Wilfried Suhr, H. Joachim Schlichting. Physik in unserer Zeit 54/ 2 p. 82-85
Manchmal beobachtet man eine quer über ein Gewässer verlaufende, winzige stationäre Welle. Sie trennt eine ruhige von einer bewegten Zone und verweist auf interessante physikalische Zusammenhänge, die sich nicht sofort erschließen.
Im Jahre 1858 machte der Schriftsteller und Philosoph Henry David Thoreau (1817–1862) an einem fließenden Bach eine interessante Entdeckung, die er – von uns übersetzt – folgendermaßen beschreibt: „Ich sehe, wie sich von einer zur anderen Seite dieses glatten Baches eine scheinbar unsichtbare Wellenlinie erstreckt, wie ein Spinnenfaden, vor dem sich das Wasser ein wenig staut. (…) Ich versuche wiederholt, sie mit meiner Hand zu fangen und zu zerbrechen und das Wasser frei laufen zu lassen, aber zu meiner Überraschung klammere ich mich immer noch an nichts als Flüssigkeit, und die imaginäre Linie behält ihren Platz bei. Ist es der schwankende Rand einer leichteren Flüssigkeit, vielleicht eine öligere, die eine schwerere überläuft?“ [1]. Seine im letzten Satz geäußerte Frage deutet bereits darauf hin, dass er hinter dem von ihm entdeckten Naturphänomen eine Wechselwirkung des fließenden Wassers mit einer weitgehend unsichtbaren, dünnen Schicht vermutete.
Als erster Physiker entdeckte Osborne Reynolds (1842– 1912) unabhängig davon das Phänomen wieder. Er publizierte darüber im Jahr 1881 und brachte es mit der Wirkung der Oberflächenspannung in Verbindung [2]. Damit war die Spur aufgenommen, die Generationen von Forschenden bis in unsere Tage immer wieder auf die nunmehr Reynolds- oder Thoreau-Reynolds-Ridge bezeichnete Miniwelle zurückführte. Heute ist sie weitgehend experimentell und theoretisch erforscht. Die Untersuchungen beschränken sich inzwischen schon lange nicht mehr auf natürliche Gewässer, und die Thoreau-Reynolds-Welle ist zu einem Laborphänomen geworden.
Nachdem wir auf das Phänomen aufmerksam wurden [3], dauerte es nicht lange, bis wir es auf einem kleinen Bach in der Nähe ausfindig machen konnten. Bei der Untersuchung fiel uns auf, dass eine frühere Entdeckung dynamischer Vorgänge auf windbewegten Wasserpfützen als echte Variante der Thoreau-Reynolds-Welle anzusehen ist. Aber auch diese wurde bereits zuvor in einem sehr speziellen Zusammenhang entdeckt und kurz beschrieben [4].
Die Welle auf Fließgewässern
Wenn sich in Fließgewässern durch angeströmtes Schwemmmaterial oder Ähnliches Barrieren aufbauen, die den freien Fluss des Wassers behindern, entdeckt man stromaufwärts davor die quer zur Strömung verlaufende Thoreau-Reynolds-Welle – häufiger als vermutet! Bei ungünstigen Lichtverhältnissen ist sie schwer zu erkennen. Bei Sonnenschein macht sie sich oft zunächst indirekt durch eine feine Kaustik auf der Sohle des flachen Gewässers bemerkbar (Abbildung 1). Wenn die Fließgeschwindigkeit einen Wert von 23 cm/s überschreitet, kann dies stromaufwärts vor der Thoreau-Reynolds-Welle Kapillarwellen auslösen, die dem Phänomen eine spektakuläre indirekte Sichtbarkeit verleihen (Abbildung 2).
Ein untrügliches Zeichen dafür, dass es sich um die gesuchte Thoreau-Reynolds-Welle handelt, zeigt sich auch darin, dass sie sich sofort wieder zurückbildet, nachdem man sie gestört hat. Die Eigenschaft, Störungen abzubauen, ist typisch für eine dissipative Struktur. Sie ist ein dynamisches System, das von Energie durchflossen wird und sich hier durch einen Symmetriebruch in Form der Thoreau- Reynolds-Welle aus dem Fließgleichgewicht des Baches entwickelt. Dadurch nimmt es einen stationären Zustand fernab vom thermodynamischen Gleichgewicht ein. Im vorliegenden Fall handelt es sich um die Höhenenergie, die vom fließenden Gewässer in dem Maße aufgenommen und durch Reibungsvorgänge an die Umgebung abgegeben wird, wie das Wasser an Höhe verliert…
Eine kurze Beschreibung dieses außerordentlichen Phänomens habe ich in einem früheren Beitrag gegeben.
Wilfried Suhr, H. Joachim Schlichting. Physik in unserer Zeit 53/6 (2022) S. 296 – 299
Ein rotierender Toroflux erzeugt verschiedene interessante visuelle Strukturen, die sich auf physikalische und wahrnehmungstheoretische Effekte zurückführen lassen. Ursachen sind die schnelle Bewegung und die gegenseitige Abdeckung der Stahlbänder.
Bei einem schnell rotierenden Toroflux aus glänzendem Stahlband erscheinen die Windungszwischenräume zu einem teiltransparenten Kontinuum verschmiert. Auf diesem sind Spiegelbilder von hellen Objekten in der Umgebung erkennbar. Außerdem treten je nach Hintergrund dunkle oder helle Streifen auf, die oberhalb einer Grenzgeschwindigkeit stationär im Raum schweben. Diese erstaunlichen und ästhetisch ansprechenden Phänomene lassen sich durch das Zusammenwirken von physikalischen und wahrnehmungstheoretischen Aspekten erklären.
H. Joachim Schlichting, Wilfried Suhr. Physik in unserer Zeit 53/5 (2022), S. 246 – 250
Ein aus einem Stahlband geknüpftes, torusartiges Objekt rollt, durch die eigene Gewichtskraft angetrieben, an einem Stab herab. Hinter diesem einfach anmutenden Vorgang verbirgt sich ein äußerst interessantes visuelles und physikalisches Geschehen.
Der Künstler und Konstrukteur Jochen Valett (1922– 2014) hat ästhetisch ansprechende und die physikalische Intuition herausfordernde kinetische Designobjekte geschaffen. Seine originellen Versionen raffiniert zu handhabender Kreisel, sowie seine künstlerische Umgestaltung des Wilberforce-Pendels wurden bereits in der „Spielwiese“ besprochen [1, 2]. Hier stellen wir eine weitere Kreation Valetts vor, die in ihrer Einmaligkeit, Ästhetik und physikalischen Raffinesse wohl als Krönung des Valettschen Schaffens angesehen werden kann: den Toroflux. Dieses kinetische Phänobjekt wird inzwischen weltweit als Spielzeug vermarktet, ohne dass die künstlerischen, ästhetischen und physikalischen Aspekte bisher eine angemessene Würdigung erhalten hätten. Im Folgenden wollen wir vor allem die wesentlichen physikalischen Hintergründe der teilweise äußerst erstaunlichen Phänomene herausarbeiten, die mit diesem ausgeklügelt gestalteten Stahlband hervorgebracht werden können.
Nach der Erfindung des Toroflux hat Valett die Urversion in den 1980er-Jahren an einige Spielzeugläden verteilt, um diesen bekannt zu machen. Er wollte den Toroflux anschließend in größerem Maßstab vermarkten, was sich jedoch als Fehlschlag erwies. Wer den Toroflux zum ersten Mal in Aktion erlebt, kann sich kaum der Faszination entziehen, die von diesem filigranen, spindeltorusförmigen Edelstahlgebilde ausgeht. Dies gilt besonders, wenn man es um einen geschickt gedrehten Kreisring laufen lässt, wie es Valett vorgesehen hatte, und es so wie eine im Licht glänzende, überdimensionale Seifenblase gleichsam zum Schweben bringt (Abbildung 1). Um diesen stationären Zustand zu erreichen, muss der senkrecht gehaltene Ring durch Übergabe von einer Hand in die andere genauso schnell gedreht werden, wie der an der gegenüberliegenden Seite des Rings rotierende Toroflux an Höhe verliert. Ein deutlich hörbares Schnurren lässt erkennen, dass ein Teil der Energie durch die Wechselwirkung des Drahtgebildes mit der Luft dissipiert wird. Dies ist auch dadurch in den Händen zu spüren, dass der Rotor mit zunehmender Drehgeschwindigkeit schwerer zu werden scheint, als es seinem Gewicht entspricht – warum das so ist, werden wir später sehen.
Im Nachhinein erscheint es merkwürdig, dass ein so raffiniertes und leicht zu handhabendes Phänobjekt nicht gleich zu einem Verkaufsschlager wurde. Es vergingen viele Jahre, bis der Toroflux zunächst in einer kleineren Version ohne den sperrigen und für den Verkauf hinderlichen Ring vermarktet wurde. Aber erst als der Toroflux vor allem über Youtube-Videos (zum Beispiel [3]) in faszinierenden Performances präsentiert wurde, setzte ein Hype ein, der inzwischen allerdings bereits wieder abgeebbt ist.
In den Youtube-Videos geht es jedoch weniger um die stationäre Rotation an einem Stab oder Ring als vielmehr um den sportlichen bis tänzerischen Umgang mit dem Toroflux. Die Frage, welche physikalischen Vorgänge diesen raffiniert aus Stahlband geknüpften Torus zu derartigen Bewegungsfiguren befähigen, ist unserer Kenntnis nach bislang weitgehend unbeantwortet geblieben. Ihr wollen wir im Folgenden in einigen wesentlichen Aspekten nachgehen. In einer zweiten Folge widmen wir uns den optischen Effekten, die der Toroflux hervorbringt… weiter in: Das kinetische Objekt Toroflux oder preprint von mir.
H. Joachim Schlichting. Physik in unserer Zeit 53/1 (2022), S. 48
Die Farbe von Seifenblasen und des aus diesen bestehenden Schaums hängt nicht nur von der Interferenz des Lichts an der Blase ab, sondern auch vom diffus reflektierten Licht des Untergrunds. Ein schwarzer Untergrund führt zu großer Farbintensität der Blasen.
Schaum kennt man vor allem als Seifenschaum. Gelangt nur ein wenig Seife oder Spülmittel in das Wasser und wird dieses beim Waschen in Bewegung gesetzt, so ist die Oberfläche sehr schnell mit einem Netz von Seifenblasen umgeben, die auch in mehreren „Stockwerken“ existieren können.
Damit die Blasen länger halten, ist die Anwesenheit von Tensiden nötig, die das Schaum bildende Wasser etwa in Form von Seife enthält. Durch diese Stoffe wird die Oberflächenspannung des Wassers herabgesetzt, sodass die Lebensdauer der Blasen vergleichsweise lang ist.
Oft entdeckt man Schaum auch an der Küste eines Sees oder des Meeres. Das bedeutet in den meisten Fällen jedoch nicht, dass das Wasser durch Einleitung von tensidhaltigen Abwässern verunreinigt wurde. Vielmehr kann man in der Regel davon ausgehen, dass die Hinterlassenschaften von abgestorbenen Pflanzen, wie etwa Algen in Form von Fetten, Kohlenhydraten und Eiweißen dafür verantwortlich sind. Denn auch diese können die Oberflächenspannung des Wassers herabsetzen. Meist entsteht ein weißer Schaum, was nichts anderes bedeutet, dass die Bläschen so klein sind, dass das Licht wie an Nebeltröpfchen gestreut wird und alle von den Bläschen ausgehenden Farben zu Weiß gemischt werden. In manchen Fällen, insbesondere dann, wenn sich das auflaufende Meerwasser in kleineren Mulden verfängt, können sich auch größere Blasen bilden. Sie entstehen insbesondere dadurch, dass nach und nach einzelne Lamellen platzen und entsprechend vergrößerte Blasen zurückbleiben.
Die größeren Blasen fallen durch unterschiedliche Farben auf (Abbildung 1). Diese verdanken sich der Interferenz des einfallenden Lichts an den dünnen Grenzflächen der Blasen: An der oberen und unteren Grenzfläche reflektierte Lichtwellen überlagern sich im Auge des Betrachters und verstärken oder schwächen je nach dem Wegunterschied der Teilwellen bestimmte Wellenlängen des weißen Lichts. Das hebt bestimmte Farben hervor. Wenn man die Szenerie einige Zeit beobachtet, kann man feststellen, dass die Farben sich verändern. Denn da die Häute der Blasen durch Verdunstung und schwerkraftsbedingte Drainage der Flüssigkeit dünner werden, ändert sich auch der Wegunterschied zwischen den interferierenden Teilwellen, sodass eine andere Farbe des weißen Lichts dominiert.
Vergleicht man die Interferenzfarben im vorliegenden Fall mit denen anderer Seifenblasen im Alltag, so fällt vor allem die Farbenpracht in Form von Brillanz und Farbintensität auf, die auf eine verhältnismäßig große Farbsättigung zurückzuführen ist (Abbildung 2). Wie kommt es dazu?
Da an den Blasen nur ein kleiner Teil des einfallenden Lichts reflektiert wird und ein großer Teil durch die Blase hindurch auf dem Untergrund landet und von dort diffus reflektiert wird, werden die Interferenzfarben von dieser Rückstrahlung überlagert. Das führt dann je nach der optischen Beschaffenheit des Untergrunds zu einer entsprechenden „Verwässerung“ der Farben. Im vorliegenden Fall haben wir es mit einem schwarzen Stein als Untergrund zu tun. Dieser absorbiert das auftreffende Licht und reflektiert so gut wie gar nichts. Daher können die Interferenzfarben in voller Pracht zur Geltung kommen.
Und noch etwas fällt auf. Jede Blase weist eine Abbildung der Fotografin auf. Dabei handelt es sich nicht etwa um einen Schatten, sondern um eine spiegelnde Reflexion. Denn durch die grob halbkugelförmigen Blasen wird wie bei einem Fischaugenobjektiv einer Kamera der größte Teil der Umgebung abgebildet. Dass diese Selfies monochrom dunkel ausfallen, liegt vor allem daran, dass die den Blasen zugeneigte Körperpartie nur wenig Licht aus der Umgebung erhält und daher noch weniger diffus reflektieren kann.
Laservermessung des Flammenschattens
Wilfried Suhr, H. Joachim Schlichting. Physik in unserer Zeit 53/1 (2022), S. 65 – 69
Eine im Sonnenlicht stehende, brennende Kerze wirft auf eine dahinter befindliche weiße Wand ein Lichtmuster, in dem kaustikähnliche Aufhellungen zu sehen sind. Die Abhängigkeit des Brechungsindexes von der Temperatur und der Stoffzusammensetzung erweisen sich als Ursachen dieses Phänomens.
In der dunklen Jahreszeit helfen Kerzen, die Stimmung
etwas aufzuhellen. Steht eine brennende Kerze auf der
Fensterbank, so kann es vorkommen, dass das Licht der
tiefstehenden Sonne den Schatten der Kerze auf die innere Fensterleibung wirft. In einem solchen Fall lohnt es sich, genau hinzuschauen. Denn auf der weißen Wand erkennt man nicht nur den Schatten der Kerze und eines Teils der Flamme, sondern zu beiden Seiten der Flamme ein von der Brennschüssel ausgehendes und sich nach oben erstreckendes langes helles Band (Abbildung 1). Dieses ist noch heller als die im direkten Sonnenlicht liegende Wand. Demgegenüber erscheint der innerhalb dieser Lichtbänder liegende
Bereich etwas dunkler. Oberhalb des Dochts befindet sich ein Schatten der eigentlichen Kerzenflamme, der allerdings deutlich schlanker als diese ist und nur durch die Leuchtzone der Flamme hervorgerufen wird (Abbildung 2, Bereich II links). Bei genauerer Betrachtung entdeckt man oberhalb des Dochts auch noch einen kleinen Lichtfleck, der wie die Lichtbänder heller ist als die direkt von der Sonne beschienene Wand. Im Folgenden gehen wir insbesondere diesen Aufhellungen im projizierten Lichtmuster der Kerze nach, die auf eine Zunahme der Lichtintensität hinweisen. Abgesehen von Streuvorgängen breitet sich das Sonnenlicht in homogener Luft von konstanter Temperatur geradlinig aus. Sobald jedoch Temperaturunterschiede auftreten, wird das Licht gebrochen. Das kann zu erstaunlichen Phänomenen
führen wie etwa Luftspiegelungen über einer aufgeheizten Straße. Wenn aber bereits solche verhältnismäßig moderaten Temperaturunterschiede in der Luft derart auffällige Auswirkungen auf das Verhalten des Lichts haben, sind Brechungserscheinungen im Zusammenhang mit einer brennenden Kerze geradezu zu erwarten. Denn bei letzterer sind noch wesentlich größere Temperaturunterschiede
im Spiel. Außerdem ändert sich durch die Verbrennung von Kerzenwachs die stoffliche Zusammensetzung
der Gase, was ebenfalls das Brechungsverhalten des Lichts beeinflusst…
weiterlesen: Der facettenreiche Schatten einer Kerzenflamme
Zusammenfassung
Bei der Projektion einer brennenden Kerze auf eine helle Wand wird das durch die Flamme und Abgasfahne der Kerze gehende Licht in unterschiedlicher Weise aus seiner ursprünglichen Richtung abgelenkt. Als Ursache dafür erweisen sich die infolge der Verbrennung auftretenden großen Temperaturdifferenzen und die damit einhergehenden Änderungen des Brechungsindexes sowie der hohe Brechungsindex des entstehenden Wachsdampfes im Flammenkern. Mit Hilfe von experimentellen und theoretischen Untersuchungen gelingt es, im Rahmen der Strahlenoptik von der beobachtbaren Lichtablenkung auf die Verteilung des Brechungsindexes in diesem Bereich zu schließen.
Christian Ucke, H. Joachim Schlichting. Physik in unerer Zeit 52/4 (2021), S. 197 – 199
Die Verbindung von physikalisch-mathematischen Experimenten mit künstlerisch-handwerklicher Inspiration bringt überraschende Kreationen hervor. Jochen Valett hat ein besonderes Federpendel geschaffen.
Eine mit einem passenden Körper belastete vertikal ausgelenkte Schraubenfeder führt eine harmonische Schwingung aus. Dabei verkürzt und verlängert sich die Länge der Feder periodisch. Durch nicht zu vermeidende winzige seitliche Auslenkungen des Schwingers entsteht zusätzlich eine Art Fadenpendel, das mit dem Federpendel gekoppelt ist. Wenn beide Schwingungsarten in der Weise aufeinander abgestimmt sind, dass die Periode der vertikalen Auf- und Abbewegung gerade die Hälfte der Periode der seitlichen Hin- und Herbewegung entspricht, so treiben sich die beiden Schwingungen wechselseitig an – es kommt zur Resonanz. Sie besteht darin, dass die vertikale Schwingung die seitliche Pendelschwingung aufschaukelt bis sie selbst zur Ruhe gekommen ist und dann umgekehrt die Pendelschwingung die vertikale Schwingung antreibt usw. Auf diese Weise kommt es zu einem periodischen Wechsel zwischen reiner Auf- und Abbewegung und reiner Hin- und Herbewegung (siehe: Metapendel).
Schaut man sich das Federpendel bei der Auf- und Abbewegung genauer an, so entdeckt man, dass sich die Feder bei jeder Abwärtsbewegung zwangsläufig ein wenig abwickelt, weil durch die Verlängerung der Pendellänge die Drahtlänge pro Windung größer wird. Bei der Aufwärtsbewegung ist es dann genau umgekehrt und die Feder wickelt sich ein wenig auf. Durch die damit verbundene, an den Enden der Feder gut zu beobachtende leichte Drehung um eine gedachte senkrechte Achse wird auf den Körper ein Drehmoment jeweils in der einen oder anderen Richtung ausgeübt. Dabei wird Translationsenergie in Rotationsenergie verwandelt.
Umgekehrt führt die Drehung des Körpers dazu, dass die Feder ein wenig auf- oder abgewickelt wird, wodurch die Zugkraft der Feder entsprechend variiert wird. Bei einer Abwicklung wird die Zugkraft der Feder kleiner und der Körper sinkt weiter herab, während bei einer Aufwicklung die Zugkraft zunimmt und der Körper infolgedessen höher aufsteigt.
Stimmt man nun ähnlich wie bei der Kopplung zwischen Feder- und Fadenpendel durch geeignete Maßnahmen die Perioden zwischen Feder- und Torsionspendel aufeinander ab, so erreicht man ähnlich wie bei der Kopplung zwischen vertikaler und seitlicher Schwingung, dass ein permanenter Wechsel zwischen Rotation- und Translationsschwingung bewirkt wird. Um das zu bewerkstelligen, bleibt einem nichts anderes übrig, als das Trägheitsmoment des Pendelkörpers an die Gegebenheiten anzupassen, denn an den Eigenschaften der Feder lässt sich kaum etwas verändern.
Ein solches in regelmäßiger Weise zwischen Translation und Rotation wechselndes Pendel wurde 1894 von dem Engländer Lionel Robert Wilberforce konstruiert. Es ist auch heute noch ein verbreitetes Demonstrationsgerät in physikalischen Praktika und zeigt sehr anschaulich das Phänomen gekoppelter Schwingungen. Als Pendelkörper dient meist ein Metallzylinder, an dem senkrecht zur Achse Gewindestangen mit drehbaren Muttern fixiert sind (Abb. 1). Indem man die Muttern zum Zylinder hin oder von ihm weg dreht, kann das Trägheitsmoment sehr fein variiert und die Resonanzsituation genau einjustiert werden. Weiterlesen im PDF-File
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H. Joachim Schlichting. Physik in unserer Zeit 52/4 (2021), S. 204
In der Badesaison können wir ein optisches Phänomen beobachten, über das sich genauer nachzudenken lohnt. Dazu stellen wir uns vor, dass eine Person bis zur Taille im klaren Wasser steht und auf die Kaustiken schaut, die durch die Wellen auf dem Sandboden projiziert werden.
Auf dem Foto in der oberen Abbildung sieht man den Schatten dieser Person auf dem Boden des Gewässers. Die Schattenränder erscheinen wegen der Unebenheit des Bodens und vor allem der welligen Wasseroberfläche mehr oder weniger stark deformiert. Die Kaustiken reichen aufgrund der Brechung des Lichts an der gewellten Wasseroberfläche teilweise bis in den Bereich des geometrischen Schattens hinein, der ansonsten weitgehend dunkel ist. Da das in den Kaustiken fokussierte Licht an anderen Stellen fehlt, erscheinen diese Bereichen dunkler, obwohl der Boden aus typisch hellem gelben Sand besteht.
Schaut man sich das Foto genauer an, so entdeckt man einen blauen Fleck im Bauchbereich des Schattens, der im Kontrast zum dunklen Schatten zu leuchten scheint. Dabei handelt es sich nur um einen auf dem Grund liegenden Stein (untere Abbildung). Auf den ersten Blick erscheint es äußerst rätselhaft, dass der Stein überhaupt im Schattenbereich zu sehen ist, also mehr Licht ausstrahlt als die Umgebung. Da der bei Tageslicht weiß erscheinende Stein (Abbildung 3) kaum selbstleuchtend sein dürfte, kann das Licht nur vom blauen Himmel stammen. Anders als das Sonnenlicht hat dieses ja von den Seiten freien Zugang zum Stein und wird entsprechend von diesem reflektiert.
Hier ergibt sich fast zwangsläufig die Frage, warum der sandige Untergrund nicht ebenfalls eine blaue Färbung annimmt. Im Sonnenlicht, das alle Spektralfarben enthält, erscheint der Sandboden gelb, weil er vor allem die Komplementärfarbe, also blaues Licht absorbiert. Das blaue Himmelslicht wird daher weitgehend vom Sandboden absorbiert, sodass dessen diffuse Reflexion kaum zur Aufhellung des solaren Schattenbereichs beiträgt.
Der weiße Stein, der so gut wie alle Farben, also auch das Blau, reflektiert, erscheint demgegenüber im Vergleich zur Umgebung stark aufgehellt. Hinzu kommt, dass er merklich über den flachen Grund hinausragt und daher vor allem an den Seiten aufgehellt wird.
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Die Fotos stammen aus einem Beitrag von Gerda Kazakou. Ich bedanke mich für die Abdruckgenehmigung.
H. Joachim Schlichting, Jan Schlichting. Physik in unserer Zeit 52/3 (2021), S. 146 – 148
Ein Bootsantrieb, der ohne lärmende Schraube auskommt? Der magneto-hydrodynamische Antrieb macht es möglich.
In der Hollywoodverfilmung „Jagd auf roter Oktober“ aus dem Jahre 1990 ist von einem U-Boot die Rede, das sich lautlos fortbewegen kann, weil der Antrieb keine bewegten mechanischen Teile besitzt und daher keine verräterischen Geräusche aussendet [1]. Der Antrieb wurde durch das magneto-hydrodynamische (MHD) Prinzip besorgt, durch das es möglich ist, elektrische Energie direkt in Bewegungsenergie des Wassers umzuwandeln und damit ein Schiff anzutreiben.
H. Joachim Schlichting. Physik in unserer Zeit 52/3 (2021), S. 151
Manche Kunststofffolie kann zu intensiven Farberscheinungen führen, wenn durch sie hindurchtretendes (polarisiertes) Himmelslicht unter dem Brewster-Winkel ins Auge des Betrachters reflektiert wird.
Manche Farben sind gar keine und man sieht sie trotzdem und zwar dort, wo sie nicht sind. Das kann man mit bewusst in Kauf genommener Paradoxie an den in prächtigen Farben leuchtenden Oberlichtfenstern des oberen Fotos sehen. Bei den Fensterscheiben handelt es sich um normale Floatglasscheiben, wie man sie überall in der Umwelt vorfindet. Die bunten Farben in denen sie erstrahlen werden an einer ganz anderen Stelle „erzeugt“. Das erkennt man u.a. daran, dass die Kunststoffrahmen der Fenster das farbige Licht reflektieren.
Verantwortlich für die Entstehung der Farben ist eine Kunststofffolie, mit der das schräge gläserne Vordach (unteres Foto rechts) überzogen ist. Die Folie wurde vermutlich aus Sicherheitsgründen angebracht, um beim eventuellen Bruch der Scheiben, die Fragmente zusammenzuhalten. In dem Ausschnitt des Glasdachs (unteres Foto links) kann man die Folie infolge kleiner Aufwellungen an der Kante sogar erkennen.
Diese Folie hat die – vermutlich nicht beabsichtigte – Eigenschaft, wie manche Kristalle doppelbrechend zu sein. Das heißt, wenn sie von polarisiertem Licht durchdrungen wird, treten zwei Teilwellen unterschiedlicher Geschwindigkeit auf. Diese führen dazu, dass ihre jeweiligen Phasen nicht mehr in derselben, sondern in unterschiedlichen Ebenen gleich sind. Davon würde man normalerweise gar nichts merken, wenn das in dieser Weise modifizierte Licht nicht auf die Oberlichtscheiben aufträfe und von diesen unter einem bestimmten Winkel, dem sogenannten Brewster Winkel, ins Auge des Betrachters reflektiert würde. Denn unter diesem Winkel wird das Licht abermals polarisiert, wobei die verschiedenen Ebenen der Teilwellen wieder zusammenfallen und interferieren. Aufgrund der durch die Doppelbrechung bewirkten Phasenverschiebung, kommt es zu Verstärkungen und Abschwächungen bestimmter Wellenlängen des sichtbaren Lichts, d.h. zu einzelnen Farben.
Die Voraussetzung, dass das auffallende Licht polarisiert ist, wird immer dann erfüllt, wenn es bei klarem blauem Himmel aus einer Region kommt, die senkrecht zur Strahlrichtung der Sonne orientiert ist. Und dass man die Scheibe nun gerade unter dem Brewsterwinkel betrachtet, ist kein Zufall. Denn bereits in der Nähe dieses Winkels ist die Polarisationswirkung bereits so stark, dass die Farben bereits schemenhaft zu erkennen sind. Sobald man aber etwas Farbiges bemerkt, dessen Intensität mit der Blickrichtung variiert, justiert man den Blick meist automatisch so, dass die Farben besonders deutlich wahrgenommen werden – und das ist unter dem Brewster-Winkel der Fall.
Ich selbst habe das Phänomen zum ersten Mal in einem Nahverkehrszug beobachtet. Dort zeigten sich die Farben auf einer gläsernen Zwischenwand, über die die Reflexionen der hell beschienenen Außenwelt huschten. Deren Licht war vorher durch das Fenster des Zuges auf der Innenseite der Scheibe angebrachte Kunststofffolie gefallen. Diese Folie, die die Scheibe gegen mutwilliges Zerkratzen schützen sollte, war ebenfalls doppeltbrechend und damit ursächlich für die Farberscheinungen verantwortlich. Das wurde mir allerdings erst einige Zeit später klar, als ich an einem Fenster das Vorhandensein einer solchen Folie dadurch erkannte, dass diese offenbar bei dem Versuch die Scheibe zu zerkratzen beschädigt worden war.
Übrigens lässt sich die Farberscheinung in großer Deutlichkeit mit einer Overheadfolie hervorrufen, die man zwischen zwei Polarisationsfolien legt. Dieses nach einem ihrem Erfinder Michael Berry „Berry Sandwich“ [1] benannte Folienset macht es möglich, das Phänomen mit jeder Lichtquelle hervorzubringen. Im polarisierten Licht (z.B. bei blauem Himmel) kann man die äußere Folie sogar weglassen.
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Literatur
[1] Michael Berry et al. Black plastic sandwiches demonstrating biaxial optical anisotropy. European Journal of Physics 20 (1999), 1–14
H. Joachim Schlichting, Christian Ucke. Physik in unserer Zeit 52/2 (2021), S. 94 – 97
In einer Sauna herrschen ungewöhnliche thermische Bedingungen. Ein Saunagang lässt sich daher leicht zu einer Experimentalsituation umfunktionieren. Thermometer, Sanduhr, Hygrometer und oft auch eine Waage stehen standardmäßig zur Verfügung. Gegenstand der Experimente ist vor allem der eigene Körper. Weiterlesen
H. Joachim Schlichting. Physik in unserer Zeit 52/1 (2021), S. 43
Blätter von Bäumen können als Isolatoren und Absorber von Wärme fungieren und dank dieser Eigenschaft im Winter zu auffälligen und physikalisch interessanten Erscheinungen führen.
Eigentlich gehören die im Herbst abgeworfenen Blätter nicht in den Winter. Sie werden auch kaum wahrgenommen. Es sei denn, sie stellen sich für eine auffällige physikalische Demonstration zur Verfügung.
Im vorliegenden Fall hat es zum ersten Mal geschneit. Weiterlesen
H. Joachim Schlichting, Christian Ucke. Physik in unserer Zeit 51/6 (2020), S. 302 – 304)
Puffmaiskörner verhalten sich bei Zufuhr von Wärme wie kleine Dampfkessel. Das in ihnen vorhandene Wasser verdampft teilweise und führt schließlich zur Explosion der Körner, wobei die geschmolzene Stärke zu einem Schaum aufgeblasen wird.
Wer sich im Kino an den Geräuschen stört, die mit dem Verzehr von Popcorn bzw. Puffreis einhergehen, sollte sich vielleicht damit trösten, dass diese luftigen und leichten Gebilde den größten Krach bereits hinter sich haben. Den geben sie bei ihrer Geburt von sich, wenn sie mit einem vernehmlichen dumpfen Knall aus einem unscheinbaren Maiskorn hervorgehen. Das dabei vermittelte Gefühl, es mit relativ viel Energie zu tun zu haben, erscheint durchaus gerechtfertigt. Denn die steinharten Körner, an denen man sich ansonsten die Zähne ausbeißen würde, geben sich erst unter großer Hitzeeinwirkung bei einer Temperatur von etwa 180° C geschlagen. Dann blähen sie sich schlagartig zu einem zerfurchtes pilzartigen Gebilde auf, das nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem ursprünglichen Korn aufweist. Lediglich die kleinen braunen Einsprengsel erinnern an die Außenhaut der Körner…
PDF: Miniexplosionen in der Küche
Manuskript der Einreichversion beim Autor erhältlich (schlichting@uni-muenster.de)
H. Joachim Schlichting. Physik in unserer Zeit 51/6 (2020), S. 308
Ein vor einer kalten Fensterscheibe befindliches Hindernis ermöglicht eine Visualisierung der Strömung wärmerer Luft. Weiterlesen
H. Joachim Schlichting. Physik in unserer Zeit 51/5 (2020), S. 254
Auf einer Wasseroberfläche driftende Blasen rufen im Sonnenlicht sternförmige Kaustiken auf dem Grund des Behälters hervor. Ursache ist die Brechung und Fokussierung des Lichts am äußeren und inneren Meniskus der Blase.
Wenn im Sommer wassergefüllte Behälter, z.B. eine Badewanne in der Sonne stehen, wird der aufmerksame Beobachter vielleicht von sternartigen Lichtflecken auf dem Boden des Behälters überrascht sein. (siehe Abbildung). Voraussetzung dafür, dass diese vierzackigen Sterne erscheinen sind auf der Wasseroberfläche driftende Blasen, die fast immer vorhanden sind, wenn die Wanne den sommerlichen Spielen mit Wasser dient. Jede Blase projiziert einen solchen Stern auf den Boden.
Bei den Sternen handelt es sich um Kaustiken (Brennlinien), die durch das von der Blase deformierte Wasser hervorgerufen werden. Dieses Phänomen war schon Leonardo da Vinci (1452 – 1519) bekannt, der es folgendermaßen umschreibt, ohne es jedoch zu erklären. „Der durch die Blase an der Oberfläche des Wassers gehende Strahl wirft auf den Grund des Wassers ein kreuzförmiges Bild von dieser Blase“.
Das Phänomen kommt dadurch zustande, dass sich an der Innen- und Außenseite der Blase ein Wassermeniskus ausbildet. Ähnlich wie das Wasser in einem Trinkglas wegen der Benetzbarkeit des Glases ein Stück weit an der Gefäßwand aufsteigt, passiert dies erst recht bei einer im Wesentlichen aus Wasser bestehenden Blase – und, das diese auf der Wasseroberfläche driftet, sogar innen und außen. Da in der Blase ein gewisser Überdruck gegenüber dem äußeren Luftdruck herrscht, wird die Wasseroberfläche innerhalb der Blase auch noch ein wenig eingedellt, wodurch dieser Effekt noch verstärkt wird.
An diesem Meniskus wird das Licht wie an einem halbkreisförmig gebogenen Prisma gebrochen und auf den Boden der Wanne fokussiert. Komplementär passiert etwas Entsprechendes an der äußeren Blasenwand, allerdings mit umgekehrter Krümmung. Beide Kaustiken überlagernd sich auf dem Boden des Gefäßes zu dieser auffälligen Sternkaustik.
Eingereichtes Manuskript
Christian Ucke, Hans Joachim Schlichting. Physik in unser Zeit 51/3 (2020). S. 138-140
Kreisel müssen nicht unbedingt mit der Spitze auf einer festen Unterlage rotieren. Im hier vorgestellten Spielzeug bringen zwei hängende Kreisel durch eine raffinierte Reibungskopplung eine drehbar gelagerte Stange in Rotation, indem diese Drehimpuls von den Kreiseln übernimmt.
Der in der Abbildung 1 gezeigte Karussellkreisel besteht aus einem Ständer mit einer konkaven Einbuchtung oben, einer Haltestange sowie zwei daran angehängten Kreiseln. Die klassischen, per Hand anzudrehenden Holzkreisel enthalten in der Achse einen dünnen, zylindrischen Magneten, dessen ebene Stirnfläche mit dem Kreiselstiel oben abschließt. Die Haltestange hat mittig einen kurzen Stift mit einer kleinen Stahlkugel von ungefähr 2 mm Durchmesser am Ende, der in der konkaven Einbuchtung frei drehbar lagert. Weiterlesen
H. Joachim Schlichting. Physik in unserer Zeit 51/3 (2020), S. 149
Was man beim Blick in eine Wasserpfütze zu sehen bekommt, hängt vor allem davon ab, aus welcher Richtung man in die Pfütze schaut.
Wasserflächen von weitem gesehen, nehmen teilweise die Farbe des Himmels an, weil diese in ihnen spiegelnd reflektiert wird. Ein (flacher) See erscheint deshalb blau, weil der Himmel blau ist. Und wenn der Himmel bedeckt und grau ist, kann der See nicht anders, als es ihm gleichzutun.
Auch die abgebildete Wasserpfütze (Abbildung 1) gibt das Blau des Himmels und das Weiß der Wolken wieder. Nähert man sich jedoch der Pfütze, so verblasst die Farbe zunehmend. Steht man direkt davor (Abbildung 2), so wird die Pfütze unversehens nahezu transparent. Man sieht den darunter und im Randbereich befeuchteten Asphalt teilweise in noch kräftigeren Farben als ohne die Wasserschicht darüber.
Die Ursache für diesen Wechsel ist darin zu sehen, dass der Anteil des reflektierten Lichts umso größer ist, je flacher man auf die Wasseroberfläche blickt (Einfalls- und Reflexionswinkel bezogen auf das Lot zur Wasseroberfläche sind groß) und minimal wird, wenn man senkrecht hineinschaut (Einfalls- und Reflexionswinkel sind Null) (mittleres Foto). Zwar ist von den Wolken noch etwas zu erkennen, aber wegen des geringen Kontrasts zwischen Himmelslicht und feuchtem Asphalt sieht man von den Blauanteilen nichts mehr.
Dieses optische Verhalten beobachtet man nicht nur bei Wasserflächen, sondern auch bei anderen transparenten Medien wie etwa bei Fensterscheiben. Wenn das Licht senkrech einfällt, reflektiert die Grenzfläche zwischen Glas und Luft nur etwa 4%. Dieses hier nur qualitativ angesprochene Phänomen wird quantitativ durch die sogenannten Fresnelschen Gleichungen beschrieben.
Das untere Foto wurde ebenfalls aus größerer Entfernung aufgenommen, allerdings aus umgekehrter Richtung gegen die Sonne. Auch hier sieht man das Himmelsblau und einige Wolken reflektiert. Einen auffälligen Unterschied zeigt der Randbereich, in dem die raue Oberfläche der befeuchteten Splitteilchen ihr dunkles Aussehen (oberes Bild) in ein blendend helles Leuchten gewechselt hat. Da hier dieselbe Pfütze nahezu gegen die Sonne fotografiert wurde, reflektieren die befeuchteten Flächen der Splittteilchen das Sonnenlicht auch noch aus Winkeln in die Kamera, die vom Reflexionswinkel der horizontalen Wasseroberfläche geringfügig abweichen. Es besteht somit eine enge Beziehung zum Phänomen des Schwerts der Sonne [1], bei dem das Sonnenlicht nicht nur an einer Stelle, sondern aus einem mehr oder weniger breiten Nachbarbereich gesehen wird. Beim Foto in Abbildung 1 wurde hingegen mit der Sonne im Rücken fotografiert; die Splittteilchen reflektierten das Sonnenlicht daher hauptsächlich vom Fotografen weg. Hinzu kommt dass dort die diffuse Reflexion im feuchten Randbereich geringer ausfällt als in der trockenen Nachbarschaft, weil das einfallende Licht in der dünnen Wasserschicht einige Male hin-und her reflektiert und dabei stärker absorbiert wird als im trockenen Bereich. Dieses Phänomen kennt man von den kräftigen Farben und dem Glanz feuchter Steine (Physik in unserer Zeit 36/1, 47 (2005)).
An der unterschiedlichen Helligkeit des Grases ist ebenfalls zu erkennen, dass man im einen Fall auf die beleuchtete Seite und im anderen Fall auf die Schattenseite der Gräser blickt.
Literatur
[1] H. J. Schlichting, Der mathematische und naturwissenschaftliche Unterricht 1998, 51 (7), 387; 1999, 52 (6), 330.
Dies ist die Einreichversion der Publikation.
H. Joachim Schlichting. Physik in unserer Zeit 50/5 (2019), S. 251
Beim Bestreben eines horizontal aus einer Öffnung austretenden flachen Flüssigkeitsstrahls Zylinderform anzunehmen, schießt er aus Trägheit über das Ziel hinaus.
H. Joachim Schlichting. Physik in unserer Zeit 50/4 (2019), S. 200
Bei aufmerksamer Betrachtung eines Springbrunnens lassen sich in den Tropfen Fragmente eines Regenbogens erkennen, auch wenn die Sonne schon relativ hoch steht.
Am Ende des Regenbogens soll bekanntlich ein Schatz zu finden sein. Ist er auch, aber anders als man denkt. Wenn man an einem sonnigen Tag mit der noch tiefstehenden Sonne im Rücken einen Springbrunnen betrachtet, bekommt man im Gischt der Fontäne zumindest Fragmente eines Regenbogens zu sehen. Mit aufsteigender Sonne sinkt der Bogen und „ersäuft“ meist im Wasser an der Wurzel der Fontäne. Weiterlesen
H. Joachim Schlichting. Physik in unserer Zeit 50/3 (2019) S. 149
Strahlt man mit einem Laserpointer flach auf einen Spiegel, sodass das Spiegelbild auf einer senkrecht dazu aufgestellten Projektionswand erscheint, tritt eine ganze Serie von Reflexen auf, die sich einem nicht sofort erschließen.
Mit einem Laserpointer soll man eigentlich nicht spielen, jedenfalls nicht, wenn andere Personen in der Nähe sind. Dennoch ist der Reiz, auf diese Weise neuen Phänomenen auf die Spur zu kommen, sehr groß. Das früher beschriebene Phänomen, bei dem mit einem Laserpointer in eine fast leere Teetasse gestrahlt wurde, gehört ebenso dazu (Physik in unserer Zeit 2013, 44(2), 98) wie das Licht beugende Geodreieck (Physik in unserer Zeit 2012, 43(4), 198). Weiterlesen
H. Joachim Schlichting. Physik in unserer Zeit 2 (2019), S. 78 – 81
Beim Schnüren von Schuhen kommt es zu einem physikalisch interessanten Zusammenspiel eines Flaschenzugs als Zugkraftverstärker und topologisch optimierten Reibungskräften, durch welche die jeweilige Schnürung mit wenigen Handgriffen durch Knoten fixiert und auch wieder geöffnet werden kann. Allerdings führt auch das Gehen selbst zum Öffnen der Knoten.
Knoten spielen in verschiedenen Bereich der aktuellen Physik eine zunehmend wichtige Rolle. Dabei wird oft auf Anschauungen zurückgegriffen, die im makroskopischen Bereich gewonnen werden, etwa beim Schnüren der Schuhe. Die dabei erlernten und rein intuitiv angewandten Techniken sind selbst ein interessanter Gegenstand der Physik und lohnen etwas genauer betrachtet zu werden. Sowohl dem Schnüren der Schuhe, dem Binden der Schleifen und dem notorischen Versagen der Schleife beim Laufen liegt ein subtiles Zusammenspiel zwischen topologischen, dynamischen und materialtechnischen Aspekten zugrunde… (bei Interesse vollständigen Text beim Autor anfordern).
PDF: Zur Physik des Schuheschnürens
Man sieht sehr häufig unrecht tun,
doch selten öfter als den Schuhn.
Man weiß, daß sie nach ewgen Normen
die Form der Füße treu umformen.
Die Sohlen scheinen auszuschweifen,
bis sie am Ballen sich begreifen.
Ein jeder merkt: es ist ein Paar.
Nur Mägden wird dies niemals klar.
Sie setzen Stiefel (wo auch immer)
einander abgekehrt vors Zimmer.
Was müssen solche Schuhe leiden!
Sie sind so fleißig, so bescheiden;
sie wollen nichts auf dieser Welt,
als daß man sie zusammen stellt,
nicht auseinanderstrebend wie
das unvernünftig blöde Vieh!
O Ihr Marie, Sophie, Therese –
der Satan wird euch einst, der böse
die Stiefel anziehn, wenn es heißt,
hinweg zu gehn als seliger Geist!
Dann werdet ihr voll Wehgeheule
das Schicksal teilen jener Eule,
die, als zwei Hasen nach sie flog,
und plötzlich jeder seitwärts bog,
der eine links, der andre rechts,
zerriß (im Eifer des Gefechts)!
Wie Puppen, mitten durchgesägte,
so werdet ihr alsdann, ihr Mägde,
bei Engeln halb und halb bei Teufeln
von niegestillten Tränen träufeln,
der Hölle ein willkommner Spott
und peinlich selbst dem lieben Gott. Weiterlesen
Schlichting, H. Joachim. Physik in unserer Zeit 50/1 (2019), S. 45
Das Zusammenwirken von Absorption und Reflexion von Sonnenlicht sowie Wärmeleitung führt unter bestimmten Bedingungen zu regelmäßigen Mustern im Schnee.
Auf dem Handlauf eines Treppengeländers hat sich ein Muster aus periodisch weggeschmolzenem Schnee gebildet. Das ist auch insofern erstaunlich, als die Lufttemperatur mit -1 bis -2 °C eindeutig zu niedrig ist, um den Schnee zum Schmelzen zu bringen. Zwar bricht die Sonne hin und wieder durch den hochnebelartigen Dunst und fühlt sich angenehm warm an. Doch der blendend weiß erstrahlende Schnee ist ein deutliches Zeichen dafür, dass das Sonnenlicht nicht gleichermaßen vom Schnee absorbiert, sondern hauptsächlich reflektiert wird. Weiterlesen
Schlichting, H. Joachim; Suhr, Wilfried. Physik in unserer Zeit 4 (2018) 196-199
Ein zu einer Endlosschleife geschlossener Faden lässt sich in einer Pfeife durch Pusten in einen stabilen Rotationszustand versetzen. Der Luftwiderstand des Fadens erweist sich als wesentlich für den Antrieb und die Stabilisierung des Spielzeugs.
Die Seilschleuder hat durch die zunehmende Verbreitung von Science Centern in den letzten Jahren eine gewisse Bekanntheit erlangt. Sie beeindruckt vor allem dadurch, dass ein zu einer Schlaufe verknüpftes Seil in eine stationäre Rotationsbewegung gebracht werden kann, wobei das Seil durch innere Zugkräfte versteift und stabilisiert wird (Physik in unserer Zeit 2018, 49 (2), 80). Weiterlesen
Ucke, Chr.; Schlichting, H. Joachim. Physik in unserer Zeit 4)/3 (2018) S. 138 – 141
Das wenig verbreitete Kettenthermometer hat eine unübliche Anzeige: niedrige Temperaturen sind oben auf einer Skala abzulesen, hohe Temperaturen unten. Das erklärt sich aus der Konstruktion. Es lässt sich mit passablem Aufwand selbst bauen.
Die im thüringischen Ort Mellenbach-Glasbach ansässige Firma Möller-Sommer-Therm [1] hat etwa um 1990 das sogenannte Kettenthermometer entwickelt und mit zwei Schriften beim Deutschen Patentamt angemeldet [2, 3]. Das Thermometer wurde auch bis etwa 2004 produziert, war allerdings nie sehr verbreitet. Es ist heute relativ unbekannt und kaum noch erhältlich [4]. Es ist eher ein dekoratives Element als ein genaues Messinstrument. Die Messskala ist gerade umgekehrt wie sonst üblich: die großen Temperaturwerte befinden sich unten, die kleinen oben. Daher verleitet eine solche Skala leicht zu Fehlablesungen, da wir gewohnt sind, zunehmende Werte auf senkrecht angeordneten Skalen oben zu finden. Weiterlesen
Suhr, Wilfried; Schlichting, H. Joachim. Physik in unserer Zeit 49/2 (2018) S. 80 – 85
Modellierung einer Seilschleuder
Versetzt man ein geschlossenes Seil in Rotation, so richtet es sich zu einer fontänenartigen Bewegungsfigur auf. Mit zunehmender Umlaufgeschwindigkeit geht diese durch einen phasenübergangsähnlichen Wechsel in einen geschlossenen Loop über. Dabei übernimmt die Dissipation der Bewegungsenergie eine konstruktive Rolle. Weiterlesen
Ucke, Christian; Schlichting, H. Joachim. Physik in unserer Zeit 42/5 (2017), S. 246 – 250
Ein auf einem feststehenden Dreibein befindlicher Globus dreht sich lautlos und scheinbar ohne äußere Energiezufuhr. Dahinter steckt eine ingeniöse Kombination von Hightech- Materialien und Geräten mit bekannten mechanischen und optischen Effekten, die sich erst nach und nach erschließt. Weiterlesen
H. Joachim Schlichting. In: Physik in unserer Zeit 3 (2017), S. 150 – 151
Zwingt man Stabmagnete, sich mit gleichnamigen Polen gegenüberzustehen, so kommt es zu paradox anmutenden Phänomenen. Ihnen liegt ein subtiles Zusammenwirken von magnetischer Anziehung und Abstoßung sowie mechanischen Drehmomenten und der Reibung zugrunde. Weiterlesen
Schlichting, H. Joachim; Schlichting, Jan. Physik in unserer Zeit 47/3, S. 130 -33
Eine einfache Batterie, je mit einem Zylindermagneten an den Polen versehen, saust durch eine Spule wie eine Eisenbahn durch einen Tunnel. Die Magnete leiten den Strom durch die Spule und wechselwirken mit dem dadurch hervorgerufenen elektromagnetischen Feld.
Ucke, Christian; Schlichting, H. Joachim. Physik in unserer Zeit 46/1 (2015) 40 – 43
Sisyphus musste bekanntlich einen Stein mühsam bergauf bewegen, der dann immer wieder hinunter rollte. Das bekannte Maxwellsche Rad bereitet vielen Physikstudenten in intellektueller Hinsicht ähnliche Mühe. Es gibt jedoch kreative und unterhaltsame Variationen dieses Klassikers.
(ein Video Maxwellrad sowie ein weiterführender Text zur quantitativen Analyse finden sich auf http://www.phiuz.de Special Features/Zusatzmaterial zu den Heften).
PDF kann beim Autor angefordert werden (schlichting@uni-muenster.de)
Schlichting, H. Joachim. Physik in unserer Zeit 45/6 (2014) 308
Regenbögen weisen bei Sonnenuntergang manchmal einen weißen Streifen auf. Additive Farbmischung ist hier im Spiel.
Der Mangel an Farben und die dadurch für den Einen oder Anderen eingeschränkte Ästhetik des abendlichen Regenbogens wird für die eher an dem physikalischen Hingergrund interessierten LeserInnen vielleicht durch die weitgehenden Schlüsse, die aus dem weißen Streifen gezogen werden können, ausgeglichen.
Ucke, Christian; Schlichting, H. Joachim. Physik in unserer Zeit 45/6 (2014) 284 – 287
Es wäre schön, wenn ein einmal angedrehter Kreisel nie mehr aufhören würde sich zu drehen. Solche „ewigen Kreisel“ gibt es tatsächlich. Sie verfügen über eine externe Energiezufuhr oder eingebaute Energiequelle, die eine Laufzeit von mehreren Stunden oder Tagen erlaubt. Ewig laufen sie natürlich nicht.
PDF: Streng geheim – Der eweige Kreisel (Einreichversion)
Schlichting, H. Joachim; Ucke, Christian. In: Physik in unserer Zeit 45/5 (2014) 234 – 237
Eine aus einem Becher heraus gleitende Kugelkette rutscht nicht einfach über den Rand, sondern steigt wie eine Fontäne steil nach oben auf, bevor sie zu Boden fällt. Ein überraschendes Verhalten, das den Gesetzen der Schwerkraft zu widersprechen scheint.
Die Fontäne im Video
Eine quantitative Modellierung findet man hier.
PDF: Kann beim Autor angefordert werden (schlichting@uni-muenster.de)
Ucke, Christian; Schlichting, H. Joachim. In: Physik in unserer Zeit 45/4 (2014), S. 181-185
Mit Spiegeln lassen sich überraschende Effekte erzielen. Zwei einander gegenüberstehende Spiegel erzeugen Vielfachreflexionen mit enormer Tiefenwirkung. Begehbare Spiegeldreiecke und Spiegellabyrinthe irritieren die Wahrnehmung mit unendlich vielen Reflexionen.