Schlichting, H. Joachim, Suhr, Wilfried. In: Physik in unserer Zeit 44/3 (2013), S. 121- 127
Beugungserscheinungen in Spinnenfäden
Spinnennetze bieten im Gegenlicht ein intensives Farbenspiel. Ursache hierfür sind Beugungserscheinungen an den mikroskopisch kleinen Strukturelementen der Fäden. Diese eindrucksvollen Phänomene lassen sich im Labor mit einfachen Mitteln untersuchen.
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Erklärung des Rätselfotos vom Vormonat:Blick durch einen Trinkhalm
Schlichting, H. Joachim; Suhr, Wilfried. In: Physik in unserer Zeit 43/4 (2012), 198-199
Der spielerische Umgang mit Alltagsgegenständen fördert manchmal erstaunliche Erkenntnisse zu Tage: Ein äußerlich makellos erscheinendes transparentes Geodreieck zeigt Beugungserscheinungen wie ein Strichgitter. Der Strahl eines Laserpointers wird gebeugt und zeigt in der Projektion mehrere Beugungsordnungen..
Schlichting, H.Joachim. In: Spektrum der Wissenschaft 43/4 (2012), S.44-45
Aber vor allem ist er sichtbar,
indem er undurchsichtig ist.
Hans Blumenberg (1920 – 1996)
Der Strahlenkranz eines Axicons scheint den Schatten der eigenen Hand ungehindert durchdringen zu können.
Undurchsichtige Gegenstände lassen kein Licht hindurch – daran gibt es eigentlich nichts zu rütteln. Auch der Schatten eines solchen Gegenstands ist sozusagen undurchsichtig, denn durch ihn wird ebenfalls nicht einfach Licht treten. Allerdings sollten wir uns dessen nicht allzu sicher sein, wie ein Blick auf das Foto (rechts) lehrt. Hier scheint der Schatten einer Hand eben doch strahlendes Licht hindurchzulassen. Die etwas beunruhigende Frage lautet: Wie kommt es dort hin?
Bringen wir ein wenig Durchsicht in die Angelegenheit. Das Foto entstand, als wir das Beugungsverhalten einer Musik-CD untersuchten. Ihre metallische Beschichtung hatten wir zuvor entfernt . Dann benutzten wir die feinen Spurrillen als Reflexionsgitter, mit dem wir das aus einem Fenster in den Raum fallende Sonnenlicht an eine weiße Wand projizierten. Doch bei der Suche nach einem geeigneten Reflexionswinkel (siehe Skizze) drehte der Experimentator die CD-Scheibe versehentlich ein Stück zu weit. Und das Licht fiel durch die CD hindurch. Die Scheibe war also unversehens zu einem Transmissionsgitter geworden. Das durch sie hindurchgehende Licht wurde gebeugt und auf der Wand zu farbiger Interferenz gebracht. Allerdings landete das Licht eben auch dort, wo man es nicht erwartete – nämlich mitten im Schatten der Hand.
Äußern wir eine erste Vermutung. Die blauen Lichtspeichen des Strahlenkranzes weisen etwa in Richtung der Fingerzwischenräume. Das Licht könnte also von jenen Teilen der CD stammen, die nicht von Fingern abgedeckt sind, und von dort zur Mitte hin gelenkt werden. Diese Hypothese können wir leicht überprüfen. Ein solches System müsste ja eine Brennweite besitzen, also einen Abstand zwischen CD und Wand, bei dem der Brennpunkt genau auf der Wand liegt und das Zentrum des Strahlenkranzes darum besonders scharf erscheint.
Variieren wir also den Abstand zwischen CD und Projektionswand. Auf einen Brennpunkt stoßen wir dabei aber erstaunlicherweise nicht, sondern vielmehr auf etwas, das eher einer vertikal zur CD orientierten Brennlinie ähnelt. Denn wir können den Abstand zur Wand um bis zu 15 Zentimeter verändern, ohne dass sich die Schärfe des Bildes verändert. Eine solche Tiefenschärfe wäre bei Abbildungen mit Linsen nicht zu erreichen.
Wem die Abbildung der Sonne zu langweilig ist, kann auf dieselbe einfache Weise auch andere strukturiertere Objekte abbilden. Am besten gelingt dies mit einem selbstleuchtenden Objekt, z. B. einer Lichterkette. Auch hier erweist sich die CD als abbildendes System, denn die Lichterkette wird ebenfalls über einen weiten Tiefenbereich hinweg scharf an der Wand abgebildet.
Und noch etwas fällt auf. Dass die CD teilweise verdeckt ist, verschlechtert die Abbildung nicht etwa, sondern lässt sie sogar hervortreten. Denn könnte Licht direkt durch das Loch in der Mitte der CD gelangen, würde es das Bild schlicht überstrahlen. Beim Experimentieren empfiehlt es sich daher, das rillenfreie „inaktive“ Zentrum der CD kreisförmig abzudecken.
Auf diese Weise kann man übrigens doch noch einen Brennpunkt finden. Deckt man nämlich, von innen beginnend mehr und mehr Spurrillen der CD ab, so verkürzt sich die Brennlinie entsprechend. Dies kann man so lange weitertreiben, bis nur noch wenige Rillen zur Abbildung beitragen. Dann ist die Brennlinie zum Brennpunkt geschrumpft.
Doch wie kommt nun der Strahlenkranz zustande? Ursache ist die Beugung des Lichts an den spiralförmig verlaufenden mikroskopisch feinen pits (Vertiefungen) und lands (Flächen). Diese bilden näherungsweise ein System aus Ringen mit nahezu identischen Abständen. Aus Symmetriegründen wird das Licht zum einen zur optischen Achse hin (untere Abbildung, durchgezogene Linien) und zum anderen von der optischen Achse weggebeugt (gestrichelte Linien). Mit einigem Recht lässt sich daher sagen, dass die CD das Licht sowohl fokussiert als auch defokussiert. Zu dem von uns untersuchten Phänomen trägt allerdings nur das Licht bei, dessen Weg mit durchgezogenen Linien markiert ist. Überdies haben wir nur Licht der 1. Beugungsordnung dargestellt; allein dieses liefert Beiträge zur Brennlinie. Die Brennlinien höherer Ordnung sind zu lichtschwach, um ohne Weiteres erkannt zu werden.
In dem weißen Licht, mit dem wir hier arbeiten, sind alle Spektralfarben gemischt. Zur Brennlinie trägt jedoch jede Farbe einzeln bei. In der Grafik ist der besseren Anschauung halber darum rotes Licht – also elektromagnetische Wellen am langwelligen Ende des sichtbaren Spektrums – als rote Linie dargestellt. Rotes Licht wird unter dem größten Winkel gebeugt und kennzeichnet den Beginn der Brennlinie. Blauviolettes Licht wird dagegen unter dem kleinsten Winkel gebeugt und kennzeichnet das Ende der Brennlinie.
Dies erklärt auch folgende Beobachtung: Hält man die Scheibe zunächst dicht vor die Wand, sieht man dort, wo sich Brennlinie und Wand schneiden, einen roten Punkt. Vergrößert man den Abstand, wechselt dessen Farbe über orange nach weiß, grün und schließlich blau (untere Abbildung). Dabei tritt Weiß erst dann auf, wenn auch noch das blau-violette Licht aus den innersten Rillen hinzutritt.
Die Brennlinie erstreckt sich nicht isoliert im Raum, sondern ist umgeben von farbigem Licht viel geringerer Intensität. Denn nachdem das gebeugte Licht 1. Ordnung sich auf der optischen Achse gekreuzt hat, läuft es wieder auseinander und erreicht ebenfalls die Wand.
Nun müssen wir nur noch den Eindruck zerstreuen, dass wir hier ein neues Phänomen entdeckt hätten. Vielmehr haben wir es mit einem sogenannten Axicon zu tun, das wohl erstmals von John H. McLeod im Jahr 1954 im Journal of the Optical Society of America beschrieben wurde. Nach McLeods Definition ist ein Axicon ein optisches Element, das einen Punkt in ein Liniensegment längs der optischen Achse verwandelt. Genau das ist hier zu beobachten: Der weiße Fleck (Querschnitt durch die Brennlinie auf der Wand) beziehungsweise das komplexe Lichtmuster sind Abbilder der jeweiligen Lichtquelle, werden aber über einen auffallend großen Bereich hinweg scharf abgebildet. Dem Vorteil der enormen Tiefenschärfe steht allerdings entgegen, dass die Qualität der Abbildung geringer ist als bei konventionellen, linsenbasierten Methoden.
Lässt sich ein Axicon vielleicht auch mit Hilfe von Lichtbrechung anstelle von Lichtbeugung erzeugen? Das geht tatsächlich. Auf die Farbaufspaltung des Lichts muss man dabei allerdings verzichten. Man bringe Schmirgelpapier mit Hilfe einer Bohrmaschine zum Rotieren und ritze Rillen in eine alte Glasscheibe. Das Resultat ist zwar nicht besonders gleichmäßig (mittlere Abbildung), erfüllt seinen Zweck aber gut: Lässt man nämlich Sonnenlicht durch das Glas fallen und hält dahinter einen Finger in den Strahlengang, wird auch hier der Schatten des Fingers durch das Licht des Axicons aufgehellt.
Heute haben Axicon-„Linsen“ längst Anwendung in Forschung und Technik gefunden. Vor allem konisch geformte Exemplare kommen dabei zum Einsatz. Sie bilden eine Punktlichtquelle in eine Linienlichtquelle längs der optischen Achse ab oder transformieren Laserstrahlen in Lichtringe.
Literatur:
McLeod, J.: The Axicon: A New Type of Optical Element. In: Journal of the Optical Society of America, 44/8, S. 592-597, 1954.
Dies ist die Einreichversion einen Beitrags in Spektrum der Wissenschaft.
PDF: http://www.spektrum.de/alias/schlichting/licht-im-schatten/1145656
Suhr, Wilfried; Schlichting, H. Joachim. In: Eur. J. Phys. 32 (2011) 615 – 624
A sticky capture thread from the spiral element of spider orb-webs is formed of almost regularly spaced droplets that surround a supporting axial fibre. From the perspective of physical optics it represents a periodic linear array of scattering elements that acts as a diffraction grating. This is a novel aspect, which is of vital importance for the understanding of the overall scattering pattern. To demonstrate ist significance, we present our experimental findings and compare them with results of a simplified model.
The everyday life-world certainly is one of the most challenging contexts for the nontrivial application of fundamental physical principles. Many of its phenomena, discoverable by an experienced eye, have not yet been fully understood from a physical point of view. One of these only partially described phenomena is the colours of spider webs, of which Livingston stated in a 2005 article on ‘colour and light in nature’ that ‘a full explanation . . . has not yet been given . . . ’. This paper aims to open an approach to the physical origin of these colours
experimentally and theoretically. In view of their applicability in educational contexts, the experiments are performed with simple equipment, so that high-school and college students may reproduce them and understand the underlying physics.
PDF: Kann beim Autor angefordert werden.
Schlichting, H. Joachim. In: Der mathematische und naturwissenschaftliche Unterricht 28/5 (2005) 286 – 294.
Verstaubte Wasseroberflächen können farbenprächtige Ringsysteme aufweisen, die nicht nur exzentrisch zum Spiegelbild der Sonne orientiert sind, sondern sich der Änderung des Beobachterstandpunktes entsprechend verschieben. Mit der Sonne im Rücken umgeben die Farbringe wie eine Glorie den Kopfschatten des Beobachters. Auf der Suche nach einer Erklärung für dieses merkwürdige Verhalten werden Modellexperimente beschrieben, die zu dem Schluss führen, dass es sich bei diesem Naturphänomen um eine bemerkenswerte Variante quételetscher Ringe handelt.
PDF: Farbenprächtige Interferenzringe auf einer Wasseroberfläche
Schlichting, H. Joachim. In: Physik in unserer Zeit 36/4, 185-187 (2005).
Wenn man bei Dunkelheit mit einem Autoscheinwerfer eine Fensterscheibe anleuchtet, kann man manchmal in den Genuss eindrucksvoller Farbringe kommen. Erstaunlicherweise ordnen diese sich exzentrisch zum Spiegelbild des Scheinwerfers an, und ihr fiktiver Mittelpunkt liegt oft sogar außerhalb der Scheibe. Dies ist das seltene Phänomen der Quételet-Ringe.
PDF: kann beim Autor angefordert werden (schlichting@uni-muenster.de)
Schlichting, H. Joachim. In: Physik in unserer Zeit 35/2, 86-89 (2004).
Im Sonnenlicht können staubige Wasseroberflächen farbenprächtige Ringe hervorbringen. Sie sind nicht nur schön anzusehen, sondern zeugen auch von interessanten physikalischen Vorgängen.
PDF: kann beim Autor angefordert werden (schlichting@uni-muenster.de)
Schlichting, H. Joachim; Jungmann, Dietmar. In: Physik in unserer Zeit 28/3,112-113 (1997).
Manche Schokoladenriegel sind mit sogenannten Stickern als Sammelbeigabe versehen (Bild 1). Die flotten Sprüche der Sticker erscheinen vor einem glitzernden Hintergrund. Das Glitzern wird von winzigen Karos hervorgerufen, sobald man den Blickwinkel ändert oder die Richtung des einfallenden Lichtes variiert. Genaugenommen durchlaufen die Karos dabei ein Spektrum von unterschiedlichen Farben.
PDF: Glitzernde Sticker