Schwerlilienblätter haben eigentlich eine grüne Farbe. Hier schwanken sie zwischen Grün und Blau. Schuld daran ist der Frost. Das Sonnenlicht fällt ein wenig schräg von hinten ein. Die senkrecht zum einfallenden Sonnenlicht orientierten Blätter, zeigen in Durchsicht die typische grüne Blattfarbe. Die weitgehend im Schatten liegenden Teile der Blätter zeigen in diesem Fall ein teilweise intensives Blau. Dafür sind die Eiskristalle verantwortlich, die die Blätter zum großen Teil bedecken. Weil kein durchscheinendes Grün auftritt, kann nur das Himmelblau reflektiert werden, was an diesem sonnigen Wintermorgen durch Reflexionen an den Eiskristallen deutlich verstärkt wird. Auf diese Weise entsteht ein sehr ungewohnter – man könnte fast sagen – künstlicher Eindruck.
Wir möchten die ungefähre Tageszeit der Aufnahme wissen.
Erklärung des Rätselfotos des Monats Februar 2023
Frage: Wie kommt es zu diesem Flechtwerk?
Antwort: Bei dem Flechtwerk handelt es sich um besonders strukturierte Eisblumen auf einer Fensterscheibe. Zu Eisblumen kann es kommen, wenn die Temperatur der Glasscheibe zunächst unter den Taupunkt sinkt. Dann übersteigt die absolute Wasserdampfkonzentration die maximal mögliche und der überschüssige Dampf kondensiert in Form winziger Tröpfchen an der Scheibe. Sobald die Temperatur auch noch den Gefrierpunkt des Wassers unterschreitet kristallisieren sie schließlich zu Eis. Manchmal kommt es gar nicht erst zum Zwischenschritt des Verflüssigens. Denn unter bestimmten Bedingungen geht Wasserdampf auf direktem Weg in Eis über, er resublimiert.
Der Ursprung der Eisblumen liegt in winzigen Kristallen mit einer für Wassermoleküle charakteristischen sechseckigen Struktur. Sie entstehen an Kondensationskeimen, etwa Schmutzpartikeln, an denen sich Tröpfchen beziehungsweise Kristalle spontan bilden können. Indem sich an ihnen weitere Wassermoleküle anlagern breitet sich die Kristallisation aus. In welche Richtung das geschieht hängt davon ab, ob die dabei freiwerdende thermische Energie genügend schnell an die Umgebung abgegeben wird. Das führt dazu, dass die Anlagerungen exponierte Spitzen ausbilden, die sich vom Ursprung entfernen. Mit zunehmender Entfernung dieser Triebe vom Zentrum vergrößert sich die Wahrscheinlichkeit Kristallisationswärme abzugeben, sodass Nebentriebe entstehen können. Sie schlagen dann ihrerseits einen Weg ein, der sowohl vom Ursprung als auch vom jeweiligen Zweig weg gerichtet ist ähnlich wie bei verzweigten Pflanzen, die zum Licht hin streben. Die Besondere Form der Verzweigungen wird u. A. von der Umgebungstemperatur, Feuchte, Luftströmungen und Verunreinigungen bzw. Kratzspuren in der Scheibe beeinflusst, sodass es schließlich zu farn- und blumenartigen Strukturen kommt. Die im vorliegenden Fall zu beobachtenden nicht sehr häufig vorkommenden zopfartigen Gebilde sind bei sehr niedriger Temperatur (ca. – 18° C) an einer alten, vermutlich mit feinen Kratzern übersäten Scheibe bei relativ starkem Wind entstanden.
Man könnte auch sagen Eis und bunt. Denn die weißen Pflanzen, die sich hier als Alternative zur Botanik aufspielen, sind Kristalle aus Eis. Interessanterweise haben sie sich an den Resten der botanischen Pflanzen niedergelassen, so als würden sie nur das fortsetzen, was die grünen Pflanzen zurzeit der Kälte wegen weitgehend ruhen lassen müssen. Sie wetteifern auf diesem Foto mit den bunten Farben auf dem zu Matsch marginalisierten und dann gefrorenen ehemaligen Bach. Farbgeber ist eine andere uns wenig vertraute aber dafür zur organischen Welt gehörende Lebenform: Bakterienkolonien. Sie existierten hier schon vor dem Frost als Biofilm, in einer dünnen Kahmhaut, die die Bakterien auf dem Wasser bildeten. An den schönen Interferenzfarben kann man erkennen, dass diese Haut sehr dünn ist (Größenordnung: Wellenlänge des sichtbaren Lichts). Ob die Tierchen trotz der Erstarrung zu einer Eisschicht noch leben und die Frostphase lebend überstehen, konnte ich auf die Schnelle nicht herausfinden.
Die hohen Bäume haben weitgehend verhindert, dass sich in der vorangegangenen sternklaren Nacht die Energieverluste (durch Abstrahlung zum kalten Himmel) von den unter ihrem Dach hausenden kleineren Pflanzen in Grenzen hielt. Jedenfalls reichte die Abkühlung nicht aus, dass der Tau- und Gefrierpunkt unterschritten wurde. Sie blieben weitgehend trocken und eisfrei. Weitgehend. Denn eine Pflanze machte eine auffällige Ausnahme und ließ sich von einer leuchtend weißen Reifschicht überziehen. Vor dem ansonsten relativ dunklen, meist durch Brautöne bestimmten Hintergrund nimmt sich diese faszinierende Symbiose aus organischen und anorganischen Strukturen wie ein dendritischer Leuchtturm aus.
Diese Interpretation des Szenarios lässt sich dadurch stützen, dass ich von der Planze aus durch eine Lücke im Blätterdach der Bäume auf den unbewölkten Himmel blicken kann. Auf diese Weise strömt reichlich Licht ein, das an den Eisstrukturen nahezu vollständig reflektiert wird und zu diesem erhellenden Effekt führt – und mich zu dieser kleinen Geschichte anregt.
Diese krummen Dinger am Himmel irritieren die bisherige Vorstellung von schnurgeraden Kondensstreifem. Denn solche Streifen treten nur in großen Höhen (ab ca. 6000 m) auf, die typisch für den weiträumigen Flugverkehr mit Düsenflugzeugen sind. Solche Flugzeuge haben meistens ein klares Ziel und zeichnen sich daher auch durch eine entsprechende Geradlinigkeit aus. Daher tritt hier angesichts solcher Bilder (Fotos) die Frage auf, ob es sich dabei überhaupt um Kondensstreifen handeln kann. Denn welches Flugzeug kann es sich erlauben, auf diese spektakuläre Weise am Himmel herumzuwuseln? Ja, es sind Kondensstreifen und die Wuselei ist der Ausdruck von Manövern, die die Bundeswehr mit Eurofightern und Tornados über unseren Köpfen vollführt.
In diesem Blog ist bereits mehrfach über Kondensstreifen berichtet worden (z.B. hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier).
So zart und harmlos diese meteorologischen Haarlöckchen auch erscheinen mögen, so sind sie doch eiskalt. Sie bestehen aus feinen Eiskristallen und halten sich dementsprechend dort auf, wo die Bedingungen dafür ideal sind – in großer Höhe. Aber schön sind sie doch.
In diesen Nächten kommt der Frost nochmal zu seinem Recht und beeindruckt am Morgen mit den in der Nacht fertiggestellten Kunstwerken. Soll damit der Entwicklung in der Botanik Nachdruck verliehen werden? Jedenfalls sieht es mir auf der rechten Seite des Fotos so aus, als sollte hier ein Farnblatt entstehen. Als Display wird die randvolle Regentonne benutzt. Der ganz in der Nähe vorhandene Teich wurde gemieden. Dessen Wärmekapazität ist wegen der Größe des Wasserreservoirs einfach zu groß, um an der Oberfläche Temperaturen von 0° C zu ermöglichen.
Die Reste der vergangenen Vegetationsphase verschwinden unter der Wasseroberfläche eines Teiches. Manche Blätter lassen sich noch nicht ganz unterkriegen und versuchen den Kontakt mit der neuen Vegetationsphase herzustellen. Auch wenn der Frost der vergangenen kalten Nächte ein solches Geplänkel mit einer trennenden Eisschicht zu unterbinden versuchte, entstanden wie zum Trotz und zum Trost, je nachdem wie man es ansieht, einige kristalline Pflänzchen, die – weil es ihnen nicht anders möglich ist – auf den unvermeidlich anstehenden Frühling verweisen.
Was hier so federleicht und bunt daherkommt, sind nicht die Federn eines bunten Eisvogels. Vielmehr blickt man auf Eiskristalle, die sich in einer dünnen Schicht ziemlich schnell ausbreiten. Normalerweise ist Eis unbunt zwischen transparent und weiß changierend. In diesem Fall liegt die Eisschicht zwischen zwei Polarisationsfolien. Die vor der Eisschicht platzierte Folie polarisiert das einfallende Licht und die hinter der Eisschicht befindliche Folie analysiert das beim Durchgang durch die Eiskristalle modifizierte Licht. Diese Modifikation (siehe unten) macht sich durch bunte Farben bemerkbar, die gewisse Auskünfte über die innere Struktur der Eiskristalle geben.
Wer es physikalisch etwas genauer wissen will, dem sei gesagt, dass Eis die optische Besonderheit hat, doppelbrechend zu sein: Das durch die Eisscholle hindurchgehende polarisierte Licht wird in zwei leicht unterschiedliche Richtungen gebrochen, so dass es in zwei Teilstrahlen zerfällt. Diese unterscheiden sich in ihrer Ausbreitungsgeschwindigkeit. Infolgedessen entsteht zwischen beiden Teilstrahlen eine unter anderem von der Wellenlänge abhängige Phasendifferenz. Sie macht sich in einer entsprechenden Drehung der Polarisationsebene bemerkbar, wenn sich die Teilstrahlen des Lichts beim Austritt aus dem Eis überlagern. Tritt dieses Licht dann durch ein Polarisationsfilter oder wird es in einem bestimmten Winkel reflektiert, so werden den unterschiedlichen Drehungen der Polarisationsebene entsprechend die verschiedenen Wellenlängen nur mehr oder weniger gut durchgelassen. Die auf diese Weise veränderten Intensitäten der einzelnen Wellenlängen des ehemals weißen Lichts äußern sich in verschiedenen Farben.
Wer sich nach einer feuchten Wetterperiode bei Temperaturen etwas unterhalb des Gefrierpunts vom Wege durch ein weitgehend naturbelassenes Waldstück abweicht, hat eine Chance, Haareis zu finden. Dass die Chance nicht allzu groß ist, sollte ich selbst erleben, der ich nun schon seit Jahren durch ein geeignetes Waldstück spaziere, von dem ich meine, dass in ihm bei den passenden meteorologischen Bedingungen Haareis zu finden sei. Inzwischen hatte ich mich so an meinen Wald gewöhnt, dass ich dort auch zu anderen Jahreszeiten meines Weges ging und andere spannende Phänomene vorfand, die teilweise auch Eingang in diesen Blog gefunden haben.
Daher verdanke ich die vor wenigen Tagen gemachten Entdeckungen auch eher dem Zufall als einer zielgerichteten, systematischen Suche. Diesmal kurz nach der Wintersonnenwende war die Sonne bereits hinter dem südlichen Berghang des Hüggeld (230 m) verschwunden, sodass mein Weg im Schatten lag. Um noch etwas von der Sonne zu erwischen beeilte ich mich daher aus dieser Gegend wegzukommen. Plötzlich schienen auf dem im Schatten liegenden Waldboden gleich mehrere Stellen wie aus sich heraus aufleuchten, was meine Neugier erweckte. Zunächst dachte ich an achtlos weggeworfene Tempotaschentücher, die durch ihre optischen Aufheller manchmal eine erstaunliche Leuchtkraft entwickeln. Merkwürdigerweise kam es mir überhaupt nicht in den Sinn, dass es sich um das Objekt meiner Wünsche handeln könnte, das einmal den Anlass gab, hier zu spazieren. Erst als ich die feinen Haarbüschel vor Augen hatte, die aus den am Boden liegenden, morschen Ästen herauswuchsen, fiel der Groschen. Soweit zur Vorgeschichte, die mir schön öfter in dieser Weise passiert ist, und nun etwas zur Physik.
Die feinen Eishaare, die hier büschelartig aus den feuchten, morschen am Boden liegenden Holzstücken (Reste von Buchenästen, aber auch einige andere Bäume sind geeignet) wucherten, hatten offenbar ideale Wachstumsbedingungen vorgefunden: durchnässtes morsches Holz bei Temperaturen leicht unter dem Gefrierpunkt. Wie kommt es zu diesem Phänomen?
Wissenschaftlich nachgewiesen ist, dass Haareis durch ein im Holz lebendes Pilzmyzel verursacht wird. Diese These ist schon sehr alt und geht auf Alfred Wegener (1880 – 1930) zurück, dessen Name vor allem mit der Kontinentalverschiebungstheorie verbunden ist. Ausgehend von Wegners Ergebnissen und der Fachliteratur über Haareis und ähnliche Phänomene haben neuere Untersuchungen experimentell und theoretisch die Pilzthese erhärtet. Dazu haben die Forscher zum einen zeigen können, dass auf Holzstücken, die natürlicherweise von Haareis befallen waren, dieses in geeigneten Frostnächten erneut sprießte, wenn man vorher die alten Haare beseitigt hatte. Sobald man allerdings dem vermuten Pilzmyzel mit Hitze (Kochen), Alkohol oder einem Fungizid zu Leibe rückte, blieb der anschließende Haareisbefall ganz oder zumindest teilweise aus.
Nach Auswertung und Analyse wissenschaftlichen Beobachtungen und Experimente, ergibt sich folgende Erklärung für das Zustandekommen von Haareis:
– Urheber des zur Haareisbildung führenden Prozesses ist ein im Holzkörper, vor allem in den Holzstrahlen lebendes Myzel eines winteraktiven Pilzes. Es konnten mehrere Arten von auf Laubholz spezialisierten Asko- und Basidiomyzeten identifiziert werden.
– Der Pilz baut die in den Holzstrahlen vorhandenen organischen Nährstoffe (Kohlenhydrate, Lipoide) durch einen aeroben Dissimilationsprozess (Zellatmung) ab. Oxydative Endprodukte sind CO2 und H2O.
– Der Druck des entstehenden CO2-Gases drängt mit dem Oxydationswasser auch im Holz gespeichertes Wasser durch die Holzstrahlkanäle an die Oberfläche.
– Im ausgestoßenen Wasser befinden sich als ‚Verunreinigung’ unvollständig abgebaute organische Substanzen. Dank der als Kristallisationskeime wirkenden organischen Moleküle gefriert das Wasser beim Austritt an die Luft schon knapp unterhalb von 0° C: Am Ausgang der Holzstrahlen entstehen Eishaare.
– Die in den Eishaaren enthaltene organische Substanz kann winteraktive Insekten (Collembolen) anziehen.
– Beim Schmelzen der Eishaare wird die organische Substanz als dünner Faden sichtbar, an dem sich perlenartig Wassertröpfchen bilden.*
* Gerhart Wagner und Christian Mätzler. Haareis auf morschem Laubholz als biophysikalisches Phänomen. Hair Ice on Rotten Wood of Broadleaf Trees – a Biophysical Phenomenon. Forschungsbericht Nr. 2008-05-MW 2008
Da hier ebenso wie bei uns im Hause ausnahmsweise die klassischen Weihnachtbäume – ich meine die mit den richtigen – Nadeln in der Minderheit sind, leisten einige Laubbäume Amtshilfe. Da sie im Winter ohnehin nichts zu tun haben, weil sie im Herbst alle Blätter abgegeben haben, stellen sie sich bzw. ihre Äste und Zweige bereitwillig für die Aufnahme „echter“ Nadeln zur Verfügung. Es sind zwar keine botanischen Nadeln, sondern solche, die sich die Natur mit einigen ihrer zur Gebote stehenden Zutaten aus nichts als Wasser erschafft und den angebotenen nackten Ästen und Zweigen kunstvoll anheftet. Kunstvoll ist vielleicht nicht das richtige Wort, weil hier doch die Natur am Werke ist. Aber ihr wisst was gemeint ist: Naturschönheit. Jedenfalls sehen die Nadeln und damit die alternativen Weihnachtsbäume bis auf die Farbe ziemlich echt aus, wenngleich sich die Motive für derartige exzentrische Bewegungen unterscheiden: Während die grünen Nadeln dem Licht zustreben, suchen die weißen Nadeln die Kälte.
Die weiße Farbe hat sogar einen Vorteil – sie hellt den düsteren Wald an dieser Stelle stimmungsvoll auf und lenkt den Blick verheißungsvoll auf das Helle, dem wir in der nächsten Zeit entgegengehen. Für die Natur ist das zwangsläufig durch den Umlauf der Erde um die Sonne gegeben, für andere Entwicklungen kann nur die Hoffnung auf Aufhellung- und Aufklärung in Anspruch genommen werden.
Die Hoffnung wird nicht umsonst mit der Farbe Grün in Verbindung gebracht. Das „Grüne“ in dieser weißen Belaubungsaktion der Natur könnte man auch darin sehen, dass es hier kein Entsorgungsproblem gibt. Im Gegenteil, sobald es wieder wärmer wird, dienen die verflüssigten Nadeln einer ersten Wässerung für einen Wachstumsimpuls dem Frühling entgegen: Diese Weihnachtsbäume nadeln nicht, sie tropfen. Ich weiß, soweit sind wir noch nicht und wir feiern jetzt erst einmal Weihnachten!
Noch fährt der Winter zumindest bei uns einen ausgesprochenen Zickzackkurs und visualisiert ihn auch gleich in zugleich symbolischer wie naturschöner Weise auf einem Stechpalmenblatt. Da sich diese Pflanze ohnehin weigert im Winter ihr Grün abzulegen, ist dies eine schöne Möglichkeit des Winters sich auf ihr bemerkbar zu machen. Sie hat in einigen Ländern eine länger Tradition als typische Weihnachtspflanze als der Weihnachtsbaum, was neben dem Immergrün auch durch die knallroten Früchte gut zu verstehen ist. In diesem Zusammenhang spricht man auch von Christdorn.
Übrigens ist die Stechpalme der (Ilex aquifolium) „Baum des Jahres 2021“. Sie ist neben dem Efeu, Buchsbaum und Eibe eine der wenigen heimischen immergrünen verholzten Blattpflanzen.
Einen schönen Beitrag zum Baum des Jahres 2021 findet man zum Beispiel hier.
Jetzt beginnt die Zeit, in der die Herbstfarben allmählich in den Hintergrund treten, auch wenn sie noch keck durch die Kristalle hindurchschimmern, mit denen der aus Schwarzweiß ausgerichtete Winter das Bunte zu überkrusten versucht. Die Eiskristalle haben sich in der klaren kalten Nacht gebildet. Sie streben alle in nachbarschaftlicher Konkurrenz dem Himmel zu, weil es in der Nähe der Blattoberfläche noch zu warm ist, um die Kristallisationswärme loszuwerden. Denn das ist der energetische Preis für den Übergang vom Gas zum Festkörper.
Jeder Kristall startet auf einem Härchen oder einer kleinen Erhöhung auf dem Blatt und wartet auf Wasserdampfmoleküle, die sich den bereits kristallisierten und damit fixierten zugesellen.
Wir sehen hier nicht mehr die Schönheit des Herbstes, sondern des Übergangs zum Winter, der demnächst auch offiziell beginnt. Inoffiziell hält er ja bereits als meteorologischen Winterbeginn seit Monatsanfang in unseren Breiten seinen noch schüchternen Einzug.
In einer klaren Nacht strahlen kleine Objekte – hier die feinen Strukturen der Efeu-Blätter – viel mehr Energie in den kalten Weltraum als sie von dort erhalten. Dadurch sinkt die Temperatur dieser Strukturen unter den Taupunkt. Da dieser jahreszeitlich bedingt immer häufiger unter den Gefrierpunkt sinkt, haben überschüssige Wasserdampfmoleküle, die in ihre Nähe geraten nichts besseres zu tun, als sich dort niederzulassen – als Eiskristalle. Auf dieses Weise ziehen sie Konturen nach und versehen die Blätter mit kleinen kristallenen Tupfern. Die Natur hat eben Geschmack.
Der nächste Tag brachte blauen Himmel und Zirruswolken, die gezerrt und vom Licht verklärt eine Vorstellung von hoher Ferne erzeugten. Als Kind hatte er lange unter dem Blattwerk der Sommerbäume gelegen, neben Getreidefeldern, um den vorüberziehenden Wolken Formen und Gesichter zu geben.*
Auf dem Foto sind klassische Cirruswolken zu sehen, die manchmal auch Stutenschwänze genannt werden, eine Bezeichnung, die vermutlich aus dem bäuerlichen Milieu stammt, in dem man mit Pferden zu tun hatte. Cirren treten in großer Höhe auf (5000 bis 13700 m) und bestehen wegen der dort herrschenden tiefen Temperaturen aus Eiskristallen. Sie sind oft vor einer Verschlechterung der Wetterbedingungen zu sehen und kündigen Niederschläge an. Sie selbst sind daran allerdings nicht beteiligt. Allenfalls fallen sie als Fallstreifen in wärmere und trockene Luft und verdampfen dabei ohne die Erdoberfläche zu erreichen.
Ihrer locken- und strähnenartigen Beschaffenheit zufolge kann man ihnen ansehen (Foto), wie sie durch die in großen Höhen herrschenden Winde auseinandergetrieben werden.
*Nicolaus Bornholm. America oder Der Frühling der Dinge. Frankfurt 1980, S. 112
In der letzten Zeit habe ich mehrere Anfragen zu Phänomen erhalten, die sich als „Leuchtende Nachtwolken“ erwiesen. (In Anlehnung an die englischsprachige Bezeichnung NoctiLucend Clouds, NLC, spricht man inzwischen auch von NachtLeuchtenden Wolken). Die Jahreszeit in der in unseren Breiten NLCs beobachtet werden können, neigt sich dem Ende zu. Das möchte ich zum Anlass nehmen, auch in diesem Blog noch einmal kurz auf das offenbar nicht sehr bekannte Phänomen einzugehen. Zahlreiche eindrucksvolle Fotos und Beschreibungen findet man im Blog Fichtelberg im Erzgebirge und Umgebung von Claudia Hinz. Weiterlesen
Vorgestern hat der Nachtfrost bei uns noch einmal zugeschlagen. Einige Pflanzen haben sehr gelitten. Wie zum Ausgleich gab es jedoch auch einige schöne Anblicke, die ich hier in einer kleinen Auswahl von Fotos zeigen möchte.
Der Wintergarten war erstmalig in diesem Jahr von girlandenartigen Eisblumen überzogen (oben links). Doch ich musste mich beeilen sie fotografisch festzuhalten, da die Sonne bereits an ihnen knabberte und einerseits den Durchblick auf die in der Sonne stehende Eiche erlaubte (oben rechts) und andererseits eine faszinierende Tropfenlandschaft entfaltete (oben Mitte), die bei näherem betrachtet (unten links und Mitte) die Außenwelt auf ihre Weise aufnahmen und wiedergaben. Der im Schatten liegende zugefrorene Brunnenring konnte indes seine Eiskristalle noch einige Zeit vor der gefräßigen Sonne bewahren. (Zum Vergrößern anklicken!)
Nachdem der sintflutartige Regen abgeklungen ist, erhebt sich am folgenden Morgen eine prominente Lichtsäule. Sie befindet sich oberhalb der noch unter dem Horizont befindlichen Sonne, indem das Sonnenlicht an der Unterseite zahlreicher Eisplättchen ins Auge des Betrachters bzw. ins Objektiv der Kamera reflektiert wird. Die Eisplättchen sinken bei relativer Windstille langsam um eine horizontale Achse schwankend zu Boden (siehe Grafik). Eine konkrete Anschauung vom Verhalten eines einzelnen Eisplättchens kann man sich beispielsweise dadurch verschaffen, dass man eine Spielkarte waagerecht ausgerichtet zu Boden fallen lässt.
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Endlich mal ein Sternenhimmel, an dem die Sterne ihre zackige Sternform bewahrt haben. Zwar sieht man auch noch schemenhaft die typischen Spuren von Sternen, die auf Langzeitaufnahmen zeigen, dass sie scheinbar um den Polarstern kreisen – doch damit fällt das schöne Bild auseinander. Denn Fixsterne können nicht gleichzeitig auf demselben Foto fix sowohl in der Bedeutung von fest als auch von schnell bewegt sein. Weiterlesen
Auf einer Bahnfahrt in den Abendstunden bot sich mir während zwei Stunden ein faszinierendes Schauspiel am westlichen Abendhimmel dar. Zunächst traten erste Zirren auf; teilweise gingen sie aus Kondensstreifen von Flugzeugen hervor. Dann tauchte die Sonne, die es plötzlich mit dem Untergehen sehr eilig zu haben schien, in diese Bewölkung ein und machte die Betrachtung wesentlich angenehmer. Sie war aber nicht allein, zu beiden Seiten zog sie im selben Abstand zwei Nebensonnen mit sich herab. Es sah aus als würde sie diese an der Leine führen. Im angloamerikanischen Sprachraum ist daher auch von sundogs, Sonnenhunden, die Rede.
Während der Fahrt, boten die Nebensonnen ständig wechselnde Anblicke. Die rasante Entwicklung der Zirrusbewölkung ließ sie in immer neuen Gewändern erscheinen sowohl was die Form als auch die Farbe betrifft.
Eine zusätzlicher Reiz, der der Betrachtung auch noch den Charakter eines Versteckspiels verlieh, bestand in der Dynamik meines Beobachtungpostens. Denn dieser war meist nicht in Ruhe, sondern in rasanter Bewegung, mit der folgenden Konsequenz: Je tiefer dieses „Sonnensystem“ sank, desto mehr verschwand es in nicht voraussehbarer Weise hinter Bäumen, Sträuchern und Gebäuden, um plötzlich mehr oder weniger stark verändert wieder aufzutauchen. Manchmal wurde der Anblick durch semitransparente Bäume optisch gesiebt; dann sah man durch diese natürlichen Siebe hindurch farbige Lichtfetzen huschen, die sich kurz danach wieder zu einer imposanten Himmelserscheinung aufrichteten.
Die Zeit verging wie im Fluge und war mehr als ein Ersatz für die vergessene Reiselektüre.
Wer sich dafür interessiert, wie es zu der Naturerscheinung der Nebensonnen kommt, erhält hier eine kurze Information. Häufig verfangen sich die Nebensonnen auch in Kondensstreifen von Flugzeugen.
Kondensstreifen entstehen durch Kondensation oder Kristallisation von Wasserdampf in den Abgasen von Flugzeugen der auf diese Weise sichtbar wird. Denn an den Wassertröpfchen bzw. Eiskristallen wird das Sonnenlicht gestreut und dadurch auch in unsere Augen abgelenkt, wodurch wir die Streifen als wolkenartige Gebilde wahrnehmen. Kondensstreifen sind genau genommen nichts anderes als langgezogene Wolken und verhalten sich im negativen wie im positiven Sinne so. Weiterlesen