„Es war als hätt‘ der Himmel die Erde still geküsst..“ Dieser Satz Joseph von Eichendorffs ging mir durch den Sinn, als ich wieder einmal am Ufer sitzend, die wie mit einem Lineal gezogene Trennlinie zwischen Luft und Wasser vor Augen hatte. Dass hier Himmel und Meer scheinbar zusammenstoßen, ist Ausdruck der Tatsache, dass sich die kugelförmige Erde und damit die Wasserschicht gewissermaßen vor meinem Blick wegkrümmen, obwohl an sich nichts Krummes zu sehen ist. Dies ist eines der ältesten Hinweise auf die Kugelgestalt der Erde. Unterstützt wird diese Ansicht durch die schon in früheren Zeiten gemachten Beobachtungen, dass von den Schiffen, die sich dem Ufer nähern, zuerst die höheren Teile wie Masten und Aufbauten sichtbar werden. Es sieht dann so aus, als würden die Schiffe hinter einer Bergkuppe auftauchen. Leider ist dies nur bei günstigen Witterungsverhältnissen zu sehen. Luftspiegelungen und andere meteorologische Erscheinungen modifizieren oft das Erscheinen der Schiffe.
Wenn ich am Deich den Sonnenuntergang genieße und die Sonne nicht vorher im Dunst verschwindet, eile ich in dem Moment, in dem sie gerade vollständig untergegangen ist, den 11 Meter hohen Deich hoch und erlebe den Sonnenuntergang – diesmal aus der Puste – ein zweites Mal. Denn aus einer höheren Lage blicke ich der jeweiligen Höhe entsprechend ein Stück weit hinter den Horizont und treffe die Sonne kurzfristig erneut an.
Vor einiger Zeit hatte ich das Glück, erstmalig das sogenannte Haareis in freier Natur zu entdecken. Und wie das Schicksal es will, entdeckte ich es einige Zeit später noch einmal. Die Jahrzehnte vorher muss ich wohl blind gewesen sein für diese subtile und feine Hervorbringung der Natur. Vor ein paar Tagen entdeckte ich nur gewissermaßen die Ergänzung zum Haareis, das sogenannte Kammeis. Allerdings hatte ich das auch schon früher beobachtet, daraus aber nicht den Schluss gezogen, dass es auch Haareis geben müsse ;). Diesmal zeigte sich mir das Kammeis in vielgliedrigen Zapfen, die gewissermaßen aus dem Boden hervorquollen, obwohl sie aus Eis bestehen (siehe Foto).
Dieser „Boden“ befindet sich auf einem wenig bewachsenen Hang eines Bergs. Er besteht aus Sand und verwitternden Steinen des felsigen Untergrunds und war nur an der Oberfläche gefroren.
Die Nadeln entstehen anschaulich gesprochen dadurch, dass in den Poren des Bodens gespeichertes Wasser gefrierend sich ausdehnt. Dabei bewegen sich die Spitzen der gefrorenen Wasserfäden nach außen und ziehen aufgrund ihres inneren Zusammenhalts (Kohäsion) weiteres Wasser aus dem Innern nach, das dann in den kälten Bereich gerät und ebenfalls gefriert usw.. Auf diese Weise können beachtliche Eisnadellängen erreicht werden. Das im Foto zu sehende Kammeis ist maximal etwa 7 cm lang. Obwohl Kammeis bis zu 30 cm lang werden kann, habe ich in unseren Breiten nie Zähne gesehen, die länger als 10 cm waren. Manchmal werden mit den wachsenden Zähnen an der Oberfläche zusammengefrorene Bodenbestandteile aus ihrer „Verankerung“ herausgerissen und einfach mit angehoben.
Obwohl die einzelnen Nadeln zunächst unabhängig voneinander aufstreben, bleiben sie oft mehr oder weniger fest miteinander verbunden. Diese innere Verbundenheit macht sich auch darin bemerkbar, dass sich die Bündel aufstrebender Nadeln krümmen, wenn einige Nadeln schneller wachsen als andere. Dann neigt sich das Bündel zur Seite der langsamer wachsenden Nadeln. Im Foto sieht man sogar hauptsächlich gekrümmte Exemplare von Kammeisbündeln, sodass die Ähnlichkeit mit den Zähnen eines Kamms nicht gerade überwältigend ist. Solche Krümmungen aufgrund unterschiedlich starker Ausdehnungen kennt man auch aus anderen Zusammenhängen.
Wesenlich für das Auftreten von Kammeis ist die Eigenschaft des Wassers sich im Unterschied zu den meisten anderen Stoffen beim Erstarren auszudehnen. Das ist der sogenannten Anomalie des Wassers zu verdanken. Eine weitreichende Konsequenz dieser Anomalie für das Leben auf der Erde ist die allerdings sehr vertraute Tatsache, dass Gewässer von oben her zufrieren.
Die rote Färbung lässt erahnen, was dereinst aus diesen im Moment noch stark wirkenden Eisenteilen werden wird – Rost, Staub, schließlich vom Wind verweht… Die Natur duldet keinen Stillstand, alles zerfällt und alles wird wieder neu. In größeren Zeiträumen betrachtet wird es keine Spuren von der menschlichen Zivilisation mehr geben. Was sind schon Millionen Jahre im Vergleich zum Alter der Erde?
Ganz anders ist es auf dem Mond. Wer sollte dort – außer vielleicht abgesehen von einem verirrten Kometen – irgendetwas verändern? Die ersten Menschen auf dem Mond fanden ihn so vor, wie er abgesehen von einigen Kratern in etwa seit seiner Entstehung ausgesehen hat. Die neuen menschlichen Spuren auf dem Mond wird so schnell keiner vernichten und es stellt sich die Frage, ob die Menschen nur deshalb auf den Mond wollten, um – vielleicht unbewusst – ihre Spuren – sogar im wortwörtlichen Sinn – zu hinterlassen. Denn dort ist alles ziemlich sicher vor Erosion und Korrosion.
Es ist noch gar nicht lange her, dass ich am Cumbre Vieja auf der Insel La Palma gewandert bin. Alles war friedlich und nichts deutete darauf hin, dass sich im Untergrund etwas zusammenbraute. Lediglich die spärliche Vegetation, die dabei war, das vom letzten Ausbruch verwüstete Gebiet wieder zu besiedeln, und der vulkansteinige Boden ließen erkennen, dass wir nicht über gewöhnlichem Boden marschierten. Jetzt ist es wieder einmal soweit, der Vulkan ist ausgebrochen. Lavaströme ergießen sich über das Land und bewegen sich bergabwärts zum Meer. Zahlreiche Menschen haben bereits jetzt ihre Häuser verloren. Keiner kennt den genauen Ausgang dieses Naturphänomens.
An der See besteht alles aus schmalen Waagerechten, die ganze Welt reduziert sich auf ein paar lange, gerade, zwischen Erde und Himmel gezwängte Linien.*
Da die Erde eine Kugel ist, muss die Meeresoberfläche ein Teil der Kugeloberfläche sein. Nur ist die Kugel viel zu groß, als dass wir mit bloßen Augen irgendeine Krümmung wahrnehmen könnten. Wir können sie aber erschließen. Wenn beispielsweise ein Schiff am Horizont auftaucht, sehen wir zunächst die Aubauten (früher waren es die Segel) und dann den Schiffskörper. Wir sehen gewissermaßen, wie das Schiff hinter der Wölbung auftaucht. Diese Erfahrung war übrigens eine der zahlreichen Hinweise, die die Menschen in früheren Zeiten auf die Kugelgestalt der Erde hatten.
Die Aufnahme wurde kurz vor Hochwasser gemacht und die ersten Wellen schwappten bereits über die Uferbefestigung. Da ich nicht daran gedacht hatte, dass kurz nach Neumond (wer achtet schon den Neumond?) mit einer Springtide zu rechnen war, kam ich leider nicht mehr trockenen Fußes zum Deich zurück. Normalerweise (?) läuft hier nämlich nichts über.
* John Banville. Die See. Köln 2006, S. 14
Die Natur ist für viele Errungenschaften und Vorrichtungen in vielerlei Hinsicht zum Vorbild genommen worden. So sind die Klettenfrucht beispielsweise Vorbild für den Klettverschluss und der Vogelflug für das Flugzeug. Mit solchen Übertragungen natürlicher Gegebenheiten und Phänomene auf technische Objekte befasst sich die Bionik. Weiterlesen
Das Ergebnis meines gestrigen nächtlichen Besuchs sieht man auf dem Foto. Als ich dem Supermond gegenüberstand, war dies schon eine besondere Situation und ich genoss das stumme Zwiegespräch von Angesicht zu Angesicht in dieser relativ warmen, absolut ruhigen Nacht. Ich bereue es nicht, aufgestanden zu sein. Aber ob nun diese Stimmung auf die Supergröße des Monds zurückzuführen oder vielleicht nur dem Gefühl geschuldet war, einem nicht alltäglichen Ereignis beizuwohnen, kann ich nicht sagen. Weiterlesen
Wie um einen Kiesel, den, wenn man ihn in einen See wirft, auf der Wasseroberfläche konzentrische Kreise umgeben, ordnen sich neun Himmel um den großen Stein Erde.
Weber, Anne (*1964); Besuch bei Zerberus; Suhrkamp Verlag, 2004. Weiterlesen
Die Freiheit des Bergwanderns und -kletterns ist festgemacht am Gängelband der Wanderwege und Klettersteige. Von oben sehen die filigranen verschlungenen, häufig weiß leuchtenden Wege wie feine Bänder aus, die ausgelegt wurden, um ähnlich wie Ariadne den Weg durch das Labyrinth von Felsen, Schluchten und Steinen zu finden. Weiterlesen
Gestern habe ich den „blauen“ Supermond zeigen können. Der kupferrote Mond (manchmal auch Blutmond genannt), den man bei einer Mondfinsternis schemenhaft im Erdschatten sehen kann, wenn es denn dunkel genug ist, blieb uns in unseren Breiten ja leider verwehrt. Nun bekam ich gerade eine Mail aus Kalifornien von Lisa Stinken Rösner, die Gelegenheit hatte, die Mondfinsternis vom Dach ihres Hauses zu erleben. Weiterlesen
Es brauchte schon einen Newton,
um zu bemerken, daß auch der Mond fällt,
wo doch jeder genau sieht, daß er nicht fällt.
Paul Valéry (1871 – 1945)
Obwohl Galileo Galilei durch die Dauerhaftigkeit und Gleichförmigkeit der Planetenbahnen am Himmel zu seinen weitreichenden Einfällen inspiriert worden sein könnte, war erst Isaac Newton in der Lage, auf der Grundlage des freien Falls, wie ihn Galilei konzipiert hatte, die Bewegungen der Planeten selbst als einen Sonderfall des freien Falls zu sehen. Weiterlesen
„Kommt, wir wollen dem Mond einen Besuch machen.
Wir fühlen geradezu persönliches Interesse für ihn, weil er in so ausschließlichem Sinn unser intimer Freund und treuer Begleiter ist. Die Sonne scheint für uns, aber sie scheint ebenso für alle Mitglieder des Sonnensystems. Und die Sterne, ‑ so viele wir ihrer zu sehen vermögen, ‑ leuchten auch für uns, aber jedenfalls leuchten sie für andere, ihnen nähere Welten bei weitem prächtiger. Nur der Mond scheint einzig und allein uns anzugehören.
Wir sind ganz gewöhnt, von ihm als „unserm Monde“ zu sprechen. Aber ein etwas kühler und stiller Freund, denkt wohl mancher, ist er doch, der so gelassen auf alles herabschaut, was unter ihm vorgeht; seine beständige und treue Anhänglichkeit müssen wir nichts desto weniger anerkennen.
Sehr weit zu reisen brauchen wir nicht, nur ungefähr vierhunderttausend Kilometer. Das ist nichts im Vergleich zu den Hunderten von Millionen Kilometern, die wir durcheilen mußten, um einige unsrer Familienangehörigen aufzusuchen. Ein Seil, das vierhunderttausend Kilometer lang wäre, könnten wir gerade zehnmal um die Erde wickeln, wo sie am dicksten ist, am Äquator. ‑ Ihr erinnert euch, daß der Durchmesser der Erde ungefähr zwölftausendachthundert Kilometer mißt. Wenn ihr einunddreißig Stangen hättet, von denen jede zwölftausendachthundert Kilometer lang wäre, und befestigtet sie alle mit den Enden aneinander, so erhieltet ihr einen Stab, der lang genug wäre, um von der Erde bis an den Mond zu reichen. Weiterlesen
„Wo sitzt“, so frug der Globus leise
Und naseweis die weise, weiße,
Unübersehbar weite Wand,
„Wo sitzt bei uns wohl der Verstand?“
Die Wand besann sich eine Weile.
Sprach dann: „Bei dir – im Hinterteile!
Nun dreht seitdem der Globus leise
Sich um und um herum im Kreise –
Als wie am Bratenspieß ein Huhn,
Und wie auch wir das schließlich tun –
Dreht stetig sich und sucht derweil
Sein Hinterteil, sein Hinterteil.
Joachim Ringelnatz (1883-1934)
Es schreibt ein Philosoph: die Erd´ ist ein Planet,
Der jährlich um die Sonn´, um sich sich täglich, dreht;
Der oft in Hitz´ und Frost, in Licht und Schatten, stecket,
Woran der äussre Rand mit Narren ganz bedecket.
Barthold Hinrich Brockes (1680 – 1747)
In Göttingen gibt es einen Planetenweg, der einen Stadtbummel der besonderen Art bietet. Man kann sich – dimensional reduziert – die Planeten des Sonnensystems erwandern und auf diese Weise eine Art körperlicher Anschauung von den Abständen der Planeten verschaffen. Hat man den jeweils nächsten Planeten erreicht, kann man in der Verschnaufpause an ästhetisch ansprechend gestalteten Anzeigetafeln (siehe Abbildung) einige Details über den Planeten erfahren. Darüber kann man dann bis zum Erreichen des nächsten Planeten je nach Abstand mehr oder weniger lange nachdenken. Dass Pluto nicht mehr zu den Planeten gehört, sollte dabei kein Vorwand dafür sein, dass man diese schöne Wegstrecke auslässt.
Auch für den heutigen Leser können die „Betrachtungen über das Weltgebäude“, die der Schriftsteller Johann Peter Hebel (1760-1826) zwischen 1811 und 1815 in dem von ihm herausgegebenen Kalender veröffentlichte, von großem Interesse sein. In einer bildhaften und auf Anschauung ausgerichteten Sprache bemüht sich Hebel darin, seinen Lesern eine Vorstellung von der Kugelgestalt der Erde zu vermitteln. Darüberhinaus erfährt man viel Interessantes über die Vorstellungen der damaligen Zeit. So zweifelte Hebel nicht daran, dass die Planeten und sogar die Sonne wie die Erde von Menschen bewohnt sind. Hebel war mit dieser Ansicht nicht allein. Selbst der Astronom Wilhelm Herschel, ein Zeitgenosse Hebels, hielt dies für möglich: Weiterlesen
Schlichting, H. Joachim. In: Astronomie und Raumfahrt 31/22, 16 (1994).
Die neuzeitliche Physik zeichnet sich vor allem dadurch aus, daß sie die Welt so beschreibt, wie wir sie nicht erleben. Darin liegen letztlich ihre Erfolge aber auch die Schwierigkeiten von Laien begründet, sich physikalische Erkenntnisse zu eigen zu machen. Besondere Bedeutung erlangt in diesem Zusammenhang die Abkopplung physikalischer Beobachtungen von unmittelbaren sinnlichen Wahrnehmungen.
Ich möchte im folgenden versuchen, am Beispiel der Rezeption des kopernikanischen Weltbildes einige dieser Schwierigkeiten anzudeuten. Dazu greife ich einerseits auf Reaktionen zurück, wie sie seitens der Poesie zum Ausdruck gebracht wurden: In der Poesie werden nicht selten die Auswirkungen wissenschaftlicher Erkenntnisse auf lebensweltliche Überzeugungen reflektiert, insbesondere dann, wenn ein herrschendes Weltbild in Frage gestellt wird. Andererseits dienen mir die Auseinandersetzungen Galileis mit der Kirche dazu, einige der konzeptuellen Probleme und Verständnisschwierigkeiten zu skizzieren, die bei der Konfrontation verschiedener Vorstellungsrahmenin Erscheinung treten.
Vielleicht lassen sich aus der historischen Distanz und aufgrund der – aus heutiger Sicht- einfachen Verhältnisse Probleme erkennen und analysieren, wie sie insbesondere von Schülerinnen und Schülern im Physikunterricht erfahren
werden.
PDF: Die Erd‘ ist ein Planet … Vom physikalischen Blick am Beispiel von Galileis Blick durch das Fernrohr