Warum sieht man irisierende Wolken meistens im Wasser oder auf anderen spiegelnden Flächen in der Umwelt und nicht direkt am Himmel? Weil man dazu zu den sonnenlichtdurchfluteten Wolken aufschauen muss. Und das meidet man meistens – zu Recht.
Auf dem Foto sieht man gespiegelte irisierende Wolken. Da die Glasscheiben nur je nach Einfallswinkel einen mehr oder weniger kleinen Prozentsatz der Lichtintensität der Sonne reflektieren, lässt sich das Licht in aller Ruhe ohne Einschränkungen anschauen.
Wie kommt es zu diesem schönen Farbenspiel?
Bei den Wolken handelt es sich meist um Altocumulus, die sich in einer Höhe von 1500 bis 5000 m befinden. Daher bestehen sie nicht aus Eiskristallen, sondern aus kleinen Wassertröpfchen. An diesen Tröpfchen wird das Sonnenlicht gebeugt. Man stelle sich am besten vor, dass beim Auftreffen des Lichts an den verschiedenen Stellen eines Tröpfchens neue Lichtwellen ausgelöst werden. Und wenn die sich im Auge des Betrachters oder der Linse der Kamera überlagern, haben sie im Allgemeinen geringfügig unterschiedliche Wege zurückgelegt. Ist der Wegunterschied gerade so groß, dass sich Wellenbauch und Wellental einer bestimmten Wellenlänge des Lichts (Farbe) aufheben, fehlt die entsprechende Farbe im Spektrum des weißen Lichts und man sieht den Rest der Farben, die sogenannte Komplementärfarbe. Wenn sich Wellenberg und Wellenberg treffen, tritt hingegen eine Verstärkung dieser Farbe auf. Aber auch in diesem Fall wird die „Farbmischung“ des weißen Lichts entsprechend gestört und das Licht wird dadurch farbig.
Bei einem einzelnen Wassertropfen würde man also unter einem bestimmten Winkel zur Einfallsrichtung des Lichts eine ganz bestimmte Farbe sehen. Unter einem anderen Winkel würde eine andere auftreten. Der Tropfen erschiene dann von einem System farbiger Ringe umgeben. Da die Lichtwellen periodisch sind, wiederholten sich die Farben, wenn der Winkel so groß wäre, dass sich jede zweite Wellenberg und –bauch überlagern könnten usw. Allerdings sähe man meist nur eine oder zwei Ordnungen von Farbringen, weil die sich überlagernden Wellenzüge bei natürlichem Licht sehr kurz sind. Man sagt auch, die Kohärenzlänge des Sonnenlichts ist sehr klein.
Damit man die durch Beugung hervorgegangenen Farbringe des weißen Lichts aus der Entfernung überhaupt zu sehen bekommt, muss die Intensität des gebeugten Lichts groß genug sein. Das ist aber nur dann der Fall, wenn sehr viele Tropfen zusammen wirken. Damit dass jedoch passiert, müssen sie von der gleichen Größe sein. Denn nur dann werden die Wellen einheitlicher Wellenlänge (derselben Farbe) in etwa dieselbe Richtung ausgesendet. Wenn der Bereich einheitlicher Tropfengröße in der Wolke hinreichend groß ist, würde man die Sonne oder ihren Reflex auf den Scheiben von einem farbigen Ringsystem umgeben sehen, einer Korona.
In der Realität schwankt die Tröpfchengröße um einen bestimmten Mittelwert. Je nach der Stärke der Abweichung treten wieder Vermischungen der Farben auf, so dass die Korona nur mehr oder weniger farbig erscheint. Im Extremfall überwiegt dann wieder das weiße Mischlicht und die Korona entartet in einen hellen Hof um die Sonne.
Im vorliegenden Fall sind die Tropfengrößen in verschiedenen Teilen der Wolke zwar lokal einheitlich aber global unterschiedlich. Dann entsteht überhaupt kein Ringsystem mehr und es sind nur noch Farbfetzen und –bänder zu sehen und man spricht man von irisierenden Wolken. Die Farben können sich je nach der Dynamik der Tropfen in den Wolken ständig ändern. Besonders häufig ist das Irisieren in Teilen einer Wolke zu sehen, die gerade im Entstehen begriffen ist und daher Tropfen in jeweils einheitlicher Größe aufweist. Das ist meist am Rande der Wolken der Fall. Da sind die Wolken außerdem hinreichend dünn, sodass das Licht überhaupt durch die Tropfenschicht hindurch dringt. In manchen Fällen kann man die Wolken selbst dann irisieren sehen, wenn sie weit von der Sonne entfernt sind.
Obwohl beide Bilder einander sehr ähneln, indem sie ein System konzentrischer Kreise zeigen, stellen sie völlig verschiedene Situationen dar. Links blicken wir auf ein Gespinst von Spinnweben und rechts auf konzentrische Wasserwellen, die durch einen Steinwurf ins Wasser erzeugt wurden.
Während jedoch die Wellen sehr real sind ist das Spinnengewebe an sich völlig chaotisch. Lediglich der Blick gegen die Sonne erweckt den Eindruck, man habe es hier mit konzentrisch gesponnenen Fäden zu tun. Auch die Farben werden durch kein Pigment hervorgerufen, sondern durch Beugung des Lichts an den Spinnfäden und hier insbesondere an den winzigen Klebetropfen, mit denen die Spinnen ihre Netze zu tödlichen Fallen für die Insekten machen. Dennoch – das Kreisförmige drängt sich geradezu auf.
Im Winter zeigt sich die ansonsten ziemlich rabiate Waldrebe im Zusammenspiel mit der niedrig stehenden Sonne von ihrer feinen Seite. Ihre filigranen, silberfarbenen Samenstände irisieren in allen Spektralfarben, sofern man sie gegen die Sonne betrachtet. Diese Strukturfarben kommen durch Beugung des Lichts an den sehr feinen Strukturen der Haarbüschel zustande. Stark vereinfacht kann man sich die Beugung folgendermaßen vorstellen: Wenn eine mit den feinen Härchen wechselwirkende Lichtwelle dadurch in einzelne Teilwellen zerlegt wird und diese sich im Auge des Betrachters oder auf dem Chip einer Kamera überlagern, kann es zu einer Verstärkung, Abschwächung oder einer vollständiger Auslöschung der Intensität einzelner Wellenlängen kommen. Denn da die Teilwellen geringfügig unterschiedliche Wege zurückgelegt und dadurch einen sogenannten Gangunterschied erfahren haben, sind die Wellenberge und Wellentäler gegeneinander verschoben. Bei einer Verschiebung von beispielsweise genau einer Wellenlänge (aus dem Spektrum des weißen Lichts) fallen Wellenberge auf Wellenberge und verstärken das Licht. Eine Verschiebung um eine halbe Wellenlänge führt zur Auslöschung der entsprechenden Wellenlänge und damit der Farbe im Spektrum. Durch diese Verstärkung und Abschwächung einzelner Wellenlängen des weißen Lichts bleiben entsprechende Farben zurück, die auf dem Foto zu erkennen sind.
Dass mein Kopfschatten auf der taufeuchten Wiese kurz nach Sonnenaufgang von einem Heiligenschein umgeben ist, bin ich auf meinen Wanderungen in der Krummhörn gewohnt. Jedenfalls, wenn die Sonne scheint. Heiligenscheine ohne diesen natürlichen Hintergrund habe ich noch nie gesehen, weil sie wohl nur echten Heiligen vorbehalten sind und die machen sich in unserer Zeit ziemlich rar.
In den Bergen oder vom Flugzeug aus erlebt man noch eine andere Art natürlichen Kopfschmucks, die Glorie, die auf einer Nebelwand oder auf Wolkenbänken den eigenen Kopfschatten umgibt. Erst kürzlich konnte ich eine solche Glorie zeigen. Heute hatte ich nun das seltene Glück, mit dem Aufgang der Sonne nicht nur meinen Heiligenschein um den Kopfschatten auf dem feuchten Gras zum Begleiter zu haben, sondern zusätzlich (welch Verschwendung!) eine Glorie, die sich in dem leichten und als solchen in der Entfernung kaum zu erkennenden Nebel entfaltete. Wegen der Entfernung dieser unverdienten Insignien gingen beide ineinander über und waren rein visuell nicht zu trennen. Trotzdem ist ihr Ursprung verschieden. Während der Heiligenschein vor allem durch die Rückstrahlung des durch die Wassertröpfchen auf die Grashalme fokussierten Lichts hervorgerufen wird, entsteht die Glorie durch die gleichzeitige Beugung und Rückstrahlung des Sonnenlichts in den winzigen Nebeltröpfchen. Durch die Beugung wird das weiße Licht in Spektralfarben zerlegt, die sich ringförmig um den Schattenkopf legen. Im vorliegenden Fall dominieren die langwelligen Gelb- und Rottöne.
Je mehr sich mir infolge der zunehmenden Sonnenhöhe der Kopfschatten näherte, desto mehr verloren die Farbringe an Brillanz um schließlich ganz zu verschwinden. Dafür war zum einen die Zunahme der Sonnenintensität verantwortlich, die dem Nebel allmählich den Garaus machte, zum anderen bedingte der steilere Einfall des Sonnenlichts einen kürzeren Weg durch den verbleibenden Nebel, sodass immer weniger Wassertröpfchen beteiligt waren. Es dauerte dann auch nicht mehr lange, bis der Nebel und damit auch die Glorie ganz verschwunden waren und einen schönen, sonnigen Tag hinterließen. Leider hatte ich keinen guten Fotoapparat dabei, sondern nur ein Handy. Die Qualität des Fotos ist also nicht so gut, wie es hätte sein können.
Heute ist Tag- und Nachtgleiche. Die dunklen Stunden haben zu- und die hellen abgenommen. Heute sind sie beide gleich lang. Damit beginnt nun auch offiziell der Herbst. Die Sonne steigt tagsüber nicht mehr so hoch über den Horizont. Man wird daher oft geblendet. Zum Ausgleich bekommt man aber auch einiges geboten. Zum Beobachten der Sterne braucht man nicht mehr so lange zu warten und – darauf möchte ich heute aufmerksam machen – man kommt häufiger die Chance, Spinnennetze gegen die tiefstehende Sonne in bunten Farben aufflammen zu sehen (siehe Foto). Flach gegen die Sonne betrachtet sieht man, wie das Sonnenlicht an den dünnen Spinnfäden und den darauf befindlichen winzigen Klebetröpfchen gebeugt und dadurch in einzelne Spektralfarben zerlegt wird. Achtet mal darauf wenn ihr an Bäumen und Büschen vorbeikommt, die im Lichte des Sonne liegen.
Das Gefühl, dass im Herbst mehr Spinnennetze vorhanden sind, rührt vor allem daher, dass diese durch Tautröpfchen und durch die Lichtbeugung häufiger gesehen werden als in anderen Jahreszeiten.
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Erklärung des Rätselfotos des Monats April 2021
Frage: Wie kommt es zu den Feuchtigkeitsstrukturen?
Antwort: Es ist neblig, feucht und kalt (wenige Grad über Null). Aber die noch sehr tief stehende, den leichten Nebel durchdringende Sonne verheißt einen sonnigen Tag. Der aluminiumverkleidete Universitätsbau ist mit Feuchtigkeit „beschlagen“. Die Feuchtigkeit rührt von den Wassertröpfchen des leichten Nebels her, die durch den Wind gegen die Gebäudewand strömen und hier haften bleiben. Das Phänomen ist in manchen warmen und unter Trockenheit leidenden Ländern vertraut. Der Morgennebel wird von einer Brise beispielsweise gegen die Olivenbäume getrieben, an deren Stämmen Wassertröpfchen hängen bleiben und anschließend herunter laufen. So kommt es auch ohne Regen zu einer mäßigen aber regelmäßigen Bewässerung.
Es bleibt die Frage, warum die Wand nicht gleichmäßig benetzt wird, sondern ovale feuchte Gebiete innerhalb der rechteckigen, von durchgehenden Metallsprossen begrenzten Felder entstehen. Die trockenen Ränder sind Ausdruck der Tatsache, dass der Wärmeübergang von innen nach außen ungleichmäßig erfolgt. Die Felder sind innen mit Isoliermaterial ausgefüllt. Nicht aber die Begrenzungssprossen. Sie stellen offenbar relativ gut leitende Wärmebrücken dar. Der dadurch bedingte größere Energiestrom führt zu einer schnelleren Verdunstung des dünnen Wasserfilms als in den wärmeisolierten Feldern. Da sich die von den Sprossen abgeleitete Wärme auch noch etwas seitlich ausbreitet, in den Ecken sogar von zwei senkrecht miteinander verbundenen Sprossen, ergeben sich zwangsläufig Abrundungen, die zu den ovalen Bereiche führen, in denen die Isolierung gut und die Verdunstung des Wassers nicht so stark ist.
Die ansonsten nicht gerade zimperliche Waldrebe überrascht durch ihre filigranen, silberfarbenen Samenstände, die besonders in der farbarmen Winterzeit auffallen. Jedes Früchtchen ist mit einem Federschweif ausgestattet, der als Flugorgan zur Ausbreitung durch den Wind dient.
Wenn sich wie in den vergangenen Tagen, die tiefstehende Sonne in den Schweifen verfängt, leuchtet der ganze Samenstand wie ein Lampion, indem das Licht an den zahlreichen feinen Filamenten gestreut wird (Fotos). Weiterlesen
Eine Beugung ist eine Krümmung. Es gibt viele Arten der Beugung. In diesem Blog wird die Lichtbeugung wohl am häufigsten erwähnt. Sie wird aber unausgesprochen und unvermeidbar noch von der Beugung der Wörter überrundet, die das offenbar klaglos über sich ergehen lassen. Weiterlesen
Das Sonnenlicht lässt sich durch optische Vorgänge wie Reflexion, Brechung, Beugung u.ä. ohne weitere Einwirkung in farbige Strukturen verwandeln, die man dem ansonsten langweilig weißen Licht kaum zutraut. Im Anschluss an den Künstler Paul Konrad Hoenich (1907 – 1997), der sich vor allem mit reflektiertem Sonnenlicht befasst hat, ordne ich diese Strukturen (siehe Abbildung) der Sonnenmalerei zu. Hoenich weist darauf hin, dass der Künstler bei der Technik der Sonnenmalerei „die Art und Qualität der Projektion (des Sonnenlichts) bestimmt, die einzelnen Bilder aber nicht im voraus festlegen kann.“
Im vorliegenden Fall habe ich einen Schnitt durch ein mit Hilfe eines CD-Rohling erzeugtes Axicon auf einem weißen Blatt Papier aufgezeichnet.
Was ist physikalisch interessant an diesem Blick in ein Schaufenster?
Erklärung des Rätselfotos des Monats April 2020
Frage: CD-Rohling ins Gegenlicht gehalten. Wie kommen die Farbstreifen in den Schatten?
Antwort: Der Schatten einer Hand, die eine CD umfasst, scheint von einem Strahlenkranz durchleuchtet zu werden (links). Ursache ist ein sogenanntes Axicon. Das ungewöhnliche Beugungsphänomen entsteht nur, wenn die metallische Beschichtung der CD entfernt wurde, so dass ihre Spurrillen als Transmissionsgitter dienen können. Eine ausführliche Beschreibung findet man unter: Licht im Schatten.
CD-Rohling ins Gegenlicht gehalten. Wie kommen die Farbstreifen in den Schatten?
Erklärung des Rätselfotos des Monats März 2020
Frage: Wie kommt es zu den etwa metergroßen Dendriten auf dem zugefrorenen See?
Antwort: Bei dem auf den ersten Blick rätselhaft erscheinenden Foto handelt es sich um eine Aufnahme aus einer Höhe von 50 bis 90 m, aufgenommen von Wolfgang Knappmann mit Hilfe einer Drohne. Die Größenordnung der Strukturen dürfte grob geschätzt im Meterbereich liegen. Wohl jeder, der sich ein wenig auf das Foto einlässt, wird erkennen, dass es sich um eine Eisschicht handelt, in diesem Fall die eines zugefrorenen Sees. Gespickt ist die Aufnahme mit einigen dendritischen Strukturen, die weniger bekannt sein dürften und daher rätselhaft erscheinen.
Diese Dendriten sind sogenannte Fraktale, die in der Regel dadurch entstehen, dass sich ein dünnflüssiges Fluid (geringe Viskosität) in einem dickflüssigen (größere Viskosität) ausbreitet. Wie an anderer Stelle ausgeführt, kann man solche fraktalen Strukturen selbst herstellen, wenn man beispielsweise (gefärbtes) Wasser zwischen zwei Plexiglasscheiben presst.
Im vorliegenden Fall stelle ich mir folgendes Szenario der Entstehung vor:
Nachdem der See zugefroren und mit einer noch dünnen Eisschicht bedeckt wurde, schneit es und der auflastende Schnee drückt das Eis in das Wasser.
Je länger die Kanäle werden, desto mehr Wärme geht im Kontakt mit dem Schnee an den Uferwänden verloren und der Vortrieb des Kanals wird langsamer. Durch den „Druck“ des nachströmenden Wassers an die Uferwände kommt es schließlich zu Durchbrüchen, die zu Seitenkanälen führen, die sich gegebenenfalls weiter verzweigen usw.
Dieser Versuch einer Erklärung stützt sich allein auf das Foto und die typischen Mechanismen, die zu dendritischen Fraktalen führen und könnte daher mit einigen Unsicherheiten in den Schlussfolgerungen verbunden sein.
vor der Flamme wartete,
fiel mir plötzlich ein,
etwas Endgültigem zu entraten;
das Wasser begann gerade
zu kochen, der Kessel heult
gleichmäßig wie eine Siren.
Aber als ich den Tee aufgoß,
waren schon die Möglichkeiten,
ungeheuer, wieder vergessen;
im quirlenden Dampf verfing
sich mein Blick, bis er verschwand,
und ich erkannte noch, wie präzis
der Sand durch die Enge rann.*
Und jetzt noch die obligatorische Frage: Wie kommt es zu den Nebelschwaden und den Farben darin?
*Henning Ziebritzki (*1961)
Frage: Wie kommt es zu den Nebelstreifen?
Antwort: Bei dieser Art Kondensstreifen handelt es sich um sogenannte Wirbelschleppen. Sie zeigen sich manchmal kurz nach dem Start oder vor der Landung. Dann nämlich fährt der Jet die Landeklappen aus der Tragfläche (die korrekter als „Auftriebshilfen“ bezeichnet werden sollten), wodurch sich deren Anstellwinkel vergrößert und damit die aerodynamische Auftriebskraft auf eine größere Fläche wirkt. So gelingt das Abheben auch bei verhältnismäßig niedrigen Geschwindigkeiten.
Auf diese Weise entsteht ein enormer Druckunterschied zwischen Ober- und Unterseite der Tragflächen, der an ihren Seiten zu Ausgleichsströmungen von unten nach oben führt. Weil gleichzeitig die Luft von vorn nach hinten strömt, kommt es zu einer zopfartigen Aufwicklung der Strömungsfäden. Und weil der Druck in der Luftströmung stark abnimmt, sinkt die Temperatur schlagartig – nicht anders als bei einem gerade geöffneten Ventils eines Autoreifens. Denn für die mit der Druckabnahme verbundene Ausdehnung benötigt die Luft Energie, die sie aus dem Reservoir ihrer inneren (thermischen) Energie abzapft. Der Vorgang läuft nämlich so schnell ab, dass es zu lange dauern würde, bis durch Wärmeleitung Energie aus der weiteren Umgebung herangeschafft würde. Durch die Abnahme ihrer inneren Energie kühlt sich die Luft lokal stark ab. Und wenn dann auch noch die absolute Wasserdampfkonzentration größer ist als die maximale Wasserdampfkonzentration bei dieser niedrigen Temperatur, kondensiert der überschüssige Wasserdampf zu Wassertröpfchen: Es kommt also zur beobachteten Nebelbildung.
Die Wirbelschleppen unterscheiden sich von den normalen Kondensstreifen auch noch durch einem interessanten Nebeneffekt: Sie treten immer paarweise mit gegenläufigem Drehsinn auf, sodass sich der Gesamtdrehimpuls zu Null summiert.
Nebelfäden über den Tragflächen treten bei genügender Luftfeuchte manchmal auch in voller Reiseflughöhe über die Tragflächen strömend auf. Sie verdanken sich dem starken Druckabfall über den Tragflächen und führen bei den ohnehin schon sehr tiefen Temperaturen die Kondensation überspringend zur Resublimation des Wasserdampfs zu feinen Eiskristallen.
Ich wohne in einem Zimmer mit vergitterten Fenstern.
Von meinem Plastikstuhl aus sehe ich,
wie die Gitter das Meer in dicke blaue Scheiben schneiden.
Anne Weber (*1964)
Doch wie viel eindrucksvoller als die makroskopischen Gitter eines Fensters sind die mikroskopisch kleinen, die man nicht sehen kann, deren Wirkung aber ungleich effektvoller ist, weil sie das Licht in Farben zerlegen. Weiterlesen
In letzter Zeit hatte ich mehrere Anfragen zu einem Phänomen, das ich bereits aus dem Physikunterricht meiner eigenen Schulzeit kannte. Dabei geht es darum, dass man beim Blick durch einen möglichst kleinen Spalt zwischen zwei Fingern dunkle Streifen sehen kann. Nähert man beispielsweise Daumen und Zeigefinger einander bis auf einen winzigen Spalt an (Foto) und blickt hindurch, so sieht man dazwischen dunkle Streifen. Weiterlesen
Wie kommt es zu den blauen Augen?
Erklärung des Rätselfotos des Monats Dezember 2018
Frage: Wie kommt es zu diesen Lichtschweifen?
Antwort: Des Rätsels Lösung besteht darin, dass die Situation durch einen doppelt verglasten Raumteiler hindurch gesehen wird. Da eine Glasscheibe nicht nur Licht durchlässt, sondern auch Licht spiegelnd reflektiert, blicken wir hier auf die leuchtenden Kerzen, die an beiden Glasscheiben reflektiert werden. Genau genommen finden auch noch Reflexionen an den beiden Grenzschichten jeder Scheibe statt. Da diese sehr dicht beieinander liegen, werden sie nicht mehr getrennt sichtbar. Aber es bleibt nicht bei der einen Spiegelung. Da sich die beiden Scheiben gegenüber stehen, werden die Spiegelbilder und auch noch die Spiegelbilder der Spiegelbilder reflektiert und so weiter, bis die Intensität des Restlichts so schwach ist, dass man es schließlich nichts mehr sieht. Denn wir sehen die Spiegelungen der Spiegelungen überhaupt erst dadurch, dass bei jeder Reflexion auch ein Teil des Lichtes durch die Scheibe hindurch geht und in unser Auge gelangt. Was wir hier spiegelnd reflektiert sehen, sind Spiegelbilder. Für sie gilt aber dasselbe wie für reale Objekte. Sie sind so weit hinter dem Spiegel zu sehen, wie der Gegenstand davor. Deshalb erscheint mit jeder Generation einer Spiegelung das Spiegelbild um den Abstand der beiden spiegelnd reflektierenden Grenzflächen weiter entfernt.
Im Prinzip haben wir es mit einer Art Unendlichkeitsspiegel zu tun. Einer zweier parallel gegenüberstehender Spiegel ist mit einem Guckloch versehen. Blickt man hindurch sieht man eine – im Prinzip unendlich lange – Schlange von Gucklöchern und Lampen(bildern). Aber auch manche Designobjekte, z.B. in Form eines Kerzenhalters führen nach diesem Prinzip zu Lichtschweifen.
Bleibt noch die Frage, warum die Schweife von Spiegelbildern auf einen Fluchtpunkt zuzulaufen scheinen. Dies ist ein Perspektiveneffekt der sich vom Beobachter entfernenden Spiegelbilder. Irgendwo am virtuellen Fluchtpunkt der Schweife ist die Linse der gespiegelten Kamera, die hier jedoch nicht zu sehen ist, weil sie durch das Licht der realen Kerzen überstrahlt wird.
Der Herbst macht alles bunt. Nun hat zwar zumindest meteorologisch gesehen bereits der Winter begonnen, aber so streng richten sich die Jahreszeiten, so wie wir sie uns denken, nicht nach dem Kalender. Als die Sonne überraschenderweise durch die Wolken bricht, setze ich mich für einen Moment in Erinnerung an die vielen schönen Tage, die ich in diesem Jahr hier verbracht habe, an den inzwischen sehr trostlos dreinschauenden Teich. Weiterlesen
In früheren Zeiten waren die einfachverglasten Fensterscheiben im Winter oft beschlagen und trübten den Durchblick. Entschädigt wurde man dafür manchmal durch einen schönen Anblick: Durch die beschlagene Fensterscheibe hindurch betrachtet erschien eine Lichtquelle von mehr oder weniger farbigen Ringen umgeben. Weiterlesen
Beim Fensterputzen gibt es zahlreiche Methoden. Hier wurde die Scheibe zunächst mit seifigem Wasser behandelt, die Spülung mit klarem Wasser steht unmittelbar bevor. Diesen Moment dazwischen nutzt die Natur gerade zu einer künstlerischen Darbietung, zu der vermutlich nur jemand einen Bezug hat, die oder der gerade nicht mit dem Fensterputzen befasst ist.
Man blickt hier nicht nur durch die benetzte Scheibe, sondern auch noch durch den Apfelbaum, in dem die tiefstehende Abendsonne hängt und auf unserer Netzhaut einen Eindruck von einer artifiziellen Baumkorona hinterlässt. Schaut man sich die Blasenflöße genauer an, so entdeckt man zahlreiche winzige Wassertropfchen, die sich in dem Maße bilden, in dem sich der Seifenlaugenfilm zwischen den Blasenflößen auflöst.
Ich vermute, dass diese kleinen, bereichsweise einheitlich großen Tröpfchen die Ursache für die Andeutung der Korona sind, die sich hier ansatzweise konzentrisch um die Sonne herum legt. Sie hielt sich leider nicht lange. Denn der nächste Schritt des Fensterputzens, die Spülung schuf klare Verhältnisse: Eine blitzblanke Scheibe mit ungestörtem Durchblick und ohne Dreckeffekt, will sagen: ohne Korona. Ehrlich gesagt fand ich die verseifte Scheibe mit Korona schöner.
Nach der Mondfinsternis kommt hier die partielle Sonnenfinsternis der besonderen Art. Und das haben wir den Disteln zu verdanken. Denn diese beginnen in diesen Wochen damit, ihre Samen für den Start ins Ungewisse vorzubereiten. Einige Blüten stehen zwar noch in der vollen Pracht ihres Distelpurpurs, eifrig besucht von allerlei Insekten, andere lassen bereits die Weißhaarigkeit durchschimmern und viele Blüten sind bereits „explodiert“, indem sie ein Übermaß an Samen hervorquellen lassen, die jeweils an einer Art Gleitschirm hängen, mit dem sie bei der nächsten Gelegenheit und günstigem Wind auf Reisen zu neuen Ufern gehen. Weiterlesen
Als ich gestern Morgen auf den Balkon den neuen Tag begrüßte und über das schräge, in die Jahre gekommene Dach blickte, überraschte mich eine subtile Alltagsästhetik. Nicht nur dass die an sich anthrazitfarbenen Pfannen streifend von der noch tief stehenden Sonne getroffen in schneeweißem Licht erstrahlten, auch die Spinnfäden und Netze wollten nicht zurückstehen und ihren Anteil zum Naturschönen beitragen, indem sie das weiße Sonnenspektrum in alle seine Farben zerlegten. Eingebettet in die erwartungsvolle Ruhe des beginnenden Tages ging von all dem eine Wirkung aus, die in mir ein unaussprechliches Gefühl der Zuversicht und des Vertrauens auslösten.
Glaubt nicht denjenigen, die da behaupten, es sei nur eine Reflexion und Beugung des Lichts.
Manchmal ziehen auch kleine Fussel, die normalerweise übersehen werden, die Aufmerksamkeit auf sich. In dieser Gegenlichtaufnahme, in der es vielmehr auf die Gelb-Rot-Färbung eines Opalglases ankam, drängt sich aber der Fussel keck ins Zentrum, sodass er nicht übersehen werden kann. Und wenn man auf diese Weise schon mal gezwungen wird, den Fussel in den Blick zu nehmen, fällt auf, dass der sehr dünne Faden farbig strukturiert zu sein scheint. Es könnte sich um eine Beugungserscheinung handeln, wie man sie auch bei Spinnennetzen beobachten kann. Außerdem scheint der Fussel wie von einer Korona gekrönt zu sein. Es lassen sich zumindest schemenhaft zwei Beugungsordnungen ausmachen. Die Ursache für diese Korona, die normalerweise durch winzige, weitgehend gleichgroße Partikel von der Größenordnung der Wellenlänge des Lichts hervorgerufen werden, kann ich jedoch nicht ausmachen. Möglicherweise sind Pollen auf der Fensterscheibe, durch die das Licht ins Zimmer scheint, dafür verantwortlich. Wie so oft, wurden diese Marginalia erst bei der Betrachtung des Fotos festgestellt.
Wer seine vorweihnachtlichen Lichtspiele etwas bunter erleben möchte, schaue sich eine Lichterkette oder andere Leuchten durch ein Geodreieck, Plastiklineal oder ähnliche transparente Kunststoffobjekte an. Man kann dabei nämlich durch Probieren eine Stelle finden, durch die das Licht durch Beugung zu einem Fest der Farben aufgehübscht wird. Das Foto zeigt eine von der Decke herabhängende Lichterkette, die durch eine bestimmte Stelle im Geodreieck hindurch betrachtet bzw. fotografiert wurde.
Die Erklärung für diesen merkwürdigen Effekt habe ich schon früher dargelegt. Manchmal entdeckt man ihn auch an Stellen, an denen man es nicht vermutet.
Wie kommt es zu dieser Korona?
Diesmal wird die Adventszeit eingeleitet durch eine Kerzenkorona. Dabei soll Altes mit Neuem in ästhetisch ansprechender Weise verbunden werden.
Erklärung zum Rätselfoto des Monats November 2017
Frage: Was ist physikalisch interessant an Schillers Tintenfass?
Ich habe dieses schöne Gefäß als Schillers Tintenfass gekauft. Ob es wirklich von dem Dichter als ein solches benutzt wurde ist nicht gesichert. Allerdings funktioniert es als solches ausgezeichnet. Die Idee hinter dieser Konstruktion besteht darin, einerseits durch eine kleine aber zum Eintauchen der Schreibfeder passende Oberfläche die Verdunstungsrate so klein wie möglich zu halten, aber andererseits immer einen genügend großen Vorrat an Tinte zu haben. Erstaunlich erscheint auf den ersten Blick, warum das Tintenniveau im großen Vorratsgefäß und im kleinen Napf so unterschiedlich sein kann und kein Niveauausgleich (verbundene Gefäße) stattfindet. Doch wie sollte ein solcher Ausgleich möglich sein? Sobald das Niveau der Tinte im Vorratsgefäß sinken würde, nähme das Luftvolumen zu und der Luftdruck entsprechend ab. Das verhindert der auf der Flüssigkeit im Napf lastende äußere Luftdruck. Denn der durch die Tinte versperrte Weg erlaubt keine Luftzufuhr. Erst wenn so viel Tinte verbraucht wurde, dass das Tintenniveau im Napf unter die obere Kante des Verbindungsstücks gesunken ist, kann ein Ausgleich stattfinden, indem gleichzeitig Tinte in die eine und Luft in die andere Richtung fließen, bis der Weg wieder durch die nachgeflossene Tinte versperrt ist. Das wiederholt sich solange, bis das Tintenniveau im Vorratsgefäß auf das Niveau im Napf gesunken ist. Dann muss Tinte nachgefüllt werden.
Ich habe natürlich nicht so viel schreiben können, bis dieser Zustand erreicht ist, weil ich mich dem Trend der Zeit angeschlossen habe und inzwischen mit der Tastatur des Computers schreibe. Stattdessen habe ich das Gefäß mit Wasser gefüllt einfach stehen lassen und ein anderes physikalisches Phänomen wirken lassen, die Verdunstung. Hätte ich Tinte genommen, so wäre sicherlich ein unschöner fester Rest übrig geblieben.
In einem Kontrollversuch, in dem ich dieselbe Wassermenge in einem offenen Gefäß, also mit einer wesentlich größeren freien Flüssigkeitsoberfläche, verdunstete das Wasser wesentlich schneller. Daran erkennt man einen Vorteil von Schillers Tintenfass gegenüber einem Gefäß mit großer Flüssigkeitsoberfläche.
Eine Vogeltränke funktioniert übrigens nach demselben Prinzip. Wenn es sich in Wirklichkeit bei dem Tintenfass um eine solche handeln sollte, wäre sie aber nur für einen kleinen Vogel zugänglich. Daher glaube ich eher an die Tintenfassversion.
Auf einer Kunstausstellung im Museum Kunstpalast in Düsseldorf vor einigen Jahren mit dem Titel „Zerbrechliche Schönheiten“ stieß ich neben eindrucksvollen Exponaten an den Wänden auf ein vielleicht gar nicht als ein solches gemeintes Exponat auf dem Boden eines der Ausstellungsräume. Der Boden war nämlich komplett mit Spiegelfolie ausgelegt, die in dem Raum – und das war sicherlich beabsichtigt – eine interessante Lichtstimmung hervorrief. Weiterlesen
Was macht man, wenn man mutterseelenallein in einer fremden Stadt eine Nacht oder mehrere in einem Hotel übernachten muss? Man blickt aus dem Fenster auf eine meist nicht besonders attraktive Gegend. Wenn aber der Blick durch eine Gardine gefiltert wird, kann man das Glück haben, dass es in dieser tristen Situation zu Lichtblicken kommt, die in Form von bunten Farbtupfern in spektraler Verteilung die Stimmung wieder etwas anheben. Weiterlesen
Morgendlicher Nebel und eine gerade aufgegangene strahlende Sonne verheißen einen schönen Tag. Ich wandere der Sonne entgegen und muss den Blick wegen der starken Blendung senken. Das Gras ist noch weitgehend vom Raureif überzuckert, eine Pracht, die der höher steigenden Sonne bald zum Opfer fallen wird.
Jetzt vergittern einige noch winterlich nackte Bäume die Sicht. Die Sonne bricht durch das Geäst und lässt den Nebel dort in lebhaften Farben erstrahlen. Ich stelle mich so hin, dass die Sonne selbst durch einen Ast ausgeblendet wird. Weiterlesen
Wanderungen geben u.a. Gelegenheit zu vielfältigen Naturerlebnissen und bestehen sie auch nur in der Wahrnehmung und Bewunderung eines Spinnennetzes.
Spinnennetze sind so dünn und fein und von unauffälligem Grau, dass sie normalerweise kaum zu sehen sind. Das ist beabsichtigt, denn die Beute soll das verhängnisvolle Netzwerk allenfalls erst dann erkennen, wenn es zu spät ist. Es gibt aber Situationen, in denen zumindest wir Menschen ein Spinnennetz in leuchtenden Farben erleben, so dass es nicht zu übersehen ist und im Gegenteil die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Das ist dann der Fall, wenn der frühe Beobachter mit der Sonne im Rücken die nachts in den Spinnennetzen kondensierten Wassertröpfchen in Regenbogenfarben erstrahlen sieht. Weiterlesen
Schlichting, H. Joachim. In: Spektrum der Wissenschaft 8 (2015), S. 48 – 49
Alles, was wir sehen,
könnte auch anders sein.
Ludwig Wittgenstein (1889–1951)
Manche farbenprächtige Erscheinung lässt sich nur beschreiben, jedoch nicht direkt fotografieren – denn sie entsteht erst in unserem Sehorgan selbst.
Als ich vor einigen Jahren mit noch geweiteten Pupillen vom Augenarzt kam, blendeten mich helle Lichtquellen fast schmerzlich. Der einzige Trost in dieser Situation war die Schönheit eines hellen Lichthofs mit einem regenbogenartigen Band um sie herum. So etwas war mir bislang nur im Dunkeln beim Blick auf ferne Leuchtpunkte begegnet.
Diese seltsame Erscheinung unterscheidet sich von den bekannten farbigen Ringen, die man zuweilen sieht, wenn man durch eine beschlagene Fensterscheibe auf eine Laterne blickt (Bild 1). Dieses Phänomen verursachen winzige Wassertröpfchen zwischen Lampe und Auge. Sie beugen das Licht. Auch beim Blick durch dünne Schleierwolken auf Sonne und Mond können solche Farbkreise gesehen werden, die Koronen heißen (siehe SdW 12/2009, »Weihnachtliche Krönung«).
Hier allerdings füllte der farbige Hof die ganze Fläche um ein helles Zentrum. Es war auch nichts zwischen Lichtquelle und Auge vorhanden, das ich für den Effekt hätte verantwortlich machen können. Um das zu erkennen, wandte ich einen einfachen Trick an: Ich blickte einäugig auf die ferne Laterne und blendete sie – nicht aber den verbleibenden Teil des umgebenden Lichthofs – mit dem Finger am ausgetreckten Arm aus. Sobald das eigentliche Leuchten abgedeckt war, verschwand schlagartig auch der restliche Regenbogenkranz. Es musste also etwas sein, das mit meinen Augen zu tun hatte und das nur bei weit geöffneten Pupillen auftritt.
Augenheilkundler erkannten schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts, dass ringförmig angeordnete, radial orientierte Fasern am äußeren Rand der Augenlinse diesen Effekt hervorrufen. Diese Gewebestrukturen wirken wie ein optisches Gitter, welches das Licht der weit entfernten und daher fast punktförmigen Quelle beugt. Die gebeugten Wellen überlagern sich auf der Retina zu einem farbigen Bogen, dem so genannten Linsen-Halo. Weil tagsüber die klein gestellte Pupille die Augenlinse vom Rand her abdeckt, wirkt dieses Gitter dann nicht. Daher sieht man den Halo nur bei Dunkelheit – oder wenn die medikamentös weit gestellte Pupille das Beugungsgitter freigibt.
Dieser Linsen-Halo ist aber nur ein Teil dessen, mit dem sich sehr helle Lichtquellen zu schmücken scheinen. Wesentlich stärker ,machen sich farbig irisierende Strahlen bemerkbar, die vom Zentrum der Lichtquelle radial nach außen gehen (Bild 2). Man kann sie auch am Tag sehen, etwa dann, wenn man in eine helle Halogenlampe oder LED blickt.
Dieses Phänomen erwähnte bereits René Descartes (1596–1650). Es wird heute als Ziliar-Korona bezeichnet und wird nach neuesten Erkenntnissen vermutlich von kleinen Teilchen verursacht, die in der Augenlinse eingelagert sind. Sie wirken ähnlich wie die winzigen Wassertröpfchen bei einer Sonnen- oder Mondkorona. Anders als dort ergeben sich hier aber keine Ringe, sondern in der Farbe variierende radiale Strahlen. Wie kommt es dazu?
Im Normalfall ist die Ziliar-Korona nicht besonders lichtstark. Um sie dennoch eingehender zu untersuchen, lässt sich die Zahl der beugenden Teilchen künstlich vergrößern. Dazu muss man nur durch eine geeignete Folie für Tintenstrahldrucker blicken. Denn manche Fabrikate enthalten kleinste Teilchen, die einen ähnlichen Beugungseffekt bewirken wie die Wassertröpfchen einer dünnen Wolke oder die Partikel im Auge.
Haben wir es mit einer ausgedehnten Lichtquelle zu tun, sehen wir die typischen Farbringe einer Korona. Beispielsweise funktioniert das bei einer matten Glühlampe bis zu einer Entfernung von etwa acht Metern (Bild 3). Dieser Abstand entspricht bei einer Größe des Leuchtkörpers von rund vier Zentimetern einem Sehwinkel von zirka 0,3 Grad. Erscheint er bei größerer Entfernung unter kleinerem Winkel, fransen diese Ringe immer mehr aus und gehen schließlich in eine Strahlenstruktur über (Bild 4). Diese tritt offenbar nur unterhalb von 0,3 Grad auf und ist umso ausgeprägter, je kleiner der Sehwinkel wird. Daher kann man bei Sonne und Mond, die am Himmel unter 0,5 Grad erscheinen, keine Strahlenstruktur der Korona sehen. Bleibt zu klären, was diesen Unterschied bewirkt.
Um farbige Ringe hervorzurufen, genügt im Prinzip ein einziger winziger Wassertropfen. Er beugt das Licht und zerlegt es in viele Teilwellen, die je nach Wellenlänge in leicht verschiedene Richtungen laufen. Auf der Netzhaut des Auges oder auf dem Chip einer Kamera überlagern sie sich. Es muss nicht unbedingt ein Tropfen sein – ein Loch vom selben Querschnitt ruft ein ganz ähnliches Farbmuster hervor. Piekst man über einer festen Unterlage (etwa einem Teller) mit einer spitzen Nähnadel in eine Haushaltsalufolie und blickt durch die winzige Öffnung auf eine Punktlichtquelle, umgibt diese ein solches Ringsystem (Bild 5).
Jeder Tropfen beziehungsweise jedes Streuzentrum ruft ein eigenes ringförmiges so genanntes Beugungsscheibchen hervor, so dass sich diese überlagern. Bei den ausgedehnten Lichtquellen wie Sonne und Mond addieren sich dabei nur die Farben, so dass lediglich deren Intensität zunimmt. Im Fall eines kleineren Winkels hingegen ist das Licht immer noch kohärent, was bedeutet, dass die einzelnen Wellen beim Betrachter abermals interferieren können. Dadurch wird das Beugungsscheibchen feiner strukturiert. Mit Hilfe von kohärentem Laserlicht kann man diese Details zumindest einfarbig sichtbar machen. Auf dem Schirm zerfällt dann das ringförmige Beugungsmuster in ein granulares Muster (Bild 6).
Bei weißem Licht werden diese granularen Bereiche je nach Wellenlänge mehr oder weniger stark in radialer Richtung gespreizt. [Warum nur in radialer Richtung? Weil die unterschiedlich starke Ablenkung aufgrund der verschiedenen Wellenlängen den Abstand vom Zentrum des Ringsystems (nullte Beugungsordnung) vergrößert/verkleinert; es erfolgt also eine Ablenkung vom Zentrum weg/ zum Zentrum hin, also in radialer Richtung] Das führt zu den schillernden Farbstrahlen, die wir bei einer Ziliar-Korona sehen.
Literatur
Van den Berg, T. et al.: The Ciliary Corona: Physical Model and Simulation of the Fine Needles Radiating from Point Light Sources. In: Investigative Ophthalmology & Visual Science 46/7 2627 – 2632, 2005
Dies ist die Einreichversion von Schönheit im Auge des Betrachters
Erklärung des Rätselfotos vom Vormonat: Kugeltropfen_hydrophil_hydrophob
Schlichting, H. Joachim. In: Spektrum der Wissenschaft 44/12 (2013), S. 54-55
Hightech-Lametta bringt Farben aus dem Nichts hervor. Das ist erstaunlich, denn eigentlich kann dieser Interferenzeffekt nur mit kohärentem Licht funktionieren.
Das Licht treibt sein lachendes Spiel
an der Oberfläche der Dinge.
Gaston Bachelard (1884 – 1962)
PDF: Glitzernder Schein
Erklärung des Rätselfotos vom Vormonat: Steinskulpturen der Natur