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Elektrizität

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Staubflusen – die kleinen Helfer.

Staub zeichnet sich dadurch aus, dass er kaum sichtbar sich auf alle Gegenstände niederlässt. Da Staubteilchen nur eine äußerst geringe Masse haben, ist wegen der Flächen-Volumen-Relation die Reibungskraft der Luft so groß, dass sie nur langsam sinken aber auch umgekehrt durch leichte Luftbewegungen wieder aufgewirbelt werden können.
Letzlich landet der meiste Staub auf waagerechten Flächen vor allem auf dem Fußboden. Dennoch verfügen diese Flächen über kleine Helfer, die angetrieben durch leichte Luftbewegungen einen großen Teil des Staubs einsammeln – die Flusen. Flusen setzen sich aus Haaren winzigen Resten von Textilien und ähnlichen Strukturen zusammen und haben die Eigenschaft anziehend auf den ordinären Staub zu wirken. Sie nehmen die kleinen Körnchen, die sich oft in ihrer Winzigkeit verstecken, bereitwillig auf und wachsen dadurch so stark an, dass sie schließlich nicht mehr übersehen werden können. Ein Bekannter von mir verriet mir, dass er diese kleinen „Staubsauger“ sehr schätze. Wenn sie eine bestimmte Größe erreicht hätten, brauchte er sie nur noch einzusammeln. Das sei schnell getan, geräuschlos und auch noch interessant. „Was du da für eindrucksvolle Strukturen zu sehen bekommst – einfach eindrucksvoll und vor allem Zeugnisse von der Kreativität der Natur“.
Mir ist zwar (noch) nicht ganz klar, welche Anziehungskräfte hier im Spiel sind, aber ich vermute, es sind elektrostatische. Aber davon vielleicht später.

Franklins Drachen

Benjamin Franklin (1706 – 1790) war ein amerikanischer Erfinder, Drucker, Verleger, Autor, Physiker und einer der Gründerväter der Vereinigten Staaten. Er hat u. A. den Blitzableiter erfunden als Ergebnis seiner Erforschung von elektrostatischen Entladungen. Ausgangspunkt für seine Aktivitäten war die Feststellung, dass diese eine große Ähnlichkeit mit Blitzen aufweisen. Er schrieb: „Wenn elektrifizierte Wolken über ein Land, hohe Berge, große Bäume, hochaufragende Türme, Kirchtürme, Masten von Schiffen, Schornsteine usw. ziehen, dann ziehen diese das elektrische Feuer auf sich, und die gesamte Wolke entlädt sich dort.“* Um dies zu beweisen, schlug er u. A. ein Experiment vor, bei dem mit einem elektrischen Drachen in einer Gewitterwolke Elektrizität gesammelt werden sollte, um die elektrische Natur der Blitze zu beweisen. Es ist allerdings nicht eindeutig belegbar, ob er wie berichtet dieses Experiment tatsächlich mit seinem Sohn durchgeführt hat. Auf jeden Fall wäre es lebensgefährlich gewesen.
Auf dieses Experiment nimmt der Künstler Isamu Noguchi (1904 – 1988) in einer groß angelegten Ausstellung die kürzlich im Museum Ludwig in Köln zu sehen war mit der hier abgebildeten Installation „Memorial to Benjamin Franklin“ Bezug.
Mir hat insbesondere daran der traditionelle Drachen gefallen, den ich in dieser Form als Kind gebastelt habe. Dabei wurde ich aber stets ermahnt, den Drachen weder bei Gewitter noch in der Nähe von elektrischen Leitungen steigen zu lassen.
Der Künstler hat die „Leine“ an der sein Drachengerüst hängt in der symbolischen Form eines Blitzes gestaltet und damit eine originelle Verbindung des Drachens mit dem Blitz hergestellt.


* „As electrified Clouds pass over a Country, high Hills and high Trees, lofty Towers, Spires, Masts of ships, Chimneys &c. as so many Prominences and Points, draw the Electrical Fire, and the whole Cloud discharges there“. Schreiben Benjamin Franklins an John Mitchell vom 29. April 1749 (Memento vom 15. Dezember 2007 im Internet Archive), hier zitiert nach der digitalen Edition der Benjamin Franklin Papers.

Als die Drähte noch sangen…

Telegraphenleitung
Vielfach Drähte zum Bedarfe
Hoch auf schlanker Stangen Gipfel,
Recht wie eine Äolsharfe
Für der Staatskunst Schnaderhüpfel.*

Als ich diesen von „Telegraphenmasten“** gesäumten Weg entlang ging, fühlte ich mich fast in alte Zeiten zurückversetzt. Doch irgendetwas fehlte – der raunende, irgendwie außerirdisch klingende Gesang der Drähte, der früher bei stärkerem Wind direkt und bei mäßigerem Wind dadurch zu vernehmen war, dass man das Ohr an einen der Masten hielt.
Die Ursache für die feine Melodie lag in den Drähten, die durch den Wind zum Schwingen angeregt wurden und als eine Art Äolsharfe wirkten.
Obwohl es bei der Aufnahme dieses Fotos ordentlich wehte, blieb der Äolsklang aus. Die Ursache für das Schweigen liegt in der Dicke der Drähte. Im Unterschied zu früher sind diese – wenn man sie denn überhaupt noch antrifft – in der heutigen Zeit mit einer dicken Isolierschicht umgeben. Das erkennt man auch daran, dass die glockenartigen Isolatoren an den Masten entbehrlich geworden sind.
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* Dieses Gedicht aus dem Jahre 1856 von Franz Grillparzer (1791 – 1872) zeigt, dass bereits damals der äolische Gesang (hier als eine Art Spottgesang – Schnaderhüpfel (bayr. bezeichnet), der gewissermaßen von Staats wegen mit Leitungen durch die Lande geführt wurde, nicht unbemerkt blieb. Ab den 1950er Jahren ging es dann allerdings abwärts mit dieser Staatskunst. Der Motorenlärm der Autos auf den Straßen übernahm die akustische Führerschaft. Schade eigentlich, denn wie das Foto zeigt, gibt es zuweilen noch fast autofreie Straßen, die von Telegrafenleitungen gesäumt sind.

** In den meisten Fällen handelt(e) es sich gar nicht um Leitungen des Telefonnetzes, sondern um Leitungen, in denen elektrische Energie in die Haushalte geliefert wurde.

Eine elektrische Variante der Bestäubung von Blumen

Als ich vor einiger Zeit an meinem Schreibtisch mit kleinen Styroporkügelchen experimentierte flog ein Teil von ihnen ohne Vorwarnung gegen das Fenster und blieb dort hartnäckig kleben (oberes Foto). Sie waren so widerspenstig, dass ich sie schließlich alle einzeln absammeln musste, um das Fenster wieder klar zu bekommen. Ursache für diesen Geisterflug waren elektrische Ladungen, die die Kügelchen durch meinen Umgang mit ihnen aufgenommen hatten. Weiterlesen

Magneto-hydrodynamischer Bootsantrieb – Vortrieb ohne Schraube

H. Joachim Schlichting, Jan Schlichting. Physik in unserer Zeit 52/3 (2021), S. 146 – 148

Skizze zum Waterloo-Bridge-Experiment. Faraday steht auf der Brücke und misst mit einem Galvanometer die Spannung zwischen den beiden Elektroden (Grafik:Museum of Innovation and Science, Schenectady).

Ein Bootsantrieb, der ohne lärmende Schraube auskommt? Der magneto-hydrodynamische Antrieb macht es möglich.

In der Hollywoodverfilmung „Jagd auf roter Oktober“ aus dem Jahre 1990 ist von einem U-Boot die Rede, das sich lautlos fortbewegen kann, weil der Antrieb keine bewegten mechanischen Teile besitzt und daher keine verräterischen Geräusche aussendet [1]. Der Antrieb wurde durch das magneto-hydrodynamische (MHD) Prinzip besorgt, durch das es möglich ist, elektrische Energie direkt in Bewegungsenergie des Wassers umzuwandeln und damit ein Schiff anzutreiben.

Publikation

Von Jahresringen und elektrischen Feldern

Wer sich die Visualisierungen von elektrischen Feldern und Potenziallinien vor Augen führt (siehe Grafik), wird vermutlich erstaunt sein über die Ähnlichkeit der Strukturen eines Querschnitts durch einen Baumstamm (siehe Foto). Während die Jahresringe der beiden zu einem Stamm zusammengewachsenen Bäume oder Äste ein und desselben Baums den Potenziallinien entsprechen, erinnern die radial von den Zentren ausgehenden Trockenrisse an Feldlinien von elektrischen Ladungen. Bei gleichnamigen Ladungen stoßen sich die Feldlinien ab.
Auch dieser Sachverhalt findet eine Entsprechung in diesem Baumquerschnitt: Die gleichartigen Stämme stoßen sich in der Tat zunächst ab, bevor sie ihren Frieden finden und nach weiterem gemeinsamen Wachstum schließlich ein gemeinsames Zentrum und damit  einen einheitlichen Stamm ausbilden. Spätestens hier endet die Analogie zwischen zwei völlig verschiedenen Bereichen der Natur.
Es scheint als gäbe es in der Natur nur einen begrenzten Vorrat an Mustern, die in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen  auftreten. In der Physik kennt man solche Ähnlichkeiten des Verhaltens in verschiedenen Bereichen, wenn ganz unterschiedliche Systeme quantitativ dasselbe Verhalten zeigen, obwohl ganz andere Wechselwirkungen und andere Unterschiede im Spiel sind. Man spricht dann auch von Universalität.

Mondphasen an Flugwarnkugeln


Manche Hochspannungsleitungen sind mit (meist orangefarbenen) Kugeln bestückt (Foto). Ich habe sie bislang vor allem an Autobahnen gesehen. Sie dienen vor allem dazu, tieffliegende Flugzeuge oder Hubschrauber zu warnen, weil die Seile selbst oft schwer zu erkennen sind. Das erklärt auch die Häufigkeit des Vorkommens an Autobahnen, wo mit Hubschraubern bei Rettungseinsätzen zu rechnen ist. Weiterlesen

Bienen und Blumen unter Spannung

H. Joachim Schlichting. Spektrum der Wissenschaft 4 (2020), S. 60

Es flüstern und sprechen die Blumen
Heinrich Heine (1797 – 1856)

Fliegende Insekten wie Hummeln sind elektrisch leicht positiv geladen, viele Blüten hingegen negativ. Mit ihrem Pelz können die Tiere die Felder spüren – und so abschätzen, wie viel Nektar noch zu holen ist.

Wer über Blumen schwirrende Insekten beobachtet, fragt sich vielleicht: Sind die Kraft raubenden Anflüge nicht zum großen Teil vergeblich, weil sich bereits andere kurz vorher am Nektar bedient haben? Die prächtigen Farben und Strukturen der Blüten ändern sich schließlich nicht, ebensowenig ihr betörender Duft. Doch es gibt weitere, für uns Menschen unmerkliche Hinweise, ob sich ein Besuch lohnt. Weiterlesen

Insekten als Pollentransporteure

Wie in einem rosaroten Himmelbett geht die Biene oder welches Insekt sich auch immer hinter dem mit Pollen eingemehlten Outfit verbergen mag, seiner Aufgabe nach. Den Eindruck es mit einem feinen Mehl zu tun zu haben, müssen auch schon die ersten Biologen gehabt haben, die die Pollen benannten. Denn Pollen heißt auf lateinisch sehr feines Mehl, was auf dem Foto auch noch farblich unterstrichen wird. Während jedoch Mehl aus unregelmäßigen Fragmenten besteht, die aus einen Mahlvorgang hervorgehen, haben die Blütenpollen eine oft eindrucksvolle und ästhetisch ansprechende Struktur. Immerhin enthalten sie die männlichen Keimzellen, die dann – in diesem Fall durch Insekten – zu den weiblichen Empfangsorganen gebracht werden, um die Bestäubung und die anschließende Befruchtung zu ermöglichen. Das konnte man zur Zeit der Namensgebung jedoch noch nicht wissen. Mikroskope gibt es erst seit dem 17. Jahrhundert. Weiterlesen

Elektrisierender Bernstein

Beim Aufräumen stieß ich auf ein kleines Stück Bernstein, das ich mir vor Jahren auf der kleinen Nordseeinsel Neuwerk von einem Sammler erstanden habe. Dieser Sammler hatte im Laufe der Jahre eine sehenswerte Ausstellung von großen und kleinen, unbearbeiteten und fein geschliffenen Teilen zusammengetragen. Er war der Lehrer dieser kleinen Insel im Wattenmeer und frönte nebenbei seinem Hobby, Bernstein zu sammeln. Dazu machte er – wenn ich mich recht erinnere – möglichst jeden Tag, wann die Tide es erlaubte, eine Wattwanderung um die Insel. Weiterlesen

Licht, Kunst und Naturphänomene – kunstvoll leuchtende Glühlampen

Der Japanische Künstler Satoru Tamura (*1972) bringt im Zentrum für internationale Lichtkunst in Unna mit einem übergroßen elektrischen Schalter, den „Point of Contact for Unna“,  eine Säule von Glühlampen zum Leuchten. Dieser ‚Schalter‘ besteht aus einer Messingstange und einer Stahlplatte, die – wenn sie offenbar ohne von außen beeinflusst zu werden – einander berühren, elektrische Funken sprühen, was vom Aufleuchten einer Säule von Lampen gefolgt wird. Weiterlesen

Elektrisierender Sand

In: H. Joachim Schlichting. Spektrum der Wissenschaft 5 (2017), S. 64 – 65

Ist etwa die Luft so elektrisch,
wie die See salzig ist?
Georg Christoph Lichtenberg (1742–1799)

Sandkörner in einem Sturm können sich bei Zusammenstößen gegenseitig aufladen und starke elektrische Felder erzeugen. Weiterlesen

Die einfachste Eisenbahn der Welt

EisenbahnSchlichting, H. Joachim; Schlichting, Jan. Physik in unserer Zeit 47/3, S. 130 -33

Eine einfache Batterie, je mit einem Zylindermagneten an den Polen versehen, saust durch eine Spule wie eine Eisenbahn durch einen Tunnel. Die Magnete leiten den Strom durch die Spule und wechselwirken mit dem dadurch hervorgerufenen elektromagnetischen Feld.

Video auf YouTube

Watt er nu wieder hat: Faraday und Watt

Rettungsbake Watt SahlenburgWenn man in einem Drahtkäfig sitzt, ist man weitgehend vor Blitzen geschützt. Ein solcher Käfig heißt nach dem englischen Physiker Michael Faraday (1791–1867) Faradaykäfig. Der Faradaykäfig sorgt dafür, dass der Innenraum vor dem Eindringen von elektrischen Feldern geschützt ist.
Der Energiestrom eines Blitzes wird in der Einheit Watt gemessen, so benannt nach dem schottischen Erfinder James Watt (1736-1819). Um James Watt geht geht es uns hier aber gar nicht, auch nicht um die Einheit von Energieströmen, sondern um das Watt vor der deutschen Nordseeküste, jene im Rhythmus der Gezeiten überflutete und trockenfallende Grenze zwischen Meer und Land. In diesem Watt ist der Mensch bei Gewitter gefährdet, weil er weithin die höchste Erhebung darstellt und gut elektrisch leitend mit dem Boden verbunden ist. Somit gibt es also doch eine Verbindung zwischen Watt und Watt. (Watt er nu wieder hat!)
Um Wattwanderer, die vom Gewitter überrascht werden, zu schützen, sind auf gekennzeichneten Strecken Rettungsbaken in Form von Faradaykäfigen aufgebaut (siehe Foto). Darin können bis zu sechs Personen vor dem Gewitter Unterschlupf finden. Gleichzeitig schützt dieses genügend hohe Gerüst vor der Flut. Das Foto wurde auf einer Wattwanderung von Neuwerk nach Sahlenburg (Cuxhaven) aufgenommen. Im Hintergrund sieht man den Wernerwald. Er ist neben einem Wald bei Dangast und Sankt Peter-Ording – der einzige Wald in Deutschland, der bis unmittelbar an die Nordseeküste reicht.

Elektrisierender Siemens

Siemens

(c) H. Joachim Schlichting

Die Leidner Flasche
„Desto merkwürdiger, daß sich benutzen läßt, was wir überhaupt nicht kennen, als wäre es für uns da. Der Elektriker Siemens bestieg einmal die Cheopspyramide, schon unterwegs hatten ihm die Gesichter seiner Begleiter nicht gefallen. Oben blieb wenig Zeit, die Aussicht zu bewundern, denn die Beduinen griffen zur Pistole, plünderten Siemens aus. Aber dieser, dem schon lange die elektrische Ladung der Wüstenluft aufgefallen war, warf in höchster Schlauheit seinen Gummimantel unter die Füße, hob den durchnäßten Finger in die Luft und senkte ihn, gerade als der Scheich vor ihm stand, langsam auf dessen Nasenspitze. Weiterlesen

Hoch hinaus

Hochspannung_P1050771Schlichting, H. Joachim. In: Spektrum der Wissenschaft 41/10 (2010), S. 30-31

Vögel sind auch nur Menschen

Konrad Lorenz (1903 – 1989)

Vögeln, die auf Hochspannungsleitungen rasten, sollte eigentlich nichts geschehen. Doch das ist nur die halbe Wahrheit.

Natürlich gibt es eine einfache Erklärung dafür, dass Vögel unbeschadet auf Hochspannungsleitungen sitzen können. Die meisten von uns werden sie auch kennen. Warum aber sitzen die Tiere auf manchen Leitungen lieber als auf anderen? Warum scheint es eine Obergrenze der Spannung von 60-Kilovolt zu geben, welche die Vögel gerade noch tolerieren? Und warum achten sie auf einen Mindestabstand, wenn sich ein dritter Ankömmling zwischen zwei Sitzende drängt?
Während in Deutschland meist Erdkabel die Oberleitungen verdrängt haben, wurde die elektrische Energie in früheren Zeiten noch durch Freileitungen in die Häuser transportiert. Sie bestanden aus Strom führenden, nicht isolierten Drähten, und zum gewohnten Bild einer ländlichen Idylle gehörte es, dass die Vögel darauf wie Noten auf Notenlinien saßen. (Diese ergaben allerdings keine nennenswerte Melodie; Ausnahmen wie die unten angegebene bestätigen die Regel.). Dass den Vögeln ihr Sitzplatz nichts anhaben kann, war also Teil der Alltagserfahrung und darum wenig überraschend.
Sollte man sich aber nicht vielleicht doch darüber wundern, dass die Vögel keinen elektrischen Schlag bekommen?Wer im Haushalt eine stromführende Leitung berührt, wird Teil eines Stromkreises. Denn seine Füße sind mit dem Fußboden und dieser wiederum ist mit der Erde verbunden, die als Neutralleiter zum Kraftwerk fungiert. Dann kommt es unter anderem auf den Widerstand zwischen Erde und Füßen an: Ist er zu klein, kann der durch den Körper fließende Strom lebensgefährlich werden.
Vögel auf Freileitungen stehen indessen nicht in Kontakt mit der Erde. Damit ihnen ein Stromschlag droht, müssten sie schon zwei stromführende Leitungen, zwischen denen eine Spannung besteht, gleichzeitig berühren oder auch zwischen die Leitung und den erdverbundenen Strommast geraten. Kleinen Vögeln passiert dies selten, große jedoch erleiden vor allem aufgrund ihrer Flügelspannweite immer wieder tödliche Stromschläge. Die häufigste Todesursache für Weißstörche, so der Naturschutzbund Deutschland, sind Unfälle an Mittelspannungs-Freileitungen.
Im Großen und Ganzen aber dürften die Tiere nicht wählerisch bei ihrem Sitzplatz sein. Begeben wir uns also, auch wenn dies heutzutage einige Geduld erfordert, auf Ausschau nach Vögeln, die auf Hochspannungsleitungen rasten. Was sehen wir? Die fernen schwarzen Punkte haben keineswegs auf einer x-beliebigen Leitung Platz genommen.
Hochspannungsleitungen nutzen nicht nur die Erde als ″Rückleitung″ zum Kraftwerk, sondern außerdem einen zusätzlich mit der Erde verbundenen Neutralleiter. Dieser ist meist auf der Spitze der Hochspannungsmasten angebracht und, anders als die stromführenden Leiter, nicht durch Isolatoren von den Masten getrennt (siehe Abb. 2). Und tatsächlich: Genau hier, also auf dem Neutralleiter oder den Streben des eisernen Fachwerks der Masten, scheinen die Vögel mit Vorliebe zu sitzen. Haben sie mit den stromführenden Leitungen vielleicht doch unangenehme Erfahrungen gemacht?
Wenn sie die Leitungen im ″Sitzen″ mit beiden Füßen berühren, befindet sich zwischen diesen ein kurzes Leitungsstück. Könnte der Spannungsabfall bereits hier so groß sein, dass der über die Beine durch den Körper geleitete Strom zumindest zu unangenehmen Empfindungen führt? Nein, denn um Energieverluste gering zu halten, werden die Leitungen meist aus einer Eisenseele und darum gewickeltem Aluminiumdraht hergestellt. Der elektrische Widerstand dieser Leitungen ist so gering, dass zumindest auf sehr kurzen Strecken so gut wie keine Spannung abfällt. Es muss also andere Gründe geben, weshalb die Vögel den stromführenden Leitungen aus dem Wege gehen.
In der ornithologischen Literatur finden sich dazu sehr differenzierte Aussagen. Axel Donges von der Naturwissenschaftlich-Technischen Akademie in Isny berichtet, dass sich Vögel oberhalb einer durch die Kabel übertragenen Maximalleistung von etwa sechzig Kilowatt  nicht mehr auf Leitungsseilen aufhalten. Experimente mit Tieren in Gefangenschaft zeigten zwar, dass sie je nach Art auch höhere Spannungen akzeptieren. Die höhere Toleranz etwa von Brieftauben oder Staren dürfte sich allerdings auf ihre im Vergleich zur freien Natur geringeren Wahlmöglichkeiten zurückführen lassen.
Tatsächlich ist der durch die Leitungen fließende Wechselstrom von starken elektromagnetischen Wechselfeldern umgeben. So misst man an der Oberfläche der Leiter elektrische Feldstärken von bis zu 1500 Kilovolt pro Meter (kV/m) und magnetische Feldstärken von acht Millitesla. Nach heutigem Kenntnisstand gehen von magnetischen Feldern zwar keine nennenswerten Wirkungen auf den Organismus der Vögel aus. Das elektrische Wechselfeld jedoch macht sich durch gleich zwei Effekte bemerkbar. Zum einen lassen bereits Felder ab einer Stärke von fünf Kilovolt pro Meter die Behaarung von Säugetieren und die Federn von Vögeln vibrieren. Zum anderen wirkt der elektrisch leitfähige Vogelkörper, selbst wenn es nicht zum Kontakt mit dem Leiter kommt, wie eine Antenne. Durch kapazitive Ankopplung gerät er also unter Spannung, sodass elektrische Ströme fließen. Je nach Größe des Vogels erreichen sie einige hundert Mikroampère, auf die dann auch dessen Sinnesrezeptoren ansprechen. Mindestens einer der beiden Effekte wird von den Vögeln offenbar als unangenehm empfunden.
Vögel sind ″auch nur Menschen″, hatte einst der Verhaltensforscher Konrad Lorenz formuliert. Da stellt sich natürlich die Frage, ob Menschen auch Vögel sind, zumindest in der Hinsicht, dass sie ebenfalls ein Sensorium für elektrische Wechselfelder besitzen. Tatsächlich scheint es Menschen zu geben, die sich durch die Wirkungen von Wechselfeldern beeinträchtigt fühlen, weshalb nicht nur die Hochspannungsleitungen in der Nähe von Häusern, sondern auch die Stromleitungen in den Häusern selbst unter dem Stichwort Elektrosmog kontrovers diskutiert werden.
Eine weitere interessante Beobachtung kann gelingen, wenn man die Vögel bei ihrem Kommen und Gehen auf den Leitungen beobachtet: Sie nähern sich einander nur bis zu einem bestimmten Mindestabstand. Lässt sich eines der Tiere zwischen zwei bereits sitzenden Artgenossen nieder, so rückt meist derjenige zur Seite, dem der Neuankömmling zu nahe zu kommen droht. Versucht ein Vogel sich zwischen zwei andere zu drängen, die schon so dicht sitzen, dass der Mindestabstand in jedem Fall überschritten wird, werden manchmal sogar die übernächsten Nachbarn aktiv, um die Situation bereits präventiv zu normalisieren. Die hirnphysiologischen Mechanismen der Abschätzung des für sichere Starts und Landungen nötigen Sicherheitsabstands sind im einzelnen noch nicht geklärt. Da fallen einem natürlich eine ganze Menge Parallelen ein. Eine davon hat Petr Seba untersucht: Statistisch gesehen erzeugen Vögel beim Hinsetzen und Menschen beim Parken ihrer Autos dasselbe Lückenmuster. Menschen, so darf man schließen, sind also auch in dieser Hinsicht nur Vögel.

Literatur:

Sitzende Vögel als Melodiegeber: http://www.basicthinking.de/blog/2009/09/09/netzkunst-wenn-voegel-den-ton-angeben
Unfallgefahren durch Freileitungen: http://www.storchennest.de/de/index_storchenwelt_gefahren.html
Donges, Axel: Setzen sich Vögel wirklich auf Hochspannungsleitungen. MNU 53(6), S. 354, 2000. (dort weitere Literatur)
Seba, Petr: Parking and the visual perception of space. J. Stat. Mech., L10002, 2009.