Um zu begreifen, dass der Himmel überall blau ist,
braucht man nicht um die Welt zu reisen.
Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)
Die Ausbeute an Phänomenen war in dieser kurzen aber heftigen Schneeperiode, wie wir sie hier seit Jahrzehnten nicht hatten derart groß, dass ich auch in dieser Tauphase noch einiges nachtragen möchte. Weiterlesen
Hier sind sie noch einmal versammelt: die Früchte, die Blätter, das Sonnenlicht und die durch sie verkörperte Erinnerung an den vergangenen Sommer. Es sieht so aus, als seien sie überein gekommen, eine letzte Schönheit in den bevorstehenden Untergang und das anschließende Verfaulen der Blätter und Früchte auf dem Boden des Gewässers zu legen.
Auch die schemenhaft gespiegelte Sonne symbolisiert eine Art Niedergang in winterliche Niederungen. Jedenfalls steigt sie bis zur Wintersonnenwende noch eine Etage tiefer und wird immer mehr zu einer bloßen Verheißung ihrer selbst. Und das alles, weil sich die Erde dank der Neigung ihrer Achse zur Ekliptik mit ihrer Nordhalbkugel ein Stück weit von der Sonne abwendet. Ihre wärmenden und erhellenden Strahlen fallen nur noch ziemlich flach ein, sodass sie einen wesentlich längeren Weg durch die Atmosphäre zurücklegen müssen. Und weil dieser Weg auch noch durch die dichten, tieferen Atmosphärenschichten führt sind die Einbußen an Lichtenergie vor allem durch Streuprozesse besonders groß.
In der letzten Zeit habe ich mehrere Anfragen zu Phänomen erhalten, die sich als „Leuchtende Nachtwolken“ erwiesen. (In Anlehnung an die englischsprachige Bezeichnung NoctiLucend Clouds, NLC, spricht man inzwischen auch von NachtLeuchtenden Wolken). Die Jahreszeit in der in unseren Breiten NLCs beobachtet werden können, neigt sich dem Ende zu. Das möchte ich zum Anlass nehmen, auch in diesem Blog noch einmal kurz auf das offenbar nicht sehr bekannte Phänomen einzugehen. Zahlreiche eindrucksvolle Fotos und Beschreibungen findet man im Blog Fichtelberg im Erzgebirge und Umgebung von Claudia Hinz. Weiterlesen
Das Wasser riecht so angenehm unter den Landungsstegen wie die frische Haut von Fischen. Wenn das Dampfschiff anlegt, erbeben alle Pfosten, und der Landungssteg nimmt seine ganze Kraft zusammen, den Stoß auszuhalten. Die Maschine des Dampfschiffes mit den roten Schaufelrädern kämpft einen hartnäckigen Kampf mit dem in renitenter Kraft verharrenden Landungsstege. Er gibt nicht nach, wehrt sich nur, soweit es unbedingt nötig ist, nach außen hin und erzittert vor innerem Widerstande.
Peter Altenberg (1859 – 1919). Der Landungssteg
Wenn die Sonne auf einer glatten Wasseroberfläche gespiegelt wird, sieht es so aus, als würde eine Spiegelsonne aus den Tiefen des Sees heraus leuchten. Dabei ist sie im virtuellen Raum unter der Wasseroberfläche genauso weit unter wie die reale Sonne über der Wasseroberfläche. Dass man das meist nicht so zu sehen vermeint, liegt daran, dass unser Verstand scheinbar korrigierend eingreift.
Eine ähnliche Situation liegt vor, wenn wir aus großer Höhe, zum Beispiel von einem Berg oder einem Flugzeug aus die Sonne auf flachen, in der Luft driftenden Eisplättchen gespiegelt sehen, die wir selbst gar nicht wahrnehmen. Nimmt man den Horizont als Orientierungslinie hinzu, so kann man feststellen, dass diese sogenannte Untersonne, genauso weit darunter wie die reale Sonne darüber liegt (siehe unteres Foto). Dabei sind natürlich keine absoluten Entfernungen gemeint, sondern die Winkelhöhe.
Diese Untersonne zählt zu den Haloerscheinungen, die durch Brechung und Spiegelung an Eisplättchen hervorgerufen werden. Die Lichtsäule über einer Laterne gehört ebenso dazu wie die Nebensonne. Während bei der Lichtsäule die Sonnenstrahlen an der Unterseite reflektiert werden, erfolgt die Reflexion bei der
Untersonne an der Oberseite der sinkenden Eisplättchen (siehe Skizze). Und weil die Eisplättchen während ihres lansamen Sinkens leicht um die Gleichgewichtslage schwanken, variiert der Reflexionswinkel ein wenig. Das macht sich visuell in einer in die Länge gezogenen Form bemerkbar.
Die Schwankungen der Plättchen haben einen ganz ähnlichen Effekt wie die statistisch verteilten Wellen auf dem Meer beim Zustandekommen des Schwerts der Sonne: Das reflektierte Sonnenlicht erreicht die Augen des Beobachters aus einem gewissen Winkelbereich.
Das letzte Kapitel, das ich geschrieben habe, hieß: Sonnenuntergänge. Wissen Sie, die Tatsache, daß die Tage enden, ist einfach genial. Ein geniales System. Erst Tage und dann Nächte. Und wieder Tage. Das hört sich banal an, hat aber etwas Geniales. Dort wo die Natur beschließt, sich selbst Grenzen zu setzen, entlädt sich eine Sensation. Sonnenuntergänge. Wochenlang habe ich sie erforscht. Es ist nicht so leicht, einen Sonnenuntergang zu erfassen. Er hat seine Zeiten, seine Ausmaße, seine Farben. Und da nicht ein Sonnenuntergang – nicht ein einziger, sage ich – dem anderen gleich ist, muß man als Wissenschaftler die jeweiligen Besonderheiten zu unterscheiden wissen und das Wesentliche herausarbeiten bis man in der Lage ist zu sagen, dieses ist ein Sonnenuntergang, der Sonnenuntergang schlechthin. Langweile ich Sie?“*
Die Farben eines Sonnenuntergangs sind die Kehrseite des Himmelsblaus. Da das Licht der Sonne beim Untergang einen sehr langen Weg durch die untersten und daher dichtesten Schichten der Atmosphäre zurücklegen muss, wird sehr viel Licht, vorwiegend kurzwelliges (violetes und blaues) Licht gestreut (Rayleighstreuung). Es bleibt also vorwiegend langwelliges (gelbes und rotes) Licht übrig.
*Alessandro Baricco. Oceano Mare – Das Märchen vom Wesen des Meeres. München 2001.
Ein vertrauter Blick auf den Mond vor dem Hintergrund des dunkler werdenden Abendhimmels. Habt ihr euch schon mal vorgestellt, wie es umgekehrt aussehen würde? Wie sieht der Himmel des Mondes aus?
Von der Erde aus sieht man den Himmel durch die Atmosphäre hindurch, die zu zahlreichen optischen Phänomenen (z.B. Dämmerung, Farbwechsel, Lichtsläule, Nebensonne, Wolken, funkelnde Sterne u.ä.) führt, die es auf dem Mond nicht gibt, da er über keine Atmosphäre verfügt. Auf der Erde kommt wegen Streuungen des Sonnenlichts an Teilchen in der Atmosphäre aus allen Himmelsrichtungen Licht: der Himmel erscheint hell, indirekt beleuchtet im vertrauten Himmelsblau. Weiterlesen
So hantierten wir im Stickstoff mit anaeroben Gebärden (eben machte Einer aus Armen ein schönes langes Beteuerungszeichen), wir, am Grunde unseres Luftteiches, und die Bäume schwankten wasserpflanzen. Mein linker Schuh betrachte mich kühl aus seinen Lochreihen.
Arno Schmidt (1914 – 1979): Das Steinerne Herz 1990. Weiterlesen
Hier lieg‘ ich auf dem Frühlingshügel:
Die Wolke wird mein Flügel,
Ein Vogel fliegt mir voraus.
Ach, sag‘ mir, alleinzige Liebe,
Wo d u bleibst, dass ich bei dir bliebe!
Doch du und die Lüfte, ihr habt kein Haus. Weiterlesen
Vielleicht ist es der einen oder dem anderen schon einmal aufgefallen, dass unser Tagesgestirn bei Annäherung an den Horizont außer Form gerät. Ich meine noch nicht einmal die durch Luftspiegelung bedingten Verzerrungen, sondern den schlichten Übergang von einer perfekten Kreisscheibe zu einer ellipsenförmigen Abflachung. Man sieht es oft erst dann, wenn man darauf aufmerksam gemacht wird oder – wie ich es hier ganz drastisch vorführe – dasselbe Sonnenbild um 90° gedreht daneben stellt. Weiterlesen
Ein Sonnenaufgang ist schon lange nicht mehr das, was er sprachlich vorgibt zu sein. Da geht nichts auf, was vorher zu war. Da entsteht nichts, was später wieder verschwindet. Sowohl im geozentrischen als auch im heliozentrischen Weltbild entsteht dieser Eindruck dadurch, dass sich die Erde und die Sonne relativ zueinander bewegen. Wir gehen neuzeitlich-kopernikanisch davon aus, dass die Erde sich um die Sonne dreht und nicht umgekehrt, weil ansonsten beispielsweise die Sterne – je weiter desto schneller – kollektiv um die Erde rotieren müssten und das für entfernte Sterne auch noch mit Überlichtgeschwindigkeit. Trotzdem bleibt es beim Sonnenauf- und -untergang. Weiterlesen
Schlichting, H. Joachim. In: Spektrum der Wissenschaft 5 (2009), S. 33
Damit sich Licht- und Schattenstraßen über das abendliche Firmament erstrecken, bedarf es tief liegender Wolken und vieler Wassertröpfchen als »Leinwand«
Ohne den Staub, worin er aufleuchtet,
wäre der Sonnenstrahl nicht sichtbar.
André Gide (1869 – 1951)
Schlichting, H. Joachim. In: Physik in unserer Zeit 40/2 (2009) 106
Verwackelte Fotografien bringen oft eine ungeahnte Ästhetik hervor.Dass sie aber auch mehr Informationen bieten können, als eine „scharfe“ Abbildung, ist weniger bekannt.
Schlichting, H. Joachim. In: physica didactica 16/4, 47 (1989).
Das komplexe Geschehen in der natürlichen Umwelt läßt sich mit Hilfe von Kreisläufen strukturieren. Die Kreisläufe werden letztlich dadurch in Gang gehalten, daß ein kleiner Teil des Sonnenlichts einen „Umweg“ über die Erde macht, bevor es in der kosmischen Müllkippe der Hintergrundstrahlung landet.