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Ästhetik

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Der Moment, in dem die Sonne die Erde streift

Ich liebe den kurzen Zeitraum am Morgen, wenn die Sonne gerade über den Horizont blinzelt und eine Lichttangente über das flache Land legt. Heute hatte ich Gelegenheit, diesen Moment in einer kaum zu überbietenden Feinheit zu erleben. Als ich eine Schnecke ähnlich gemächlich über den Weg rutschen sah, wie die Sonne aufstieg, flammte plötzlich der flache orangefarbene Schneckenkörper im hellen Sonnenlicht auf. Wie man an den angestrahlten Tannennadeln und Steinchen auf dem Weg erkennt, wurde hier das ästhetisch Prinzip des Ton in Ton in hervorragender Weise erfüllt.
Die Tage im Mai sind für mich in dieser Hinsicht besonders passend, weil wir – die Sonne und ich – etwas zur gleichen Zeit aufstehen.

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Winter ade, scheiden tut weh…

So haben wir früher gesungen mit lachendem Herzen. Da viele Anzeichen dafür sprechen, dass der Winter nach einem kurzen Aufbäumen nun endgültig Abschied zu nehmen scheint, möchte ich ihm noch eines meiner letzten Pfützenfotos hinterher schicken. Diese Eisstruktur zeigt den Winter einmal mehr von einer seiner ästhetisch ansprechenden Seite. Entsprechend vielfältig sind die physikalischen Vorgänge, die diesen Anblick hervorgebracht haben. Dazu habe ich mich früher mehrfach geäußert.

Bewegung in der Felswand

Als ich vor dieser aus einem Felsen mit einer überdimensionalen Säge herausgearbeiteten glatten Wand stand, hatte ich kurzfristig den Eindruck, das Steinpaar im rechten Drittel würde sich über den holprigen Hangweg von einer zur anderen Erhebung hüpfend nach links unten bewegen. Zugegeben – eine Täuschung. Aber vielleicht bewegt er sich ja tatsächlich, wenngleich dem Kontext entsprechend geologisch langsam 😉 , also mit einer Geschwindigkeit von derselben Größenordnung in der der Fels selbst entstanden ist. Man könnte die Szenerie aber auch als Dornröschenschlaf ansehen, das wäre wesentlich poetischer und würde die naturschöne Ansicht kongenial begleiten.

Kugelmania

Die Kugel ist eine Sehnsuchtsform der Materie getrieben vom tiefen Blau. Auch wenn die vollendete Kugel als solche kaum jemals erreicht wird, gibt diese archetypische Idealgestallt viele Bestrebungen und Bewegungen in der Natur vor. Mir ging es in dieser Darstellung weniger um ein realistisches Beispiel als vielmehr darum, die Mühen der Bestrebungen mit all ihren Unvollkommenheiten gewissermaßen symbolisch zu visualisieren, nachdem viele Beiträge direkt oder indirekt mit der Kugel als die Gestalt zu tun haben, die ein Volumen mit der kleinsten Oberfläche begrenzt.

Herbstblätter, die sich selber malen

Diese Blätter sind das Ergebnis eines Prozesses, der sowohl aus künstlerischer als auch aus physikalischer Perspektive betrachtet werden kann. Er spielt in der modernen Kunst unter dem Begriff der Décalcomanie zum Beispiel in der Malerie von Max Ernst eine wichtige Rolle und stellt im Rahmen der Nichtlinearen Physik ein Beispiel des Viskosen Verästelns zweier Fluide dar – hier der Luft und der Ölfarbe.

Dies ist nur ein Beispiel der Phänomene, mit denen wir uns im Rahmen der heute in Neustadt (Weinstraße) stattfindenden ganztägigen Fortbildung zu Kunst und Physik befassen.
Die Welt unter physikalischer oder künstlerischer Perspektive zu sehen, ist das Ergebnis eines mehr oder weniger langwierigen Sozialisierungsprozesses. Als maßgebliche kulturelle Aktivitäten tragen umgekehrt u. A. sowohl die Kunst als auch die Physik auf je spezifische Weise zur Ausbildung des Weltbildes der Menschen eines Kulturkreises bei. Es lassen sich vielfältige Wechselwirkungen auf unterschiedlichen Ebenen beobachten. Sich dies an einschlägigen Beispielen bewusst zu machen, ist eines der wesentlichen Anliegen dieser Fortbildung.
Des Weiteren wird gezeigt, wie Künstler von jeher bewusst oder unbewusst physikalisches Wissen bei der Realisierung ihrer Werke ausgenutzt und oft Phänomene dargestellt haben, die die Physik mehr oder weniger stark betreffen. Es wird exemplarisch gezeigt, dass die Kenntnis bereits einiger elementarer physikalischen Zusammenhänge die Wahrnehmung von Kunstwerken vertiefen und das Verständnis für Kunstwerke erweitern kann.

Physikalische Erklärung der sich selber malenden Herbstblätter.

Sandskulptur im Wechselspiel der Gezeiten

Als ich diese Sandskulptur zu Gesicht bekomme, ist sie noch in Bewegung. Sie liegt am Strand in einem Bereich der zunächst noch von den auslaufenden flachen Wellen überflutet wird. Wegen des ablaufenden Wassers wird sie aber immer weniger vom Wasser überflutet und fällt schließlich völlig trocken. Die Skulptur ist nunmehr vollendet, wenn man einmal davon absieht, dass sie in den nächsten Stunden den Sonnenstrahlen ausgesetzt ist.
Mich erinnert sie an eine geheimnisvolle schwarze Blume, die von den Gezeiten geformt wurde.
Der Strand besteht hier aus einer Mischung aus schwarzem und weißem Sand. Dabei geht der Farbunterschied mit einem deutlichen Unterschied in den übrigen physikalischen Eigenschaften einher. Denn der schwarze Sand ist deutlich schwerer, hat also eine größere Dichte als der weiße, sodass es je nach den äußeren Einwirkungen von Wind und fließendem Wasser zu Mischungs- und Entmischungsvorgängen kommt.
Auslöser für die Strukturbildung ist ein Stein, der im oberen Bereich der Sandblume zu erkennen ist. Er lenkt die wechselweise von unten und oben einfallende Strömung zu seinen beiden Seiten ab. Das führt je nach der Geschwindigkeit der sandbeladenen Wasserströme zu Vertiefungen und Ablagerungen, Mischungen und Endmischungen und als Ergebnis schließlich zu dieser Skulptur.
Jedenfalls habe ich diesen Blumengruß zu schätzen gewusst und in Gedanken und zu deren Unterstützung in Fotos mitgenommen, ohne dem realen Gebilde auch nur ein Härchen zu krümmen bzw. ein Körnchen zu verrücken. Dafür sorgt dann schon die nächste Flut.

Ein glasierter Hund

Diese an einer Wand angebrachte marokkanische Fliese in der schönen Stadt Marrakesch besticht durch ihre Ästhetik der Schlichtheit. Sie ist einfach schön. Ich habe lange überlegt, ob die wenigen Striche irgendetwas aussagen. Mir ist nur eingefallen, dass es sich um einen Hund handelt, den man von oben betrachtet von rechts nach links gehen sieht – sehr gemäßigten Schritts.

Eine Sandlawine mit dem Profil einer Katzenpfote

Der Sand der Düne besteht vor allem aus schwarzen und weißen Körnern, die sich in ihren physikalischen Eigenschaften (Dichte, Größe u.Ä.) unterscheiden. Sobald der kritische Schüttwinkel der Dünenleeseite überschritten wird, setzt sich eine Lawine in Bewegung. An den Rändern kommt es aufgrund der physikalischen Unterschiede der Körner zu einer sichtbaren Entmischung: Die schwarzen Körner lösen sich leichter als die weißen und dominieren das Feld, sobald der Schüttwinkel das kritische Maß unterschreitet. Da die abgehende Lawine eine Neigung zu den unberührten seitlich angrenzenden Flächen aufbaut, laufen die Körner in einem nahezu symmetrisch geformten Gebilde auseinander. Es erinnert mich an eine Katzenpfote.
Die Symmetrie kommt dadurch zustande, dass die seitliche Begrenzungen des strömenden Sandes eine nahezu gleiche Wirkung auf den Strom ausüben. Die Entmischungsdynamik führt daher zu einer ähnlichen Struktur, in die der zur Ruhe kommende Sand schließlich erstarrt.
Naturschön ist die Sandpfote (nicht Samtpfote) allemal.

Das kinetische Objekt Toroflux von Jochen Valett, Teil 1 – Verschlungen wirbelnder Torus

H. Joachim Schlichting, Wilfried Suhr. Physik in unserer Zeit 53/5 (2022), S. 246 – 250

Ein aus einem Stahlband geknüpftes, torusartiges Objekt rollt, durch die eigene Gewichtskraft angetrieben, an einem Stab herab. Hinter diesem einfach anmutenden Vorgang verbirgt sich ein äußerst interessantes visuelles und physikalisches Geschehen.

Der Künstler und Konstrukteur Jochen Valett (1922– 2014) hat ästhetisch ansprechende und die physikalische Intuition herausfordernde kinetische Designobjekte geschaffen. Seine originellen Versionen raffiniert zu handhabender Kreisel, sowie seine künstlerische Umgestaltung des Wilberforce-Pendels wurden bereits in der „Spielwiese“ besprochen [1, 2]. Hier stellen wir eine weitere Kreation Valetts vor, die in ihrer Einmaligkeit, Ästhetik und physikalischen Raffinesse wohl als Krönung des Valettschen Schaffens angesehen werden kann: den Toroflux. Dieses kinetische Phänobjekt wird inzwischen weltweit als Spielzeug vermarktet, ohne dass die künstlerischen, ästhetischen und physikalischen Aspekte bisher eine angemessene Würdigung erhalten hätten. Im Folgenden wollen wir vor allem die wesentlichen physikalischen Hintergründe der teilweise äußerst erstaunlichen Phänomene herausarbeiten, die mit diesem ausgeklügelt gestalteten Stahlband hervorgebracht werden können.
 Nach der Erfindung des Toroflux hat Valett die Urversion in den 1980er-Jahren an einige Spielzeugläden verteilt, um diesen bekannt zu machen. Er wollte den Toroflux anschließend in größerem Maßstab vermarkten, was sich jedoch als Fehlschlag erwies. Wer den Toroflux zum ersten Mal in Aktion erlebt, kann sich kaum der Faszination entziehen, die von diesem filigranen, spindeltorusförmigen Edelstahlgebilde ausgeht. Dies gilt besonders, wenn man es um einen geschickt gedrehten Kreisring laufen lässt, wie es Valett vorgesehen hatte, und es so wie eine im Licht glänzende, überdimensionale Seifenblase gleichsam zum Schweben bringt (Abbildung 1). Um diesen stationären Zustand zu erreichen, muss der senkrecht gehaltene Ring durch Übergabe von einer Hand in die andere genauso schnell gedreht werden, wie der an der gegenüberliegenden Seite des Rings rotierende Toroflux an Höhe verliert. Ein deutlich hörbares Schnurren lässt erkennen, dass ein Teil der Energie durch die Wechselwirkung des Drahtgebildes mit der Luft dissipiert wird. Dies ist auch dadurch in den Händen zu spüren, dass der Rotor mit zunehmender Drehgeschwindigkeit schwerer zu werden scheint, als es seinem Gewicht entspricht – warum das so ist, werden wir später sehen.

 Im Nachhinein erscheint es merkwürdig, dass ein so raffiniertes und leicht zu handhabendes Phänobjekt nicht gleich zu einem Verkaufsschlager wurde. Es vergingen viele Jahre, bis der Toroflux zunächst in einer kleineren Version ohne den sperrigen und für den Verkauf hinderlichen Ring vermarktet wurde. Aber erst als der Toroflux vor allem über Youtube-Videos (zum Beispiel [3]) in faszinierenden Performances präsentiert wurde, setzte ein Hype ein, der inzwischen allerdings bereits wieder abgeebbt ist.
 In den Youtube-Videos geht es jedoch weniger um die stationäre Rotation an einem Stab oder Ring als vielmehr um den sportlichen bis tänzerischen Umgang mit dem Toroflux. Die Frage, welche physikalischen Vorgänge diesen raffiniert aus Stahlband geknüpften Torus zu derartigen Bewegungsfiguren befähigen, ist unserer Kenntnis nach bislang weitgehend unbeantwortet geblieben. Ihr wollen wir im Folgenden in einigen wesentlichen Aspekten nachgehen. In einer zweiten Folge widmen wir uns den optischen Effekten, die der Toroflux hervorbringt… weiter in: Das kinetische Objekt Toroflux oder preprint von mir.

Mathematisches Entzücken

Drei Orangen, zwei Zitronen: −
Bald nicht mehr verborgne Gleichung,
Formeln, die die Luft bewohnen,
Algebra der reifen Früchte!

Licht umschwirrt im wespengelben
Mittag lautlos alle Wesen.
Trockne Blumen ruhn im selben
Augenblick auf trocknem Wind.

Drei Orangen, zwei Zitronen.
Und die Stille kommt mit Flügeln.
Grün schwebt sie durch Ulmenkronen,
Selges Schiff, matrosenheiter.

Und der Himmel ist ein blaues
Auge, das sich nicht mehr schließt
Über Herzen: ein genaues
Wunder, schwankend unter Blättern.

Drei Orangen, zwei Zitronen: −
Mathematisches Entzücken,
Mittagsschrift aus leichten Zonen!
Zunge schweigt bei Zunge. doch
Alter Sinn gurrt wie ein Tauber.

Obwohl in diesem Gedicht von Karl Krolow (1915 – 1999) vordergründig von Früchten die Rede ist, weist es eher auf eine subtile Mathematik einfacher Zahlen hin. Denn von Früchten, deren Farbe, Geschmack, Geruch… ist nicht die Rede. Wohl aber von den ersten Primzahlen, 2, 3 und 5. Denn das Gedicht ist aus Zweier- und Dreierelementen aufgebaut. Drei Strophen, die 1., die 3. und die 5. beginnen leitmotivisch mit den Worten „Drei Orangen, zwei Zitronen“ getrennt von zwei Strophen, der 2. und der 4. die den Kontext des „Geschehens“ umreißen. Jede Strophe hat 4 Zeilen, von denen je zwei den Endreim enthalten. Um die Mittelachse der dritten Strophe gruppieren sich die jeweils oben und unten angrenzende 2. und 4. sowie die 1. und 5. Strophe, die auch inhaltlich in Beziehung stehen.
Der Vers mit der Primzahl 5 schließt nicht nur das Gedicht ab, sondern enthält als Summe auch noch die den Versaufbau und die leitmotivischen 2 Zitronen und 3 Orangen prägenden Primzahlen 2 und 3.
Dass die Mathematik eine besondere Rolle in dem durch die 5 Südfrüchte durchwirkten Gedicht eine besondere Rolle spielt, zeigen die im Kontrast dazu vorkommenden Begriffe „Gleichung“, „Formeln“, „Algebra“, die im „Mathematischen Entzücken“ ihren emotionalen Höhepunkt finden. Die drei süßen Orangen werden gewissermaßen durch die 2 sauren Zitronen geschmacklich auf die Neutralität einer Einheit reduziert, die einem in Form eines beziehungsreichen Zahlenspiels bleibt.

Hieroglyphen aus Kaustiken

Auf einer Exkursion besuchten wir eine Ausgrabungsstätte mit den Überresten einer vergangenen Kultur. Es waren flache Holzkästen mit einem gläsernen Deckel aufgestellt, durch den hindurch man einen erklärenden Text lesen konnte. In einigen Kästen waren die Texte bereits so vergilbt, dass man den Schwierigkeiten hatte ihm bedeutungsvolle Informationen zu entnehmen. Und in einem Kasten war bereits der Text ganz verschwunden – es sei denn, man macht sich daran, die stattdessen auf dem nackten Boden des Kastens abgebildeten Hieroglyphen zu entziffern (siehe Foto).
Was immer sie aussagen mögen, ihr Ursprung ist jedenfalls ein ganz natürlicher. Unter der Scheibe hingen einige Kondenswassertropfen, denen die heiße Sonne gerade den Garaus machte. Das heizte den Kasten auf, sodass die Tropfen allmählich verdampften. Sicherlich würden sie in der nächsten Nacht in anderer Konstellation zurückkommen, wenn sich ein Teil des Wasserdampfes erneut an der abgekühlten Scheibe verflüssigte und vielleicht andere Botschaften darstellte.
Aber die Sonne macht noch etwas anderes. Sie bildete die Tropfen auf dem Boden des Kastens ab. Da diese optisch so etwas wie deformierte Linsen darstellen, bricht sich in ihnen das Licht mit der Folge, dass es den Krümmungen der Tropfen entsprechend abgelenkt wird. Auf diese Weise wird Licht an bestimmten Stellen gesammelt und macht sich als Brennflecken, sogenannten Kaustiken, bemerkbar. Zwangsläufig fehlt dann an anderen Stellen Licht und es entstehen lichtfreie Stellen – Schatten.
Mir ist es also nur gelungen diese Hieroglyphen physikalisch zu entziffern und mich ihrer Naturschönheit zu erfreuen.

Rätselfoto des Monats August 2022

Wie entstehen diese Strukturen?


Erklärung des Rätselfotos des Monats Juli 2022

Frage: Was hält die Tropfen fest?

Antwort: Damit ein Tropfen an einem Blatt haftet, muss er mit diesem eine gemeinsame Grenzfläche ausbilden, womit eine Abweichung von der Kugelgestalt einhergehen würde. Auf dem vorliegenden Foto lässt sich jedoch eine solche Abweichung kaum entdecken.
Dieser scheinbare Widerspruch wird dadurch gelöst, dass die Tropfen keinen direkten Kontakt mit einer flächenhaften Blattoberfläche haben, sondern mit kleinen Härchen, die bei manchen Pflanzen vor allem auf der Unterseite der Blätter vorhanden sind. Diese Härchen sind hydrophil, ziehen Wassertropfen an und werden von diesen umschlossen, ohne dass sie dadurch merklich deformiert würden und daher der Kugelgestalt ziemlich nahe kommen.
Man mag darüber staunen, dass der Tropfen durch eine derart kleine gemeinsame Fläche gehalten wird. Das Erstaunen hängt einmal mehr damit zusammen, dass unsere Anschauung im Bereich mittlerer Dimensionen geprägt wurde. Bei so kleinen Tropfen, mit denen wir es hier zu tun haben, ist die die Schwerkraft bestimmende Masse sehr klein im Vergleich zur Oberfläche, durch die die Adhäsionskraft bestimmt wird (Flächen-Volumenrelation). Das nehmen wir offenbar als Missverhältnis wahr.

Der Mohn und die Zahl vier

In der Geometrie sind Zahlen und Zahlenverhältnisse der Inbegriff von mathematischer Exaktheit. Ein gezeichnetes oder auf andere Weise realisiertes Rechteck oder Dreieck ist es immer nur eine Annäherung an die geometrische Idealgestalt. Und wenn wir in der Natur geometrische Prinzipien zu erkennen glauben, so handelt es sich auch dort um mehr oder weniger perfekte Realisierungen.
Die auf dem Foto abgebildete Mohnblüte bringt in der einen oder anderen Weise die Vierzähligkeit zum Ausdruck: Vier Blütenblätter, die zudem näherungsweise so geformt sind, dass die Blüte nahezu quadratisch geformt ist, werden ergänzt durch vier dunkle Flecken, die sich wie verlaufende Tinte auf den weißen Blütenblättern ausgebreitet haben.
Das stimmt alles nur ungefähr, aber in diesen Abweichungen von der Idealgestalt bringt die Blüte ihre Individualität zum Ausdruck, derart, dass keine zwei Blüten exakt übereinstimmen. Und genau das macht einen wesentlichen Aspekt die Naturschönheit der Pflanzen aus.

Zarte Zirren

So zart und harmlos diese meteorologischen Haarlöckchen auch erscheinen mögen, so sind sie doch eiskalt. Sie bestehen aus feinen Eiskristallen und halten sich dementsprechend dort auf, wo die Bedingungen dafür ideal sind – in großer Höhe. Aber schön sind sie doch.

Sandrippelerneuerung

In der schon früher beschriebenen Dünenlandschaft gibt es immer wieder etwas Neues zu sehen. Der Sand besteht dort aus hellen und dunklen Körnern, wobei die dunkleren eine größere Dichte haben. Sie werden von Wind, Regen, Gravitation und in Küstennähe auch immer wieder vom anstürmenden Wasser gemischt und aber auch entmischt, wobei sich je nach den wechselnden Bedingungen stets neue Rippelmuster entwickeln. Wie Sandrippel entstehen, wurde in früheren Beiträgen beschrieben (z.B. hier).
Das aktuelle Foto zeigt, wie eine vorher vom Wind glattgeschliffene ältere Musterung (dunkle Streifen) von neuen barchanartigen Rippeln überdeckt wird.
Die Natur ließ mir nur wenig Zeit eine Augenblicksaufnahme dieser ästhetisch anmutenden Umstrukturierung zu machen und in dieser Form für die Nachwelt zu sichern 😉

Unfreiwilliges Schattenspiel

Zwei Personen unterhalten sich hinter einem zum Trocknen aufgehängten Bettlaken. Jedenfalls lassen sich zumindest die Gestik der auf das Laken projizierten Schatten der beiden so deuten. Da die Sprachfähigkeit eines der beiden interagierenden Personen noch nicht voll ausgebildet ist, kommt der ausgeprägten Gestik eine besondere Bedeutung zu. Ich wurde zum unfreiwilligen Zuschauer dieses Schattenspiels, konnte aber wegen des Abstands die vermutlich ohnehin restringierte Unterhaltung kaum wahrnehmen, wurde aber durch die projizierte Gestik voll in den Bann dieses etwa 5 Minuten währenden Akts gezogen. Aber auch die Protagonistinnen wissen wegen der optischen Trennung durch das Laken von meiner Anwesenheit nichts und fühlen sich daher ungestört und ganz der Sache zugewandt.
Vielleicht ist ja das aus China bekannte Schattentheater aus einem ähnlichen Anlass entstanden.
Es findet hier unter freiem Himmel statt. die Sonne fungiert als Lichtquelle, das Bettlaken als Leinwand. Da die Sonne wegen der unvorstellbar weiten Entfernung fast paralleles Licht aussendet, ist die Abbildung auf der Leinwand fast perfekt.

Naturkunst

Naturkunst ist natürlich ein künstliches Wort, ein Oxymoron zudem. Aber schöner als dieses Wort klingt, sieht das Bild aus. Es zeigt einen Ausschnitt aus der Natur in einem Moment, in dem sie nicht sie selbst ist. Gibt es das überhaupt? Bei Menschen ist mir das jedenfalls schon begegnet.

Holzeule sei wachsam

Er gibt keine Begründung, doch kann man sie sich ergänzen: Nach den rabiaten Göttern Mars und Saturn, Jupiter dazwischen, war eine der Venus adäquate, freundliche Gestalt fällig, die dem Haupt ihres Vaters Jupiter entsprungene Eulengöttin der ‚Kopfgeburten‘ insgesamt, nämlich der Wissenschaften.*

Gestern traf ich das „Maskottchen“ der Weisheit und der Wissenschaften im Iburger Wald, einem Ausläufer des Teutoburger Waldes. Gleich drei Exemplare hockten auf und im Stamm eines abgestorbenen Baums. Ich gehe davon aus, dass es sich um ein Schnitzwerk handelt, das mit der Motorsäge aus dem Baum herausmodelliert wurde.


* Hans Blumenberg. Die Vollzähligkeit der Sterne. Frankfurt am Main 1997, S 189

Der Spiegel spiegelt…

… will sagen: Er gibt nur dann annähernd die Wirklichkeit wieder, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Merkwürdigerweise sind es teilweise gerade solche, die in der abgebildeten Realität meist nicht realisiert sind. Zum Beispiel muss der Spiegel eben sein, darf keine Krümmungen aufweisen, muss gut reflektieren…
Genau das ist in dem Foto nicht gut erfüllt und führt zu einer ganz anderen Geschichte. Wir sehen lang aufstrebende kurvige, sich an bestimmten Stellen verzweigende, teilweise wellige Gebilde. Es handelt sich um eine mit spiegelndem Aluminiumblech verkleidete Wand. Wäre sie eben, so würde sie ganz gut spiegeln, wie man an einigen Stellen sieht. Da sie aber unterschiedlich gekrümmt ist, vermag sie nur entsprechend verzerrte Bilder wiederzugeben. Vielleicht kann man an den blauen Teilen erkennen/erahnen, dass hier hängende, sacht im Wind wehende Fahnen zu sehen sind. Bei schwachen Krümmungen kommt es zu Wellenlinien und Schwankungen in der Dicke des Fahnenmasts. Bei den starken Krümmungen, weisen die Strukturen auf einen Punkt hin. Diese Singularitäten sind trichterartige Vertiefungen, die durch Schrauben hervorgebracht werden, mit denen die spiegelnden Platten an die Wand fixiert wurden. Sie sind entscheidend für die Stabilität der Aluminiumfassade und es ist, als würden die Strukturen dem Rechnung tragen, indem sich ihnen oft mehrfach zuwenden. Natürlich nur dort, wo es Gegenstände gibt, die in ihren Einflussbereich gelangen. Die Kräfte, die von den Schraubenfixpunkten ausgehen, sind zwar stark aber kurzreichweitig, was zu einer starken lokalen Krümmung des Blechs führt. Die Fahnenmasten sind natürlich nur eine Möglichkeit, die spiegelnden Aluminiumbleche zum „Reden“ zu bringen. Andere hier nicht im Bild auftretende Spiegelobjekte würden natürlich andere Geschichten erzählen…

Spiegelwelt als Stolperfalle

Die Spiegelwelt täuscht eine Dreidimensionalität vor, die immerhin für einige (sensible?) Leute so real wirkt, dass sie genau darauf achten, wie sie ihre Schritte setzen und einen Teil ihrer Unbefangenheit verlieren. Dabei wirkt die Überlagerung der realen mit der virtuellen Räumen beim Blick auf den unmittelbar vor einem liegenden Fußboden weniger irritierend, als es auf diesem Foto.
Aber eigentlich hatte ich das Foto gemacht, um auf einen anderen interessanten Effekt hinzuweisen – den Blauschimmer des durch die Oberlichter hereinfallenden Tageslichts. Da unser visuelles System dazu tendiert, in einer einheitlich beleuchteten Umgebung wie dieser mit weißem Licht ausgeleuchteten Passage als überwiegende Farbe weiß zu sehen, erscheint das Tageslicht so, wie es wirklich ist – bläulich. Das Foto zeigt also keinen falschen Weißabgleich, sondern kommt den realen Verhältnissen ziemlich nahe.

Ein Ei im Mai

Auf ein Ei geschrieben

Ostern ist zwar schon vorbei,
Also dies kein Osterei;
Doch wer sagt, es sei kein Segen,
Wenn im Mai die Hasen legen?
Aus der Pfanne, aus dem Schmalz
Schmeckt ein Eilein jedenfalls,
Und kurzum, mich tät’s gaudieren,
Dir dies Ei zu präsentieren,
Und zugleich tät es mich kitzeln,
Dir ein Rätsel drauf zu kritzeln.
 
Die Sophisten und die Pfaffen
Stritten sich mit viel Geschrei:
Was hat Gott zuerst erschaffen,
Wohl die Henne? wohl das Ei?
 
Wäre das so schwer zu lösen?
Erstlich ward ein Ei erdacht:
Doch weil noch kein Huhn gewesen,
Schatz, so hat’s der Has gebracht.

Eduard Mörike (1804 – 1875)

Ein weiteres Rätsel, das zwar nicht auf dem Ei gekritzelt steht, das aber aus ihm herausgek(r)itzelt werden kann ist die Frage, ob ein Ei gekocht oder noch roh ist. Bereits in meiner Kindheit wurde das Rätsel experimentell gelöst, indem man das fragliche Ei selbst befragte – natürlich in der Eiersprache . Dazu bringt man es (wegen möglicher unkalkulierbarer Fluchtbewegungen auf einem Teller) – mit einem kräftigen Dreh in schnelle Rotation und vergleicht die Drehzahl mit der eines anderen Eis, dessen Zustand bekannt ist. Es zeigt sich dann, dass das gekochte Ei länger als das rohe rotiert. Dafür zeigt das rohe Ei eine zunächst rätselhaft erscheinende Besonderheit. Wenn man es während der Rotation durch Antippen kurz anhält und es sofort wieder loslässt, setzt es zumindest kurz seine Drehung fort. Das gekochte Ei bleibt bei einer solchen Behandlung unwiderruflich stehen.

Der Unterschied im Verhalten der beiden Eier ist darauf zurückzuführen, dass der Inhalt im rohen Ei weitgehend zähflüssig das gekochte aber durchgehend hart ist. Dreht man das gekochte Ei an, so bringt man wegen der festen Verbindung aller Teile des Eis dieses als Ganzes in Bewegung. Beim gekochten Ei gelingt es mit einem Dreh nur die Rotationsenergie auf die äußere Schale und die unmittelbar benachbarte flüssige Eiweißschicht zu übertragen, die die Bewegung dann mit einer kleinen Verzögerung an die weiteren inneren Schichten weitergibt. Denn aus Trägheit verharrt das Innere des Eis zunächst in Ruhe und wird erst nach und nach vor allem durch innere Reibung zulasten der äußeren Schichten und der rotierenden Schale in Gang gesetzt.
Das heißt, dass man beim Andrehen des rohen Eis mit einem Dreh weniger Energie übertragen kann als beim gekochten. Denn es werden nur die äußeren Schichten in Gang gesetzt. Diese geben dann anschließend noch einen Teil der Energie davon an die inneren Schichten ab, was zu einer stärkeren Abbremsung führt.
Meine Oma hatte früher eine andere viel einfachere Erklärung: Am Verhalten des rohen Eis merkt man, dass es noch ein wenig lebt. Ich stellte mir vor, dass das „noch ein wenig lebende“ Ei sich zunächst gegen die unverhoffte schnelle Drehung wehrt, was das tote gekochte Ei nicht mehr kann.




Schwarzweiß oder farbig – manchmal entscheidet der Blickwinkel

Beim Lesen eines Buches mit Op-Art-Abbildungen war mir irgendwie so, dass etwas Buntes durch das Glas hindurch schimmerte. Um festzustellen, ob es an mir oder am Glas Wein lag, füllte ich es kurzerhand mit Wasser und sah, dass das Glas oder besser die Flüssigkeit die Bilder lieber farbig hatte. Es ist also nicht der tiefe Blick ins Glas, sondern der Blick durch das Glas, der dieses Phänomen ermöglicht.
Schuld daran sind die Übergänge des vom Op-Art-Bild ausgehenden Lichts von Luft zum Glas, von Glas zum Wasser und vom Wasser zum Glas und dann wieder zur Luft, bevor es mein Auge erreicht. Dabei spielt das dünne Glas die geringste Rolle und muss nicht weiter betrachtet werden. Entscheidend ist der Durchgang des Lichts durch den Wasserkeil, wobei es ähnlich wie in einem optischen Prisma gebrochen und damit aus der ursprünglichen Richtung abgelenkt wird. Da die Lichtbrechung von der Wellenlänge des Lichts abhängt und damit für die verschiedenen Farben, aus denen sich das weiße Licht zusammensetzt, unterschiedlich groß ist, laufen die einzelnen Farben gewissermaßen auseinander und werden schließlich getrennt voneinander wahrgenommen. Man sieht also die weißen Teile des schwarzweißen Op-Art-Bildes in mehreren ineinander verschwimmenden Versionen.
Man kann auch künstlerisch tätig werden, indem man den Blick durchs Glas auf unterschiedliche Weise auf Schwarzweißbilder und andere Darstellungen richtet und sich den schönsten Anblick auswählt.

Gott, heißt es, schied die Finsternis vom Licht,
Doch mocht es ihm nicht ganz gelingen,
Denn wenn das Licht in Farben sich erbricht,
Mußt es vorher die Finsternis verschlingen.
*

* Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)

Fließstruktur im Holz

Dieser ästhetisch ansprechende, ungewöhnlich strukturierte Rest eines abgestorbenen Baumes sieht so aus, als würde er Wasser auffangen und kanalisieren. Dafür sprechen die dendrischen Rissstrukturen, die so etwas wie eine Fließrichtung vorzugeben scheinen.
Einen nicht zu unteschätzenden Beitrag zum ästhetischen Reiz dieser Baumstruktur ist in der quasisymmetrischen Form zu sehen.
Der grüne Algenbelag weist darauf hin, dass die Fließstruktur nicht nur ein visueller Eindruck ist. Bei Regen wird diese Funktion tatsächlich übernommen, indem das auftreffende Wasser nach unten abgeleitet wird, auch wenn ein solcher Vorgang kaum einen Sinn macht. Muss er auch nicht.

Kugelblitz – ins Allmähliche und Diskursive entfaltet

Bey dem Blitz geschieht Alles in einem Augenblick; nur die nachherigen Beobachter, welche die Reise zu Fuß machen, bringen das Allmähliche und Diskursive erst hinein.*

Der erste deutsche Experimentalphysiker Georg Christoph Lichtenberg (1742 – 1799) stichelt mit diesem Satz auf eine für seinen Humor typische Weise gegen die eigene Zunft. Seine Aussage gilt insbesondere für die moderne Physik, in der mit großem Aufwand über extrem kurze Vorgänge monatelange und ggf. noch längere Untersuchungen durchgeführt und seitenlange Abhandlungen verfasst werden, die sich beispielsweise im Femtosekundenbereich abspielen.
1 Femtosekunde „dauert“ 0,000000000000001 Sekunden (1 fs =10-15 s).

Nebenbei: Ist der Text von Sprache und Geist her nicht sehr modern?

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Fenster als Fenster im Fenster

Ursprünglich war das Fenster ein praktisches Bauelement, das eine semitransparente Kommunikation mit der Außenwelt ermöglicht. Durch das Fensterglas wurde es möglich, Räume materiell von der Außenwelt zu trennen ohne wesentliche optische Einschränkungen hinnehmen zu müssen. Doch die Glasscheiben führen darüber hinaus ein multivisuelles Eigenleben, dass oft zu verblüffenden, manchmal sogar künstlerisch anmutenden Effekten führt. Im vorliegenden Foto erleben wir Fenster von außen, wobei ihre Wirkung als Lichtfalle und Spiegel dominiert. Obwohl dies ursprünglich kaum beabsichtigt war, kann ihne eine gewisse Ästhetik nicht abegesprochen werden. Auch spielen Fenster in der Kunst eine wichtige Rolle.

Fenster – zwischen Reflexion und Transmission

Fenster gewähren Ausblick und Einblick. Obwohl Fensterglas transparent ist, wird diesen Blicken nicht immer in der gewünschten Weise stattgegeben. Von einem hellen Zimmer aus in die dunkle Außenwelt zu blicken gelingt nur sehr unvollkommen. Während es umgekehrt leicht möglich ist. Tagsüber hat man hingegen nur eine eingeschränkte Möglichkeit von außen durch die Fenster in einen unbeleuchteten Raum zu blicken.
Wenn man es trotzdem tut, sind die Einblicke eher impressionistischer Natur als reale Anblicke (siehe Foto).
Ursache für diese Verwirrungen ist die Tatsache, dass Glasscheiben nicht nur transparent sind, sondern zu einem sehr kleinen Teil das Licht auch reflektieren (ca. 4% bei senkrechtem Blick durch eine Grenzschicht zwischen Luft und Glas). Dieser geringe Anteil wird jedoch dominierend, wenn in der Reflexionsrichtung kaum durchgehendes Licht auftritt.

Himmelblaue Dünen

Dies liefert uns die Erklärung für ein sehr eigenartiges Phänomen, dem die Maler viel Aufmerksamkeit gewidmet haben, und daß Anlaß einer Denkschrift von Herrn de Buffon gewesen ist, dessen physikalische Ursache jedoch meines Wissens noch niemand angegeben hat; die Schatten nehmen dies Morgens und des Abends eine intensiv blaue Färbung an, und wenn eine Kerze an die Stelle der Sonne tritt und diese noch nicht aufgegangen ist, aber kurz davorsteht, entsteht fast dieselbe Wirkung. Dieses Phänomen wird von der Luftfarbe der Atmosphäre, welche diese Schatten beleuchtet und in der die blauen Strahlen vorherrschen, verursacht: die blauen Strahlen prallen in großen Mengen schräg zurück, während die roten, die sich weiter weg in gerader Linie verlieren, den Schatten nicht modifizieren können, weil sie sich nicht oder weit weniger reflektieren.*

Die eigenartige Wirkung, die von diesem Bild ausgeht, liegt vermutlich darin begründet, dass Dünen und Schatten ziemlich genau in Komplementärfarben erstrahlen. Die Aufnahme erfolgte am frühen Morgen kurz nach Sonnenaufgang.


* Pierre Bouguer. Traité d’optique sur la gradation de la lumiére (1760) zit. in: Michael Baxandal.Löcher im Licht; München 1998; S. 126-127

Variation und Präzision

Ich habe lange überlegt, was mich ästhetisch an diesem Ausschnitt aus einer Steinmauer so fasziniert. Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass es das irritierend anziehende Wechselspiel zwischen Präzision und Variation in Form und Farbe ist. Hier ist eine Fläche mit hoher geometrischer Präzision durch Elemente aufgeteilt worden, von denen keines wie das andere ist – jedenfalls nicht genau. Jedes Element hat eine andere Größe und eine ander Farbe, wenngleich sie sich teilweise sowohl in einigen Fällen in der Größe, der Form und der Farbe kaum unterscheiden.

Reparationen

Ohne Worte

Die Umgebung tropfenweise

Wassertropfen sind transparent. Trotzdem scheint es manchmal so zu sein, als würden sie sich ihre Umgebung jedenfalls teilweise formgerecht einverleiben. Sieht es nicht so aus, als würden die Grasstrukturen des Hintergrunds sehr viel schärfer im Innern der Tropfen auftreten? Es sieht so aus, aber bedeutet nur, dass Tropfen wie optische Linsen ihre Umwelt kopfstehend abbilden, jedenfalls wenn diese weiter als die Brennweite der Linse entfernt sind. Und das sind sie unter diesen Größenverhältnissen fast immer.
Abgesehen von dieser kleinen physikalischen Spielerei, fand ich dieses vom Morgentau geschaffene Szenario einfach naturschön.

Es verrieselt, es verraucht,
Mählich aus der Wolke taucht
Neu hervor der Sonnenadel.
In den feinen Dunst die Fichte
Ihre grünen Dornen streckt,
Wie ein schönes Weib die Nadel
In den Spitzenschleier steckt;
Und die Heide steht im Lichte
Zahllos blanker Tropfen, die
Am Wacholder zittern, wie
Glasgehänge an dem Lüster.*


 * Aus: Annette von Droste-Hülshoff. Die Vogelhütte. Sämtliche Gedichte. Frankfurt 1998, S. 44

Ein aufrechter Knoten

Dieses Kunstwerk, das ich fast völlig abgeschnitten von der größeren Öffentlichkeit in einem ostfriesischen Garten entdeckte, ist rein topologisch gesehen ein Knoten, so wie er beispielsweise von Maurits Cornelis Escher in mehreren 2D-Versionen geschaffen wurde. Knüpft man nämlich einen einfachen Knoten in ein normales Band und vereinigt die beiden losen Enden miteinander, so kommt man zu einem solchen Gebilde. Natürlich sieht es dann nicht so gut aus, weil es völlig schlaff und unaufgerichtet daherkommt, aber es zeigt uns im Vergleich zum Kunstwerk auf dem Foto, dass die Grundidee oft ganz einfach und alltäglich ist. Sicherlich war dies dem Künstler bewusst.

Gezielte Landung

Die Libelle landet auf einer Zeitschrift neben einem blauen Auge, verweilt dort einige Zeit – jedenfalls solange, dass ich sie fotografieren kann – und macht sich brummend mit einer Ehrenrunde wieder vom Acker.

Natürliche und naturschöne Wohnhöhlen

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Noch einmal Kristalle…

Wer gedacht hätte, dass die Eiskristalle erst einmal vorbei sind, sieht sich zumindest in unserer Gegend eines Besseren belehrt. Die jungen Blätter sind mit feinen Eiskristallen besetzt und vermitteln alles andere als ein Gefühl des Frühlings. Allerdings muss ich zugeben, dass zumindest die grünen Pflanzen, die einige Grad unter Null vertragen können, auf eine ästhetisch ansprechende Weise veredelt erscheinen. Einige andere Pflanzen ließen ihre Blätter traurig hängen und wie es den Obstblüten ergangen ist, wird sich spätestens bei Bildung der Früchte zeigen.

Der Reif besteht aus vielen kleinen Eiskristallen. Sie bilden sich, wenn die Temperatur sinkt und die maximale Luftfeuchte die absolute unterschreitet. Dabei kondensiert der überschüssige Wasserdampf zu Tautropfen, die bei weiterer Temperaturabnahme des Blattes kristallisieren. Dieses Phänomen hat mit der Tatsache zu tun, dass kleine Körper an einer kalten Umgebung schneller auskühlen als größere.
Der Grund: Kleine Körper haben eine im Vergleich zu ihrem Volumen größere Oberfläche als größere. Die Oberfläche ist aber maßgeblich für die Abgabe von Wärme an die kältere Umgebung. Das kann man sich folgendermaßen klarmachen: die Oberfläche eines Körpers nimmt grob gesagt mit dem Quadrat seiner Größe (Länge, Radius…) das Volumen aber mit der dritten Potenz zu. Und wenn nun der Körper beispielsweise um den Faktor 10 verkleinert wird, so verkleinert sich die Oberfläche um den Faktor 100 und das Volumen sogar um den Faktor 1000. Das Volumen und damit die zum Volumen proportionale innere Energie des Körpers nehmen also um den Faktor 10 stärker ab als die Oberfläche. Daher kühlt der kleinere Körper etwa 10-mal schneller ab als der größere. Diese für den Wärmeverlust wichtige Oberflächen-Volumen-Relation spielt bei der Abkühlung der Blätter eine wichtige Rolle. Die vom Blatt abstehenden winzigen Zacken und Härchen sind besonders klein und geben daher ihre Energie sehr schnell durch Wärmstrahlung ab, sodass vornehmlich an diesen Stellen der Wasserdampf der Luft kondensiert und schließlich kristallisiert.

Brechungsmuster von Trinkgläsern

Einige Gläser, die hier auf ihre Füllung warten erfreuen uns derweil mit eindrucksvollen Lichtmustern, die durch die Brechung des von oben einfallenden Lichts beim Durchgang durch die Gläser hervorgerufen werden. Diese Brechungsmuster bestehen aus hellen und dunklen Bereichen, die durch die Form der Gläser gestaltet werden. Dabei heißt hell heller als die Projektionsfläche (eine weiße Tischdecke) und dunkel dunkler als die Projektionsfläche.
Beim Durchgang des Lichts durch die Gläser wird es gebrochen, also aus seiner Richtung abgelenkt und zwar so, dass es beim Übergang von Luft in Glas zum Einfallslot hin und beim Übergang vom Glas zur Luft vom Einfallslot weg aus seiner Richtung abgelenkt wird. Aufgrund der Strukturen der Sektgläser führt das dazu, dass an einigen Stellen mehr und an anderen Stellen weniger Licht landet als es ohne die Gläser der Fall wäre. Die durch das Licht transportierte Energie, die vor allem in seiner Helligkeit zum Ausdruck kommt, ist erhalten, kann also weder erzeugt noch vernichtet werden. Daher kann man anschaulich gesprochen davon ausgehen, dass die helleren Stellen zwangsläufig anderswo dunklere Stellen zur Folge haben.
Im Licht stehende Trinkgläser sind also in der Lage, ihre Schönheit in Form von ästhetisch ansprechenden Brechungsmustern außerhalb ihrer selbst zum Ausdruck zu brinden und auf diese Weise zu steigern.

Vielleicht fällt der einen oder dem anderen auch noch auf, dass die konzentrischen Lichtringe unterhalb der Projektionsfläche der Tischdecke zu liegen scheinen, obwohl von einer Spiegelung keine Rede sein kann – eine schöne optische Illusion.

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