Wir möchten wissen, warum beim Blick durch das Lochblech einige Bilder unscharf sind?
_________________________________________________________________________________________________________
Erklärung des Rätselfotos des Monats Mai 2023
Frage: Wo und wie kommt es zu diesen Kristallen?
Antwort: Ein kleines Loch in der mittleren der drei Scheiben eines Flugzeugfensters sorgt dafür, dass die Druckunterschiede zwischen Kabine und äußerer Scheibe stets ausgeglichen werden können. Der damit verbundene Luftaustausch erfüllt damit außerdem die Funktion, die Ansammlung von Feuchtigkeit zwischen den Scheiben und damit ein die Sicht behinderndes Beschlagen zu verhindern.
Aber Ausnahmen bestätigen die Regel. Ab und zu kommt es dann doch dazu, dass Scheiben beschlagen oder sogar Eiskristalle an der inneren Fläche der äußeren Scheibe entstehen, die meist auf die unmittelbare Umgebung des Lochs beschränkt bleiben. Auf dem Foto sieht man den nicht allzu häufig vorkommenden Fall, dass sich die Eisblumen über einen größeren Bereich ausbreiten. Die Kristalle können aber während ein und desselben Flugs auch wieder verschwinden. Da die Kristallbildung nicht an allen Scheiben gleichzeitig auftritt, müssen Besonderheiten in der Nähe des betroffenen Fensters ausschlaggebend sein.
Ein beeindruckendes architektonisches und in vielen Fällen auch künstlerisches Bauelement ist meines Erachtens die Form einer Helix, wie sie beispielsweise in der Wendeltreppe realisiert ist. Sie besticht durch große Einfachheit, mit der auf einer kleinen Grundfläche die Möglichkeit realisiert wird praktisch beliebig hoch zu steigen. Man kennt diese Einrichtung zum Beispiel von hohen Türmen. Im Foto ist eine Wendeltreppe aus dem Pantheon in Paris zu sehen, die in der Fotografie zusätzlich den subjektiven Effekt einer Spiralstruktur vermittelt. Wegen der perspektivischen Verkürzung beim Blick nach unten scheinen die Windungen nach innen zu spiralen, was sie in Wirklichkeit natürlich nicht tun.
Physikalisch gesehen, ist die Glaskugel eine Sammellinse, die – außerhalb der doppelten Brennweite – den betrachteten Gegenstand – hier eine Landschaft – kopfstehend und verkleinert auf der Netzhaut unserer Augen bzw. dem Chip der Kamera abbildet. Aufgrund der extremen Dicke dieser Linse kommt es zur kugelförmigen „Abirrung“ (sphärische Aberration) des Bildes vom Gegenstand.
Die vorliegende Glaskugel ist auch in anderer Hinsicht kein perfektes Abbildungsmittel. Und das nicht, weil sie zu wenig, sondern zu viel abbildet. Denn sie enthält einige kugelförmige Lufteinschlüsse, sozusagen Luftkugeln, von der jede, ob groß oder klein, ebenfalls die ins Visier genommene Landschaft abbildet: Diese erscheint in den Luftkugeln sogar aufrecht stehend. Eine Luftnummer? Vielleicht, denn eine bloße Vervielfachung von Information führt oft, also nicht nur in diesem Fall, zu einer Verminderung der Durchsicht im tatsächlichen wie im übertragenen Sinn.
Weiter für „Experten“: Bleibt zu klären, wieso die Bilder in den Luftkugeln im Glas keinen Kopfstand machen. Um die Standhaftigkeit der Luftkugelabbildungen zu verstehen, muss man sich klarmachen, dass die Orientierung einer Abbildung nicht nur von der Form des abbildenden Mediums (Glas oder Luft) abhängt, sondern auch von der Umgebung. Wenn man an eine transparente Kugellinse denkt, unterstellt man meist stillschweigend, dass es sich um ein Material mit einem größeren Brechungsindex als den der Umgebung handelt. Bei den – zugegeben nicht gerade gängigen – Luftkugeln ist es gerade umgekehrt. Sie haben einen kleineren Brechungsindex als das umgebende Glas. Daher verhalten sie sich auch umgekehrt und kehren den abgebildeten Gegenstand nicht auf den Kopf. Sie wirken vielmehr wie eine inverse Sammellinse, bzw. eine Zerstreuungslinse, die ein entferntes Objekt richtig herum abbildet.
Mit Hilfe des Lichtstrahlmodells (siehe Grafik) kann man sich von dieser Aussage überzeugen. Die Luftlinse führt zu einem verkleinerten, aufrechtstehenden Bild. F und F‘ bezeichnen den Brennpunkt hinter und vor der Linse.
Beim Eintritt ins Bad eines Hotelzimmers, erblickte ich vor dem eigentlichen Spiegel einen kleinen runden Spiegel, der mir ein verkleinertes kopfstehendes Bild lieferte. Bevor ich versuchte herauszufinden, wozu der Spiegel gut sein könnte, fotografierte ich die Szenerie.
Ich musste keine großartigen Untersuchungen anstellen. Als ich mich den Spiegeln näherte klärte sich das Problem.
Worin besteht die Klärung?
H. Joachim Schlichting Spektrum der Wissenschaften 05 (2023) S. 70-71
Das Sandkorn ist gewiß das nicht
wofür ich es ansehe
Georg Christoph Lichtenberg
Zur Aufbewahrung von Tee benutze ich eine alte ostfriesische Teedose. Im oberen Bereich verjüngt sie sich, damit die Blätter problemlos in den Messbecher geschüttet werden können, der zugleich als Deckel dient. Beim Nachfüllen muss ich einen Trichter benutzen, und das funktioniert nicht immer ohne Probleme. Oft stockt der Fluss der Teeblätter. Die intuitive Idee, ihn durch Druck zu verstärken, bringt hier nichts. Ich erreiche dadurch eher, dass sich alles nur noch mehr verdichtet und ich die Prozedur von vorn beginnen muss.
Dieses Verhalten betrifft nicht nur Teeblätter, sondern alle Granulate wie Sand, Salz, Müsli oder Erbsen. Die Ursache sind so genannte Kraftbrücken. Den größten Teil des ausgeübten Drucks nehmen granulare Netzwerke auf, quer durch das Material verlaufende Verdichtungen. An ihnen wird die Kraft von einer Wand zur anderen abgeleitet. Das baut so etwas wie eine Barriere für nachfließende Materie auf. Dann rutschen die Teilchen nicht mehr in dem Maß nach, wie sie unten herausrieseln, sondern sie stützen sich gegenseitig und an den Wänden ab. Das kann in bestimmten Situationen, wie etwa Getreidesilos, zum Bruch der Behälter führen.
Seit Menschengedenken dient der Effekt der Konstruktion von freitragenden Brücken und Bögen in Gebäuden. Solche Gewölbe werden allerdings gezielt hergestellt, während sie in Granulaten durch Zufall an nicht vorherbestimmbaren Stellen entstehen und sich weitgehend der Kontrolle entziehen.
Beim Tee ist die sanfte Tour erfolgversprechender als Druck. Leichtes Klopfen oder Schütteln senkrecht zur Fließrichtung an der entsprechenden Stelle am Trichter löst die Blockade in den meisten Fällen auf.
In der Physik der granularen Materie werden solche Phänomene auch Jamming genannt. Eine eindrucksvolle Demonstration bietet ein Stab, den man mit großer Kraft in ein schmales Röhrchen presst, das mit Sand oder einem anderen Granulat gefüllt ist. Er sitzt schließlich so fest, dass man mit ihm das Behältnis samt Inhalt hochheben kann, sofern deren Gewicht nicht zu groß ist. Leichtes Schütteln setzt die Schwerkraft wieder in ihre alten Rechte – das Gefäß fällt. Auch das Geschicklichkeitsspiel Scheibenmikado macht von dem erstaunlichen kollektiven Verhalten Gebrauch. Hier muss man aus einer Fläche mit einer starken Feder zusammengedrückten Scheibchen einzelne entfernen, ohne dass sich die Nachbarn bewegen.
Noch bevor die Kraftbrücken im Rahmen der Physik der granularen Materie näher erforscht wurden, habe ich sie unwissentlich beim Spiel mit meinem Sohn im Sandkasten kennengelernt. Der Versuch, ein Installationsrohr in den trockenen Sand zu drücken, gelang mir nur mit äußerster Anstrengung. Klopfen und Rütteln halfen wenig. Zu meinem Erstaunen beobachtete ich bei anderer Gelegenheit, wie mein Sohn ein Trinkglas von vergleichbarem Durchmesser ohne große Mühe auf dieselbe Weise im Sand versenkte. Lag das vielleicht daran, dass Glas auf Grund seiner Materialeigenschaften leichter durch den Sand gleitet als ein PVC-Rohr? Doch als ich letzteres durch einen passenden Deckel fest verschloss, ließ es sich leichter in den Sand schieben.
Das widerspricht der Intuition, weil dann Luft eingesperrt ist und bei der Aktion komprimiert wird. Man könnte leicht vermuten, dadurch käme es zu einer zusätzlichen Gegenkraft, so wie es der Fall ist, wenn man ein umgestülptes Glas in ein Wasserbecken drückt. Stattdessen erleichtert die Luft das Ganze irgendwie.
Die Sache geriet in Vergessenheit, bis ich vor einiger Zeit auf eine Fachpublikation stieß. In dieser berichtete eine Gruppe von Physikern der Universität Paris VII über Messungen, die man als quantitative Fortführung unserer Spielereien im Sandkasten betrachten kann.
Das Team hat derartige Sandexperimente in reproduzierbarer Weise präpariert und sie sowohl in lockeren als auch in verfestigten Schichten durchgeführt. Auf ihren Zylinder übertrugen die Wissenschaftler eine Kraft, indem sie ihn mit einem Behälter belasteten. Dessen Gewichtskraft vergrößerten sie in kontrollierter Weise. Als Maß für die Leichtigkeit des Eindringens des Zylinders ermittelten sie die jeweils erreichte Tiefe.
Die Forscher bestätigten unsere erstaunliche Beobachtung, dass ein geschlossenes Rohr wesentlich einfacher versenkt werden kann als ein offenes. Der Versuch lässt sich mit zwei Plastikbechern reproduzieren, wenn man bei einem der beiden den Boden entfernt. Presst man den intakten Becher in den Sand, gerät das abnehmende Luftvolumen unter erhöhten Druck. Dieser wird schließlich so groß, dass die Luft an der inneren Seite des Zylinders unter den versenkten Rand strömt und an der Außenseite ins Freie gelangt. Das wirbelt den Sand im Grenzbereich auf und verflüssigt ihn regelrecht, indem es fixierende Kraftbrücken unterbricht und verhindert, dass sich neue bilden.
Der Luftstrom beim Druck auf den Zylinder erfüllt in etwa die Funktion meines leichten Klopfens beim Lösen von stockenden Teeblättern. Der luftgefüllte Leerraum zwischen den eigentlichen Teilchen eines Granulats ist also nicht bloß eine nebensächliche Gegebenheit. Vielmehr kann er eine aktive Rolle bei der Bewegung und den Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Bestandteilen spielen.
Quelle
Clément, R. et al.: Penetration and blown air effect in granular media. Physical Review Letters 106, 2011
Diese Fenster sehen aus, als wären sie mit Butzenscheiben ausgestattet. Sind sie aber nicht. Vielmehr handelt es sich um doppelt verglaste Fenster, von denen die äußere Scheibe (auf die wir blicken) die hellen Gegenstände der Außenwelt spiegelnd reflecktiert. Da die Gegenstände im Innern (außer der Lampe links unten) vergleichsweise wenig Licht aussenden, werden sie von dem gespiegelten Licht weitgehend überstrahlt und daher nicht gesehen. Wer sich allerdings im Innenraum hinter dem Fenster befindet hat einen perfekten Blick auf die helle Außenwelt. Ursache für die Verzerrung der Spiegelungen der hell beleuchteten Außenwelt ist die Wölbung der der doppelt verglasten Scheiben nach außen. Die Wölbung wird dadurch bewirkt, dass im Innern zwischen den Scheiben ein höherer Luftdruck herrscht als außen. Die Scheibe wirkt daher wie ein Wölbspiegel, wie man ihn zuweilen an unübersichtlichen Straßeneinmündungen vorfindet. Eigentlich müsste man auch noch eine Spiegelung der hinteren Scheibe sehen, die als Hohlspiegel wirkt. Aber durch eine reflektierende Beschichtung der vorderen Scheibe sieht vom reflektierten Licht der hinteren Scheibe so gut wie gar nichts.
Wie es zum Überdruck zwischen den Scheiben kommt, habe ich früher bereits erklärt, zum Beispiel hier oder etwas ausführlicher hier.
Wasserabweisende Pflanzen verdanken diese ihre Fähigkeit in vielen Fällen ihrer Mikrostruktur. Das Blatt der Lotospflanze besitzt trotz ihrer äußerlich glatten Erscheinung feine Papillen, auf denen die Wassertropfen aufsitzen und damit im Vergleich zur geometrischen Oberfläche nur äußerst kleine Berührfläche besitzen. Man spricht auch vom Cassie-Baxter-Zustand. Daher gleiten die Tropfen leicht von der Blattoberfläche ab, die sich damit als hydrophob erweist. Auch Pflanzen mit kleinen Härchen auf den Blättern zeigen oft ein ähnliches Verhalten.
Sollte eine CD mit ihrer feinen Rillenstruktur nicht aus ähnlichen Gründen wasserabweisend sein? Ich habe zur Überprüfung dieser These einige Tropfen auf die CD gegeben und siehe da, die Tropfen breiteten sich nicht aus: Die CD ist also wasserabweisend, wenngleich in einem wesentlich geringeren Maße wie ein Lotosblatt.
Ein schöner Nebeneffekt: Einige Interferenzfarben, die bei normaler Betrachtung nicht zu sehen sind, werden durch Brechung des Lichts in den Tropfen in unsere Augen gelenkt und lassen sie bunt erscheinen.
Eine Glaskugel wird vom blauen Himmel durch ein Fenster hindurch beleuchtet. Sie fokussiert das Licht auf einen Brennfleck. In diesen Brennfleck lege ich eine lichtundurchlässige Kugel (ich hatte nur eine solche aus Schokolade). Diese wirft einen Schatten. Der Schatten ist gerundet und relativ kurz. Denn das Fenster ist als Lichtquelle sowohl zu den Seiten als auch in der Höhe begrenzt.
Heute morgen war ich auf der Jagd. Auf Fliegenjagd. Ich habe bereits in meiner Kindheit einen Fangmechanismus entwickelt, bei dem die Fliegen unversehrt bleiben. Ausgangspunkt für meine Methode waren die zahlreichen Klebebänder, an denen die Fliegen, die sich darauf gesetzt haben, keine Chance hatten, wieder loszukommen. Sie quälten sich bis zum Tod.
Ich gebe zu, dass es damals wohl noch mehr Fliegen gab als heute, aber ich konnte meine Familie mit meinem Erfolg überzeugen.
Das Fangprinzip ist sehr einfach, erfordert aber eine gewisse Schicklichkeit und Übung. Es funktioniert in etwa wie folgt. Ich warte bis sich eine Fliege (günstig) gesetzt hat und positioniere vorsichtig meine schalenförmig geformte Hand fest auf die Fläche und zwar in Abflugrichtung der Fliege, also in die Richtung, in die die Fliege blickt und bewege die Hand blitzschnell auf die Fliege zu, indem ich gleichzeitig die Hand zu einer Höhlung schließe. Bei Erfolg muss ich sie dann nur noch heraustragen und die Hand öffne.
Eine Fliegenklatsche ist meiner Erfahrung nach ineffektiver, weil die dabei in Bewegung gebrachte Luft, die Fliege warnt und zum vorzeitigen Start veranlasst. Ganz abgesehen davon ist die Fliege anschließend zermatscht. Das mag zwar ein humanerer Tod sein als am Klebeband und hinterlässt keine hässlichen Kadaver, aber die Methode kommt für mich nicht in Frage. Es gibt zwar siebförmige Klatschen, die einen Teil der Luft aus Trägheit hindurchlassen, Spuren hinterlassen sie dennoch.
Mein Gewährsmann für viele Alltagsprobleme, Georg Christoph Lichtenberg (1742 – 1799) macht sich sogar Gedanken, wie sich Fliegen gegen die Klatsche wehren können: Die Fliege, die nicht geklappt sein will, setzt sich am sichersten auf die Klappe selbst.
Außerdem frage ich euch, ob sie nicht zu schön sind, die Fliegen, um zermatscht zu werden. Ich denke Gerhard wird das verstehen.
Ich muss allerdings zugeben, dass meine Methode bei Mücken nicht so recht klappt.
Blickt man auf die Sonne oder den Mond?
Erklärung des Rätselfotos des Monats März 2023
Frage: Wir möchten die ungefähre Tageszeit der Aufnahme wissen.
Antwort: Die Aufnahme zeigt zum einen Fenster, in denen die Front eines gegenüberliegenden Hauses reflektiert wird. Zum anderen sieht man eine Serie von Projektionen von Lichtkreuzen im Lichtkreis, die von Fenstern des gegenüberliegenden Hauses stammen. Damit man sie auf der Häuserwand projiziert vorfindet, steht die Sonne nicht sehr hoch. Andererseits stehen sie so hoch, dass von Dämmerung keine Spur ist, denn ihre Farbe ist hell weiß.
Die orangene Färbung der Häuserfront kann daher nicht durch das farbige Licht der tiefstehenden auf- oder untergehenden Sonne erklärt werden. Es handelt sich vermutlich um die Wirkung einer Beschichtung der reflektierenden Fensterscheiben, die langwelliges Licht reflektieren und kurzwelliges durchlassen.
Bei der Tageszeit ist daher vom frühen Vormittag oder späten Nachmittag auszugehen.
Könnte man die Sprünge der Aufmerksamkeit messen, die Leistungen der Augenmuskeln, die Pendelbewegungen der Seele und alle die Anstrengungen, die ein Mensch vollbringen muß, um sich im Fluß einer Straße aufrecht zu halten, es käme vermutlich -so hatte er gedacht und spielend das Unmögliche zu berechnen versucht – eine Größe heraus, mit der verglichen die Kraft, die Atlas braucht, um die Welt zu stemmen, gering ist, und man könnte ermessen, welche ungeheure Leistung heute schon ein Menschvollbringt, der gar nichts tut.*
Mit diesem Zitat möchte ich allerdings nicht nahelegen, dass es das Beste sei, nichts zu tun 😉
______________________________________________________
* Robert Musil. Der Mann ohne Eigenschaften. Reinbek 1990, S. 12
.
Das Bild habe ich auf dem Umschlag eines alten Physikbuchs gefunden.
Im Bremer Science Center Universum gibt es eine gläserne Brücke über einen vermeintlichen Abgrund. Obwohl kein Geheimnis daraus gemacht wird, dass man letztlich über eine Art transparenten Spiegel geht, der den Blick in die Tiefe herausfordert und man sich auf dem Kopf stehend (gespiegelt) dabei beobachtet, haben manche Menschen Angst darüber zu gehen. Um nicht als Angsthase zu gelten, gehen manche mit sturem Blick nach vorn darüber, um von diesen für sie offenbar verstörenden Illusionen nichts mitzubekommen.
Auch diesem harmlosen Beispiel zeigt sich einmal mehr, dass der Verstand oft vor der bloßen illusionären Wahrnehmung ins Hintertreffen gerät.
Ein Trinkglas wird gefüllt, wenn man ein Getränk hineingibt. Vorher war es leer – sagt man. In Wirklichkeit war es nicht leer, sondern mit Luft gefüllt. Aber was ist schon Luft? In dieser Sprechweise ist sie gleichbedeutend mit Leere. Dabei wissen wir, dass wir ohne Luft nicht leben können und es dem Menschen versagt ist einen luftleeren Raum herzustellen. Wenn man vom luftleeren Raum spricht, meint man einen Raum in dem der Luftdruck reduziert ist. In einem sogenannten Ultrahochvakuum ist er sogar sehr stark reduziert.
Wenn man also ein Glas mit einem Getränk füllt, verdrängt man mit einem dichteren Fluid, dem Getränk, ein weniger dichtes, die Luft, die dann außerhalb des Glases Platz findet.
Um die Luft als physikalische Gegebenheit bewusst zu machen, präparieren wir eine Situation, in der sie sich ähnlich wie Wasser verhält. Dazu wird ein leeres – pardon – mit Luft gefülltes Glas überkopf in ein Gefäß mit Wasser gedrückt. In diesem Fall tritt kein Wasser in das Glas ein, weil anders als in der „luftigen“ Umgebung des Alltags im Wasser das dichte und das weniger dichte Medium gewissermaßen ihre Rollen vertauschen, vorausgesetzt es wird außerdem „oben“ und „unten“ vertauscht, indem die Glasöffnung entgegen der üblichen Praxis nach unten gerichtet wird.
Dass durch diese doppelte Vertauschung – Flüssigkeit und Luft sowie oben und unten – die Verhältnisse irgendwie gleich bleiben, wird noch überzeugender, wenn man aus dieser Erkenntnis Konsequenzen zieht. Eine Konsequenz wäre, dass man in der „wässrigen“ wie in der gewohnten „luftigen“ Umgebung versuchte, Luft von einem Glas in ein anderes umzufüllen.
Ein entsprechender Versuch ist leicht ausgeführt (Skizze): In der kopfstehenden Wasserwelt eines Aquariums wird ein luftgefülltes Glas vorsichtig über (aus der Sicht der Luftwelt: unter) einem „leeren“, also mit Wasser gefüllten Glas geneigt und die Luft ins bis dahin luftleere Wasserglas gegossen. Wie in der Luftwelt muss man aufpassen, dass man nichts vorbeigießt oder das Glas nicht zum Überlaufen bringt. Auch die Verdrängung des Wassers durch die ins Glas strömende Luft erfolgt genauso unauffällig wie die Verdrängung der Luft beim Eingießen von Wasser in der normalen Luftwelt.
Erst durch eine Betrachtung der Dinge in einer anderen Welt versteht man, was in dieser Welt wirklich passiert.
Damit ist der Kern des Problems getroffen. Da aus lebensweltlicher Perspektive alles Erfahrene immer schon benannt und begriffen ist, muss aus neuer unvertrauter Perspektive (hier: aus der Sicht der Wasserwelt) Altbekanntes zum Unvertrauten gemacht werden, um so die Realität in neuer, vorher nicht erlebter Weise sichtbar zu machen.
Die obigen Experimente demonstrieren darüber hinaus ein typisches Vorgehen innerhalb der physikalischen Forschung. Es werden Symmetrieüberlegungen angestellt, um die in einem bereits physikalisch erschlossenen Gegenstandsbereich gemachten Erfahrungen auf einen anderen irgendwie dazu symmetrisch gedachten Bereich zu übertragen.
Im vorliegenden Beispiel zeigt sich aber, dass die fluiden Medien Luft und Wasser zumindest nicht in dem simplen Sinne symmetrisch zueinander angesehen werden können, dass ein bloßer Austausch derselben zu einem entsprechenden Ergebnis führt. Außerdem müssen in einer weiteren Symmetrieoperation Oben und Unten vertauscht werden. Erst diese doppele Vertauschung führt zu Phänomenen, die in der hier unterstellten Vereinfachung vom Medium Wasser oder Luft unabhängig sind.
Der erste Experimentalphysiker Georg Christoph Lichtenberg (1842 – 1799) hat sich ausgiebig mit dem Füllen und Leeren von Gläsern befasst und daraus seine Lehre bzw. Leere gezogen:
Ich fragte ihn, ob er das leichteste Verfahren kenne, ein Glas ohne Luftpumpe luftleer zu machen. Als er sagte: Nein, so nahm ich ein Weinglas, das voll Luft war wie alle leeren Weingläser, und goss es voll ein. Er gestund nun ein, das es luftleer sei, und dann zeigte ich ihm das beste Verfahren, die Luft ohne Gewalt wieder zuzulassen, und trank es aus. Der Versuch misslingt selten, wenn er gut angestellt wird. Es freute ihn nicht wenig, und er wurde von uns allen mehrmals angestellt*.
____________________________________________________________________________
* Georg Christoph Lichtenberg: Schriften und Briefe IV. München 1967, S. 316
Zwei sich überkreuzende Grogstäbchen auf einer gestreiften Decke tun ihre „physikalische Pflicht“ und schaffen dabei eine Art Kunstwerk. Das von den schwarzen und weißen Streifen ausgehende Licht wird in den Glasstäbchen gebrochen. Es wird zum Einfallslot hin abgelenkt, was durch die Form und die Lage der zylindrischen Glaskörper zu einer entsprechend komplexen Verteilung von Schwarz und Weiß führt. Dies ist ein Beispiel dafür, dass ein einfaches Gesetz, das Brechungsgesetz, unter Umständen zu kaum durchschaubaren Bildern führen kann.
Obwohl der Spiegel doch nur „vorne“ und „hinten“ vertauscht, hat man manchmal seine liebe Mühe, eine Ordnung in die Spiegeleien zu bringen. Versucht es doch selbst einmal 😉
Spiegel sind seit Menschengedenken, spätestens seit Narziss (siehe Ovids Metamorphosen), eine Herausforderung für die Menschen. Eine dieser Herausforderungen besteht in der Beantwortung der Frage, ob man dem Spiegel vertrauen kann.
„Den eigenen Rücken im Anprobespiegel zu sehen, beruht vor allem auf dem Wissen, daß es das gibt und daß ‚es geht‘. Man kennt das Hantieren mit zwei Spiegeln und die Bedingungen, unter denen der zweite Spiegel das Bild im ersten zeigt. Man kennt einfache Gesetzmäßigkeiten der Reflexion. Aber man ’sieht‘ in einem einigermaßen wissensunabhängigen Sinn nichts, was die Zugehörigkeit des Gesehenen zum Eigenleib unmittelbar ansichtig macht, etwa ohne Erinnerung an bestimmte Merkmale und Anomalitäten aus früheren Handlungen gleicher Art. Wir kennen uns von hinten nur auf Umwegen und unter reduziertem Gewißheitsgrad.“*
Fazit: Verachte nicht die Spiegelbilder. Nur mit ihrer Hilfe ist es möglich, einige den Augen direkt entzogene Partien des eigenen Körpers zu sehen.
_______________________________________________
* Hans Blumenberg. Die Vollzähligkeit der Sterne. Frankfurt am Main 1997, S 378
Offenbar macht es einen großen Unterschied, ob man es mit Licht zu tun hat, das durch Glas gebrochen wird oder mit gebrochenem Glas bei Licht gesehen. In dem einen Fall ist das Glas unversehrt, im anderen unwiderruflich zerstört. Außerdem erkennt man gebrochenes Glas mit Sicherheit, aber an einem Glasgegenstand gebrochenes Licht kann den Gegenstand bis zur Unkenntlichkeit (zumindest optisch) verändern. Oder wer würde auf Anhieb sagen können, welcher Gegenstand sich hinter diesem Abbild verbirgt?
Vielleicht muss man es auch gar nicht wissen, weil der im gebrochenen Licht gesehene Glaskörper eine ästhetische Wirkung vermittelt, die nach keiner weiteren Erklärung verlangt.
Als ich vor dieser aus einem Felsen mit einer überdimensionalen Säge herausgearbeiteten glatten Wand stand, hatte ich kurzfristig den Eindruck, das Steinpaar im rechten Drittel würde sich über den holprigen Hangweg von einer zur anderen Erhebung hüpfend nach links unten bewegen. Zugegeben – eine Täuschung. Aber vielleicht bewegt er sich ja tatsächlich, wenngleich dem Kontext entsprechend geologisch langsam 😉 , also mit einer Geschwindigkeit von derselben Größenordnung in der der Fels selbst entstanden ist. Man könnte die Szenerie aber auch als Dornröschenschlaf ansehen, das wäre wesentlich poetischer und würde die naturschöne Ansicht kongenial begleiten.
Die Dauer – eine noch einzuführende Wissenschaft
Paul Valéry (1871 – 1945)
Die schillernden Kugeln üben eine große Faszination aus: wegen ihrer Farbspiele, aber auch ihrer meist sehr kurzen Lebensdauer. Doch diese lässt sich mit ein paar Tricks auf über ein Jahr verlängern!
Wenn man sagt, Träume zerplatzen wie Seifenblasen, wird die Vergänglichkeit dieser fragilen Objekte sprichwörtlich. Bei den menschlichen Bemühungen, Träume wahr werden zu lassen und Seifenblasen ein längeres Leben einzuhauchen, gibt es zumindest beim letzteren Punkt bemerkenswerte Fortschritte.
Physikalisch gesehen ist eine Seifenblase ein kugelförmiger Flüssigkeitsfilm, der mit einem Gas gefüllt ist, normalerweise Luft. Wie man an den prachtvollen Interferenzfarben direkt erkennen kann, ist die Wand einer solchen Blase äußerst dünn. Denn das bunte Schillern bedeutet, dass bei den Lichtwellen, die an der Außen- und Innenseite des Films reflektiert werden und sich dann überlagern, einzelne Farben ausgelöscht und andere verstärkt werden. Das ist aber nur bei einer Wanddicke möglich, die in der Größenordnung der Wellenlängen des sichtbaren Lichts liegt, also unterhalb eines tausendstel Millimeters.
Auf die filigrane Seifenhaut wirkt gleich nach ihrer Entstehung die Schwerkraft ein. Infolgedessen rinnt Flüssigkeit auf Grund ihres eigenen Gewichts langsam die Wand hinunter. Dadurch wird diese im oberen Bereich immer dünner. Zuweilen zeigt sich die Umverteilung an einem wachsenden Tropfen am unteren Ende.
Die Beobachtung, dass die Erdanziehung die Lebensdauer der Blasen maßgeblich verkürzt, wird durch Experimente in der internationalen Raumstation ISS untermauert. In der dortigen Schwerelosigkeit existieren die Gebilde länger als bei ansonsten vergleichbaren Bedingungen auf der Erde.
Zusätzlich zur Gravitation setzen den Seifenblasen weitere Vorgänge zu. So verdunstet mehr oder weniger Flüssigkeit aus der Wand, je nach den herrschenden meteorologischen Bedingungen. Bei hoher Luftfeuchte halten sich die Blasen länger als bei strahlendem Sonnenschein. Die lebensverlängernde Wirkung lässt sich bei Nieselwetter besonders gut beobachten. Nicht nur nimmt die Verdunstungsrate ab – vermutlich werden sogar die Wasserdampfverluste durch auftreffende winzige Wassertröpfchen teilweise kompensiert.
Die Blase ist außerdem äußeren Störungen unterworfen, beispielsweise durch Luftbewegungen. Diese lassen die Wandstärke schwanken und provozieren Ausgleichsströmungen, die in schillernden Schlieren ihren sichtbaren Ausdruck finden. Wenn das die Blase nicht schon vorher hat platzen lassen, beobachtet man gegen Ende ihrer Lebenszeit, wie von oben beginnend die Farben sukzessive verschwinden. Dann ist die Filmdicke geringer als die Wellenlängen des sichtbaren Lichts, und unterhalb von einigen zehn Nanometern steht das Ende der Blase unmittelbar bevor.
Die unmittelbarste Bedrohung der schwebenden Sphären ist eine äußere Berührung, sei es von Staub oder durch die Hand eines spielenden Kindes. Solche Kontakte fungieren als so genannte Nukleationskeime, die oft rasend schnell zu einem Loch in der Blase und somit zum Platzen führen. Manchmal genügen bereits Inhomogenitäten der Seifenkonzentration als Auslöser. Berührungen erfolgen in vielen Fällen mit benetzbaren (hydrophilen) Gegenständen. Sie entziehen der dünnen Wand punktuell sehr viel Flüssigkeit, die nicht schnell genug durch Ausgleichsströmungen ersetzt werden kann. Das muss nicht immer so sein: Auf regennassen Blättern bleiben Seifenblasen liegen, ohne zu zerspringen.
Unterschiedliche Maßnahmen können das Leben der Gebilde verlängern. Straßenkünstler haben sich Rezepte für Seifenblasen erarbeitet, die zumindest einige Minuten überstehen. Solche Erfolge haben Aymeric Roux, Alexis Duchesne und Michael Baudoin von der Université Lille im Jahr 2022 allerdings weit in den Schatten gestellt: Den drei französischen Physikern gelang es, Blasen mit einer Lebensdauer von bis zu 465 Tagen herzustellen.
Dabei haben die Forscher die destruktiven Prozesse in der Seifenblase systematisch beseitigt. Sie unterbanden ein Herunterrinnen der Flüssigkeit in der Wand, indem sie der Lauge winzige Plastikteilchen mit einem Durchmesser von etwa einem zehntel Millimeter zufügten. Die hydrophilen Partikel umgeben sich mit der Flüssigkeit und werden von dieser mit in die Kugelform gezwungen. Der Effekt ähnelt dem Verhalten von trockenen Sandkörnern, die durch Zugabe von Wasser zu dauerhaften Sandburgen gestaltet werden können: Dort hält die Feuchtigkeit die Körner in Form, und der Sand hindert durch seine Hydrophilie das Wasser am Abfließen. Bei der Blase verfestigen die Kügelchen zudem das Gebilde und machen es unempfindlich gegen Berührungen und andere Quellen von Nukleationskeimen.
Wie man aber von einer Sandburg weiß, verhindert die Bindung des Wassers an den Körnern nicht dessen Verdunstung. Jedes Strandkunstwerk zerfällt irgendwann, wenn man den Sand nicht ständig befeuchtet.
Um dem Wasserverlust in den Blasen vorzubeugen, haben die Forscher ihrer Mixtur Glyzerin zugegeben. Dabei handelt es sich um eine hygroskopische Substanz, das heißt, sie kann Wasserdampfmoleküle aus der Umgebung aufnehmen und damit der Verdunstung entgegenwirken. Das funktioniert umso effektiver, je größer die Dampfkonzentration in der umgebenden Luft ist. Durch eine passende Dosierung sorgte das Team für Ausgewogenheit zwischen dem Wasserverlust durch Verdunstung und der Absorption durch das Glyzerin in der Wand. Damit konnte die Blase nicht mehr austrocknen.
Die verschiedenen Komponenten und Vorgänge in den dergestalt präparierten Blasen waren so gut ausbalanciert, dass ein Exemplar 465 Tage durchhielt. Der Rekord steht allerdings in einem ernüchternden Kontrast zu den Eigenschaften, die wir gemeinhin mit einer Seifenblase verbinden – sie alle fehlten hier. Weder schwebte die Sphäre, noch spiegelte sie oder schillerte farbenprächtig, sondern sie lag auf dem Untergrund wie die weißliche Kuppel einer Radarstation. Am Schluss platzte sie nicht spektakulär, sondern fiel kraftlos in sich zusammen. Dazu, woran sie schließlich doch noch zu Grunde gegangen ist, können die drei Wissenschaftler nur Vermutungen anstellen. Sie verdächtigen Kolonien von Mikroorganismen, die sich im Flüssigkeitsfilm entwickelten und das sorgfältig austarierte Gleichgewicht schließlich zerstörten.
Quelle
Roux, A. et al.: Everlasting bubbles and liquid films resisting drainage, evaporation, and nuclei-induced bursting. Physical Review Fluids 7, 2022
Lieber Jan, heute feierst du deinen 41. Geburtstag, zu dem ich dir ganz herzlich gratuliere. Mit der 1, die du nunmehr zur 40 addieren musst, nimmt das neue Jahrzehnt Fahrt auf (ich weiß wovon ich rede!). Und damit geht auch die Duplo-Zeit zu Ende (siehe Foto).
Die neue Zeit hat bereits spektakulär begonnen und gibt der 41 eine besondere Note, die auch mathematisch einiges hergibt. Zum einen ist 41 eine Primzahl. Prim kommt von Primus, der Erste und das trifft nun ja wohl in besonderer Weise zu. Jedenfalls nehmen wir es mal so. Des Weiteren liefert das Polynom n2 + n + 41 für alle n von 0 bis 39 weitere Primzahlen – ohne Ausnahme. Kannst ja mal nachrechnen.
Wie dem auch sei, du siehst auch die auf den ersten Blick nichtsagende 41 hat es in sich. Das zeigt sich bereits darin, dass ihre Quersumme 5 ist. Und haben wir nicht 5 Finger an jeder Hand? Du wirst es merken, dass dich die 41 im positiven Sinne begleiten wird – zumindest für ein Jahr.
Hier bildet ein Fenster ein gegenüberliegendes zweites Fenster durch spiegelnde Reflexion ab. Allerdings tut es das nicht so wie man es von einer ordentlichen Spiegelung erwarten würde. In den gespiegelten Bruchstücken ist kaum das Abbild eines normalen Fensters zu erkennen. Vielmehr wird es total verzerrt dargestellt, obwohl man dem spiegelnden Fenster keine entsprechenden „Anomalien“ ansieht. Sie sind aber da. Denn es handelt sich um ein doppelt verglastes Fenster, das offenbar geringe Deformationen aufweist, die man allerdings ohne diese Abbildung kaum erkennen würde.
Die Deformationen – eine der Scheiben ist nach innen, die andere nach außen gewölbt – kommen dadurch zustande, dass im luftdicht abgeschlossenen Hohlraum zwischen den beiden Scheiben ein Über- oder ein Unterdruck herrscht.
Da die Spiegelung an der hinteren Scheibe stets etwas lichtschwächer ist, weil bereits ein Teil des Lichts an der vorderen Scheibe reflektiert wurde, kann man einen Unterschied in der Helligkeit des gespiegelten gegenüberliegenden Fensters erkennen. Demnach fungieren die vorderen Scheiben als Wölbspiegel, die hinteren als Hohlspiegel.
Daraus lässt sich wiederum schließen, dass zwischen den beiden Scheiben ein größerer Luftdruck als der natürliche äußere Luftdruck herrscht. Und das setzt voraus, dass zum Zeitpunkt der Herstellung des Fensters ein größerer Außendruck vorhanden war als zum Zeitpunkt dieser Fotografie. Daraus folgt entweder, dass der Herstellungsort tiefer gelegen war als das Fenster (höherer Luftdruck). Oder aber zum Zeitpunkt der Aufnahme herrschte wetterbedingt ein sehr niedriger Luftdruck. Auf diese Weise kann ein Fenster eine ganze Geschichte „erzählen“, man muss nur genau hinhören – pardon: hinschauen.
Habe ich das Bild jetzt physikalisch entzaubert? Sicher nicht, denn die zauberhafte Struktur bleibt erhalten. Vielleicht, so denke ich manchmal, wird sie durch die Beschreibung überhaupt erst bemerkt und dadurch bemerkenswert. Ich spreche in solchen Zusammenhängen gerne von einer Wiederverzauberung…
Was es mit diesem Foto auf sich hat erratet ihr nicht. Es ist einfach zu abwegig. Ich hatte einige winzige Kugellagerkugeln (merkwürdiges Wort) in einer alten Filmdose aufbewahrt. Als ich sie benutzen wollte, merkte ich plötzlich, dass ich von einigen Kugeln beobachtet wurde und zwar durch mein Spiegelbild, das mich hier mehrfach miniaturisierte (auch eine Form der Marginalisierung).
Aber so wie ich es sah, kann ich es hier leider aus Gründen der Beschaffenheit der Welt nicht zeigen – der Fotoapparat drängt sich mit ins Bild und zwar sehr prominent. Das ist übrigens auch philosophisch gesehen ein interessanter Befund: So wie man sich im Spiegel sieht, kann man von keinem Anderen gesehen werden.
Außerdem ist das Spiegelbild nur in einem beschränkten runden Rahmen zu haben. Er wird durch die Spiegelung der matten Dose bewirkt, die den Rest der Kugeln mit einem grau-metallic wirkenden Überzug zu versehen scheint.
H. Joachim Schlichting. Spektrum der Wissenschaft 2 (2023)
Es sollte ›alles, was der Fall ist‹
in theoretischen Gewahrsam kommen
Hans Blumenberg (1920–1996)
Wenn in einer Reihe von Dominosteinen einer umfällt, kommt es oft zur Kettenreaktion. Wie schnell diese abläuft und ob es ohne Unterbrechung klappt, hängt von mehreren Parametern ab: dem Abstand der Steine, der Reibung zwischen ihnen und der Wechselwirkung mit dem Untergrund.
Die beim Dominospiel verwendeten Steine haben schon vor vielen Jahren auf eine ganz andere Art Karriere gemacht. Sie werden dabei nicht mehr nach Regeln aneinander gelegt, sondern in einer möglichst langen Reihe hochkant aufgestellt. Das geschickte Arrangieren findet seinen Abschluss darin, den ersten Stein gegen den zweiten fallen zu lassen. Das löst eine mehr oder weniger schnell laufende Kippwelle aus, die in einer Kettenreaktion durch das gesamte System läuft. Die Energie zum Antrieb des Spektakels stammt aus der Höhenenergie der Dominos.
or dem Start ist jeder Stein in einem stabilen Gleichgewicht. Sein Schwerpunkt befindet sich senkrecht über der Auflagefläche, und seiner Höhe entsprechend besitzt der Dominostein Höhenenergie. Um ihn über seine Kante zu kippen, muss der Schwerpunkt zwangsläufig zunächst ein wenig angehoben werden, bevor der Stein fällt. Dann wird die Höhenenergie in Bewegungsenergie umgesetzt. Diese überträgt sich teilweise beim Aufprall auf den nächsten aufgestellten Stein und stößt ihn um, wodurch nun der übernächste in der Reihe umgeworfen wird und so weiter. Ein Ziel besteht darin, durch geeignete Platzierung der Dominos eine möglichst schnelle Welle auszulösen. Dabei wird in der Regel stillschweigend unterstellt, die Reibung mit dem Boden sei so groß, dass die Steine darauf nicht wegrutschen. Das ist bei den üblichen Untergründen meistens gewährleistet.
Es kann aber auch anders sein. Das zeigt zum Beispiel ein mit einer Hochgeschwindigkeitskamera aufgenommenes Video des Youtubers Destin Sandlin. Die auf seinem Kanal »SmarterEveryDay« dokumentierten Experimente haben David Cantor von der Polytechnique Montréal und Kajetan Wojtacki vom Forschungsinstitut für Grundlagentechnologie der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Warschau zu näheren Untersuchungen inspiriert. Mit Hilfe von Computersimulationen brachten die beiden Physiker Ketten von bis zu 200 Dominos zu Fall. Sie variierten den Abstand zwischen den Steinen und die Reibungskräfte mit dem Untergrund sowie untereinander.
Eine Erkenntnis daraus: Bei kleinem Abstand zwischen Dominos, wenn also die Kante des angetippten Steins weit oben auf den Nachbarn prallt, breitet sich die Welle nur langsam aus. Denn zum einen ist infolge der geringen Höhendifferenz die Bewegungsenergie noch klein. Zum anderen gleiten während des gemeinsamen Kippens die Stirnflächen lange aneinander, das heißt die Reibungskraft wirkt über eine verhältnismäßig große Strecke, wodurch sich viel Bewegungsenergie in Wärme umwandelt.
Ein rutschiger Untergrund bremst die Kettenreaktion zusätzlich, weil die Steine infolge des Aufpralls im bodennahen Bereich etwas nach hinten weggleiten. Umgekehrt wird die Welle schneller, wenn die Reibung mit dem Untergrund steigt und die Streckenverluste durch solch ein Wegrutschen sinken. In der Praxis haben die Dominos meist gute Bodenhaftung.
Ein interessantes Verhalten ergibt sich bei einem größeren Zwischenraum bis hin zur dreifachen Steindicke. Hier ist kein rückwärtiges Weggleiten mehr zu beobachten – und zwar unabhängig von der Stärke der Reibung mit dem Boden. Der niedrigere Aufprallpunkt kippt den Nachbarn zwar weniger wirkungsvoll um als es beim Anstoßen mit einem kürzeren Hebel oberhalb des Schwerpunkts der Fall ist. Die große Fallhöhe sorgt aber für mehr Bewegungsenergie, und das verhindert weitgehend das Zurückrutschen des Steins. Die beiden gegensätzlichen Effekte gleichen sich teilweise aus, und in einem gewissen Abstandsbereich bleibt die Geschwindigkeit der Welle etwa gleich.
Überschreitet in den Simulationen die Lückenbreite jedoch die dreifache Dicke der Steine und wird die Reibung zwischen den Dominos größer und mit dem Untergrund kleiner, wird die Welle instabil. Denn bei einer solchen Kombination gleiten die Steine mitunter so weit zurück, dass sie ihre Nachbarn nicht mehr erreichen.
Außerdem ändert sich die Fortpflanzungsgeschwindigkeit nur noch wenig, sobald der Reibungskoeffizient zwischen den Dominos einen bestimmten Wert überschreitet. Vermutlich gleiten die Steine dann ohnehin kaum noch aneinander ab, und es tritt eine Art Sättigungseffekt auf. Ähnliche Erscheinungen gibt es beim Einfluss der Reibung auf den Böschungswinkel eines stabilen Haufens aus Sand. Daher vermuten die beiden Forscher hinter dem Verhalten ein universelles Phänomen.
Die schnellste Wellenausbreitung gibt es mit einer Konfiguration, bei der die Dominosteine relativ dicht zusammenstehen und eine große Reibungskraft mit dem Boden sowie eine kleine untereinander ausüben. Cantor und Wojtacki ermittelten eine Höchstgeschwindigkeit von 2,25 Metern pro Sekunde.
Solche Simulationen helfen zwar, das Verhalten einer Dominokette bis hin zu praktisch nicht mehr realisierbaren Konstellationen auszuloten und zu visualisieren. Damit versteht man jedoch nicht zwangsläufig alle Aspekte der komplexen Dynamik besser. So gibt es beispielsweise im Video von Destin Sandlin seitliche Drehungen, bei denen einzelne Steine regelrecht aus der Reihe zu tänzeln scheinen, wenn sie nicht perfekt mittig angestoßen wurden. Solche Auswirkungen erfasst das virtuelle Kippen von Cantor und Wojtacki nicht. Das manuelle Aufstellen hat Experimenten im Computer noch manche faszinierenden Aspekte voraus. Mehr Spaß macht es ohnehin.
Quelle
Cantor, D., Wojtacki, K.: Effects of friction and spacing on the collaborative behavior of domino toppling. Physical Review Applied 17, 064021 (2022)
Hier wurde ein grünes Trinkglas mit einem brennenden Teelicht vor eine weiße Wand gestellt. Und siehe da, man sieht etwas, was gar nicht vorhanden sein kann – der rötlich erscheinende Bereich an der Wand. Ausgerechnet dort, wo das ungefilterte weiße Kerzenlicht auf die Wand trifft, tritt eine Farbe auf, die objektiv gar nicht vorhanden ist.
In der Tat erliegen wir hier einer veritablen optischen Täuschung. Davon kann man sich überzeugen, wenn man den vermeintlich roten Bereich durch eine Röhre betrachtet und damit den übrigen visuellen Kontext ausschaltet. Dann sieht man die Wand wie sie ist – weiß vom weißen Kerzenlicht.
Schuld an dieser Täuschung ist die chromatische Adaption, die anschaulich als die Tendenz unserer Augen bezeichnet werden kann, die überwiegende Farbe in einem Raum als weiß zu sehen. In einer neuen Lichtsituation – wie hier durch den höheren Grünanteil – wird die Empfindlichkeit der grünes Licht erfassenden Zapfen unserer Augen im Verhältnis zu den anderen Farbanteilen reduziert. Die von grünem Licht beleuchtete Wand wird daher als weniger grün angesehen als sie „in Wirklichkeit“ ist. Da aber auch die Grünanteile der – objektiv gesehen – weißen Wand vermindert werden, dominiert die Komplementärfarbe von Grün, so dass die Wand einen Rotschimmer aufweist.
Dass auch die Kamera dieser Täuschung unterliegt, wird oft mit Verweis auf die Objektivität der Fotografie angezweifelt. Doch die Kamera ist im Automatikmodus gerade so ausgelegt, dass durch einen sogenannten Weißabgleich dafür gesorgt wird, die Dinge auf dem Foto möglichst genau so aussehen zu lassen, wie man sie mit eigenen Augen sieht.
Wer dieses Freihandexperiment selbst ausprobieren möchte, muss nicht unbedingt eine grünes Glas nehmen. Gläser mit anderen Farben funktionieren genauso gut. Allerdings sieht man dann natürlich andere Komplementärfarben. Die Gläser müssen allerdings gut durchgefärbt sein, damit das Phänomen eindrucksvoll in Erscheinung tritt.
Ob es sich hier um Hoch- oder Tiefstapelei handelt, ist schwer zu entscheiden. Jedenfalls knüpft dieser Stangenstapel an zahlreiche Kunstwerke an, in denen nach bestimmten Regeln organisierte gleichartige Dinge zeigen, dass das Werk mehr ist als die Summe der gestapelten Elemente.
Mich faszinieren immer wieder einfache technische Lösungen praktischer Probleme. Dazu gehört auch der Weinkühler aus Ton. Man füllt ihn bis zu einer passenden Höhe mit Wasser und stellt die Wein-/Sektflasche hinein. Da der Ton porös ist, sodass das Wasser allmählich hindurchsickert wird die Außenwand feucht (siehe dunklen Bereich im Foto). Die Feuchtigkeit verdunstet. Da zur Verdunstung von Wasser Energie nötig ist, wird diese der Umgebung entzogen. Dafür kommt vor allem das Wasser infrage. Dieses kühlt sich daher ab und entzieht seinerseits im gleichen Maße der Weinflasche Energie mit dem gewünschten Effekt der Temperaturerniedrigung.
Der Antrieb des Vorgangs ist in der Tendenz des Wasserdampfes zu sehen, sich möglichst gleichmäßig über den zur Verfügung stehenden Raum zu verteilen. Voraussetzung für die Funktion dieses Kühlprozesses ist allerdings, dass die Luftfeuchte nicht zu hoch ist. Bei einer relativen Luftfeuchte von 100% würde genauso viel Wasserdampf kondensieren wie entsteht und das hilft in diesem Fall überhaupt nicht.
Übrigens nutzen asssimilierende Pflanzen dasselbe Prinzip, um Flüssigkeit von der Wurzel bis in die grünen Blätter zu transportieren. Daher ist es in grünen Wäldern auch so angenehm kühl: Der Umgebung wird Energie zur Verdunstung entzogen.
…wie so manches. Auch wenn es nicht so aussieht, aber die kleinen Steinchen spielen eine wichtige Rolle für die prekäre Stabilität.
Was fasziniert uns dabei, solche Steinmännchen zu bauen und was reizt andere, diese Bauwerke immer wieder zu zerstören und die Steine nach jedem Neuaufbau immer weiter wegzuwerfen?
Ein durch eine Spiralfeder zusammengerollter flacher Papierschlauch wird durch Einblasen von Luft entrollt. Sobald der Luftstrom nachlässt, rollt sich der Schlauch durch die Federkraft wieder auf.
Manche werden die Luftrüssel-Tröte noch aus der Kindheit kennen (Abbildung a). Es handelt sich um eine einfache Flöte, die beim Blasen durch einen mechanischen Zusatzeffekt überrascht: Sobald man bläst, dringt die Luft in einen spiralförmig aufgerollten Papierschlauch ein und entrollt diesen auf eine Länge von circa 20 cm. Das soll bewirken, dass andere Menschen nicht allein akustisch durch das überfallartige Tröten erschreckt werden, sondern zusätzlich durch das unerwartete Vorschnellen des Schlauches.
Dem Mechanismus des Entrollens und Aufrollens liegen zwei gegeneinander wirkende Kräfte zugrunde. Im Ruhezustand sorgt eine an den Kanten des luftleeren und in diesem Zustand flachen Schlauchs eingearbeitete feine elastische Spiralfeder dafür, dass er nur gegen die elastische Kraft dieser Feder entrollt werden kann (Abbildung b). (Die ausgebaute Spiralfeder in Abbildung c). Beim Aufrollen des luftleeren flachen Papierschlauchs legt seine äußere Fläche eine längere Strecke zurück als seine innere. Da das unelastische Papier weder gestreckt noch gestaucht werden kann, wird die innere Fläche durch aufgeworfene kleine Falten im Papier verkürzt, während der äußere Rand weitgehend glatt bleibt.
Beim Aufblasen des Schlauchs werden ähnlich wie bei einem Luftballon durch die raumgreifende Blasluft Kräfte auf die starren Papierwände ausgeübt, sodass die Luft im Schlauch unter zunehmenden Druck gerät.
Infolgedessen dringt die Luft zwischen die durch die Spiralfeder eng zusammengepressten Ober- und Unterseiten, sodass diese gegen den Widerstand der elastischen Federkraft auseinander gedrückt werden. Damit ist zwangsläufig verbunden, dass der Schlauch und die Feder entrollt werden. Was hier langsam beschrieben wurde passiert realiter blitzschnell. Bei völlig abgerolltem Schlauch strömt die weiterhin einströmende Luft nunmehr aus der nunmehr entfalteten Öffnung an dessen Ende.
Das bleibt so, solang der erforderliche Luftdruck durch Weiterblasen aufrechterhalten werden kann.
Die Dauer hängt von der Entscheidung der Spielenden ab und wird letztlich vom Lungenvolumen begrenzt. Sobald der Luftstrom und damit der Luftdruck abnehmen gewinnt die rücktreibende Kraft der Spirale wieder überhand. Der Schlauch schnellt in seine aufgerollte Ruheposition zurück und presst dabei die Luft aus sich heraus.
Wenn man beim Zurückrollen einen kleinen Ball in die Papierschnecke klemmt, so kann man diesen beim nächsten Entrollen auf eine Wurfbahn katapultieren. Ein solcher Ballwurf hat ein Vorbild in der Natur. Das Springkraut wirft auf ähnliche Weise seine Samenkörner weit von sich.
Auch einige Schmetterlinge, etwa das Taubenschwänzchen, können ihren Rüssel je nach Bedarf ausrollen und dadurch verlängern und anschließend platzsparend wieder einrollen (Abbildung 2). Ein langer Rüssel erlaubt es ihnen, auch aus sehr tiefen Blütenkelchen Nektar zu saugen. Da er aber sonst, insbesondere beim Flug, hinderlich wäre, wird er platzsparend spiralförmige eingerollt. Der Schmetterling nutzt allerdings keinen Luftdruck, sondern bestimmte Muskeln, die für das Auf- und Entrollen zuständig sind. Wie der Luftrüssel ist auch der Schmetterlingsrüssel im Ruhezustand aufgerollt, bei entspannten Muskeln.
Wer die Luftrüsseltröte erfunden hat, lässt sich wie bei vielen alten Spielzeugen nicht mehr nachvollziehen.
Ich danke Gerhard Mehler für die Überlassung des Fotos vom Taubenschwänzchen in diesem Beitrag.
Abgesehen von der Farbe und einigen anderen Unterschieden erinnert mich das Bild an das vor einigen Tagen gezeigte Haareis. Hier wie dort haben wir es mit feinen Strähnen aus Wasser zu tun – wenngleich sich die Aggregatzustände unterscheiden – hier flüssig, dort fest. Im vorliegenden Fall wurde ein Zuckerwürfel mit einem Tropfen Lebensmittelfarbe versehen und auf einen Teller mit einer flachen Wasserschicht gelegt.
Zucker löst sich in Wasser auf. Das kennt man zum Beispiel vom Teetrinken. Das dabei entstehende Zuckerwasser ist „schwerer“ (von größerer Dichte) als normales Wasser – was unmittelbar einleuchtet. Denn der Zucker verschwindet im Wasser ohne dass das Volumen merklich zunimmt. Deshalb strömt das blaue Zuckerwasser durch das „leichtere“ normale Wasser hindurch radial zu allen Seiten.
Interessanterweise nehmen die einzelnen Zuckerwassersträhnen, die sich vom Würfel gelöst haben und das Weite suchen, voneinander so gut wie keine Notiz: Sie vermischen sich zunächst nicht miteinander. Denn eine Mischung durch Diffusion dauert sehr viel länger als die Strömungen. Erst wenn man das Geschehen längere Zeit sich selbst überlässt, findet man schließlich eine gleichmäßig hellblau getönte Flüssigkeit vor. Wenn man sie kostet schmeckt sie süß.
Dieser Befund, dass sich Wasserströme unterschiedlicher Beschaffenheit (Dichte, Temperatur u. Ä.) nur langsam vermischen, ist bei den Meeresströmungen von großer Bedeutung. Beispielsweise transportiert der für unser Klima so wichtige Golfstrom warmes und daher leichtes, aber gleichzeitig wegen starker Verdunstung sehr salzhaltiges und daher schwereres Wasser vom Golf von Mexico, zunächst an der nordamerkanischen Küste entlang bis in unserer Breiten. Es ist undabdingbar, dass auf dem langen Weg keine stärkere Vermischung stattfindet. Denn ansonsten würde das warme, salzhaltige Oberflächenwasser schwerer werden als das darunter befindliche kalte, salzärmere Wasser und zu früh absinken. Es ist ein Grat- und Gradwanderung…
Normalerweise sollte ein Kopf reflektieren. Auf diesem Foto ist es umgekehrt: Ein Kopf wird durch Reflexionen hervorgebracht. Daher ist er auch äußerst fragil. Er wird von Reflexen an aufsteigenden und fallenden Wassertropfen eines Springbrunnens hervorgebracht und wird daher gewissermaßen von Tropfen zu Tropfen weitergereicht. Wie das? Auf die fallenden Tropfen wurde mit einem leistungsstarken Projektor das Bild eines Gesichts projiziert und umgehend zu uns dies Betrachtenden weitergegeben.
Das Foto wurde auf der Lichtsicht, einer Projektions-Biennale in Bad Rothenfelde, aufgenommen.
Rechts sieht man den Projektor, in der Mitte befindet sich der nur erahnbare Springbrunnen in einem Teich, von dessen Oberfläche das reflektierte Licht abermals reflektiert wird.
Hier ruhen einige Wassertropfen auf der Oberfläche eines Schilfblatts. Bis auf den in die Länge gezogenen Tropfen im Vordergrund haben alle Tropfen nahezu Kugelform angenommen, was darauf schließen lässt, dass das Blatt weitgehend wasserabweisend (hydrophob) ist. Das liegt daran, dass die Tropfen die eigentliche Blattoberfläche gar nicht berühren, sondern gewissermaßen auf feinen, kaum sichtbaren Härchen sitzen und daher nur ganz geringen Kontakt mir dem Blatt haben (siehe nebenstehende Grafik oben).
Die Physiker sprechen vom Cassey-Baxter-Zustand und Unterschied zum Wenzel-Zustand (siehe nebenstehende Grafik). Im letzteren Fall ist der Tropfen gewissermaßen durchgesackt und hat nun die volle Berührung mit der an sich hydrophilen Blattoberfläche.
Ausgehend von der Idee, einen Tropfen vom Cassey-Baxter- in den Wenzel-Zustand zu überführen, habe ich den Tropfen im Vordergrund im obigen Foto mit einer kleinen Nadel etwas auf das Blatt gedrückt und siehe da: Der Tropfen berührt an dieser Stelle die Blattoberfläche und erfahrt die eigentliche Wasserliebe (Hydrophilie) des Blatts. Aber nur an dieser Stelle, wie man an der Verformung sehen kann. Der an sich Kugelform anstrebende Tropfen ist in diesem Fall zwiegespalten. Mit dem rechten Teil bleibt er auf den Härchen hocken während er mit dem linken Teil gewissermaßen von der hydrphilen Blattoberfläche angezogen wird und den Tropfen auf diese Weise in eine Form bringt, die das Blatt links als anziehend und rechts als abstoßend erfährt – im doppelten Wortsinn.
Wenn Licht, Glas und Stimmung zusammenkommen, krümmt sich zuweilen die Wirklichkeit – ich denke mal – vor Lachen.
H. Joachim Schlichting. Spektrum der Wissenschaft 12 (2022)
Oh kleines Licht, oh Quelle,
zarte Dämmerung
Jean Wahl
Die heiße Luft und die chemische Umgebung einer brennenden Kerze lenken Licht ab, das auf die Flamme trifft. Deswegen wirft diese in der Sonne nicht bloß einen Schatten, sondern verstärkt an einigen Stellen im Gegenteil die hindurchlaufende Strahlung.
Wenn eine brennende Kerze vom Sonnenlicht bestrahlt wird, wirft sie einen Schatten auf die Fensterleibung oder auf die Wand, vor der sie steht. Interessanterweise zeichnet sich dort nicht nur der Umriss des Wachskörpers ab, sondern auch die Flamme selbst. Haben wir es hier mit dem Schatten von Licht zu tun? Man kann den Vorgang genauer untersuchen, indem man durch die Flamme hindurch auf einen kleinen Gegenstand blickt. Dann zeigt sich: Die Flamme ist an verschiedenen Stellen unterschiedlich durchsichtig.
Im Bereich der Leuchtzone in der Mitte ist ein dahinterliegendes Objekt kaum zu erkennen. Diese Region ist am wenigsten durchlässig und maßgeblich für den Halbschatten auf der Wand verantwortlich. Der äußere Saum und der den Docht umgebende Kern der Flamme sind hingegen nahezu transparent und hinterlassen auf der Wand so gut wie keine Verdunklung.
Erstaunlicherweise gibt es in der Projektion aber nicht nur dunklere Zonen, sondern auch Aufhellungen, die sogar noch intensiver wirken als der direkte Sonnenschein. So leuchten symmetrisch zu beiden Seiten der Flamme zwei senkrechte Streifen, und im Bereich des Dochtschattens fällt ein vergleichbar heller Fleck auf. Insbesondere diese Verstärkungen deuten darauf hin, dass wir es nicht nur mit einer bloßen Schattenabbildung der Kerzenflamme zu tun haben, sondern mit einer komplexen Wechselwirkung des eingestrahlten Lichts mit der heißen Umgebung.
Dem komplexen physikalischen und chemischen Geschehen einer brennenden Kerze liegen mehrere Teilprozesse zu Grunde. Im Docht steigt flüssiges Wachs auf und verdampft zu langkettigen Kohlenwasserstoffmolekülen. Diese heizen sich beim Durchwandern des dunklen Flammenkerns auf und zerbrechen in kleinere Fragmente. Erst in der äußeren Schicht der Flamme im unmittelbaren Kontakt mit dem Luftsauerstoff verbrennen sie schließlich. Hier sind die Temperaturen am höchsten. Die starke Auftriebskraft entsorgt die Verbrennungsprodukte in einer nach oben strebenden Abgasfahne.
Der Übergang von der kühlen Luft zum Abgasschlauch ist mit einem großen Temperatursprung verbunden. Daher liegt es nahe, die hellen Linien als Folge davon anzusehen, dass Licht durch diese Grenzschicht geht. In Gasen kommt es nämlich zur Brechung, wenn sich die Temperatur und damit die Dichte ändern. Das kennt man beispielsweise von Luftspiegelungen über heißen Asphaltstraßen oder von dem Flimmern über einem Feuer.
Wie stark das Licht beim Durchgang durch die Kerzenflamme und die Abgasfahne abgelenkt wird, hängt von der jeweiligen Größe des Brechungsindex in diesen Bereichen ab. Dessen Verlauf quer durch die Abgasfahne und die Flamme haben wir experimentell ermittelt, und zwar einmal exemplarisch in einer Ebene im mittleren Bereich der Leuchtzone sowie unmittelbar über dem Docht [1].
Für beide Ebenen gilt: Nähert man sich der Flamme von außerhalb der Abgasfahne, so sinkt der Brechungsindex innerhalb eines Abstands von etwa zehn bis vier Millimetern von der Symmetrieachse zunächst sehr stark. Dann wird die Abnahme schwächer bis zu einem Minimum. Von hier an unterscheiden sich die Ebenen. Bei der Leuchtzone nimmt der Brechungsindex wieder leicht zu und bleibt schließlich bis zum Zentrum konstant. Ganz anders sieht es in der Dochtebene aus. Hier steigt der Brechungsindex nach Durchlaufen des Minimums enorm und übertrifft sogar den Wert für die Umgebungsluft.
Das beobachtete Verhalten in der weiter oben gelegenen Zone war zu erwarten, weil hier die Temperatur drastisch steigt und zur Symmetrieachse hin wieder etwas sinkt. Die Erhöhung des Brechungsindex im Bereich des Flammenkerns beim Docht lässt sich allerdings nicht allein mit dem Temperaturverlauf erklären. Vielmehr macht sich hier die Abhängigkeit von der stofflichen Zusammensetzung des Gases bemerkbar. Der dort vorhandene reine Wachsdampf bricht das Licht wesentlich stärker als die Luft oder die in der Abgasfahne befindlichen Verbrennungsgase.
Unsichtbare Gase mit sichtbarer Auswirkung
Die Variationen des Brechungsindex lenken das Licht in unterschiedlicher Weise aus seiner ursprünglichen Richtung ab. Das betrifft einerseits die Strahlen im schmalen Übergangsbereich zwischen der äußeren Luft und der nach oben strebenden Abgasfahne. Die abgelenkten Strahlen laufen anschließend auf solche zu, die unbeeinflusst geradlinig weiter vom Rand kommen. Das erhöht die Lichtintensität und erzeugt die hellen Lichtbänder auf der Projektionsfläche.
Außerdem wird das Licht im Flammenkern wegen des rapide zunehmenden Brechungsindex verhältnismäßig stark nach innen abgelenkt. Aus Symmetriegründen überlagert es sich rechts und links des Zentrums. Dadurch nimmt auch hier in einem gewissen Bereich hinter der Kerze die Lichtintensität mit wachsendem Abstand zu. Das führt zu dem beobachteten Fleck beim Schatten des Dochts.
Das heißt, das helle Muster hinter einer durchstrahlten Kerzenflamme mit seinen zwei Streifen und einem zentralen Fleck lässt sich insgesamt auf das Profil des Brechungsindex zurückführen. Dieses wiederum wird durch zwei Dinge bestimmt: die charakteristische Variation der Temperatur und den hohen Brechungsindex des Wachsdampfs in der Nähe des Dochts.
Vor allem in der von Rußpartikeln dominierten Leuchtzone ist die Flamme weniger transparent. In der Projektion lässt sich deshalb ein Schatten beobachten, der aber viel heller ist als der Kernschatten des festen Kerzenkörpers. Interessanterweise ist er nicht ganz grau, sondern eher leicht braun getönt. Für die Färbung sind ebenfalls die Rußpartikel verantwortlich. Mit ihrer Größe von zirka 20 Nanometern sind sie mindestens zehnmal kleiner als die Wellenlängen des sichtbaren Lichts. Sie streuen daher vor allem kurzwellige, überwiegend blaue Anteile der Strahlung, ein als Rayleigh-Streuung bezeichnetes Phänomen. Hierbei werden vorwiegend die langwelligen Rottöne durchgelassen, die in der Projektion dominieren. Wir haben es also mit einer ähnlichen Situation zu tun wie bei der Morgen- oder Abenddämmerung.
Quelle: [1] W. Suhr, H. J. Schlichting. Eine Kerzenflamme im Sonnenlicht. Physik in unserer Zeit 52/6 (2021)
Ich stelle in dieser Zeit gerne eine brennende Kerze in einer flachen Schale mit Wasser auf. Vielfältige Reflexe multiplizieren die Flamme und ihre Bewegungen und schaffen ein besonders „elementares“ Szenario, wobei, wenn man das Kerzenwachs als Symbol für das Element Erde ansieht, die anderen drei der vier Elemente der alten Griechen ebenfalls präsent sind: Feuer, Wasser, Luft, Erde.
Im vorliegenden Fall (Foto) ist außerdem etwas Neues entstanden. Der feste Rand der Wachsschüssel, die das flüssige Wachs birgt, war an einer Stelle gebrochen. In regelmäßigem Abstand rann eine kleine Portion Wachs an der Außenseite der Kerze hinab und erstarrte im kühlen Wasser zu einem winzigen schwimmenden Ponton, der zunächst an der Kerze verankert blieb. Bevor die Verbindung zur Kerze erstarrte, kam schon der nächste Wachstropfen und schob seinen Vorgänger sich mit ihm locker verbindend ein stückweit auf den Wassersee hinaus. Das passierte noch einige weitere Male, wobei eine spiralförmige Wachskette entstand.
Leider war ich etwas voreilig, indem ich in der Absicht, die Kerze zu „retten“ das Leck stopfte und damit dem selbstorganisierten Entstehungsprozess der Wachsspirale ein Ende setzte. Spätere Versuche den Vorgang gezielt zu wiederholen misslangen bzw. brachten andere aber ebemfalls schöne Gebilde hervor.
Gelungen ist aber die Rettung der spiralförmigen Wachskette, die sich hier auf dem schwarzen Karton naturschön präsentieren lässt.
Hier hat der Wind volle Arbeit getan. Wenn man ihm ästhetisches Empfinden zuerkennen könnte, würde man sagen er sei ein Künstler. Jedenfallls finde ich diese Sandskulptur naturschön (Foto). Ich fand sie in einer Dünenlandschaft, die aus einem Gemisch von dunklen und hellen Sandkörnern besteht. Weil die unterschiedlichen Farben auch Ausdruck einer unterschiedlichen Dichte sind, wirkt sich das auch auf das mechanische Verhalten aus. Je nach der Art der winderzeugten Bewegungen kommt es zu Mischungen und Entmischungen. Dabei werden oft frühere entmischte Lagen (siehe Mitte des Fotos) „angeschnitten“ und lokale Luftwirbel zu ästhetisch ansprechenden Formen gestaltet.
Woher kommen die Farben in dem transparenten Plastikbehälter?
.
.
.
Erklärung des Rätselfotos des Monats Oktober 2022
Frage: Stimmt alles auf dem Foto?
Die Aufnahme erfolgte während einer Bahnfahrt, daher der Zug auf dem Nachbargleis.
Man blickt durch eine teilweise mit Wasser gefüllte transparente Flasche mit einer senkrechten Beschriftung auf der Rückseite. Diese erscheint bis zum Füllstand des Wassers vergrößert, im Bereich der Luft darüber in normaler Schriftgröße. Die Vergrößerung der Buchstaben wird durch den zylinderförmigen Wasserkörper bewirkt, durch den man hindurch blickt. Wegen der Zylinderform beeinflusst er (im Unterscheid zu einer kugelförmigen Sammellinse) nur die Höhe der Buchstaben und nicht deren Breite.
Auf diesen ersten Blick scheint also alles auf dem Foto zu stimmen. Auf den zweiten Blick sollte man sich jedoch darüber wundern, dass die gewissermaßen von der Rückseite zu sehende Schrift nicht spiegelbildlich erscheint. Das müsste sie aber, weil man wohl kaum davon ausgehen kann, dass der Schriftzug in Spiegelschrift aufgebracht wurde. Vielmehr wurde das Foto mit einem Bildbearbeitungsprogramm gespiegelt, um zu demonstrieren, dass man eine solche „Ungereimtheit“ oft übersieht. Die Antwort auf die Frage lautet also: nein. Nur eine Teilnehmerin hat diese Finte entdeckt.