Eigentlich hatte ich mir den Fabre* zugelegt, um mich über die unkonventionellen Forschungen eines frühen Insektenforschers zu informieren. Damit bin ich auch weiterhin beschäftigt. Anders als die klassischen Naturwissenschaften beschreibt Jean-Henri Fabre (1823 – 1915) seine Forschungen mit großer Lebendigkeit, Sprachgewandheit und einer Neigung zu Exkursen. Die nimmt man aber gern in Kauf, weil sie sehr viel vom Umfeld und Lokalkolorit verraten, in dem Fabre zunächst als junger Lehrer und später als Insektenforscher tätig war. Die Beschreibung einer Unterrichtsstunde in Physik zeigt exemplarisch, wie es früher an manchen Schulen zuging und zwar nicht nur in Frankreich.
Eine typische Begebenheit mag aufzeigen, wie es damals um den Unterricht in den Naturwissenschaften bestellt war, denen heute so große Bedeutung beigemessen wird. Der Leiter der Schule war ein ausgezeichneter Mann, der ehrenwerte Abt X … ; da ihm nichts daran gelegen war, die grünen Erbsen und den Speck selbst zu verwalten, hatte er die Verantwortung für die Verpflegung irgendeinem Verwandten übertragen und es selbst übernommen, Physikunterricht zu erteilen.
Wir wollen einer seiner Stunden beiwohnen. Es geht um das Barometer. Zum Glück besitzt die Anstalt einen solchen Gegenstand: ein altes, ganz verstaubtes Instrument, das an der Wand hängt, für Unbefugte nicht erreichbar und mit einem Meßblatt versehen ist, auf dem in .großen Lettern die Worte Sturm, Regen, Schönes Wetter zu lesen sind.
«Das Barometer», so erklärt der gute Abt und wendet sich dabei an seine Schüler, die er nach Altväterweise duzt, «das Barometer zeigt das gute und das schlechte Wetter an. Hier auf dem Meßblatt steht geschrieben: Sturm, Regen; kannst du das sehen, Bastien?»
«Doch, ich sehe es», antwortete Bastien, der Pfiffigste von allen. Er hat sein Buch schon durchgelesen; er kennt sich mit dem Barometer besser aus‘ als sein Lehrer: «Es besteht», fährt der Abt fort, «aus einem gebogenen Glasröhrchen, das mit Quecksilber gefüllt ist, welches steigt oder fällt, je nach dem Wetter, das draußen herrscht. Der kurze Schenkel des Röhrchens ist offen . . . , der andere … , der andere … , na schön, das werden wir gleich haben. Du, Bastien, du bist ja groß, du wirst jetzt auf den Stuhl steigen und vorsichtig mit der Fingerspitze untersuchen, ob der lange Schenkel oben offen oder geschlossen ist. Ich kann mich nicht mehr genau entsinnen.»
Bastien klettert auf den Stuhl, reckt sich auf den Zehenspitzen, so gut er kann, und tastet mit dem Finger das obere Ende des Röhrchens ab. Dann antwortet er mit verschmitztem Lächeln unter dem Flaum seines seit kurzem sprießenden Schnurrbarts:
«Doch», erklärt er, «das stimmt. Der lange Schenkel ist oben offen. Richtig, ich kann genau die Vertiefung fühlen.» Und um seine trügerischen Worte zu bekräftigen, fährt Bastien fort, mit dem Zeigefinger das obere Ende der Röhre zu befühlen. Seine Mitschüler, Komplizen dieses Schelmenstücks, können ihr Lachen nur mühsam unterdrücken.
Der Abt unbeirrt: «Das genügt. Komm herunter, Bastien. Bitte meine Herren, schreiben Sie sich auf, der lange Schenkel des Barometers ist oben offen. Das vergißt man leicht; ich selbst hatte es auch vergessen.»
So sah der Physikunterricht aus.*
Das Foto zeigt ein Quecksilberthermometer aus früheren Zeiten. Es hängt bei uns in der Diele.
*Jean-Henri Fabre. Wunder des Lebendigen. Aus der vielfältigen Welt der Insekten. Zürich 1992, S. 58f
In der Schule verabreichte man uns tonnenweise Wissen, das ich fleißig verschlang, das mein Blut aber nicht in Wallung brachte. Ich betrachtete die schwellenden Knospen im Frühling, den Glimmer im Granit, meine eigenen Hände und sagte mir: „Ich werde auch das begreifen, ich werde alles begreifen, aber nicht, wie SIE es wollen. Ich werde eine Abkürzung finden, ich werde mir einen Dietrich machen, ich werde die Pforten sprengen. Es war entnervend, widerlich, sich Reden über Sein und Erkennen anzuhören, wenn alles um uns her Geheimnis war, das nach Enthüllung schrie: das alte Holz der Bänke, die Sonnenkugel jenseits der Fensterscheiben und Dächer, der ziellose Flug des Pappus in der Juniluft. Wären etwa alle Philosophen und alle Heere der Welt in der Lage gewesen, diese Mücke zu konstruieren? Nein, nicht einmal begreifen konnten sie sie: das war schimpflich, schändlich, es galt einen anderen Weg zu finden.*
* Primo Levi. Das periodische System.
Immer wenn ich den aschfahlen Mond am Himmel sehe, denke ich an die Worte Martin Wagenscheins (1896 – 1988), der sich wiederum auf Leonardo da Vinci bezieht: „Leonardo, ein Meister des Sehens und seiner Muttersprache, mit Glanz und Präzision, Kraft und Zartheit. Ich wähle eine Notiz, die er 1508, in seinem sechsundfünfzigsten Jahr, niedergeschrieben hat. Sie führt uns noch einmal zur Mondsichel zurück, und zwar zu ihrem schönsten frühesten Stadium, in welchem sie, noch ganz nah der Sonne, gerade aus der neumondlichen Unsichtbarkeit heraustretend, als ein besonderes Rätsel die Grau schimmernde ganze Mondscheibe umarmt hält. Weiterlesen
Leonardo da Vinci hat als einer der ersten zahlreiche Alltagsphänomene im Sinne der neuzeitlichen Physik nicht nur zutreffend, sondern didaktisch elegant beschrieben. Er stellt die Mondphasen so dar, dass man sich unmittelbar in die Situation hineinversetzen muss.
Der Mond hat kein Licht von sich aus,
und soviel die Sonne von ihm sieht,
soviel beleuchtet sie;
und von dieser Beleuchtung
sehen wir soviel,
wieviel davon uns sieht.
Und wenn er denn schon dabei ist, beschreibt er auch noch gleich das Phänomen des Erdscheins, in dem die Erde als indirekt stahlender Körper hinzugenommen wird. Der Erdschein ist oft beim neuen Mond zu sehen:
Und seine Nacht*
empfängt so viel Helligkeit,
wie unsere Gewässer ihm spenden,
indem sie das Bild der Sonne widerspiegeln,
die sich in allen jenen (Gewässern) spiegelt,
welche die Sonne und den Mond sehen.
(Um den Erdschein im oberen Foto besser sehen zu können, zur Vergrößerung auf Bild klicken).
Auch aus heutiger Sicht sind viele physikalische Beschreibungen aus Leonardos Feder in „Glanz und Präzision, Kraft und Zartheit“ unübertroffen, wie der Physikdidaktiker Martin Wagenschein **(1896 – 1988) es einmal ausgedrückt hat. Dieses fast wie ein Gedicht wirkende Stück Prosa erscheint ihm „als ein kostbares Muster für die endgültige, präzise Fassung einer naturwissenschaftlichen Einsicht, die in der Wirklichkeit des Gegenstandes wie in der Wärme der Muttersprache bleiben darf“.
Leonardo beschreibt das aschgraue Licht als Ergebnis einer doppelten Reflexion von Sonnenlicht. Dieses erreicht den nicht direkt beleuchteten Teil des Mondes über den Umweg des beleuchteten Teils der Erde. Dieser hat gleichzeitig die Sonne und den Mond „im Blick“. Er wählt keinen menschlichen Beobachter, weil dieser wegen des mangelnden Kontrastes vom taghellen Teil der Erde das aschgraue Licht gar nicht sehen würde. Erst wenn er sich mit der Sonne in den Abend dreht und es dunkler wird, wird der Erdschein unter günstigen Bedingungen sichtbar. Heute weiß man, dass in erster Linie nicht die Gewässer den Erdschein bedingen, sondern u.a. Wolken und Schneefelder.
* gemeint ist der im Dunkeln liegende Bereich des Mondes, der von der Sonne nicht erreicht wird.
** Martin Wagenschein. Ursprüngliches Verstehen und exaktes Denken II. Stuttgart 1970, S. 66
Untere Skizze: Leonardos Skizze des Erdscheins aus: Da Vinci’s Codex Leicester (ca. 1510)
H. Joachim Schlichting. In: Hilde Köster (Hrsg.). Stadtbilder. Perspektiven auf urbanes Leben. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2018, S. 107 – 122.
Das Fremde, worauf man normalerweise nicht achtet, ist das Vertraute unter einer besonderen Perspektive betrachtet. Das Fremde ist in diesem Fall das Physikalische, dem man auf Schritt und Tritt begegnen kann, wenn man sich nur darauf einlässt. Und das tun die beiden Protagonisten auf dem hier beschriebenen Spaziergang durch eine Stadt. Sie spüren dabei scheinbar ohne besondere Anstrengung das Physikalische im Alltäglichen auf, wobei künstlerische und architektonische Ansichten mit einbezogen werden. Die Beobachtungen werden auf unterschiedlichen Ebenen diskutiert. Manchmal werden sie nur registriert oder etwas ausführlicher beschrieben. Aber in den meisten Fällen werden einfache Erklärungen gegeben, oder es wird durch weiterführende Literaturhinweise auf solche verwiesen. Weiterlesen
…die Frucht ist dort gefallen,
Von der eignen Fülle schwer..
Friedrich Schiller (1759 – 1805)
Aus der Sicht der neuzeitlichen Physik ist der freie Fall, wonach beliebige Gegenstände mit gleicher Beschleunigung fallen, eine äußerst einfache Angelegenheit. Eine Fülle phänomenologisch verschiedener Bewegungen, wie etwa die der Satelliten und Planeten bis hin zu den Elektronen im Bohrschen Atommodell können als einheitlicher Fall, als freier Fall angesehen werden. Weiterlesen
„Wir saßen nebeneinander in der Straßenbahn, und ich wunderte mich die ganze Zeit über den Mond, der hoch über uns mitzufahren schien. Wenn die Straßenbahn hielt, hielt auch der Mond, und wenn sie wieder anfuhr, fuhr auch der Mond weiter bis zur nächsten Haltestelle. Und als wir nach drei Stunden wieder nach Hause führen, war auch der Mond wieder da und begleitete uns fahrend nach Hause. Als wir ausstiegen, stieg auch der Mond aus und ging mit uns zur Haustür. Als Kind hielt ich es für nicht völlig ausgeschlossen, daß es am Himmel eine Straßenbahn gab, eine Extrastraßenbahn nur für den Mond. Seltsamerweise drängt es mich nicht, meine Mutter um Aufklärung zu bitten. Ich wartete nur immer wieder darauf, daß der Mond in seine Straßenbahn stiege und uns begleitete, nur uns, meine Mutter und mich; ich glaubte nämlich, ich sei der einzige, der von der Himmelsbahn des Mondes wüßte“. (Aus: Genazino, Wilhelm: Das Licht brennt ein Loch in den Tag. Reinbek 2000). Weiterlesen
Naturwissenschaftler interessierten sich früher nicht für Fragen, wie Kinder sie stellen. Weiterlesen
Dieses bronzene Buch ist in Göttingen zu sehen. Mit dem Ausspruch: „Das viele Lesen hat uns eine gelehrte Barbarei zugezogen“, erinnert es an Georg Christoph Lichtenberg (1742 – 1799), der als erster Experimentalphysiker Deutschlands und Aufklärer viele Jahre in Göttingen gelebt und gelehrt hat. Auch wenn in diesem Satz das viele Lesen kritisch gesehen wird, schätzt Lichtenberg das „gute“ Buch sehr hoch ein, und das Lesen spielt in seinem Leben eine wichtige Rolle. Deswegen rät er jedem: „Wer zwei Paar Hosen hat, mache eins zu Geld und schaffe sich dieses Buch an“. Und die Frage: „Wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstoßen und es klingt hohl, ist das allemal im Buch?“, lässt zumindest die Möglichkeit zu, dass die Ursache dafür ein Hohlkopf sein könnte. Weiterlesen
Schlichting, H. Joachim. In: Schule NRW 07/12, S. 338-342
Im Rahmen des Bildungsauftrags allgemeinbildender Schulen soll Physik als Unterrichtsfach Hilfen bereitstellen, um die natürliche und wissenschaftlich-technische Welt zu verstehen. Die Umsetzung dieser Aufgabe verlangt, dass in einem solchen Unterricht Physik auf eben diese Welt bezogen wird und nicht in ihrem fachwissenschaftlichen Gehäuse gefangen bleibt. Die Ausbildungspraxis an
Hoch schule und Schule sieht in vielen Fällen anders aus und trägt vermutlich nicht unwesentlich dazu bei, dass Physik seit Jahrzehnten zu den unbeliebtesten Schulfächern gehört. Auch der Lehrplan in Nordrhein-Westfalen für die Sekundarstufe I fordert, den Alltag der Lernenden
zum Gegenstand des Physikunterrichts zu machen.
Schlichting, H. Joachim. In: Physik in der Schule 38/2, 140-41 (2000).
Solange etwas nicht fraglich ist, uns keine Fragen auferlegt und Antworten abverlangt, erscheint es selbstverständlich. Das Selbstverständliche sugge-riert aber, über alle Fragen erhaben zu sein: Was so ist, wie es ist, fordert uns nicht heraus. Das gilt insbesondere für die Alltagswelt, in der wir leben…
Schlichting, H. Joachim. In: Physik in der Schule 38/1, 68 (2000).
Auf die Frage kommt es an. Sie eröffnen die Weg zur Antwort. Je weitreichender, erschließungsmächtiger, vielversprechender die Frage, desto größer wird das Bemühen sein, die Antwort bzw. Antworten zu finden. Allein darin kann eine große Herausforderung gesehen werden.
H. Joachim Schlichting. In: Reich, Hans H.; Holzbrecher, Alfred; Roth, Hans Joachim (Hrsg.) Fachdidaktik interkulturell. Ein Handbuch. Opladen: Leske + Budrich 2000, S. 359 –387.
Interkulturelles Lernen im engeren Sinne spielt meines Wissens in der Physikdidaktik kaum eine Rolle. Die Lernenden bekommen im Gegenteil gewissermaßen als Metalesson vermittelt, daß Physik kulturunabhängig sei. In Afrika, China, Südamerika usw. würde dieselbe Physik betrieben wie in Europa und den USA. Die in dieser Ansicht enthaltenen Mißverständnisse und Probleme sollen hier nur angedeutet werden. Hervorheben möchte ich einen Aspekt, der normalerweise nicht mit interkulturellem Lernen in Verbindung gebracht wird, meines Erachtens jedoch ganz ähnlich strukturiert ist und beim Lernen von Physik eine bislang unterschätzte Rolle spielt: Die perspektivische Differenz zwischen Physik und anderen Bereichen des kulturellen Lebens. Dieser Problemkreis hat allenfalls im sogenannten two cultures gap eine gewisse Aufmerksamkeit erfahren, ohne daß jedoch Konsequenzen für das Lernen (u.a. von Physik) untersucht worden wären. Dieser Mangel dient mir als Motiv und Ausgangspunkt für die folgenden Überlegungen.
Schlichting, H. Joachim. In Physik in der Schule 34/9,283-288 und 34/10, 339-342 (1996).
Entschuldige! Wieso siehst du das nicht? Bist du denn blind?
Und er will und will es nicht sehen, was Sie sehen, und wo, wie Sie es sehen. Er aber sieht es, wie er es sieht, für ihn sind Sie blind.
Luigi Pirandello
Physikalische Erkenntnis kommt nicht durch eine Beschreibung des Faktischen zustande, sondern macht selbst Altbekanntes, sofern wir damit leben, zur neuen Realität, indem sie es aus einer neuen, der physikalischen Perspektive sichtbar macht. Insofern zeigt uns Physik nicht nur das, was wir noch nicht kennen, sondern auch das, was wir kennen, wie wir es nicht kennen. Die Konsequenzen aus dieser Einsicht sind vielfältig. Einige besonders wesentliche Aspekte sollen im folgenden diskutiert werden.
PDF: Physik – eine Perspektive der Realität. Probleme des Physikunterrichts (Teil 1 und 2)
Schlichting, H. Joachim. In: Praxis der Naturwissenschaften – Physik 42/1, 11, 1-3 (1993).
Die Physik gilt als empirische Wissenschaft. Durch präzises Beobachten, exaktes Beschreiben, folgerichtigesDenken und generalisierende Abstraktion – so wird unterstellt – gelange der Physiker zu einer realistischen und verläßlichen Erkenntnis der Wirklichkeit. Die physikalische Beschreibung der Welt wurde vor nicht allzu langer Zeit auch als vorbildlich für andere Lebensbereiche angesehen. Man erwartete von der Physik ,,die Erziehung zu objektiver Treue, unbestechlicher Wahrhaftigkeit, unbedingter Anerkennung der Wirklichkeit, an der wir durch unser Denken nichts ändern können“ [1]. Dahinter verbarg sich die Erwartung, die auch heute noch häufig anzutreffen ist, daß jemand der nur genau genug beobachtet, schließlich zu physikalischen Erkenntnissen gelangen müsse. Wer diese Überzeugung teilt, dem empfehle ich, seine Schülerinnen und Schüler einmal einen xbeliebigen Gegenstand möglichst genau beobachten und beschreiben zu lassen. Man wird feststellen, daß die Beschreibung um so komplexer, unhandlicher, uneinheitlicher ausfällt, je mehr sich die Schülerinnen und Schüler bemühen, genau, und das heißt nicht nur präzise, sondern auch detailreich, vorurteilslos und objektiv zu sein. In keinem Fall läßt sich am Ende so etwas. wie eine physikalische Perspektive erkennen, es sei denn, der eine oder andere berücksichtigt bereits die Tatsache, daß eine solche im Physikunterricht gestellte Aufgabe natürlich mit einer bestimmten, physikalischen Erwartung gestellt wird. Aber dann wäre die Beschreibung zumindest nicht mehr vorurteilsfrei. Genaues Beobachten führt gerade nicht zur Physik. Hätte Galilei genau beobachtet, so wäre er nicht auf die auch heute noch von Schülerinnen und Schülern als Zumutung empfundenen Aussage gekommen, daß alle Gegenstände gleich schnell fallen oder ihren Bewegungszustand beibehalten. Die physikalische Beschreibung setzt geradezu voraus, in reflektierter Weise durch ,,Gleichsetzen des Nichtgleichen … zwischen den Dingen trotz ihrer Verschiedenheit Ähnlichkeiten (zu) finden, und trotz ihrer Unbeständigkeit beständige Ansichten von ihnen (zu) gewinnen“.
PDF: Üben als Einüben
Schlichting, H. Joachim. In: Naturwissenschaften im Unterricht – Physik 3/12, 4 -6 (1992).
Sport hat auf den ersten Blick nichts mit Physik zu tun, nicht mehr jedenfalls als jedes andere lebensweltliche Handlungsfeld. Wenn wir sportliche Aktivitäten physikalisch betrachten wollen, so müssen wir uns ähnlichen Problemen stellen, die für die physikalische Erfassung an sich nicht physikalischer komplexer Gegenstände des Alltags typisch sind. Beispielsweise müßte man den Alltagsobjekten erst einmal einen physikalischen Aspekt abringen, bevor eine physikalische Betrachtung im üblichen Sinne einsetzen könnte.
Schlichting, H. Joachim. In: Praxis der Naturwissenschaften- Physik 41/2, 2 (1992).
Im folgenden geht es um Spielzeuge und Alltagsgegenstände, mit denen man spielen kann. Damit werden auchdie bei Freihandexperimenten verwendeten Gegenstände angesprochen. Da die Unterscheidung weitgehend willkürlich ist, werden wir allgemein von Spielzeug sprechen. Mit Spiel soll ein wesentlicher Teil der Aktivitäten bezeichnet werden, der für den Umgang mit Spielzeugen typisch ist und didaktisch fruchtbar gemacht werden soll.
Schlichting, H. Joachim. In: Der mathematische und naturwissenschaftliche Unterricht 44/2, 74 (1991).
Es werden Schwierigkeiten beim Lernen von Physik angesprochen, die direkt oder indirekt mit dem Wechsel des Vorstellungsrahmens zusammenhängen.
Dies betrifft vor allem den Übergang vom erlebnishaft geprägten common sense zur abstrakten wissenschaftlichen Theorie. Ein Bewußtmachen dieser Probleme kann m.E. dazu beitragen, das Physiklernen zu erleichtern.
Schlichting, H. Joachim. In: P.L. Lijnse (Ed.): The many faces of teaching and learning mechanics; (Proceedings of the GIREP Conference on Physics Education 1984), S. 432, Utrecht (1985).
One severe problem of teaching physics, especially mechanics, is the difficulty in stimulating pupils to investigate and understand objects of everyday life from a physical standpoint, i.e. differently than they are accustumed to doing. Since these objects do not carry, in any simple way, a physical aspect in themselves, the physical consideration of them largely requires one „to describe the world in a way that we do not experience it“. This problem does not fully appear if physics is applied to the artificial world of physical apparatus and materials which have only been prepared to
demonstrate one or at best several physical principles. Normally, this is the case in German schools. Since this world of apparatus scarcely has any connections with the everyday world of the pupils one cannot expect students were able to apply physical principles to it. However, this should be one of the main objectives of physical education, unless physics is to be simply an end in itself.
Wenn die in den letzten Jahren sprunghaft angestiegene Zahl fachdidaktischer Publikationen auch nur einen Bruchteil jener Wirkungen auf die Praxis des Physikunterrichts hatte, die sich die Autoren davon erhofften, brauchte der erst kürzlich diagnostizierte desolate Zustand des Physikunterrichts sicher nicht beklagt zu werden. Einer der Grunde für die offenbare Wirkungslosigkeit theoretischer Arbeiten durfte, vereinfacht gesprochen, darin liegen, daß die schwierigste Aufgabe, die Umsetzung der wort- und zahlreich entwickelten Gedanken in praktischen Unterricht, doch wieder nur dem unterrichtenden Lehrer überlassen bleibt. Wer kann es da dem Lehrer verübeln, skeptisch gegenüber allen theoretischen Äußerungen zum Unterricht zu werden und sich schließlich nur noch auf seine pädagogische Intuition zu verlassen? Wenn wir im folgenden eine Sammlung von für die Praxis geplanten und in der Praxis erprobten Unterrichtsbeispielen der Klassen 5 bis 10 vorstellen, dann nicht, weil wir meinen, daß Theorie überflüssig sei, sondern weil wir davon ausgehen, daß die die Praxis anleitenden Systematisierungen, Modelle und Theorien erst im Kontakt mit praktischer Erfahrung adäquat wahrgenommen, eingesehen und verbessert werden können: Praktische und theoretische Erfahrungen entstehen gewissermaßen gleichzeitig, worauf sich gerade die Gesamtkonzeption der Reihe „Praxis und Theorie des Unterrichts“ beruft. Weiterlesen