In einem Hotel, in dem ich immer mal wieder übernachte, ist das ansonsten wenig spektakuläre Treppenhaus mit Fliesen aus Naturgestein ausgelegt, die zahlreiche Versteinerungen enthalten. Seitdem ich herausgefunden habe, dass das Treppenhaus so etwas wie ein erdgeschichtliches Museum ist, ziehe ich es dem Fahrstuhl vor. Das Foto zeigt eine Treppenstufe mit einem Schnitt durch einen halben Ammoniten. Der besondere Reiz besteht darin, dass die andere Hälfte gewissermaßen durch die Spiegelung auf der davor liegenden glatt polierten Deckelfliese ergänzt wird. Damit wird man zwar der Realität nicht gerecht, schön anzusehen ist es trotzdem. Der Glanz der Fliese vermittelt zudem den Eindruck als würde der Ammonit zur Hälfte ins Wasser getaucht sein.
* Das Emsium bezeichnet in der Erdgeschichte den Zeitraum von etwa 407,6 Millionen bis etwa 393,3 Millionen Jahren.
Ich wandere gern in den Bergen. In den Mittelgebirgen sind es vor allem die Pflanzenwelt, die Ausblicke auf die Landschaften und die Anblicke der Farben und Strukturen der Natur, die je nach Jahreszeit und Sonnenstand das Wandern bereichern. Im Hochgebirge beeindrucken die gewaltigen Felsformationen und die körperlichen Herausforderungen, die sie einem abverlangen. Ganz anders ist es in den Bergen aus Tuffstein in Kappadokien (Anatolien). Diese eher sanfte Berglandschaft ist vor etwa 30 Millionen Jahren aus der Asche gewaltiger Vulkanausbrüche entstanden. Wind und Wetter haben im Laufe der Zeit wahre Naturkunstwerke gestaltet. In dem in der Nähe von Göreme entstandenen Foto sieht man anhand eines durchgehenden Streifens unterschiedlicher Farben die früheren Sedimentationsschichten. Sie sind in der zurückliegenden Zeit durch Erosionsvorgänge aus dem weichen Material herausmodelliert worden. Die noch immer an den Steinen nagenden Strömungen von Luft und Wasser, sowie die damit verbundenen physikalischen und chemischen Reaktionen haben charakteristische Muster hinterlassen, denen die typischen Strömungsvorgänge gewissermaßen einbeschrieben sind. Diese steingewordenen Skulpturen werden in absehbarer Zeit ganz anders aussehen, weil die Erosionsvorgänge mit gleicher Intensität weitergehen.
Was nützt mir
Was nützt mir die Welt
wenn die Sinne sich nicht öffnen
die Augen verklebt sind und
die Hand nicht loslässt
Neues zu fassen
mir Peking, New York, Granada
wenn ich nicht entbrenn kann
in Liebe zu einem
einzigen Stein*
Diesen Stein (5 cm lang), Rest eines Ammoniten, fand ich als Kind von 6 Jahren im Split eines Bahndamms. Er begleitet mich seitdem oft als Handschmeichler in der Hosentasche.
Eveline Hasler. Auf Wörtern reisen. Zürich 1993, S. 32
Dies ist ein Naturstein, der als Element in eine Steinmauer eingebaut wurde, wie oben an der Mörtelfuge zu erkennen ist. Das Besondere an diesem Stein ist, das in ihm ein vermutlich erdgeschichtlich viel älterer Stein eingelassen ist. Ich stelle mir die in erdgeschichtlich früher Zeit abgelaufenen Vorgänge so vor, dass Steinbrocken von weicher Erde, evtl. Sedimenten umgeben und schließlich ebenfalls zu Stein verfestigt wurden.
„So erzählen die Schnitte auf dem Boden eines zinnenen Tellers die Geschichte aller Mahlzeiten, denen er beigewohnt hat, und eben so enthält die Form jedes Landstrichs, die Gestalt seiner Sandhügel und Felsen, mit natürlicher Schrift die Geschichte der Erde, ja jeder abgerundete Kiesel, den das Weltmeer auswirft, würde sie einer Seele erzählen, die so an ihn angekettet würde, wie die unsrige an unser Gehirn“.
Lichtenberg, Georg Christoph : Schriften und Briefe III. München 1980