In einer äußerlich normalen Pfütze sah ich dieses Muster aus Blasen. Genau genommen sind es keine idealen Blasen, weil sie aus zwei Teilen bestehen, von denen der größere Teil in die Luft ragt und ein kleinerer ins Wasser. Letzteres muss man gar nicht direkt sehen, man kann es erschließen. Denn um eine halbwegs straffe Blase zu sein, muss das Gas im Innern einen höheren Druck haben als der der äußere Luftdruck. Dadurch wird das Wasser entsprechend eingedellt.
Die Blasen vereinigen sich hier in Form eines polygonalen Musters. Am liebsten wäre es ein hexagonale Muster geworden, weil dadurch die kleinste Oberfläche bedeckt worden wäre, was der kleinsten Oberflächenenergie entspricht. Denn die Natur tendiert dazu so viel Energie wie unter den jeweils gegeben Bedingungen möglich an die Umgebung abzugaber. Dazu müssten u. A. die Blasen gleich groß sein. Sind sie aber nicht. Und das hat mit ihrem Ursprung zu tun, die Art und Weise, wie sie aufgeblasen werden. Auf dem Grund der Pfütze lagern vermutlich biologisch aktive Substanzen, wie etwa Algen. Diese geben Gase ab, die meist unbemerkt zur Oberfläche aufsteigen und dort allmählich sichtbare Blasen aufblasen.
Die Blasen sind von einem weißen Ring umgeben. Auch das sind Blasen – Miniblasen. Sie sind deshalb weiß, weil sich die von ihnen ausgehendne Lichtstrahlen mischen und kein auflösbares Bild im Auge erzeugen. Ähnlich verhält es sich ja mit den transparenten Eiskristallen, aus denen der Schnee besteht, auch er sieht weiß aus.
Die Blasen scheinen einen gewissen Abstand zu den Nachbarn zu bewahren. Das sieht aber nur so aus. Denn die Blasen reichen über den durch die Miniblasen gekennzeichneten Bereich hinaus. Sie werden vom Wasser benetzt, das ein stückweit an ihren Wänden hochgezogen wird. Auf dieser konkaven „Kehle“ hocken die von den großen Blasen angezogenen Miniblasen.
Zu besonders kuriosen Phänomenen kann es kommen, wenn die Blasen unter einer Eisfläche aufsteigen.
H. Joachim Schlichting, Christian Ucke. Physik in unserer Zeit 51/6 (2020), S. 302 – 304)
Puffmaiskörner verhalten sich bei Zufuhr von Wärme wie kleine Dampfkessel. Das in ihnen vorhandene Wasser verdampft teilweise und führt schließlich zur Explosion der Körner, wobei die geschmolzene Stärke zu einem Schaum aufgeblasen wird.
Wer sich im Kino an den Geräuschen stört, die mit dem Verzehr von Popcorn bzw. Puffreis einhergehen, sollte sich vielleicht damit trösten, dass diese luftigen und leichten Gebilde den größten Krach bereits hinter sich haben. Den geben sie bei ihrer Geburt von sich, wenn sie mit einem vernehmlichen dumpfen Knall aus einem unscheinbaren Maiskorn hervorgehen. Das dabei vermittelte Gefühl, es mit relativ viel Energie zu tun zu haben, erscheint durchaus gerechtfertigt. Denn die steinharten Körner, an denen man sich ansonsten die Zähne ausbeißen würde, geben sich erst unter großer Hitzeeinwirkung bei einer Temperatur von etwa 180° C geschlagen. Dann blähen sie sich schlagartig zu einem zerfurchtes pilzartigen Gebilde auf, das nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem ursprünglichen Korn aufweist. Lediglich die kleinen braunen Einsprengsel erinnern an die Außenhaut der Körner…
PDF: Miniexplosionen in der Küche
Manuskript der Einreichversion beim Autor erhältlich (schlichting@uni-muenster.de)
H. Joachim Schlichting. Spektrum der Wissenschaft 6 (2010), S. 82 – 83
Dass nichts von selbst geschieht,
sondern unter dem Druck der Notwendigkeit
Leukipp (5. Jh. v. Chr.)
In tiefem Grundwasser kann sich unter hohem Druck viel Kohlendioxid lösen. Wenn sich die Mischung unter speziellen Bedingungen den Weg zur Oberfläche bahnt, kommt es zu einem spektakulären Ausbruch – und zwar immer wieder. Weiterlesen
Der gefleckte Schmalbock, der früher schon einmal Gegenstand dieses Blogs war, beeindruckte mich vor allem dadurch, dass er seine Geißelantennen virtuos in alle Richtungen zu krümmen vermochte (siehe Foto). Als ich ihn dabei beobachtete war es nur eine reine Trockenübung. Vielleicht wollte er sie gerade nur recken und strecken, so wie wir es manchmal mit unseren Armen machen. Weiterlesen
Frage: Wie kommt es zu den Nebelstreifen?
Antwort: Bei dieser Art Kondensstreifen handelt es sich um sogenannte Wirbelschleppen. Sie zeigen sich manchmal kurz nach dem Start oder vor der Landung. Dann nämlich fährt der Jet die Landeklappen aus der Tragfläche (die korrekter als „Auftriebshilfen“ bezeichnet werden sollten), wodurch sich deren Anstellwinkel vergrößert und damit die aerodynamische Auftriebskraft auf eine größere Fläche wirkt. So gelingt das Abheben auch bei verhältnismäßig niedrigen Geschwindigkeiten.
Auf diese Weise entsteht ein enormer Druckunterschied zwischen Ober- und Unterseite der Tragflächen, der an ihren Seiten zu Ausgleichsströmungen von unten nach oben führt. Weil gleichzeitig die Luft von vorn nach hinten strömt, kommt es zu einer zopfartigen Aufwicklung der Strömungsfäden. Und weil der Druck in der Luftströmung stark abnimmt, sinkt die Temperatur schlagartig – nicht anders als bei einem gerade geöffneten Ventils eines Autoreifens. Denn für die mit der Druckabnahme verbundene Ausdehnung benötigt die Luft Energie, die sie aus dem Reservoir ihrer inneren (thermischen) Energie abzapft. Der Vorgang läuft nämlich so schnell ab, dass es zu lange dauern würde, bis durch Wärmeleitung Energie aus der weiteren Umgebung herangeschafft würde. Durch die Abnahme ihrer inneren Energie kühlt sich die Luft lokal stark ab. Und wenn dann auch noch die absolute Wasserdampfkonzentration größer ist als die maximale Wasserdampfkonzentration bei dieser niedrigen Temperatur, kondensiert der überschüssige Wasserdampf zu Wassertröpfchen: Es kommt also zur beobachteten Nebelbildung.
Die Wirbelschleppen unterscheiden sich von den normalen Kondensstreifen auch noch durch einem interessanten Nebeneffekt: Sie treten immer paarweise mit gegenläufigem Drehsinn auf, sodass sich der Gesamtdrehimpuls zu Null summiert.
Nebelfäden über den Tragflächen treten bei genügender Luftfeuchte manchmal auch in voller Reiseflughöhe über die Tragflächen strömend auf. Sie verdanken sich dem starken Druckabfall über den Tragflächen und führen bei den ohnehin schon sehr tiefen Temperaturen die Kondensation überspringend zur Resublimation des Wasserdampfs zu feinen Eiskristallen.
H. Joachim Schlichting. Spektrum der Wissenschaft 6 (2019) S. 58 – 59
Was ist aber aus der Blase indessen geworden?
Sie ist ja zerplatzt ins Nichts,
wo ist nun noch eine Spur der Majestät,
mit der sie umkleidet war?
Bettina von Arnim (1785–1859)
Luftblasen, die auf der Wasseroberfläche schwimmen, platzen irgendwann – und lösen mehrere physikalische Prozesse aus. Dabei ist die treibende Kraft die Oberflächenspannung des Wassers. Weiterlesen
Frage: Warum rotiert die Kugel fast reibungsfrei?
Antwort: Im öffentlichen Raum trifft man oft Kunstwerke in Form von rotierenden Steinkugeln an. Sie sind passgenau in eine sphärische Lagerung eingelassen und werden von einem dünnen Wasserfilm getragen. Dadurch wird die Reibung mit dem Untergrund so stark herabgesetzt, dass die oft tonnenschweren Kugeln mit Hand in Drehung versetzt werden können. Oft behalten sie diese Drehung sehr lange bei, weil sie wegen der großen Masse ein sehr großes Trägheitsmoment besitzen. Daher sind die wegen der geringen Reibung nur geringen Energieverluste kaum zu bemerken.
Das Wasser wird in der Mitte unter der Kugel in den Zwischenraum gepresst und tritt an der oberen Kante der Lagerung wieder aus. Bei den großen Kugeln im öffentlichen Raum ist man meist überrascht, wie gering die ausströmende Wassermenge und wie dünn der Wasserfilm sind. Eine Postkarte lässt sich normalerweise nicht in den Zwischenraum zwängen. Da solche Kugeln oft im öffentlichen Raum stehen, wird dies schon aus Sicherheitsgründen erforderlich, damit Kinder nicht ihre Finger dazwischen stecken können. Dieser geringe Zwischenraum bedeutet, dass die polierten Kugeln äußerst präzise gearbeitet sein müssen. Angesichts dieser Präzision kann man sie trotz der geringen Komplexität und der Gewöhnlichkeit des Materials als High-Tech-Produkte ansehen.
Der Druck, mit dem die Kugel in der Schwebe gehalten wird ist erstaunlich gering. Er wird dadurch aufrechterhalten, dass durch einen Zufluss in der Mitte der Kugelkalotte Wasser in den Zwischenraum gepresst wird. Dieses erzeugt einen Keil zwischen Kugel und Lagerung und trennt beide voneinander.
Warum rotiert die Kugel fast reibungsfrei? Weiterlesen
Vor kurzem hatte ich die Gelegenheit, den größten Kaltwasser-Geysir der Welt beim Ausbrechen und anschließenden Zusammenbrechen zu beobachten – und das aus nächster Nähe. In Andernach am Rhein ist dieses mit etwas menschlicher Nachhilfe zustande gekommene Naturschauspiel mehrmals am Tage zu erleben.
Anders als die bekannten Geysire in Island und anderswo, die mit Wasserdampf angetrieben werden, bezieht dieser Kaltwassergeysir seine Energie im Wesentlichen aus der Tendenz von Kohlenstoffdioxidgas, CO2, sich in Wasser aufzulösen. Weiterlesen
Als Kind konnte ich Disteln nicht leiden, weil sie mich so manches Mal leiden ließen. Ihre Dornen sind nicht ganz ohne und das nicht ohne Absicht. Denn sie wollen sich nicht fressen lassen. Wer will das schon. Aber ich kann schwören, dass ich nie eine solche Absicht gehabt habe.
Dadurch dass biologisches Gewebe zu einer Spitze mit einer winzigen Fläche verjüngt wird, übt es bereits bei verhältnismäßig geringen Kräften, sehr große Drücke aus. Denn der Druck, mit dem der Dorn beispielsweise auf die Haut eines gefräßigen Tieres oder die Arme eines unvorsichtigen Kindes wirkt, ist gleich dem Quotienten aus Kraft und Fläche und daher bei gegebener Kraft umso größer, je kleiner die Fläche der Dornenspitze ist.
Die auf diesen physikalischen Gegebenheiten beruhenden negativen Kindheitserfahrungen haben den Blick für die Schönheit der Distel lange verstellt. Wenn ich an die Mariendistel denke, zeigt sich die Schönheit bereits darin, dass der korbförmige Blütenstand mit einer zwar rauen aber nahezu perfekten Kugelform beginnt, aus deren Oberfläche nach einem gleichzeitig ästhetisch ansprechenden und ökonomisch perfekten System die Dornen sprießen.
Später verschlanken sich diese Körbe und lassen die purpurfarbenen bis violetten Blütenblätter hervortreten, die besonders bei Bienen, Hummeln und Schmetterlingen beliebt zu sein scheinen. Jedenfalls war es kaum möglich, eine Blüte ohne Insektenbesuch zu fotografieren (oberes Foto).
Anschließend sieht es so aus, als sei es mit der Ästhetik vorbei. Die Farben verblassen, die Hülle vertrocknet. Doch nach einiger Zeit scheint der Korb geradezu zu explodieren und lässt eine Unmenge an glänzend weißen, filigranen Federkronen hervorquellen, die jede mit einem glänzend dunklen Samenkorn versehen ist. An der Menge dieser flockigen Gebilde kann man bereits erkennen, dass sie eine sehr geringe Dichte haben müssen, um aus dem verhältnismäßig kleinen Volumen hervorzugehen. In der Tat bestehen sie hauptsächlich aus Luft und einigen sehr leichten verzweigten Härchen. Durch diese Aufbauschung einer geringen Masse zu einem großen Volumen sind der Luftwiderstand und der Auftrieb groß, sodass schon ein kleiner Windhauch ausreicht, die Samenkörner weit fortzutragen.
Schlichting, H. Joachim. Spektrum der Wissenschaft 1 (2017) S. 62 – 63
In wenigen Stunden ist es Nacht, und das Jahr
geht zu Ende im Geknall der Champagnerpfropfen
und der Raketen.
Eugenio Montale (1896-1981)
Beim Öffnen einer Sektflasche nimmt der Druck darin schlagartig ab. Das kann verschiedenste Vorgänge zum Ausgleich der Kräfte anstoßen – vom sanften Prickeln bis zur Schaumfontäne.
Unter Sekt- und Champagnertrinkern gehört das Knallen der Korken nicht zum guten Ton. Viele Feiernde lassen es dennoch gern krachen, zumeist in ohnehin akustisch aufgeladener Atmosphäre wie etwa beim Begrüßen des neuen Jahrs. Obwohl es in so einer Umgebung schwer ist, leise Töne wahrzunehmen, lohnt es sich, genauer hinzuhören. Nicht nur das Zischen beim Eingießen in das Spitzglas, auch die feinen Implosionen, mit denen die winzigen Blasen auf der Oberfläche des Getränks ihr Leben aushauchen, gehören zum Gesamterlebnis. Was treibt diese Prozesse an?
PDF: Lasst die Korken knallen!
Schlichting, H. Joachim. Spektrum der Wissenschaft 6 (2016) S. 44 – 47
Drückt ein Luftstrom gegen einen aufgespannten Flüssigkeitsfilm und wölbt ihn genügend stark ein, schnüren sich kugelförmige Teile ab – genannt Seifenblasen.
»Und sie reicht ihm willig Krug und Ähre,
und er bläst den Schaum,
und sieh da, die wunderschöne Sphäre
wölbt sich in den Raum,
wölbt sich auf, als obs ein Weltball wäre,
nicht nur Schaum und Traum.«
Christian Morgenstern (1871 – 1914)
PDF: Himmlische Sphären
In: Schlichting, H. Joachim. Spektrum der Wissenschaft 5 (2015), S.46 – 47
Wenn sich Maiskörner bei hohen Temperaturen auf einen Schlag in Popcorn verwandeln, kann nur noch eine High-Speed-Kamera das Geschehen erfassen.
»Hier finden die Metamorphosen,
die dem Ovid so am Herzen lagen,
ein weiteres Betätigungsfeld.«
Michel Onfray (geb. 1959)
Schlichting, H. Joachim. In: Physik in unserer Zeit 4 (2014), S. 202 – 203
Große rotierende Granitkugeln im öffentlichen Raum sind entgegen allem Anschein High-Tech-Produkte. Sie driften auf einem sehr dünnen Wasserfilm. Die Kugel muss daher äußerst präzise gearbeitet sein.
Rotierende Kugeln aus Granit und anderen Materialien trifft man im Großen wie im Kleinen als Kunstwerke und Designobjekte an, vor allem in privaten und öffentlichen Gärten und Gebäuden. Sie sind passgenau in eine sphärische Lagerung eingelassen und werden von einem dünnen Wasserfilm getragen. Das Wasser wird in der Mitte unter der Kugel in den Zwischenraum gepresst und tritt an der oberen Kante der Lagerung wieder aus. Bei den großen Kugeln im öffentlichen Raum ist man meist überrascht, wie gering die ausströmende Wassermenge ist. Die Kugeln können auf diese Weise fast reibungsfrei auf dem Wasserfilm rotieren, was besonders eindrucksvoll bei großen Exemplaren mit einem Durchmesser von rund einem Meter und einem Gewicht von mehr als einer Tonne ist. Mit geringer Anstrengung in die lassen sie sich beliebig drehen. Weiterlesen
Erklärung des Rätselfotos des Monats April: Umkehrspiegel fürs Badezimmer
Ucke, Christian; Schlichting, H. Joachim. In: Physik in unserer Zeit 24/1, 44 (1994).
Träge bewegen sich farbige Glaskugeln in einem schlanken Zylinder und zeigen die Temperatur an. Schon seit über 300 Jahren bewährt sich das Konstruktionsprinzip dieses ästhetisch ansprechenden Thermometers.
Ucke, Christian; Schlichting, H. Joachim. In: Physik in unserer Zeit 24/2, 91 (1993).
Im Besitz des deutschen Dichters und – weniger bekannt – Naturforschers Johann Wolfgang von Goethe befand sich ein dekorativer Wandschmuck, der in Deutschland seither Goethe-Barometer, Goethe-Glas, Goethe-Wetterglas oder auch einfach Wetterglas genannt wird. Unter dieser Bezeichnung findet es sich in manchen Einrichtungsgeschäften und wird im Versandhandel vertrieben]. Entgegen einiger Werbeanpreisungen hat es aber nicht Goethe selbst erfunden.
PDF: Das Goethe-Barometer
Schlichting, H. Joachim. Praxis der Naturwissenschaften – Physik 41/2, 27 (1992).
Spielen ist nicht unbedingt an Spielzeug gebun-den. Mit zahlreichen Gebrauchsgegenständen läßt sich ebenso intensiv und manchmal noch kreati-ver spielen als mit Spielzeug. Das soll an einigen weniger bekannten „Spielen“, demonstriert wer-den, die aus physikalischer Sicht zur Kategorie der Freihandversuche zählen. Das gemeinsame „Substrat“ dieser Spiele sind Wasser und Luft.
PDF: Spiel mit den Elementen: Wasser und Luft in Freihandexperimenten