor,
Und leiser in den Lüften
Erschallt der Vögel Chor.
Des Frühlings reichstes Prangen
Fast ist es schon verblüht –
Die zeitig aufgegangen,
Die Rosen sind verblüht.
Doch leuchtend will entfalten
Päonie ihre Pracht,
Von hehren Pfingstgewalten
Im tiefsten angefacht.
Gleich einer späten Liebe,
Die lang in sich geruht,
Bricht sie mit mächtgem Triebe
Jetzt aus in Purpurglut.*
Die Pfingstrose – hier im typischen Kugelstadium – ist ein Verpackungskünstler. Jedenfalls erlaubt sie, die Entfaltung schrittweise nachzuvollziehen, wenn sie in den nächsten Tagen ihr Purpur zum Glühen bringt. Der Entfaltungsvorgang wie er in Blüten und Blättern stattfindet ist m.E. eine Art Naturorigami, das mich immer wieder begeistert. Siehe frühere Beiträge, z.B. hier und hier und hier und hier und hier und hier.
_____________________________________________________________________________________
* Ferdinand von Saar (1833 – 1906). Saar gehört neben Marie von Ebner-Eschenbach zu den bedeutendsten realistischen Erzählern der österreichischen Literatur des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Seine Werke zeichnen sich durch humanistisches Ethos und Sozialkritik aus.
Was ist feierlicher als zwei Striche im Sand, zwei Parallelen? Schau an den fernsten Horizont, und es ist nichts an Unendlichkeit; schau auf das weiter Meer, es ist Weite, nun ja, und schau in die Milchstraße empor, es ist Raum, daß dir der Verstand verdampft, unausdenkbar, aber es ist nicht das Unendliche, das sie allein dir zeigen: zwei Striche im Sand, gelesen mit Geist. . . .*
Max Frisch spricht hier einen wesentlichen Aspekt der Anschauung an, nämlich die Schwierigkeit, sich Grenzbegriffen, wie dem der Unendlichkeit zu nähern. Es geht offenbar nur über gedankliche Prozesse, durch die man zumindest auf den Weg in die Unendlichkeit geführt wird. Mehr kann man offenbar bei wachem Bewusstsein kaum erlangen.
________________________________________________________________________
*Max Frisch. Don Juan oder die Liebe zur Geometrie. In: Stücke. Frankfurt 1962, S. 259
Manche Gedanken kristallisieren sich zu Bildern.
Ich sitze am Fenster, blicke auf die Nachbarhäuser in der Straße und lasse die Gedanken schweifen. Alte Urlaubserinnerungen werden an die Oberfläche gespült, sie überlagern in Bildern das tatsächlich Gesehene.
Wir blicken in eine Wasserpfütze, in der ein Baum spiegelnd reflektiert wird. Die Sonne steht noch tief, ihr roter Schimmer auf dem Asphalt leu(ch)tet einen neuen Tag ein.
Soweit zur Morgenstimmung.
Der schwarze Asphalt absorbiert im Idealfall so gut wie alles auftreffende Licht, gleich welcher Farbe es ist. Dass man ihn hier dennoch im Morgenrot schimmern sieht, ist auf die Benetzung durch Wasser zurückzuführen. Das Wasser auf den passend orientierten Steinchen im Asphalt reflektiert das Sonnenlicht spiegelnd in die Augen des morgendlichen Spaziergängers. Die Wasserfläche in der Pfütze reflektiert zwar auch das auftreffende rote Sonnenlicht, aber nicht in unsere Augen. Diese müssen mit dem aus einer anderen Richtung kommenden Himmellicht vorlieb nehmen. Und das alles, weil der Reflexionswinkel des Lichts gleich dem Einfallswinkel ist.
Um auf die Bedeutung des Lichts in allen Lebensbereichen aufmerksam zu machen, hat die UNESCO den 16. Mai zum Internationalen Tag des Lichts erklärt. Das möchte ich zum Anlass nehmen, auf den ganz alltäglichen Sonnenaufgang hinzuweisen, der weder sprachlich noch physikalisch das ist, was er zu sein vorgibt. Sprachlich geht hier nichts auf, was vorher zu war. Da entsteht nichts, was später wieder verschwindet. Sowohl im geozentrischen als auch im heliozentrischen Weltbild entsteht dieser Eindruck dadurch, dass sich die Erde und die Sonne relativ zueinander bewegen. Wir gehen neuzeitlich-kopernikanisch davon aus, dass die Erde sich um die Sonne dreht und nicht umgekehrt, weil ansonsten beispielsweise die Sterne – je weiter desto schneller – kollektiv um die Erde rotieren müssten und das für weit entfernte Sterne auch noch mit Überlichtgeschwindigkeit. Trotzdem bleibt es beim Sonnenauf- und -untergang.
Was schon eher Kopfzerbrechen bereiten könnte, ist die Tatsache, dass wir die Sonne beim Auf- und Untergang nie da sehen, wo sie „in Wirklichkeit“ oder „geometrisch“ ist. Denn infolge der Brechung des Lichts bei ihrem langen Weg durch die Atmosphäre wird das Sonnenbild optisch angehoben und zwar etwa um einen Winkel, der dem Sonnendurchmesser entspricht (etwa 0,5 Grad). Wenn die Sonne beim Untergang den Horizont berührt, ist sie also „in Wirklichkeit“ schon untergegangen.
Diesen Gedanken könnte man philosophisch oder wie auch immer weiter vertiefen in Richtung auf die Frage, ob man denn ganz genau genommen (mit vielen Stellen hinter dem Komma) überhaupt je etwas dort sieht, wo es ist. Denn Lichtbrechung – und sei sie sie noch so klein – ist immer vorhanden, wenn Licht von einem Medium ins andere übergeht oder sich zum Beispiel die Dichte der Luft ändert. Überlegungen, die in diese Richtung laufen, kommen daher kaum zu einem befriedigenden Ergebnis. Eine ähnlich Spitzfindigkeit ergibt sich, wenn man wegen der Endlichkeit der Lichtgeschwindigkeit davon ausgehen würde, dass die Gegenstände stets einen Moment später und daher möglicherweise an der Stelle anderen Stelle gesehen werden. Bei der Sonne macht diese Differenz immerhin etwas 8 Minuten aus.
Also lassen wir es und erfreuen uns am Abbild der Sonne die hier (Foto) hinter dem Geäst von Bäumen untergeht. Das Sonnenlicht hat beim Durchgang durch die Atmosphäre und den zahlreichen Streuvorgängen mit der Luft und den darin enthaltenen Aerosolen so viel an Farben und Intensität eingebüßt, dass es nicht mehr weiß leuchtet, sondern hauptsächlich in gelben und roten Farbtönen (er)scheint. Man kann dann sogar bedenkenlos in die Sonne hineinblicken und beobachten, wie schnell sie absinkt. Wenn das Sonnenbild den Horizont „berührt“, dauert es gerade einmal 2 Minuten, bis der letzte Rest ihres Rands verschwindet. Und wenn man Glück hat, viel Glück, dann kann man auch noch erleben, dass sie sich mit einem grünen Blitz verabschiedet.
Wenn man will kann man daraus weitere tiefschürfende Gedanken schöpfen, wie beispielsweise im folgenden Text ausgeführt:
„Worum geht es? Durch den kopernikanischen Schock wird uns demonstriert, daß wir die Welt nicht sehen, wie sie ist, sondern daß wir ihre „Wirklichkeit“ gegen den Eindruck der Sinne denkend vorstellen müssen, um zu „begreifen“, was mit ihr der Fall ist. Da liegt das Dilemma: wenn die Sonne aufgeht, geht nicht die Sonne auf. Was die Augen sehen und was der astrophysisch informierte Verstand vorstellt, kann nicht mehr miteinander zur Deckung kommen. Die Erde wälzt sich im leeren Raum um sich selbst nach vorn, wobei der irreführende Eindruck entsteht, wir sähen die Sonne aufgehen. Solange das Universum besteht, gab es noch keinen Sonnenaufgang, sondern nur sture Erdumdrehungen, und dieser Befund wird nicht tröstlicher dadurch, daß wir aufgrund radioastronomischer und anderer Messungen zu der Vorstellung gezwungen sind, daß es vor einem Zeitpunkt t(x) weder die Sonne noch die Erde noch Augen gegeben hat, um deren Konstellationen zu sehen. Dann wären nicht nur die Sonnenaufgänge, sondern auch die Voraussetzungen des Scheins von Sonnenaufgängen in einem kosmischen Noch-Nicht verschwunden. Der augenscheinliche Sonnenaufgang verliert sich in einer mehrfachen Nichtigkeit, sobald wir den ptolemäischen „Schein“ zugunsten kopernikanisch organisierter Vorstellungen von „Wirklichkeit“ aufgeben. Radikaler als jedes metaphysische Vorstellen von „Wesenswelten“ dementiert das moderne physikalische Vorstellen der Körperwelt den ‚Schein der Sinne‘.“
___________________________________________________________________________________________________
Sloterdijk, Peter: Kopernikanische Mobilmachung und ptolemäische Abrüstung. Frankfurt a M 1987.
Liebe Julia, nachdem du erst vor einigen Wochen großes Pech gehabt hast, holt dich dein Geburtstag mit der Zahl 43 definitiv aus diesem Tief heraus. Dazu möchte ich dir ganz herzlich gratulieren und gleichzeitig darauf aufmerksam machen, dass die Summe der Ziffern von 43 genau 7 ergibt, die ein direkter Hinweis auf dein Lebensglück ist und neben weiteren glückbringenden Besonderheiten die Anzahl der Farben des Regenbogens darstellt.
Außerdem steht die Zahl 43 für die Buchstaben des Alphabets an 4. und 3. Stelle und bedeutet „DC“.
DC steht für die Abkürzung direct current, was auf deutsch Gleichstrom heißt. Du stehst im 43 Jahr also unter Strom aber der fließt gleichmäßig dahin.
Schaut man sich außerdem an, was die Engelszahl 43 bedeutet, so wird abermals auf die Kombination der Zahlen 4 und 3 zurückgegriffen. Dabei steht die Zahl 4 für „die Attribute Stabilität und Fähigkeit, solide Grundlagen zu schaffen, Anstrengung und Wille, Praktikabilität und Anwendung, Disziplin und Fortschritt, Leidenschaft und Tatkraft mit sich und steht in Resonanz mit den Energien der Erzengel.“ Das klingt doch überwältigend. Aber es kommen noch „Gesellschaft, Kreativität, Enthusiasmus und Optimismus, Selbstdarstellung und Kommunikation, psychische Fähigkeiten und intellektuelles Streben, Wachstum, Expansion und die Prinzipien der Vergrößerung“ hinzu, für die die Zahl 3 steht.
Aber bevor ich ganz ins Esoterische abgleite, möchte ich noch auf etwas handfest Mathematisches sozusagen als rationales Gegengewicht hinweisen, nämlich auf das sogenannte Münzproblem. Denn die 43 unterhält dazu eine ganz besonder Beziehung. Falls du dir einen Eindruck davon verschaffen möchtest, schaue dir den Spektrumbeitrag: Die Mathematik frittierter Hähnchen an und teile mir gelegentlich mit, ob du davon in irgendeiner Weise profitieren kannst.
Ach ja, und dann bleiben da noch die 43 ausgestellten Kleider auf den Champs-Elyssee. Du hast offenbar genau nachgezählt (siehe Foto). Und, waren es 43, sozusagen als Zielvorgabe für dieses Jahr?
Löwenzahn
Keine Vase will dich. Keine
Liebe wird durch dich erhellt.
Aber deines Samens reine
weiße Kugel träumt wie eine
Wolke, wie der Keim der Welt.
Lächle! Fühl dich gut gedeutet!
Blüh! So wird aus Schweigen Huld.
Bittre Milch und Flaum, der gleitet:
O, nicht Haß – den Himmel weitet
Weisheit. Stillesein. Geduld.
Wärst du auf der Höh geboren,
ferne, selten, früh empor:
Teilnahmslosem Gang der Horen
blühtest ruhmvoll, unverloren,
groß, dein Wunder vor.*
Faszinierend an den Löwenzahnsamen ist u. A. ihre physikalisch raffinierte Weise, sich in der Luft zu neuen Ufern auszubreiten. Im Unterschied zu anderen Samen hängen diese nicht an flächigen Flügeln. Ihr Gleitschirm besteht aus einem filigranen Faserskelett, das auf den ersten Blick nicht besonders geeignet erscheint, um sich optimal fortzubewegen. Doch in ihrer Größenordnung erweist es sich gerade wegen der feinen Struktur als besonders prädestiniert, langsam und stabil durch die Luft zu gleiten. Physikalisch gesehen ähnelt die Forbewegung der an ihren Pappussen hängenden Samen eher dem Schwimmen als dem Gleiten in der Luft, weil für so winzige Objekte bereits die Zähigkeit der Luft bemerkbar macht.
__________________________________________________________________
* Joseph Weinheber (1892 -1945)
Wer sich das Foto des ungeordneten Spinnennetzes genauer anschaut wird vielleich einige Farben entdecken auf einem nach rechts gebogenen Streifen entdecken. Das ist kein Fake sondern Fakt – der Teil eines Regenbogens. Zwar erkennt man nur die außen liegenden rötlich und gelblich erscheinenden und die rechts innen auftretenden bläulichen Tröpfchen, aber dafür geht es hier nicht so hektisch zu wie beim „richtigen“ Regenbogen, in dem immer neue der fallenden Tropfen aufblitzen. Die in Regenbogenfarben leuchtenden Tropfen sind hier im Spinnennetz fixiert. Und dennoch, da in diesem Fall die Morgensonne ihre Bahn über den Himmel beginnt, geraten auch hier stets neue Tropfen in ihren Lichtkegel und werfen das farblich zerlegte Licht in unsere Augen – aber wesentlich langsamer als bei den fallenden Regentropfen.
Diese zusätzlich Bewegung der Sonne ist zwar auch beim „richtigen“ Regenbogen vorhanden, aber angesichts der Fallgeschwindigkeit vernachlässigbar.
Und siehe, durch den blanken Himmel zog noch ein einsames, weißes Wölkchen. Es kam zögernd vorwärts, und es war, als würde es vom Monde angezogen. Es segelte gerade unter ihm vorbei, und siehe, sofort glitten dünne rosige, grüne und lila Farbentöne darüberhin, und es war wie ein zusammengezogener Regenbogen, der am Mond vorbeizog. Aber es glitt weiter, verlor die süßen Töne plötzlich wieder, wurde weiß und schob sich zögernd fort, allein durch die Nacht. Wie ein Lächeln der Nacht war es gewesen. *
_________________________________________________
* Felix Timmermans. Palieter. Leipzig: Insel Verlag 1931, S. 138
Der Himmel war klar, die Luft kalt und wenig bewegt. Auf dem glatten Sand, über den Sperber ging, hatte das sich zurückziehende Meer eine hauchdünne Wasserschicht hinterlassen, auf der sich das Himmelsblau und die wenigen darauf vorüberziehenden Wolken spiegelten, und wie schon einmal war Sperber, als hätte ihn jemand auf den Kopf gestellt und als liefe er zwischen weißen Wolken hindurch über den Himmel. Wie durchsichtig der Boden unter seinen Füßen war! Während Sperber so ging, öffnete sich unter ihm eine grenzenlose Weite, und er sah geradewegs in die Unendlichkeit hinein.*
Wer reflektierend über den reflektierenden Strand in dem Bereich spaziert, der weder eindeutig dem Meer noch dem Land zugerechnet werden kann, erlebt den Himmel nicht nur über, sondern auch unter sich. Mit leicht geneigtem Kopf blickt sie oder er in weiten gespiegelten Raum, ohne befürchten zu müssen abzustürzen. Wenn sich irgendwo das Gefühl der unendlichen Weite einstellt, dann hier auf der dünnen Wasserhaut, die mit jedem Atemzug des Meeres in Form von auslaufenden Wellen immer wieder erneuert wird.
___________________________________________________________
Anne Weber. Tal der Herrlichkeiten. Frankfurt 2012, S. 214
Vielleicht wird um die Suche nach der Blauen Blume (spätestens seit Eichendorff) zu viel Gedöns gemacht. Vielleicht hat so manch einer sie in der Hand gehabt und es nicht bemerkt. Ich denke, dass man bei der Suche etwas beherzter zur Sache gehen und wo nötig selbst Hand anlegen sollte. Es ist zwar dann nicht DIE blaue Blume aber immerhin Eine erreichbare blaue Blume.
Bei meinem jüngsten Parisaufenthalt, besuchte ich einmal mehr das Pantheon. Nicht nur wegen des Foucaultschen Pendels, sondern auch in seiner Funktion als nationale Ruhmeshalle Frankreichs, in deren unteren Räumen sich die Grabstätte berühmter französischer Persönlichkeiten befindet. Auffällig postiert ist der Philosoph und Schriftsteller Voltaire (1694 – 1778), der eigentlich François-Marie Arouet hieß. In seinem umfangreichen Oeuvre kritisiert er die Missstände der Feudalherrschaft und die katholische Kirche. Er gilt als Vordenker der Aufklärung und hat seine Texte mit großem Einfühlungsvermögen in die Gedankenwelt seiner Zeitgenossen zum Ausdruck gebracht. Dabei bediente er sich eines zugleich allgemeinverständlichen und präzisen Stils, in dem er oft mit beißendem Witz und Ironie auch heutige Leser noch anzusprechen vermag. Man denke nur an seiner Novelle Candide oder der Optimismus.
Ich will nur eine kurze Passage aus seiner philosophischen Erzählung Jeannot und Colin erwähnen, die ich mir früher bei der Lektüre angestrichen hatte. Hier dekonstruiert er in ironischer Absicht eine der ältesten und ehrwürdigsten Disziplinen der Mathematik – die Geometrie:
Aber von allen Wissenschaften die absurdeste, die am besten geeignet ist, jede Art von Genie zu unterdrücken, ist meines Erachtens die Geometrie. Diese lächerliche Wissenschaft beschäftigt sich mit Flächen, Linien und Punkten, die in der Natur gar nicht vorhanden sind. Man läßt hunderttausend gekrümmte Linien zwischen einem Kreis und einer geraden Linie, die ihn berührt, hindurchlaufen, obwohl in Wirklichkeit nicht ein Strohhalm dazwischen Platz fände. Die Geometrie ist in Wahrheit nur ein fauler Witz.*
Dieser Text ist nicht für die Ohren von Schulkindern bestimmt 😉
___________________________________________________________________
* Voltaire. Jeannot und Colin. In: Wie die Welt es treibt. Krefeld 1948, S. 87
Tauben lesen auf diesem mit ihrem Sitzbüchern zum Lesen einladenden Park in Paris Essbares auf, das sie zwischen den Sandkörnern finden. Es sind meist Essensreste, die die Menschen beim Picknick hinterlassen haben. Auch wenn die Aufforderung zum Lesen hier in Stein gehauen ist, heißt das noch lange nicht, dass davon im Sinne des Welttags des Buches eine nachhaltige Wirkung ausgeht. Jedenfalls sollte man sich darauf nicht ausruhen und andere Möglichkeiten zum Lesen anzuregen vernachlässigen.
Moostee
Sechzehn Jahr’ – und wie ein greiser
Alter sitz ich, matt und krank;
Sieh, da senden mir der Geiser
Und der Hekla diesen Trank.
Auf der Insel, die von Schlacken
Harter Lava und von Eise
Starrt, und den beschneiten Nacken
Zeigt des arkt’schen Poles Kreise;
Über unterird’schen Feuern,
In nordlichterhellten Nächten,
Bei den Glut- und Wasserspeiern
Wuchsen diese bittern Flechten.
Aus den dampfumrollten Kegeln,
Aus der Berge schwarzem Tiegel,
Gleich blutroten Sagenvögeln –
Flammenzungen ihre Flügel –
Sahn sie feurig auf zum schwarzen
Himmel mächt’ge Steine sprühen,
Und ein Meer von heißen Harzen
Durch das Schneegefilde ziehen.
Von den Jökuln zu den Fjorden
Durch das dän’sche Inselland,
Breit, ein riesiger Dan’brogorden,
Schlängelt sich das Flammenband.
Wolken, Rauch und Asche wallen,
Und am Strand die Robben winseln,
Und die roten Steine fallen
Nieder auf entfernten Inseln;
Die zerrißnen Berge zittern,
Und das Eismeer schäumt und braut –
Dorten wuchsen diese bittern
Flechten, wuchs dies herbe Kraut. –
Daß die kranke Brust gesunde,
Und sich freue neuer Kraft,
Biet ich träumerisch dem Munde
Ihren dunkelgrünen Saft.
Feuer zuckt durch meine Nerven,
Vor mir liegt das wüste Land;
Die weitoffnen Krater werfen
Himmelan den flüss’gen Brand.
Kühner fühl ich mich und stärker
Bei dem Lodern dieser Glut,
Und die Wildheit der Berserker
Tobt durch mein genesend Blut.
Lavaschein und Nordlicht röten
Mein Gesicht; die Pulse schlagen
Schneller; Edda, laß mich treten
Vor die Helden deiner Sagen!
Ha! wenn dieser Insel Pflanzen
Mir den Lebensbecher reichen,
Mög’ ich dann in meinem ganzen
Leben dieser Insel gleichen!
Feuer lodre, Feuer zucke
Durch mich hin mit wildem Kochen;
Selbst der Schnee, in dessen Schmucke
Einst mein Haupt prangt, sei durchbrochen
Von der Flamme, die von innen
Mich verzehrt: wie rot und heiß
Hekla Steine von den Zinnen
Wirft nach der Faaröer Eis:
So aus meinem Haupt, ihr Kerzen
Wilder Lieder, sprühn und wallen
Sollt ihr, und in fernen Herzen
Siedend, zischend niederfallen!*
__________________________________________________
* Ferdinand Freiligrath (1810 – 1876)
Bei vielen Aktionen verrät man sich dadurch, dass man Spuren hinterlässt. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Fotos im Spiel sind. Ein Selfie ist in vielen Fällen mit von der Partie, auch wenn man es nicht erwartet. So auch auf diesem Foto. Das Abbild hilft andererseits, die Aktion zu rekonstruieren.
Wer auch immer diese Ostereierinstallation tief im Innern des Waldes eingerichtet hat, wird sich dabei einiges gedacht haben. Darüber möchte ich jetzt nicht spekulieren und stattdessen diese Kuriosität einfach durch ein Foto dokumentieren. Vielleicht ordnet sich auch diese „künstlerische“ Auseinandersetzung mit der Natur unter ähnlichen Aktionen ein, die ich in früheren Beiträgen dokumentiert habe, wie beispielsweise die Baumkleidung, der winterliche Schmuck von Bäumen mit gestrickten Sternen, die farbliche Hervorhebung zerfallender Bäume oder gar die eher philosophisch einzuordnende Auseinandersetzung mit Kein und Sein. Jedenfalls zeigt sich darin, dass ein Wald nicht nur reale Wege hat, deren Existenz plakativ geleugnet wird, sondern auch Wege, die nicht nur begangen, sondern auch diskutiert werden.
Ich habe ihn an einem seiner langen Ohren erkannt. Hätte er sich nicht auf diese Weise der Sonne exponiert, ich wäre ihm wohl nicht so schnell auf die Spur gekommen. Denn zugegeben, sich in einem Tropfen zu verstecken und gleichzeitig zu sonnen, ist schon eine sehr originelle Art, sich vom Verteilen der Eier zu erholen oder sich dem gar zu entziehen. Die physikalisch äußerst interessante Frage, wie er in den Tropfen hineinkam und erst recht, wie er wieder herauskommt, möchte ich hier einmal ungeklärt lassen…
Anmerkung: Es handelt sich um ein echtes Foto, Photoshop war nicht im Spiel. Man könnte auch sagen: Reiner Zufall und die Disposition Pareidolien zu sehen, in diesem Fall aus aktuellem Anlass Osterhasen in den Augen oder sonstwo zu haben.
Nicht ich schien die Wand zu berühren, sondern aus dem Stein lösten sich feine Teilchen und strömten meiner Hand zu, zogen mich in einen Regelkreis, in dessen pulsierendem Gleichmaß die Grenzen der Dinge mehr und mehr schwanden und einem Zustand Raum gaben, der alle Unterschiede, Konturen und Selbstgewißheiten zu einem chaotisch an- und abschwellenden Rauschen umschmolz.*
_____________________________________________________________________
* Klaus Modick. Die Schrift vom Speicher. Frankfurt 1994, S. 74.
H. Joachim Schlichting. Spektrum der Wissenschaft 4 (2023), S. 64 – 65
Das Feuer stirbt,
wenn es nicht tötet
Friedrich Hebbel
Feuer setzt in kurzer Zeit die Energie frei, die über Monate und Jahre in der verbrennenden Biomasse gespeichert wurde. Bei dem hitzigen Spektakel laufen einige spannende physikalische Prozesse ab.
Flammen züngeln nach oben, das brennende Holz knistert, Funken sprühen in wilden Wirbeln, die Gesichter glühen im warmen Schein. Menschen erleben bei der Betrachtung eines Osterfeuers eine der elementaren Urgewalten.
Aus naturwissenschaftlicher Sicht ist das Feuer ein Naturphänomen, das eine Vielzahl fundamentaler physikalischer und chemischer Vorgänge verbindet – insbesondere in diesem großen Format. Ein hoher Stapel festen Materials geht in flüchtigen Rauch und Flammen auf und lässt lediglich ein Häufchen staubiger Asche zurück.
Dabei macht das Spektakel rasant die langsamen biologischen Aufbauprozesse von Holz und Laub rückgängig. Deren Biomasse entsteht durch die Photosynthese, bei der sich die anorganischen Bestandteile Kohlenstoffdioxid aus der Luft und Wasser aus dem Boden unter Aufnahme von Energie aus dem Sonnenlicht zu organischen Kohlenhydraten verbinden. Das ist die rein energetische Betrachtung; weitere Stoffe sind ebenfalls am Pflanzenwachstum beteiligt, vor allem Mineralien. Sie finden sich in der deshalb oft silbrig-weiß schimmernden Asche wieder.
Der Prozess des Verbrennens unterhält und verstärkt sich selbst, sobald man das Pflanzenmaterial einmal anzündet. Dann wird in kurzer Zeit die bei dessen Wachstum gebundene Sonnenenergie wieder abgegeben, und zwar in Form von Strahlung, die teils als Flamme sichtbar und teils als Wärme fühlbar ist.
In der Hitze wandeln sich die festen Stoffe hauptsächlich in eindrucksvoll leuchtende Gase um, die in einer Säule über dem Feuer aufsteigen. Dort kühlen sie rasch ab. Dann lassen sich die Strömungen nur noch erahnen oder gelegentlich durch Funken nachverfolgen, die in ihren Wirbeln aufgetrieben werden. Dass wir es mit entzündeten Gasen zu tun haben, kommt auch zum Ausdruck, indem sich manchmal Flammenteile vom Holzstoß abspalten und fernab vom eigentlichen Ort des Geschehens für kurze Zeit eigenständig weiter leuchten. Manchmal geraten sogar bislang noch nicht brennende und daher unsichtbare Dämpfe in sehr heiße Bereiche und werden dadurch entzündet. Ein entsprechender Vorgang lässt sich im Kleinen leicht mit einer Kerze nachstellen. Nach dem Auspusten steigt noch eine Zeit lang Wachsdampf auf. Hält man einige Zentimeter über dem Docht ein brennendes Streichholz in die Gasfahne, entzünden sich die verflüchtigten Kohlenwasserstoffe sofort wieder.
Die großräumig nach oben lodernden Flammen sind der sichtbare Teil eines Konvektionsvorgangs. Hierbei steigen die heißen Gase ihrer geringen Dichte wegen auf und werden unten zwangsläufig durch seitlich zuströmende frische Luft ersetzt. Dieser Teilprozess ist keine bloße Begleiterscheinung, sondern für die Verbrennung gewissermaßen lebenswichtig. Denn die herangeschaffte Luft liefert den Sauerstoff, der für die Umwandlung der kohlenstoffhaltigen Gase in Kohlenstoffdioxid nötig ist.
Darüber hinaus bereitet die freiwerdende Energie im Reaktionsbereich des Feuers den Nachschub an Brennmaterial auf: Es wird getrocknet und bis zur Entzündungstemperatur aufgeheizt. Die großen Moleküle der organischen Verbindungen werden bei Temperaturen von mehreren hundert Grad Celsius ohne zusätzlichen Sauerstoff allein durch die Einwirkung von thermischer Energie in kleinere Bestandteile gespalten und schließlich vergast. Der Prozess nennt sich Pyrolyse. Holz enthält allerdings ebenso wie andere Biobrennstoffe seinerseits bereits Sauerstoffatome. Diese machen immerhin 44 Prozent seiner Masse aus. Deswegen finden bei dem Umwandlungsprozess gleichzeitig zusätzliche Oxidationsreaktionen statt, die den Zersetzungsvorgang unterstützen.
Die kräftigen, zwischen weiß, gelb und rot changierenden Farben der Flamme kommen vor allem durch eine thermische Anregung der Gasbestandteile, Rußteilchen und Aerosole zustande. Anschaulich gesprochen werden Elektronen in den Atomen auf höhere Bahnen angehoben und fallen unmittelbar danach wieder in ihren Grundzustand zurück. Dabei senden sie die Energiedifferenz in Form von sichtbarem Licht aus.
Anhand der Farben kann man sogar die beteiligten Prozesse identifizieren. Glühende Rußteilchen von der Größenordnung einiger zehn Nanometer erzeugen gelbes bis orangefarbenes Licht. Blau kann angeregten CO_2- und CH-Radikalen zugeordnet werden, während Türkis auf zweiatomige Kohlenstoffmoleküle schließen lässt. Die von den Feststoffbestandteilen wie Ruß und Asche ausgehenden Wellenlängen entsprechen dabei weitgehend dem Spektrum eines so genannten schwarzen Körpers. Das ist eine Quelle, deren ausgesandte Strahlung nur von der vorherrschenden Temperatur abhängt.
Ein weiteres optisches Phänomen bemerkt, wer durch die heiße Luft auf weit entfernte Gegenstände blickt. Sie scheinen ihre Festigkeit eingebüßt zu haben – Einzelheiten flirren regellos umher. Der Brechungsindex der Gase zwischen Objekt und Auge hängt von Dichte und Temperatur ab, und die unterscheiden sich bereits auf kleinstem Raum dramatisch. Deshalb wirkt das von einem bestimmten Punkt stammende Licht, als käme es aus sich ständig ändernden Richtungen. Ein vergleichbares Phänomen ist das Funkeln der Sterne. Deren Strahlung begegnet auf dem langen Weg durch die Atmosphäre lokalen Schwankungen des Brechungsindex. Das verursacht nicht nur Ortsunschärfen, sondern außerdem Farbwechsel.
Beim Gesamtgeschehen des Osterfeuers gewinnt man den Eindruck, alle Prozesse seien aufeinander abgestimmt, ohne dass dazu ein äußerer Mechanismus nötig wäre. Sogar die Einhaltung eines Sicherheitsabstands scheint ein Teil dieser Selbstorganisation zu sein. Mit ihrer Hitze halten die Flammen die Menschen auch ohne Verbote und Absperrungen auf Abstand.
Als ich vor mehr als 50 Jahren diese Uhr von außen hoch am Gare d’Orsay (Paris) prangen sah, ahnte ich nicht, dass ich dereinst einen Blick in umgekehrte Richtung durch diese Uhr hindurch auf die Sacré-Coeur werfen würde. Der Bahnhof ist längst zum Musée d’Orsay mutiert, in dem Kunst der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ausgestellt wird. Vor allem die Impressionisten für die ich damals noch stundenlang am Eingang des Musée du Jeu de Paume und des Musée de l’Orangerie anstellen musste, sind dort seit 1986 zu sehen. Inzwischen bin ich öfter da und erlaube mir dann auch mal den Museumsblick, den ich auf dem Foto einzufangen versucht habe.
Bilder entwickeln
in der Dunkelkammer des Kopfes
Im Dämmerrot geschlossener Lider
Landschaften
Flussläufe mit Dörfern
wo Freunde und Geschichten
wohnen Bäume mit Vögeln
und Sternen im Geäst
Berge loten Erinnerung aus
Sonne brennt sich
ins Nachbild
Land im Kopf
eigentliche Heimat
dies Land bewohnt mich
wählt mich.
____________________________________
* Eveline Hasler. Auf Wörtern reisen. Zürich 1993, S. 12
Zwei Spiegel einander gegenüber:
für den Kurzsichtigen bedeutet es Verwirrung,
für den Weitsichtigen Unendlichkeit.
Arthur Schnitzler[1]
Zwischen zwei parallelen einander gegenüberliegenden Spiegeln findet ein unendlicher „Austausch“ von Spiegelbildern statt: Ein Gegenstand zwischen den Spiegeln wird von beiden Spiegeln gespiegelt aber auch der gespiegelte Gegenstand wird vom jeweils gegenüberliegenden Spiegel gespiegelt und ebenso der gespiegelte gespiegelte Gegenstand und so weiter ad infinitum. Man blickt gewissermaßen in die Unendlichkeit; diese verliert sich allerdings im Grün des Spiegelglases.
„Sie erstaunten auch wirklich beim Eintritte nicht wenig über die ungeheure Gesellschaft, denn Wände und Decke bestanden daselbst aus künstlich geschliffenen Spiegeln, die ihre Gestalten auf einmal ins Unendliche vervielfältigten“. Joseph von Eichendorff (1970, 239) beschreibt hier eine wohl jedem bekannte Situation. Man gerät zwischen zwei Spiegel und blickt in einen unendlich langen Tunnel, in dem die Gegenstände und Menschen undendlich oft gespiegelt werden und man sich selbst unendlich oft gegenübersteht (Abbildung oben). Dazu braucht man heute allerdings keinen Festsaal mehr, ein verspiegelter Fahrstuhl tut es auch (Abbildung Mitte).
Denn wenn das Licht das Spiegelglas durchläuft, bevor es an der metallischen Rückseite reflektiert wird, bleibt ein winziger Bruchteil im Glas stecken. Die Glasscheibe reflektiert das Licht dann abzüglich dieses absorbierten Anteils und erhält dadurch einen geringfügigen Grünschimmer, den man aber bei normalen Scheiben nicht sehen kann. Blickt man jedoch vor die Kante eine Scheibe, so erscheint alles in ein intensives Grün getaucht: Das Licht hat einen sehr großen Glasquerschnitt durchquert und beträchtliche Anteile der Komplementärfarbe von Grün verloren (Abbildung unten links).
Beim Unendlichkeitsspiegel, der aus normal dicken Scheiben besteht, bekommt man den Grünton des Glases trotzdem zu sehen, weil das Licht diese Scheiben immer wieder durchläuft. Dadurch summieren sich nach einer hinreichend großen Zahl von Reflexionen die kurzen Strecken durch das Glas zu einer beträchtlichen Dicke auf und führen schließlich zu der in Abbildung Mitte deutlich zu erkennenden Grüntönung des Lichts.
Wie stark der Einfluss der Absorptionen auf die Farbe des Lichts ist, wurde kürzlich eingehend untersucht (Lee et al. 2004). Die Abbildung unten rechts zeigt die spektrale Intensität des Lichts nach einer (rote Kurve) und nach 50 Reflexionen (grüne Kurve). Während nach einer Reflexion noch alle Wellenlängen fast gleich stark vertreten sind, findet man nach 50 Reflexionen ein deutlich eingeschränktes Spektrum mit einem Maximum bei einer Wellenlänge von 550 nm, die dem grünen Licht entspricht. Es sind also vor allem Lichtanteile im langwelligen und kurzwelligen Bereich absorbiert worden.
Der Reiz solcher Doppelspiegel beruht vor allem auf dem Kontrast zwischen dem Wissen um die Einfachheit der Konstruktion und der sinnlich erfahrenen Komplexität des Blicks: Lediglich die mangelnde Planparallelität der Spiegel und die zunehmende Dunkelheit verhindern, dass man das Unendliche tatsächlich zu Gesicht bekommt.
Die idealerweise unbegrenzte Zahl von Spiegelbildern, die nur durch die Absorptionen im realen Spiegelglas in die endlichen Schranken verwiesen wird, ist über das Phänomen selbst hinaus eine eindrucksvolle Visualisierung dessen, wie man zumindest prozessual das Unendliche im Endlichen denken kann. Es spielt daher in der Metaphorik der Philosophie und Poesie eine wichtige Rolle. So versucht zum Beispiel Friedrich Schlegel (1964, 351) die Problematik zwischen Ich und Welt metaphorisch durch den Doppelspiegel zu fassen: „Wo der Gedanke des Ichs nicht eins ist mit dem Begriffe der Welt, kann man sagen, daß dies reine Denken des Gedankens des Ichs nur zu einem ewigen Sichselbstabspiegeln, zu einer unendlichen Reihe von Spiegelbildern führt, die immer nur dasselbe und nichts Neues enthalten“. Und Harry Mulisch (2005, 44) versucht mit Hilfe dieser Metapher das zueinander reflexive Verhalten zweier Menschen zu erfassen: „Jeder fühlte sich dem andren unterlegen, jeder war Knecht und zugleich Herr, wodurch eine Art von Unendlichkeit entstand, wie zwischen zwei Spiegeln, die sich ineinander spiegelten“.
Literatur
Joseph von Eichendorff. Werke. Bd. 2, München 1970, S. 239.
R. L. Lee et al. Am. J. Phys. 2004, 72 (1), 53.
Friedrich Schlegel. Werke. Kritische Ausgabe. München 1964.
Harry Mulisch. Die Entdeckung des Himmels. Reinbek 2005, S. 44.
Die Sonne sieht manchmal nicht nur wie ein Gong aus, sie ist auch einer. Jedenfalls schwingt sie, auch wenn wir sie mit unseren Ohren nicht klingen hören. Denn sie Sonne ist ein materieller Körper und damit auch schwingungsfähig. Um diese Analogie zum akustischen Schwingen eines Gongs oder einer Glocke für unser Gehör erfahrbar zu machen, haben NASA-Wissenschaftler die Vibrationen der Sonne in hörbare Schallwellen übersetzt. Die verschiedenen physikalischen Ursachen für diese solaren „Töne“ sind äußerst komplex und haben unterschiedliche physikalische Ursachen. Daher sollte man dem Sonnenklang keine über die Hörbarmachung hinaus gehende Bedeutung beimessen. Selbst wenn es ein Ohr geben würde, das die Sonne klingen hören könnte, so würde der Klang nie bis an dieses Ohr vordringen, denn zwischen Ohr bzw. Erde und Sonne herrscht Ultrahochvakuum, das kein akustisches Signal transportieren könnte.
Man wird vielleicht an Goetes Prolog im Himmel seines „Faust. Der Tragödie erster Teil“ (1808), erinnert, wo es heißt:
Die Sonne tönt nach alter Weise
In Brudersphären Wettgesang,
Und ihre vorgeschriebne Reise
Vollendet sie mit Donnergang.
Ihr Anblick gibt den Engeln Stärke,
Wenn keiner sie ergründen mag;
Die unbegreiflich hohen Werke
Sind herrlich wie am ersten Tag.
…
Und schnell und unbegreiflich schnelle
Dreht sich umher der Erde Pracht;
Es wechselt Paradieseshelle
Mit tiefer, schauervoller Nacht;
Es schäumt das Meer in breiten Flüssen
Am tiefen Grund der Felsen auf,
Und Fels und Meer wird fortgerissen
In ewig schnellem Sphärenlauf.
…
Und Stürme brausen um die Wette,
Vom Meer aufs Land, vom Land aufs Meer,
Und bilden wütend eine Kette
Der tiefsten Wirkung ringsumher.
Da flammt ein blitzendes Verheeren
Dem Pfade vor des Donnerschlags;
Doch deine Boten, Herr, verehren
Das sanfte Wandeln deines Tags.
…
Der Anblick gibt den Engeln Stärke,
Da keiner dich ergründen mag,
Und alle deine hohen Werke
Sind herrlich wie am ersten Tag.
Goethes tönende Sonne ist allerdings nicht als geniale Vorwegnahme der modernen physikalischen Untersuchungen zur schwingenden Sonne anzusehen, sondern geht auf die altgriechische Vorstellung der Sphärenmusik zurück. Demnach ging man nach der von Pythagoras von Samos und seinen Anhängern vertretenen Idee davon aus, dass bei den Bewegungen der Himmelskörper und der sie tragenden durchsichtigen Kugeln (Sphären) Töne entstehen, die einen harmonischen Zusammenklang ergeben. Demzufolge würden der Physik der Sphären bzw. der Astronomie dieselben Gesetzmäßigkeiten zugrunde liegen wie der Musik (Sphärenmusik). Noch Johannes Kepler, einer der ersten neuzeitlichen Physiker, hat von diesen harmonischen Vorstellungen (erfolgreich) Gebrauch gemacht, auch wenn sie in den schließlich aufgestellten Gesetzen keine Rolle mehr gespielt haben.
Die Tage werden zwar bereits seit dem Winterbeginn wieder länger, aber davon merkt man so richtig erst etwas in der letzten Zeit. Dieser Anblick zeigt besonders eindruckvoll die Ankunft des Lichts in gleißender Weiße an dünner Bewölkung gestreut…
Mit dem Pflügen beginnt traditionellerweise die Feldbearbeitung. Die großflächige Umwälzung des Bodens erfordert enorm viel mechanische Energie. Diese wurde in früheren Zeiten von Tieren aufgebracht, die den Pflug Furche für Furche durch die feste Erde zogen und die meist bewachsene Oberfläche zum Verschwinden brachten. Das war für Mensch und Tier eine äußerst anstrengende und oft langwierige Tätigkeit und so etwas wie der Start in die neue Saison der Landbewirtschaftung.
Der verschwundene Stern
Es stand ein Sternlein am Himmel,
Ein Sternlein guter Art;
Das tät so lieblich scheinen,
So lieblich und so zart!
Ich wußte seine Stelle
Am Himmel, wo es stand;
Trat abends vor die Schwelle,
Und suchte, bis ich’s fand.
Und blieb denn lange stehen,
Hatt‘ große Freud in mir,
Das Sternlein anzusehen;
Und dankte Gott dafür.
Das Sternlein ist verschwunden;
Ich suche hin und her
Wo ich es sonst gefunden,
Und find es nun nicht mehr.*
An dieses Gedicht von Matthias Claudius wurde ich erinnert, als ich seit dem 4. März, also vor gut einer Woche, vor meinem Fenster erlebte wie sich Jupiter und Venus nahekamen. Danach wurde der Vorhang zugezogen. Der Rest trug sich also zumindest von meiner Warte aus im Verborgenen zu. Jedenfalls gab es von da an keinen Tag, an dem der Himmel frei war. Heute waren die Sternlein verschwunden oder wenn man ihren Charakter als Wandelsterne (Planeten) berücksichtigt, bereits wieder so weit voneinander entfernt, dass man sie kaum noch als Paar ansehen kann. Allenfalls nur deshalb, weil sie in diesem Augenblick die einzigen waren, die sich am Firmament (sic!) sehen ließen.
Soweit die allzu menschlichen Gedanken, die einem dazu einfallen können. In Wirklichkeit hatten sie sich weder genähert, noch gab es irgendeine Unsicherheit, was hinter der Wolkendecke seitdem passierte. In voller Erfüllung der Keplerschen Gesetze haben sie sich (weitgehend) deterministisch verhalten und für jeden Moment war ihre Position rein rechnerisch präsent. Das ist für manche Menschen beruhigend. Am vertrauten Himmel gibt es – zumindest aus der Perspektiv des menschlichen Erlebens – kaum Überraschungen.
Auch wenn ich aus astronomischer Sicht das Verschwinden von Sternen nur mit Planeten, also Wandelsternen, wie man sie damals auch nannte, in Verbindung zu bringen vermag, kamen mir jedoch Zweifel, ob Claudius wirklich an reale Sterne/Planeten gedacht hat. Denn meine Recherchen erbrachten, dass Clemens von Brentano und Achim von Arnim dieses Gedicht unter dem Namen „Christiane“ in „Des Knaben Wunderhorn“ aufgenommen hatten, um damit an Claudius‘ Tochter Christiane zu erinnern, die im Alter von 20 Jahren an Typhus starb. Das legt natürlich eine ganz andere Deutung nahe.
____________________________________________________________________
* Matthias Claudius (1740 – 1815).
Wilfried Suhr, H. Joachim Schlichting. Physik in unserer Zeit 54/ 2 p. 82-85
Manchmal beobachtet man eine quer über ein Gewässer verlaufende, winzige stationäre Welle. Sie trennt eine ruhige von einer bewegten Zone und verweist auf interessante physikalische Zusammenhänge, die sich nicht sofort erschließen.
Im Jahre 1858 machte der Schriftsteller und Philosoph Henry David Thoreau (1817–1862) an einem fließenden Bach eine interessante Entdeckung, die er – von uns übersetzt – folgendermaßen beschreibt: „Ich sehe, wie sich von einer zur anderen Seite dieses glatten Baches eine scheinbar unsichtbare Wellenlinie erstreckt, wie ein Spinnenfaden, vor dem sich das Wasser ein wenig staut. (…) Ich versuche wiederholt, sie mit meiner Hand zu fangen und zu zerbrechen und das Wasser frei laufen zu lassen, aber zu meiner Überraschung klammere ich mich immer noch an nichts als Flüssigkeit, und die imaginäre Linie behält ihren Platz bei. Ist es der schwankende Rand einer leichteren Flüssigkeit, vielleicht eine öligere, die eine schwerere überläuft?“ [1]. Seine im letzten Satz geäußerte Frage deutet bereits darauf hin, dass er hinter dem von ihm entdeckten Naturphänomen eine Wechselwirkung des fließenden Wassers mit einer weitgehend unsichtbaren, dünnen Schicht vermutete.
Als erster Physiker entdeckte Osborne Reynolds (1842– 1912) unabhängig davon das Phänomen wieder. Er publizierte darüber im Jahr 1881 und brachte es mit der Wirkung der Oberflächenspannung in Verbindung [2]. Damit war die Spur aufgenommen, die Generationen von Forschenden bis in unsere Tage immer wieder auf die nunmehr Reynolds- oder Thoreau-Reynolds-Ridge bezeichnete Miniwelle zurückführte. Heute ist sie weitgehend experimentell und theoretisch erforscht. Die Untersuchungen beschränken sich inzwischen schon lange nicht mehr auf natürliche Gewässer, und die Thoreau-Reynolds-Welle ist zu einem Laborphänomen geworden.
Nachdem wir auf das Phänomen aufmerksam wurden [3], dauerte es nicht lange, bis wir es auf einem kleinen Bach in der Nähe ausfindig machen konnten. Bei der Untersuchung fiel uns auf, dass eine frühere Entdeckung dynamischer Vorgänge auf windbewegten Wasserpfützen als echte Variante der Thoreau-Reynolds-Welle anzusehen ist. Aber auch diese wurde bereits zuvor in einem sehr speziellen Zusammenhang entdeckt und kurz beschrieben [4].
Die Welle auf Fließgewässern
Wenn sich in Fließgewässern durch angeströmtes Schwemmmaterial oder Ähnliches Barrieren aufbauen, die den freien Fluss des Wassers behindern, entdeckt man stromaufwärts davor die quer zur Strömung verlaufende Thoreau-Reynolds-Welle – häufiger als vermutet! Bei ungünstigen Lichtverhältnissen ist sie schwer zu erkennen. Bei Sonnenschein macht sie sich oft zunächst indirekt durch eine feine Kaustik auf der Sohle des flachen Gewässers bemerkbar (Abbildung 1). Wenn die Fließgeschwindigkeit einen Wert von 23 cm/s überschreitet, kann dies stromaufwärts vor der Thoreau-Reynolds-Welle Kapillarwellen auslösen, die dem Phänomen eine spektakuläre indirekte Sichtbarkeit verleihen (Abbildung 2).
Ein untrügliches Zeichen dafür, dass es sich um die gesuchte Thoreau-Reynolds-Welle handelt, zeigt sich auch darin, dass sie sich sofort wieder zurückbildet, nachdem man sie gestört hat. Die Eigenschaft, Störungen abzubauen, ist typisch für eine dissipative Struktur. Sie ist ein dynamisches System, das von Energie durchflossen wird und sich hier durch einen Symmetriebruch in Form der Thoreau- Reynolds-Welle aus dem Fließgleichgewicht des Baches entwickelt. Dadurch nimmt es einen stationären Zustand fernab vom thermodynamischen Gleichgewicht ein. Im vorliegenden Fall handelt es sich um die Höhenenergie, die vom fließenden Gewässer in dem Maße aufgenommen und durch Reibungsvorgänge an die Umgebung abgegeben wird, wie das Wasser an Höhe verliert…
Eine kurze Beschreibung dieses außerordentlichen Phänomens habe ich in einem früheren Beitrag gegeben.
Mein Schreibtischfenster zeigt nach Westen. Da der Anblick von Feld und Wald geprägt ist, sehe ich zurzeit wenig Spektakuläres. Aber das ändert sich, weil sich vom Südwesten her der Sonnenuntergang anschickt, mit Riesenschritten in mein Gesichtsfeld einzutreten. Im Schlepptau der untergehenden Sonne befindet sich Venus, die der Sonne folgt und erst einige Zeit später untergeht, wenn es schon relativ dunkel ist. Seit mehreren Tagen nähert sich ihr ein zweiter heller Himmelkörper – Jupiter. Er scheint ihr immer mehr auf den Pelz zu rücken. Manch einer wird sich jetzt denken: Das kennt man doch vom Göttervater.
Zum Glück habe ich das Szenario ohne größere Vorkehrungen zu treffen vom Schreibtisch aus fotografiert. Ich muss wohl geahnt haben, dass es danach von hier aus nicht mehr zu sehen sein würde. In der Tat verschleiert seit gestern hochnebelartige Bewölkung den Blick.
Ob sich damit Venus und Jupiter bei der Vereinigung den Blicken der Öffentlichkeit entziehen wollen? Von einem realen Aufeinandertreffen kann indes nicht die Rede sein. Denn beide sind auf völlig unterschiedlichen Bahnen unterwegs, die himmelweit (hunderte Millionen Kilometer) voneinander entfernt sind. Sie kreuzen lediglich etwa alle zwei Jahre das von der Erde gegebene Blickfeld.
Wenn ich das nächste Mal wieder freien Blick auf die beiden habe, werde ich feststellen, dass sie sich bereits wieder getrennt haben und immer weiter voneinander entfernen bis dann nichts mehr an diese Konjunktion vulgo Begegnung erinnert. Aber für den 12. August 2025 ist das nächste Treffen anberaumt. Leider kann ich das dann nicht von meinem Fenster aus beobachten, denn die Begegnung findet am Morgenhimmel statt.
Wir möchten die ungefähre Tageszeit der Aufnahme wissen.
Erklärung des Rätselfotos des Monats Februar 2023
Frage: Wie kommt es zu diesem Flechtwerk?
Antwort: Bei dem Flechtwerk handelt es sich um besonders strukturierte Eisblumen auf einer Fensterscheibe. Zu Eisblumen kann es kommen, wenn die Temperatur der Glasscheibe zunächst unter den Taupunkt sinkt. Dann übersteigt die absolute Wasserdampfkonzentration die maximal mögliche und der überschüssige Dampf kondensiert in Form winziger Tröpfchen an der Scheibe. Sobald die Temperatur auch noch den Gefrierpunkt des Wassers unterschreitet kristallisieren sie schließlich zu Eis. Manchmal kommt es gar nicht erst zum Zwischenschritt des Verflüssigens. Denn unter bestimmten Bedingungen geht Wasserdampf auf direktem Weg in Eis über, er resublimiert.
Der Ursprung der Eisblumen liegt in winzigen Kristallen mit einer für Wassermoleküle charakteristischen sechseckigen Struktur. Sie entstehen an Kondensationskeimen, etwa Schmutzpartikeln, an denen sich Tröpfchen beziehungsweise Kristalle spontan bilden können. Indem sich an ihnen weitere Wassermoleküle anlagern breitet sich die Kristallisation aus. In welche Richtung das geschieht hängt davon ab, ob die dabei freiwerdende thermische Energie genügend schnell an die Umgebung abgegeben wird. Das führt dazu, dass die Anlagerungen exponierte Spitzen ausbilden, die sich vom Ursprung entfernen. Mit zunehmender Entfernung dieser Triebe vom Zentrum vergrößert sich die Wahrscheinlichkeit Kristallisationswärme abzugeben, sodass Nebentriebe entstehen können. Sie schlagen dann ihrerseits einen Weg ein, der sowohl vom Ursprung als auch vom jeweiligen Zweig weg gerichtet ist ähnlich wie bei verzweigten Pflanzen, die zum Licht hin streben. Die Besondere Form der Verzweigungen wird u. A. von der Umgebungstemperatur, Feuchte, Luftströmungen und Verunreinigungen bzw. Kratzspuren in der Scheibe beeinflusst, sodass es schließlich zu farn- und blumenartigen Strukturen kommt. Die im vorliegenden Fall zu beobachtenden nicht sehr häufig vorkommenden zopfartigen Gebilde sind bei sehr niedriger Temperatur (ca. – 18° C) an einer alten, vermutlich mit feinen Kratzern übersäten Scheibe bei relativ starkem Wind entstanden.
Was es mit diesem Foto auf sich hat erratet ihr nicht. Es ist einfach zu abwegig. Ich hatte einige winzige Kugellagerkugeln (merkwürdiges Wort) in einer alten Filmdose aufbewahrt. Als ich sie benutzen wollte, merkte ich plötzlich, dass ich von einigen Kugeln beobachtet wurde und zwar durch mein Spiegelbild, das mich hier mehrfach miniaturisierte (auch eine Form der Marginalisierung).
Aber so wie ich es sah, kann ich es hier leider aus Gründen der Beschaffenheit der Welt nicht zeigen – der Fotoapparat drängt sich mit ins Bild und zwar sehr prominent. Das ist übrigens auch philosophisch gesehen ein interessanter Befund: So wie man sich im Spiegel sieht, kann man von keinem Anderen gesehen werden.
Außerdem ist das Spiegelbild nur in einem beschränkten runden Rahmen zu haben. Er wird durch die Spiegelung der matten Dose bewirkt, die den Rest der Kugeln mit einem grau-metallic wirkenden Überzug zu versehen scheint.
Unwichtig
was du erzählst.
Eine einzige Geschichte
durchströmt alle Geschichten
treibt sie durch Raum und Zeit
zur Mündung der Wörter
Geschichte erzählt uns
Webt am alten Menschheitstraum
Läst durch die Poren
der Wörter Atem
schöpfen
Trotzdem heisst sie
eine andere Geschichte
wird nie erzählt
Mit Geschichten
Wirklichkeit einkreisen
und immer ein
Rest da
der antreibt
noch eine
zu erzählen
noch eine *
Eveline Hasler. Auf Wörtern reisen. Zürich 1993, S. 42
Ob es sich hier um Hoch- oder Tiefstapelei handelt, ist schwer zu entscheiden. Jedenfalls knüpft dieser Stangenstapel an zahlreiche Kunstwerke an, in denen nach bestimmten Regeln organisierte gleichartige Dinge zeigen, dass das Werk mehr ist als die Summe der gestapelten Elemente.
…wie so manches. Auch wenn es nicht so aussieht, aber die kleinen Steinchen spielen eine wichtige Rolle für die prekäre Stabilität.
Was fasziniert uns dabei, solche Steinmännchen zu bauen und was reizt andere, diese Bauwerke immer wieder zu zerstören und die Steine nach jedem Neuaufbau immer weiter wegzuwerfen?
Einige Bäume lockern die ansonsten triste Agrarlandschaft auf. Der Schnee macht nicht nur die Spuren der letzten landwirtschaftlichen Aktivitäten sichtbar, (die rechts unten an einen chaotischen Attraktor erinnern,) sondern verwandelt das Ensemble in eine Art Schwarz-Weiß-Malerei.