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Benetzung

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Wasserabweisend

Wasserabweisende Pflanzen verdanken diese ihre Fähigkeit in vielen Fällen ihrer Mikrostruktur. Das Blatt der Lotospflanze besitzt trotz ihrer äußerlich glatten Erscheinung feine Papillen, auf denen die Wassertropfen aufsitzen und damit im Vergleich zur geometrischen Oberfläche nur äußerst kleine Berührfläche besitzen. Man spricht auch vom Cassie-Baxter-Zustand. Daher gleiten die Tropfen leicht von der Blattoberfläche ab, die sich damit als hydrophob erweist. Auch Pflanzen mit kleinen Härchen auf den Blättern zeigen oft ein ähnliches Verhalten.
Sollte eine CD mit ihrer feinen Rillenstruktur nicht aus ähnlichen Gründen wasserabweisend sein? Ich habe zur Überprüfung dieser These einige Tropfen auf die CD gegeben und siehe da, die Tropfen breiteten sich nicht aus: Die CD ist also wasserabweisend, wenngleich in einem wesentlich geringeren Maße wie ein Lotosblatt.
Ein schöner Nebeneffekt: Einige Interferenzfarben, die bei normaler Betrachtung nicht zu sehen sind, werden durch Brechung des Lichts in den Tropfen in unsere Augen gelenkt und lassen sie bunt erscheinen.

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Mit der Nadel zur Hydrophilie gezwungen

Cassey-Baxter-Zustand (oben) und Wenzel-Zustand (unten).

Hier ruhen einige Wassertropfen auf der Oberfläche eines Schilfblatts. Bis auf den in die Länge gezogenen Tropfen im Vordergrund haben alle Tropfen nahezu Kugelform angenommen, was darauf schließen lässt, dass das Blatt weitgehend wasserabweisend (hydrophob) ist. Das liegt daran, dass die Tropfen die eigentliche Blattoberfläche gar nicht berühren, sondern gewissermaßen auf feinen, kaum sichtbaren Härchen sitzen und daher nur ganz geringen Kontakt mir dem Blatt haben (siehe nebenstehende Grafik oben).
Die Physiker sprechen vom Cassey-Baxter-Zustand und Unterschied zum Wenzel-Zustand (siehe nebenstehende Grafik). Im letzteren Fall ist der Tropfen gewissermaßen durchgesackt und hat nun die volle Berührung mit der an sich hydrophilen Blattoberfläche.
Ausgehend von der Idee, einen Tropfen vom Cassey-Baxter- in den Wenzel-Zustand zu überführen, habe ich den Tropfen im Vordergrund im obigen Foto mit einer kleinen Nadel etwas auf das Blatt gedrückt und siehe da: Der Tropfen berührt an dieser Stelle die Blattoberfläche und erfahrt die eigentliche Wasserliebe (Hydrophilie) des Blatts. Aber nur an dieser Stelle, wie man an der Verformung sehen kann. Der an sich Kugelform anstrebende Tropfen ist in diesem Fall zwiegespalten. Mit dem rechten Teil bleibt er auf den Härchen hocken während er mit dem linken Teil gewissermaßen von der hydrphilen Blattoberfläche angezogen wird und den Tropfen auf diese Weise in eine Form bringt, die das Blatt links als anziehend und rechts als abstoßend erfährt – im doppelten Wortsinn.

Ein rollender Wassertropfen

Lässt man einen kleinen Wassertropfen aus geringer Höhe auf die Tischplatte oder andere Unterlagen fallen, so wird man in den meisten Fällen feststellen, dass der Tropfen vor lauter Liebe nur so dahinschmilzt. Jedenfalls läuft er ein wenig auseinander, wenn die Unterlagen hydrophil, also wasserliebend sind. Da die Natur dazu tendiert, soviel Oberflächenenergie wie unter den gegebenen Bedingungen möglich ist, an die Umgebung abzugeben, wird jeder Tropfen versuchen, eine möglichst kleine Oberfläche annehmen, also kugelförmig zu werden. Dagegen sprechen oft die aktuellen Gegebenheiten. So kann bei einer hydrophilen Unterlage noch mehr Energie abgegeben werden, wenn der Tropfen sich ein stückweit ausbreitet und eine möglichst große Grenzfläche mit der Unterlage einnimmt.
Im vorliegenden Fall hatte ich mit Bärlappsporen experimentiert und beim Reinigen der blanken Tischoberfläche fiel mir ein Tropfen in die dort verteilten Sporen hinein. Statt nach dem Auftreffen auseinander zu laufen rollte der Tropfen – nahezu kugelförmig geworden – über die Fläche und bedeckte sich mit Sporen. Denn auch diese waren hydrophil. Sie isolierten den Tropfen blitzschnell von der Unterlage, sodass in diesem Fall zur Energieminimierung die Möglichkeit bestand, die Kugelgestalt anzunehmen (siehe Foto). Wenigstens nahezu, denn die Schwerkraft drückt den Tropfen ein wenig in die Breite. Da der Tropfen ziemlich klein ist (Durchmesser etwa 5 mm), sieht man davon aber nicht viel. Doch kaum war die schöne Kugelzur Ruhe gekommen, da fiel sie auch schon auseinander. Denn die Wasserliebe der Bärlappsporen war so groß, dass diese schließlich durchnässt wurden, in den Tropfen eindrangen und der Tropfen Kontakt mit der hydrophilen Unterlage herstellte.
Manch einer wird jetzt denken: So ein kleiner Tropfen und so viele Worte…

Bestäubte Regentropfen

H. Joachim Schlichting. Spektrum der Wissenschaft 5 (2022), S. 77-78

Es regnete so stark, daß alle Schweine rein
und alle Menschen dreckig wurden

Georg Christoph Lichtenberg (1742–1799)

Auf Pflanzenblättern sammeln sich Pollen und anderer feiner Staub. Ein Regenschauer wirkt reinigend und hinterlässt manchmal Tropfen, die einiges über die physikalischen Vorgänge bei der Schmutzbeseitigung verraten.

Manche Pflanzen verteilen ihre Pollen so verschwenderisch, dass andere in ihrer Nachbarschaft regelrecht mit einer Schicht aus Blütenstaub eingedeckt werden. Das kann die betroffenen Blätter in ihrer Photosynthese einschränken. Zum Glück sorgen ab und zu Regenschauer wieder für klare Verhältnisse. An Wassertropfen, die an den Blättern hängenbleiben, kann man nachvollziehen, wie die Reinigungsvorgänge physikalisch ablaufen.

Das zeigt sich zum Beispiel an Maiglöckchen (siehe »Maiglöckchenblatt«). Nach einem heftigen Regenschauer sind bei anschließendem Sonnenschein auf waagerecht ausgerichteten, leicht konkaven Blättern einige liegen gebliebene Wassertropfen zu sehen. An dem größten von ihnen lassen sich die wesentlichen Aspekte des Reinigungsvorgangs rekonstruieren. Neben einer kleinen Spiegelung der Sonne fällt ein größerer heller Fleck auf der höchsten Stelle des Tropfens auf. Wie man an seinem Schatten auf dem Blatt erkennen kann, hat er einen materiellen Ursprung: eine nahezu kreisförmige Ansammlung von Pollenkörnern, die der Regen beim Gleiten über das ehemals bestaubte Blatt eingesammelt hat.

Wenn Regentropfen auf Bäumen oder anderen Pflanzen landen, hängt ihr Schicksal vor allem von der Beschaffenheit der Blattoberfläche ab. Bei wasserliebenden (hydrophilen) Flächen ist für eine gemeinsame Grenzfläche zwischen Wasser und Blatt weniger Energie nötig als zwischen Wasser und Luft. Die Tropfen breiten sich also möglichst ausladend auf dem Blatt aus. Bei wasserabweisenden (hydrophoben) Flächen muss hingegen verhältnismäßig viel Energie aufgebracht werden, und die gemeinsame Grenzfläche zwischen Blatt und Wasser bleibt daher vergleichsweise klein.

Ein Maß für die Benetzbarkeit ist der so genannte Kontaktwinkel, der sich zwischen Festkörper und Flüssigkeit einstellt. Von Hydrophobie spricht man, wenn er größer ist als 90 Grad. Das ist bei den Maiglöckchen offenbar der Fall. Insbesondere die kleinen Tropfen erscheinen fast kugelförmig. Bei ihnen macht sich der Einfluss der Schwerkraft weniger stark bemerkbar als bei den deutlich abgeflachten voluminöseren Exemplaren.

Sobald Regentropfen auf dem Maiglöckchenblatt landen, nehmen sie die Pollen auf, mit denen sie in Kontakt geraten. Die Pollen sind hydrophil und bleiben deswegen am Wasser haften. Interessanterweise versammeln sie sich entgegen der Schwerkraft an der höchsten Stelle der Tropfen und ordnen sich nahezu kreisförmig an.

Die Vorgänge lassen sich auf einfache Weise in einem Freihandexperiment nachvollziehen. Dazu füllt man ein Trinkglas vorsichtig so voll mit Wasser, dass es sich über den Rand hinaus aufwölbt – die Oberflächenspannung und die Hydrophilie des Glases verhindert ein Überlaufen. Die höchste Stelle des konvexen Wasserspiegels liegt dann in der Mitte. Gibt man nun einige Styroporkügelchen auf die Oberfläche, driften sie sofort dorthin und ziehen sich gegenseitig an (siehe mittleres Foto). Sie tendieren dazu, gemeinsam eine hexagonale Form mit minimalem Umfang anzunehmen. Bei einer größeren Anzahl kleiner Teilchen wie den Pollen erscheint das als Kreis.

Durch die Benetzung der Kügelchen werden diese ein wenig tiefer ins Wasser gezogen, als es ihrem Gewicht entspricht. Ähnlich wie bei einem im Schwimmbad herabgedrückten Ball provoziert das eine zusätzliche Auftriebskraft. Bei der erstbesten Gelegenheit nehmen die Teilchen daher die jeweils höchste Stelle ein. Deswegen wandern die Pollen am Tropfen und die Styroporkügelchen die gewölbte Wasseroberfläche im Trinkglas empor. Die gegenseitige Anziehung erfolgt aus demselben Grund. Sobald ein Teilchen in die Reichweite des konkaven Meniskus eines anderen kommt, steigen sie jeweils darin auf, bis nur noch eine schmale Wasserlamelle zwischen beiden besteht.

Der reinigende Effekt durch Staubpartikel einsammelnde Tropfen ist am stärksten bei hydrophoben Blättern ausgeprägt, also solchen, die von Wasser nur wenig benetzt werden. Da die Lotuspflanze das Phänomen besonders eindrucksvoll zeigt, spricht man auch vom Lotuseffekt. Er hat seine Ursache in einer besonderen mikroskopischen Struktur und wird häufig als Paradebeispiel für die Bionik genannt, bei der es darum geht, natürliche Phänomene technisch zu adaptieren. So reinigen sich speziell beschichtete Oberflächen bei einem Regenguss selbst.

Aber selbst bei hydrophilen Pflanzenblättern kann es bei größeren Schmutzansammlungen zu einer Art Hydrophobisierung kommen. Indem die aufprallenden Tropfen sich mit einer Staubschicht umgeben, haben die Blätter weniger direkten Kontakt zum Wasser, und die Hydrophilie nimmt ab. Den Effekt kann man ebenfalls durch ein einfaches Experiment nachvollziehen. Träufelt man etwas Wasser auf Bärlappsporen, so werden die Tropfen mehr oder weniger vollständig damit überzogen, während sie über das Puder kullern (siehe unteres Foto). Jetzt erfolgt der Kontakt mit dem Untergrund nur noch über die Staubhülle, und so werden die ummantelten Tropfen praktisch hydrophob. Sie rollen bei der kleinsten Neigung vom Blatt hinab und hinterlassen schließlich eine mehr oder weniger gesäuberte Unterlage.

Große und kleine Tropfen

Wenn die Tür von der geheizten Wohnung zum Wintergarten geöffnet wird, beschlagen die Fenster und die gläserne Decke. Die Ursache dafür ist, dass die maximale Wasserdampfkonzentration in der Luft mit der Temperatur abnimmt: Sobald der warme Wasserdampf aus dem geheizten Zimmer in die Nähe der kalten Fenster gerät, wird ihr Wert kleiner als der der tatsächlich vorhandenen (absoluten) Wasserdampfkonzentration. Der überschüssige Wasserdampf muss sich verflüssigen. Das passiert vornehmlich an den Scheiben, denn sie sind am kältesten und haben aufgrund ihrer Verschmutzung reichlich Keime. Diese begünstigen die Kondensation und führen zu Minitropfen, an denen weitere Wasserdampfmoleküle andocken. Wenn die Tröpfchendichte in bestimmten Bereichen so stark zunimmt, dass die Tröpfchen sich schließlich berühren, entstehen dort größere Tropfen, die schließlich herunterfließen.
Aber so weit ist es in der auf dem Foto festgehaltenen Situation noch nicht. Die Tropfen sind allerdings schon so groß, dass sie Teile der äußeren Umgebung sichtbar abbilden. Allerdings sind diese Tröpchenlinsen nicht besonder gut. Wegen der Verschmutzung der Scheibe schwankt die Benetzung von Ort zu Ort so stark, dass keine kreisförmigen Tropfenlinsen entstanden sind, wie man sie oft auf einer frisch geputzten Scheibe beobachten kann. Vielmehr sind sie hier unregelmäßig berandet und führen zu stark verzerrten Abbildungen. Aber wie die dadurch entstehenden interessanten und naturschönen Muster zeigen, muss das kein Nachteil sein, denn einen praktischen Nutzen haben die „perfekten“ Linsen auch nicht.

Schnee ist leicht aber anhänglich

Eine Bank neigt sich unter der Belastung des Schnees zur Seite. Das ist natürlich eine Ausrede. In Wirklichkeit waren einige kompakte Männer die Ursache, die sich am Vatertag hier niedergelassen hatten. Denn der Schnee wiegt nicht viel, weil es einen mehr oder weniger großen Teil Luft enthält.

SchneeartDichte [kg/m3]
trockener Pulverschnee30–50
normaler Neuschnee50–100
feuchter Neuschnee100–200
trockener Altschnee200–400
feuchter Altschnee300–500
Firn500–800
Dichte verschiedener Schneearten

Wie die Tabelle zeigt ist selbst der kompakteste Schnee noch wesentlich leichter (geringere Dichte) als flüssiges Wasser. Andererseits weiß man, dass Gebäude mit großem Flachdach und selbst Bäume bei starkem Schneefall gefährdet sind unter der Schneelast zusammenzubrechen. Als Wasser wären diese Massen kein Problem. Denn während dieses sofort die tiefste Stelle aufsucht und abfließt, kann Schnee je nach Beschaffenheit zusammenbacken und sich hoch auftürmen. Nicht nur horizontale Flächen sind davon betroffen, auch an vertikalen Strukturen, Stromleitungen u.Ä. können erstaunlich große Schneemassen anhaften.

Rätselfoto des Monats Dezember 2021

Wie kommt es zu dieser geraden Begrenzung der Reifschicht?


Erklärung des Rätselfotos des Monats November 2021

Frage: Warum krümmt sich der Strahl?

Antwort: Das ist eine alte Frage und hat zu zahlreichen Erklärungen geführt. Neueren Untersuchungen zufolge spielt die Benetzbarkeit (Hydrophilie) des Tüllenmaterials, die bei üblichen Teekannen verhältnismäßig groß ist, die entscheidende Rolle bei der Krümmung der Flüssigkeitsströmung. Die Stärke der Benetzbarkeit kann durch den sich zwischen Tülle und Flüssigkeit einstellenden sogenannten Kontaktwinkel charakterisiert werden. Ein kleiner Kontaktwinkel weist auf eine starke Anziehung (Adhäsionskraft) hin. Wenn die Flüssigkeit über die nach unten gekrümmte Tülle strömt, tendiert sie einerseits aufgrund der Trägheitskraft dazu, ihre Richtung beizubehalten. Andererseits wird sie aufgrund der Adhäsionskraft von der Tülle „festgehalten“ und folgt ihrer Krümmung. Da die Trägheitskraft mit der Strömungsgeschwindigkeit zunimmt, überwiegen die Adhäsionskraft und damit die Krümmung umso mehr, je langsamer die Flüssigkeit strömt. Beim vorsichtigen Einschenken des Tees wird dieser also auch gegen die Schwerkraft zur Kanne hin gekrümmt. Erreicht der Strom dabei den ebenfalls hydrophilen Kannenhals, wird der Strahl durch diesen angezogen und bildet den im Foto zu sehenden gekrümmten Strahl aus.
Die beste Möglichkeit zur Vermeidung des Teekanneneffekts besteht demnach darin, die Teekannentülle aus Material mit einer geringen Benetzbarkeit (hydrophob) zu fertigen, was durch entsprechende Beschichtungen erreicht werden könnte.

Noch sind viele Blätter grün

Dieses vermutlich vorzeitig gefallene auf dem Boden liegende grüne Blatt hat ein zwiespältiges Verhältnis zum Wasser. Einerseits lässt es sich vom Wasser nicht flächendeckend benetzen, ist also nicht total wasserliebend (hydrophil). Andererseits stößt es das Wasser nicht völlig ab und erlaubt einzelnen Tropfen und Tröpfchen die Blattoberfläche zu bedeckten. Lediglich in den grabenartig vertieften Bereichen der Blattadern werden größere Benetzungsgebiete dadurch erzwungen, dass die Tröpfchen infolge der Schwerkraft die Vertiefung ausfüllen.
Während die größeren Wasserflächen das Grün des Blattes kräftig hervortreten lässt, wird es in den übrigen von Tropfen bedeckten Bereichen erheblich ausgeblichen. Denn insbesondere die kleineren Tröpfchen streuen ähnlich wie Nebeltröpfchen das auftreffende Licht und „verwässern“ das Blattgrün. Dadurch und durch die selbstähnliche Struktur der unterschiedlich großen Tropfen ergibt sich insgesamt eine naturschöne Struktur, die wert ist auch einem gefallenen Blatt eines Blickes zu würdigen.

Rätselfoto des Monats August 2021

Wodurch und warum wird die spiegelnde Reflexion auf Teilen des Wassers verhindert?



Erklärung des Rätselfotos des Monats Juli 2021

Frage: Was hält die Burg zusammen?

Antwort: In trockenem Zustand rinnt Sand durch unsere Finger. Kaum gerät Sand jedoch mit Wasser in Berührung, fließt er nicht mehr und lässt sich in nahezu beliebige feste Gestalt bringen. Wenn sich trockener, also von Luft umgebener Sand mit Wasser verbindet, wird dabei verhältnismäßig viel Grenzflächenenergie an die Umgebung abgegeben. Und da die Natur bestrebt ist, soviel Energie wie unter den gegebenen Bedingungen möglich ist, an die Umgebung abzugeben, werden so viel Sand wie möglich mit Wasser benetzt und dabei so viele Sandkörner wie möglich miteinander verbunden. Wollte man die Körner wieder voneinander trennen und damit die energiereicheren Grenzflächen zwischen Luft und Sand wieder herstellen, müsste man die bei der Benetzung abgegebene Energie wieder zurück in das System stecken. Die dazu nötige Kraft ist Ausdruck der Steifigkeit und Festigkeit des nassen Sands. Durch die z.B. von der Sonne geförderte Verdunstung des Wassers wird der Sand allmählich wieder trocken und die Burg zerfällt.

Rätselfoto des Monats Juli 2021

Was hält die Burg zusammen?


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Ketchup Is Not Just a Condiment: It Is Also a Non-Newtonian Fluid

Stories by H. Joachim Schlichting

People [experience] the fluid element to be …
not yet solidified but remaining open to outside influences
.
Theodor Schwenk (1910 – 1986)

Everybody’s favorite red sauce may be thin or thick, depending on how it is handled

Ketchup is famous for being hard to get out of the bottle even when there is plenty of it left. In fact, all liquid foods—from red wine to cooking oil—leave some residue in the container. The reason has to do with the wettability of the container and the viscosity of the substance. Usually the residue is just a thin layer, but ketchup clings in thick layers to the inside of the bottle. If the bottle is still nearly full, merely tilting it or even turning it upside down will only dislodge a little sauce from the neck. Once the ketchup is on your plate, however, it disperses and spreads easily.

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Weinender Wein

H. Joachim Schlichting. Spektrum der Wissenschaft 4 (2021), S. 68 – 69

Wie oft ein Glas Wein ein System erzeugt

Georg Christoph Lichtenberg (1742–1799)

Schwenkt man ein alkoholisches Getränk im Glas, rinnen an dessen Innenwand Tropfen herab. Sie entstehen, weil verdunstender Alkohol einen dünnen Film aus der Flüssigkeit in Form einer instabilen Stoßfront hochsaugt.

Weintrinker schwenken ihr Glas, um die Aromen besser zur Geltung zu bringen. Dabei bilden sich an der Innenseite Tropfen, die in das Getränk zurückfließen. Das Phänomen ist vielen Genießern vertraut und erlaubt gewisse Rückschlüsse auf die Konzentrationen der enthaltenen Stoffe – beispielsweise ist es besonders bei hochprozentigen Vertretern gut zu beobachten. Da die entstehenden Figuren ein wenig an Kirchenfenster erinnern, werden sie zuweilen auch so genannt.
Dass Wein auf diese Weise gewissermaßen Tränen vergießt, ist seit langem bekannt. Der englische Physiker Charles Vernon Boys (1855–1944) ging in seinem früher sehr populären Buch über Seifenblasen sogar davon aus, die Erscheinung würde bereits »in den Sprüchen Salomons Kapitel 23, Vers 31 erwähnt: Siehe den Wein nicht an, wenn er rot ist, wenn er seine Farbe dem Glase gibt, und wenn er von selbst aufwärts steigt.« (In der deutschen Bibelübersetzung Luthers lautet die Stelle etwas anders.)
Die erste physikalische Erklärung lieferte James Thomson (1822–1892) Mitte des 19. Jahrhunderts, doch die Details des Alltagsphänomens beschäftigen die Wissenschaft bis heute. Im März 2020 hat eine Forschergruppe um die Mathematikerin Andrea Bertozzi von der University of California in Los Angeles eine Arbeit dazu publiziert. Die Untersuchung bezieht die Geometrie des Glases ein und soll eine vollständige quantitative Beschreibung der Tränen liefern. Das Phänomen wirkt auf den ersten Blick einfacher, als es tatsächlich ist. Zum Verständnis ist es nötig, das Wechselspiel vielfältiger physikalische Aspekte zu entwirren.
Zunächst kommt die Tendenz gewisser Flüssigkeiten ins Spiel, Flächen zu benetzen. Schaut man sich ein Glas mit Wasser darin etwas genauer an, erkennt man, wie letzteres ein Stück weit an der Wand aufsteigt und einen typischen konkaven Meniskus hervorbringt. Das passiert, weil zur Ausbildung einer Grenzfläche zwischen zwei Substanzen Grenzflächenenergie nötig ist. Die Natur tendiert dazu, diese möglichst gering zu halten, und bei Wasser und Glas ist weniger Energie erforderlich als im Fall von Luft und Wasser.
Der Weg nach oben endet allerdings bald: Der Energiegewinn infolge des Anhaftens wird durch die potenzielle Energie, die das Medium nach unten zieht, mit zunehmender Höhe aufgewogen. Der Vorgang heißt auch Kapillareffekt. Wenn man nämlich das Glas auf ein Röhrchen mit winzigem Durchmesser verengt, reduziert das die anzuhebende Masse der Flüssigkeitssäule enorm, und das Wasser kann weiter steigen. In Bäumen spielt das eine wesentliche Rolle beim Transport von der Wurzel bis in die Blätter (siehe »Spektrum« Juli 2015, S. 50).
Wein und andere alkoholische Getränke bestehen vor allem aus Wasser und Alkohol sowie einigen für den Geschmack entscheidenden Stoffen. Beide Flüssigkeiten gehen zwar eine homogene Mischung ein, verhalten sich aber in physikalischer Hinsicht unterschiedlich. Alkohol verdunstet wesentlich bereitwilliger, hat also eher die Tendenz, in den gasförmigen Zustand überzugehen. Das ist unter anderem auf die größere Grenzflächenspannung des Wassers zurückzuführen, die der Verdunstung entgegenwirkt. Der Alkohol verfliegt daher früher – das wird bei der Destillation zum Abtrennen des »Weingeistes« ausgenutzt. Der Prozess läuft in der dünnen Schicht an der Glaswand besonders stürmisch ab. Dort ist die Grenzfläche zwischen Luft und Wein im Verhältnis zum Volumen sehr groß, und der Anteil des Wassers nimmt rasch zu. Dessen Anreicherung wiederum steigert die Grenzflächenspannung im Flüssigkeitsfilm.
Zur Verdunstung ist Energie nötig, die der Umgebung entzogen wird, also vor allem dem Wein selbst. Damit ist eine verhältnismäßig starke Abkühlung verbunden. Einen lebhaften Eindruck von der Verdunstungskälte kann man sich verschaffen, indem man einen Tropfen Alkohol auf dem Handrücken verteilt und die Hand schwenkt oder anbläst (siehe »Spektrum« Januar 2012, S. 52). Die Grenzflächenspannung nimmt mit sinkender Temperatur zu, was zusätzlich zum Spannungsunterschied zwischen dem dünnen Film und dem übrigen Wein beiträgt.
Das führt zu Ausgleichsströmungen: In dem Maß, in dem vor allem der Alkohol verdunstet, wird Wein aus dem Glas nachgezogen. Der Effekt ist nach dem italienischen Physiker Carlo Marangoni (1840–1925) benannt, der ihn schon im 19. Jahrhundert eingehend studiert hat. Jedoch war bislang noch nicht geklärt, wie der Prozess im Einzelnen abläuft. Denn stiege die Flüssigkeit in einem Film von einheitlicher Dicke auf, wäre nicht einzusehen, wieso sie nicht einfach ähnlich gleichmäßig wieder zurückfließen sollte – statt es in Form von Tränen zu tun.
Bertozzi und ihre Kollegen haben nun mit einem mathematischen Modell und Experimenten eine Lösung des Problems gefunden. Sie gehen unter anderem davon aus, dass die Grenzflächenspannung mit der Höhe des Films gleichmäßig zunimmt. Dann bewegt sich die Flüssigkeit in einer ringförmigen Welle nach oben. Dabei handelt es sich – in wissenschaftlicher Terminologie – um eine »umgekehrte unterkompressive Stoßwelle«. Trotz der äußeren Ähnlichkeit mit einer normalen Stoßwelle lässt hier das anhaltende Ziehen infolge der Marangoni-Strömung das Gebilde instabil werden.
Innerhalb der Schicht rücken einzelne Fronten nach, die von der Grenze zum Weinmeniskus ausgehen. Sie laufen gegen die bereits an der Glaswand befindliche, mit Wasser angereichte Flüssigkeit an. Dann lassen kleinste Inhomogenitäten entlang der Welle diese an solchen Stellen zerreißen. Um die Grenzflächenenergie zu minimieren, ziehen sich die Bruchstücke sofort zu separaten Tropfen zusammen, die wie Tränen am Rand herabfließen. Das Szenario wiederholt sich, solange ausreichend Alkohol im Wein ist. Angetrieben werden diese Vorgänge letztlich durch die Tendenz von Flüssigkeiten, sich durch Verdunstung gleichmäßig im zur Verfügung stehenden Raum zu verteilen. Sofern wir sie nicht daran hindern, indem wir sie vorher konsumieren.

Quelle

Dukler, Y. et al.: Theory for undercompressive shocks in tears of wine, Physical Review Fluids 5, 2020

Originalversion: Weinender Wein

Von Federn und Raureifstacheln

Als ich am frühen Morgen auf dieses Gebilde stoße (Foto), glaube ich zunächst einen singulären Raureifkristall vor mir zu haben, obwohl alles andere dagegen spricht – die Temperatur, die raureiffreie Umgebung und die Wassertröpfchen, mit denen das Objekt bedeckt ist. Es ist nur eine Flaumfeder eines Vogels, an der sich in der kühlen Nacht Wasserdampf zu Tröpfchen kondensiert hat. Die spontane Verwechslung hat – wie ich mir schnell klarmache – folgende nicht von der Hand zu weisenden Bewandtnis: Die normalerweise dendritisch verzweigte Feder hat die Form von stachelförmigen Auswüchsen angenommen, die Raureifkristallen zum Verwechseln ähnlich sind und sie ist wie diese schneeweiß.
Den Grund dafür verraten die Tröpfchen auf der übrigen Feder. Da die filigrane Feder nur einige wenige Berührpunkte mit der Erde hat und selbst aufgrund ihrer geringen Masse nur eine geringe Wärmekapazität besitzt, führte die Abgabe von Energie durch Wärmestrahlung zu einer fast widerstandslosen Abkühlung. Demgegenüber hielten sich die Abkühlung des Bodens und andere Objekte mit einer großen Masse und Wärmekapazität in Grenzen. Daher unterschritt die Temperatur der Feder sehr schnell den Taupunkt, sodass die relative Luftfeuchte dort über 100% hinausging. Der  überschüssige Wasserdampf ließ sich in Form kleiner Tröpfchen an und zwischen den feinen Verästelungen der Feder nieder. Die Tröpfchen berührten sich schließlich und verschmolzen miteinander um gemeinsam eine kleinere Oberfläche auszubilden und die dadurch freigewordene Energie an die Umgebung abzugeben (Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik). Mit der Verschmelzung der kleinen Tropfen wurden aber auch die feinen Dendriten der Feder an denen sie hingen zu schlanken stachelartigen Gebilden zusammengezogen.

Altweibersommer

Die Spinnennetze und vagabundierenden Spinnfäden insbesondere der Baldachinspinne, die man zurzeit zu Gesicht und manchmal auch ins Gesicht bekommt, sind nicht zahlreicher, sondern auffälliger geworden. Im Herbst werden sie häufig infolge der für die Jahreszeit in unseren Breiten typischen kalten, feuchten Nächte mit feinen Wassertröpfchen überzogen. Weiterlesen

Tröpfelnde Herbsttage

Der Herbst macht sich auch dadurch bemerkbar, dass die morgendlichen Wiesen mit Tropfen bedeckt sind. Sie wurden gewissermaßen aus der Atmosphäre heraus gemolken. Dadurch dass es in der Nacht kühler und der Taupunkt unterschritten wurde, musste der überschüssige Wasserdampf an geeigneten Stellen in flüssiges Wasser übergehen. Der kondensierte Wasserdampf setzte sich in Form von wachsenden Tropfen beispielsweise an Grashalmen und Blättern, aber auch – wie im vorliegenden Fall – an Spinnengewebe ab.  Weiterlesen

Cappuccino mit Dämpfer

H. Joachim Schlichting. Spektrum der Wissenschaft 9 (2020), S. 66 – 67

das schäumte hoch;
dick & gelbbraun

Arno Schmidt (1914–1979)

Schaum hat einige typische Eigenschaften eines Festkör-pers. Darum wirkt er auf der Oberfläche einer Flüssigkeit fast wie ein Deckel – und kann bei starken Bewegungen sogar ihr Überschwappen verhindern. Weiterlesen

Kekse Tunken zum 2. Advent

Abbé Montret tauchte zwei Kekse auf einmal in sein Glas
und schnappte sie gierig auf, bevor sie sich in der Flüssigkeit auflösten  und im Glas verschwinden konnten.
Pascal Quignard*

Einen Keks in den Tee oder Kaffee zu tunken, entspricht nicht den allgemein akzeptierten Tischmanieren. Vielleicht nur deshalb, weil dabei leicht „Unfälle“ passieren können, bei denen die weiche und anhängliche Keksmaterie an Stellen geraten kann, wo sie nicht hingehört. Denn der eingetunkte und dadurch mehr oder weniger stark aufgeweichte Keks (wenn man denn überhaupt noch von „Keks“ sprechen kann) birgt die Gefahr entweder im Getränk zu versinken, was ein späteres Auslöffeln der Kekssuppe nach sich ziehen würde, oder auf dem Wege zum Mund unter dem eigenen Gewicht zu zerfallen und vom noch harten Teil, an dem er angefasst wird, abzufallen. Weiterlesen

Rätselhafte Spuren

Weißt du, was schön ist, hier? Schau: wir gehen und lassen alle diese Abdrücke im Sand zurück, und sie bleiben bestehen, ganz deutlich und ordentlich. Aber wenn du morgen aufstehst, wirst du auf diesen großen Strand schauen, und nichts wird mehr da sein, kein Abdruck, kein anderes Zeichen, gar nichts. Das Meer löscht alles aus in der Nacht. Die Flut versteckt alles. Als wäre nie jemand hier entlanggegangen. Als hätten wir nie existiert. Wenn es einen Ort auf der Welt gibt, an dem du meinen könntest, du seiest nichts, dann ist es dieser Ort hier. Nicht mehr Land, noch nicht ganz Meer. Kein unechtes leben, kein echtes Leben. Es ist die Zeit. Zeit, die vergeht. Weiter nichts.* Weiterlesen

Durchgewachsen?

Eine Eisscholle aus dem zugefrorenen Teich herausgebrochen und wegen der Kälte sehr schnell losgelassen, sodass sie auf dem Rasen landete. Und hier passierte nun etwas Seltsames, das man vom Ergebnis her fast als künstlerischen Effekt ansehen kann. Einige der unter der Last der Platte herabgedrückten Grashalme und Blätter geraten in einen so innigen Kontakt mit dem Eis, dass sie mit diesem zusammenfrieren. Weiterlesen

Rätselfoto des Monats Januar 2018

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Warum nimmt das Tauwasser diese Form an? Weiterlesen

Tropfenbahnen am Fenster

Was bleibt einem nach einem verregneten Sommer anderes übrig, als den wässrigen Erscheinungen auch etwas Positives abzugewinnen. So bemerke ich beispielsweise zu Beginn eines neuen Regenschauers, dass die ersten Tropfen sich oft perlenkettenartig auszurichten scheinen, wie auf dem Foto zu sehen. Später wenn die Anzahl der Tropfen überhand nimmt, geht dieses Phänomen im Tropfengedränge unter. Weiterlesen

Tröpfchen hängen an Härchen

tropfen_an_haerchen_dscf348Die Stängl sind mit rauen, kurzen Härchen bedeckt“, sagte Jinny,
„und die Wassertropfen sind an ihnen hängen geblieben.

Virginia Woolf (1882 – 1941). Aus: Wellen.

 

Sogar das Märchen heftet seine Glanztautropfen und Perlen an das unsichtbare Nachsommergespinste einer freien Bedeutung an.

Jean Paul (1763 – 1825)

Anhänglicher Schnee

img_0263rvSchlichting, H. Joachim. Spektrum der Wissenschaft 2 (2017) S. 58 – 59

Schnee, der sich leicht ballen läßt,
schmilzt bald.
Jean Paul (1763–1825)

Eiskristalle haften gut aneinander – dafür sorgt flüssiges Wasser. Einerseits wirkt es bei Tauwetter durch Kapillarkräfte im Flockengeäst. Andererseits benetzt selbst bei starken Minusgraden eine feuchte Schicht die Oberflächen und klebt diese direkt zusammen. Weiterlesen

Unlöschbare Spuren auf der Fensterscheibe

Transportspuren-von-SaugnäpEine Glasscheibe im Wintergarten. Sie tut dort seit vielen Jahren ihren Dienst, einfach nur transparent zu sein und die Witterung abzuhalten. Immer dann, wenn es draußen kalt ist und die Scheibe von innen beschlägt, kommt ein kreisrundes Muster zum Vorschein. Die Perfektion des Kreises und die Tatsache, dass er immer wieder an derselben Stelle erscheint, haben mich davon überzeugt, dass es sich hier nicht um eine Hervorbringung des Zufalls handeln kann. Besonders irritierend fand ich die Beobachtung, dass der Kreis bei trockener Scheibe weder zu sehen ist noch sichtbar gemacht werden kann und er alle bisherigen Reinigungsaktionen überstand. Weiterlesen

Ein vergessenes Herbstblatt im Pool

Visualisierung-von-WasserveDa Wasser durchsichtig und damit selbst nicht sichtbar ist, sind wir auf sekundäre Erscheinungen angewiesen, die uns mögliche Strukturen im Wasser verraten. Oft handelt es sich dabei um Reflexionen der Umgebung oder Brechungen des Lichts an den Grenzflächen. Diese werden im vorliegenden Fall dadurch sichtbar, dass der Boden nicht so erscheint, wie er ohne Wasser zu sehen wäre, sondern verformt. Da der Boden zudem aus kleinen Fliesen besteht und man davon ausgehen kann, dass diese Fliesen alle von gleicher Form sind, zeigt uns ihre scheinbare Verformung indirekt die tatsächliche Verformung des Wassers in der Nähe des Blattes an.
Wer mit 3D-Darstellungen von mathematischen Kurven vertraut ist, die ebenfalls durch ein entsprechend verformtes Gitternetz visualisiert werden, sieht vermutlich direkt das verformte Wasser, ohne sich dies gedanklich bewusst zu machen.
Auf diese Weise erkennen wir, dass das Blatt aufgrund seiner Unebenheit, die Wasseroberfläche verformt, sie teilweise eindellt und wegen seiner Liebe zum Wasser (Hydrophilie) das Wasser etwas anzieht und infolgedessen anhebt.

Rätselfoto des Monats Oktober 2015

117_Farben-schwingenden-SeiBewegte Farben – wie entstehen sie? Gesehen im Science Center Phaeno

Erklärung des Rätselfotos vom Vormonat: Tropfenbelastete Pflanzen

Rätselfoto des Monats September 2015

116_Tropfenbelastete-Pflanzen

Warum „sammelt“ das Gras so viel Wasser?

Erklärung zum Rätselfoto vom Vormonat: Heiligenschein im klaren Wasser

Baumhoher Aufstieg

baumhoher-aufstiegSchlichting, H. Joachim. In: Spektrum der Wissenschaft  7  (2015), S. 50 – 51

»Im Kapillaren nimmt es zu,
röhrig aufwärts gesaugt
in die äußersten Verästelungen
deines zahlloszweigigen Daseins«

Rainer Maria Rilke (1875 – 1926)

Kraft der Verdunstung transportieren Bäume große Mengen Wasser in erstaunliche Höhen – aber wie genau?

Wer sich an einem heißen Sommertag in den Schatten eines großen Baums setzt, ist nicht nur vor der Sonne geschützt, sondern genießt auch eine spürbar niedrigere Temperatur als im Schatten eines Gebäudes. Diese angenehme Kühle ist indessen nur ein Nebeneffekt der Vorgänge im Blätterdach.
Damit in seiner Krone die Fotosynthese ablaufen kann, nutzt ein Baum die Sonnenenergie, Kohlenstoffdioxid aus der Umgebung und Wasser aus dem Erdreich aufzunehmen. Das Gas ist aber nur zu einem geringen Anteil in der Luft enthalten und die Blätter nehmen es durch ihre Spaltöffnungen (Stomata) nur sehr langsam per Diffusion auf. Daher geht viel Wasser durch Verdunstung verloren. Denn das Gewebe muss feucht gehalten werden, um nicht auszutrocknen. Allein dafür benötigt ein Baum 95 Prozent seines Wasserbedarfs. Auf diese Weise kann ein ausgewachsenes Exemplar mit einem Kronendurchmesser von 16 Meter bis zu 1000 Liter am Tag als Dampf abgeben.
Wasser derart vom flüssigen in den gasförmigen Zustand zu bringen erfordert sehr viel Energie (siehe » Warum wir in der Sauna überleben«, SdW 11/2012, S. 74). Sie wird der Umgebung entzogen. Da die Wärmekapazität der Luft aber sehr klein ist, wird die spürbare Abkühlung in der Nähe des Baums verständlich. An einem heißen Tag öffnet der Baum weitere Stomata in den Blättern, um den Effekt zu verstärken und die Temperatur im für die Fotosynthese optimalen Bereich von etwa 20 Grad Celsius zu halten.
Wie schafft es ein riesiger Organismus aus festem Holz, ohne Herz oder andere kontraktile Organe derartige Wassermengen in luftige Höhen zu befördern? Ausgewachsene Bäume erreichen nicht selten 30 bis 50 Meter und einige werden – so man sie lässt – sogar mehr als 100 Meter groß. Der Wassertransport ist dann eine echte physikalische Herausforderung.
Wasser lässt sich heben, indem man einen Unterdruck erzeugt. Das kennt jeder, der ein Getränk mit einem Strohhalm einsaugt. Dazu wird die Höhenenergie der Atmosphäre genutzt, die einen äußeren Luftdruck von rund 1000 Hektopascal bzw. 0,1 Megapascal erzeugt. Das entspricht der Gewichtskraft einer Wassersäule von etwa zehn Metern auf eine gegebene Fläche. Wasser kann mit Unterdruck daher maximal auf diese Höhe gehoben werden.
Legt man ein trockenes Stück Holz in Wasser, stellt man fest, dass es sich mit Wasser vollsaugt. Dabei zeigt sich ein Vorgang, der beim Wassertransport in den Leitgefäßen der Bäume eine wesentliche Rolle spielt. Wasser steigt in einem Glasgefäß ein wenig höher am Rand auf. Es tut dies, weil für die Ausbildung der Grenzfläche zwischen Wand und Wasser weniger Energie nötig ist als für diejenige zwischen Wasser und Luft. Daher sucht die Flüssigkeit möglichst mehr Kontaktfläche mit dem Glas. In einem normalen Gefäß kommt dieser Vorgang aber schnell zum Stillstand: Der Energiegewinn wird beim Anheben des Wassers aufgebraucht.
In einem dünnen Rohr kann das Wasser sehr viel höher klettern, denn mit abnehmendem Radius nimmt das Verhältnis von Grenzfläche zu Volumen zu und damit die pro Grenzfläche aufzubringende Höhenenergie ab. Dieser Kapillareffekt entsteht nicht nur bei Glas, sondern auch bei vielen anderen Festkörpern und insbesondere dem holzigen Leitgewebe (Xylem) eines Baums. Eine genauere Rechnung ergibt: Um eine Steighöhe von 100 Metern zu erreichen müsste der Baum über Gefäße mit einem Radius von weniger als 0,1 Mikrometer verfügen.
Die Leitelemente eines Baums, die Tracheen und Tracheiden, haben einen Radius von 0,15 beziehungsweise 0,015 Millimeter. Damit wären nur Höhen von 10 und 100 Zentimetern zu schaffen. Tausendfach enger sind aber die Poren in den Zellwänden – genug, um einen entsprechenden Wasseranstieg zu ermöglichen. Das Problem ist nur, dass für die enormen Wasserströme in die Baumkronen zugleich unrealistisch hohe Druckunterschiede nötig wären.
Bereits vor mehr als 100 Jahren kam die Idee auf, dass die Grenzflächenkraft von einem Zug nach oben unterstützt wird. Dieser negative Druck in den Leitsystemen entsteht durch die Verdunstung. In den Blattöffnungen grenzen die oberen Moleküle der Wassersäulen an die Atmosphäre. Sie tendieren dazu, sich aus der Flüssigkeit zu lösen und in der Luft zu verteilen. Wegen der Grenzflächenkraft bleibt die Oberfläche stets an einer Position und zieht die gesamte darunter liegende Säule in dem Maß hoch, wie Wassermoleküle in den umgebenden Raum übergehen.
Doch warum reißt dieser Zug die Flüssigkeitssäulen nicht einfach auseinander? Sie sind eine Art Faden, den Kohäsionskräfte zusammenhalten, also die zwischenmolekularen Wechselwirkungen. Man kann sich leicht vorstellen, dass der negative Druck in den Wasserfäden 100 Meter hoher Bäume sehr groß sein muss. Bereits im Fall einer unbewegten Flüssigkeit wäre betragsmäßig das Zehnfache des Luftdrucks nötig. Das Wasser muss sich obendrein bewegen, und zwar durch sehr enge Kapillare. In einem mehr als 100 m hohen Mammutbaum haben Forscher zwei Megapascal, also das 20-Fache des Luftdrucks festgestellt. Erstaunlicherweise halten die Flüssigkeitsfäden diese enorme Belastung aus. Messungen lieferten als Grenzwert der Reißfestigkeit minus 3 Megapascal.
Dabei sollte bei einem derartig großen negativen Druck eigentlich ein Siedevorgang beginnen und infolge der Verdampfung die Säule unterbrechen. Wasser so bei Umgebungstemperatur aufkochen zu lassen ist nicht schwierig. Dazu muss man nur etwas in eine Einwegspritze füllen, die Öffnung mit einem Finger fest verschließen und den Kolben kräftig hochziehen. An kleinsten Keimen, meist unsichtbaren Lufteinschlüssen an den Gefäßwänden, erkennt man die Entstehung von Dampfblasen. Diese Kavitation kann Wasserfäden zerreißen. Zudem besteht die Gefahr, dass durch Poren kleinste Luftbläschen eingesogen werden und den Fluss unterbrechen. Und schließlich muss man sich fragen, warum bei so großen Druckdifferenzen die Zellwände nicht einfach kollabieren.
Zum Glück ist das Porensystem, das die Leitgefäße umgibt, so eng, dass ein Lufteintritt sehr unwahrscheinlich ist. Das bannt auch weitgehend das Risiko einer Verunreinigung mit Kavitation auslösenden Keimen. Und die hölzernen Bahnen sind so verstärkt, dass sie den enormen Drücken standhalten. Bekanntlich bestätigen aber Ausnahmen die Regel. In der Praxis kommt es nämlich tatsächlich zu Kavitationen. Wie in einer Heizungsanlage äußern sich die Miniexplosionen akustisch, tönen jedoch im Ultraschallbereich und lassen sich nur mit speziellen Geräten detektieren. Die Kavitationen betreffen stets nur einzelne der redundant ausgelegten Leitungssysteme, so dass keine größeren Bereiche zusammenbrechen und der Wasseraufstieg insgesamt intakt bleibt. Neuerdings fanden Wissenschaftler sogar heraus, dass zerrissene Wasserfäden von selbst wieder ausheilen können. Wie das genau geschieht und welche molekularbiologischen und physiologischen Prozesse dem ganzen System zugrunde liegen, ist Gegenstand aktueller Forschung.
Insgesamt erinnert der Wassertransport stark an die Vorgänge in einer brennenden Kerze. Das flüssige Wachs steigt ebenfalls in einem kapillaren Docht auf und wird durch die Verdampfung in der Flamme ständig nachgezogen. Das hatte aber bereits Novalis gesehen, wenn er den Baum als eine blühende Flamme ansieht.

Quellen

John S. Sperry: Hydraulics of Vascular Water Transport.
Brent R. Helliker1 & Suzanna L. Richter Subtropical to boreal convergence of tree-leaf temperatures. Nature07031 (2008)

PDF: Baumhoher Aufstieg

Das Ende des Teekanneneffekts

TeekanneneffektH. Joachim Schlichting. Spektrum der Wissenschaft 2 (2015) S. 48 – 50

Es erscheint fast schon als Naturgesetz, dass Tee- und Kaffeekannen tropfen. Nun versprechen hydrophobe Tüllen Abhilfe.

»Gott erschuf die Festkörper,
aber der Teufel die Oberflächen.«
Wolfgang Pauli (1900 – 1958)

PDF: Das Ende des Teekanneneffekts

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