Bei vielen Aktionen verrät man sich dadurch, dass man Spuren hinterlässt. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Fotos im Spiel sind. Ein Selfie ist in vielen Fällen mit von der Partie, auch wenn man es nicht erwartet. So auch auf diesem Foto. Das Abbild hilft andererseits, die Aktion zu rekonstruieren.
Diese Fenster sehen aus, als wären sie mit Butzenscheiben ausgestattet. Sind sie aber nicht. Vielmehr handelt es sich um doppelt verglaste Fenster, von denen die äußere Scheibe (auf die wir blicken) die hellen Gegenstände der Außenwelt spiegelnd reflecktiert. Da die Gegenstände im Innern (außer der Lampe links unten) vergleichsweise wenig Licht aussenden, werden sie von dem gespiegelten Licht weitgehend überstrahlt und daher nicht gesehen. Wer sich allerdings im Innenraum hinter dem Fenster befindet hat einen perfekten Blick auf die helle Außenwelt. Ursache für die Verzerrung der Spiegelungen der hell beleuchteten Außenwelt ist die Wölbung der der doppelt verglasten Scheiben nach außen. Die Wölbung wird dadurch bewirkt, dass im Innern zwischen den Scheiben ein höherer Luftdruck herrscht als außen. Die Scheibe wirkt daher wie ein Wölbspiegel, wie man ihn zuweilen an unübersichtlichen Straßeneinmündungen vorfindet. Eigentlich müsste man auch noch eine Spiegelung der hinteren Scheibe sehen, die als Hohlspiegel wirkt. Aber durch eine reflektierende Beschichtung der vorderen Scheibe sieht vom reflektierten Licht der hinteren Scheibe so gut wie gar nichts.
Wie es zum Überdruck zwischen den Scheiben kommt, habe ich früher bereits erklärt, zum Beispiel hier oder etwas ausführlicher hier.
Eine Glaskugel wird vom blauen Himmel durch ein Fenster hindurch beleuchtet. Sie fokussiert das Licht auf einen Brennfleck. In diesen Brennfleck lege ich eine lichtundurchlässige Kugel (ich hatte nur eine solche aus Schokolade). Diese wirft einen Schatten. Der Schatten ist gerundet und relativ kurz. Denn das Fenster ist als Lichtquelle sowohl zu den Seiten als auch in der Höhe begrenzt.
Blickt man auf die Sonne oder den Mond?
Erklärung des Rätselfotos des Monats März 2023
Frage: Wir möchten die ungefähre Tageszeit der Aufnahme wissen.
Antwort: Die Aufnahme zeigt zum einen Fenster, in denen die Front eines gegenüberliegenden Hauses reflektiert wird. Zum anderen sieht man eine Serie von Projektionen von Lichtkreuzen im Lichtkreis, die von Fenstern des gegenüberliegenden Hauses stammen. Damit man sie auf der Häuserwand projiziert vorfindet, steht die Sonne nicht sehr hoch. Andererseits stehen sie so hoch, dass von Dämmerung keine Spur ist, denn ihre Farbe ist hell weiß.
Die orangene Färbung der Häuserfront kann daher nicht durch das farbige Licht der tiefstehenden auf- oder untergehenden Sonne erklärt werden. Es handelt sich vermutlich um die Wirkung einer Beschichtung der reflektierenden Fensterscheiben, die langwelliges Licht reflektieren und kurzwelliges durchlassen.
Bei der Tageszeit ist daher vom frühen Vormittag oder späten Nachmittag auszugehen.
Wir möchten die ungefähre Tageszeit der Aufnahme wissen.
Erklärung des Rätselfotos des Monats Februar 2023
Frage: Wie kommt es zu diesem Flechtwerk?
Antwort: Bei dem Flechtwerk handelt es sich um besonders strukturierte Eisblumen auf einer Fensterscheibe. Zu Eisblumen kann es kommen, wenn die Temperatur der Glasscheibe zunächst unter den Taupunkt sinkt. Dann übersteigt die absolute Wasserdampfkonzentration die maximal mögliche und der überschüssige Dampf kondensiert in Form winziger Tröpfchen an der Scheibe. Sobald die Temperatur auch noch den Gefrierpunkt des Wassers unterschreitet kristallisieren sie schließlich zu Eis. Manchmal kommt es gar nicht erst zum Zwischenschritt des Verflüssigens. Denn unter bestimmten Bedingungen geht Wasserdampf auf direktem Weg in Eis über, er resublimiert.
Der Ursprung der Eisblumen liegt in winzigen Kristallen mit einer für Wassermoleküle charakteristischen sechseckigen Struktur. Sie entstehen an Kondensationskeimen, etwa Schmutzpartikeln, an denen sich Tröpfchen beziehungsweise Kristalle spontan bilden können. Indem sich an ihnen weitere Wassermoleküle anlagern breitet sich die Kristallisation aus. In welche Richtung das geschieht hängt davon ab, ob die dabei freiwerdende thermische Energie genügend schnell an die Umgebung abgegeben wird. Das führt dazu, dass die Anlagerungen exponierte Spitzen ausbilden, die sich vom Ursprung entfernen. Mit zunehmender Entfernung dieser Triebe vom Zentrum vergrößert sich die Wahrscheinlichkeit Kristallisationswärme abzugeben, sodass Nebentriebe entstehen können. Sie schlagen dann ihrerseits einen Weg ein, der sowohl vom Ursprung als auch vom jeweiligen Zweig weg gerichtet ist ähnlich wie bei verzweigten Pflanzen, die zum Licht hin streben. Die Besondere Form der Verzweigungen wird u. A. von der Umgebungstemperatur, Feuchte, Luftströmungen und Verunreinigungen bzw. Kratzspuren in der Scheibe beeinflusst, sodass es schließlich zu farn- und blumenartigen Strukturen kommt. Die im vorliegenden Fall zu beobachtenden nicht sehr häufig vorkommenden zopfartigen Gebilde sind bei sehr niedriger Temperatur (ca. – 18° C) an einer alten, vermutlich mit feinen Kratzern übersäten Scheibe bei relativ starkem Wind entstanden.
Was braucht es denn schon, könnte man sich fragen, um die Regeln der Perspektive zu entdecken? Wir brauchen doch nur ein Glas oder einen Spiegel zwischen die Szene und uns zu schieben, die Umrisse der Objekte zu zeichnen, wie sie uns durch das Glas erscheinen, und dann die Eigenschaften der Formen und Gestalten zu untersuchen, die wir gezeichnet haben – dann entdecken wir die perspektivische Verkürzung, entdecken wir die Fluchtlinien.*
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* Roberto Casati. Die Entdeckung des Schattens. Berlin 2001; S. 247.
Welche Farben? Die im linken Fenster des Zuges (siehe Ausschnitt unten). Sie stachen mir trotz ihrer Winzigkeit aus dem tristen grauen Einerlei des kalten Wintertages ins Auge. Diese Farben haben eine besondere Bewandtnis. Sie sind Ausdruck der Präzision, mit der die doppeltverglasten Fensterscheiben des Waggons hergestellt wurden und kommen folgendermaßen zustande. Das Licht der Leuchtstoffröhren wird an den beiden Scheiben reflektiert und überlagert sich im Auge bzw. Chip der Kamera. Da die Scheiben fast dieselbe Dicke haben und sich allenfalls um eine Winzigkeit von der Größenordnung der Wellenlänge des sichtbaren Lichts unterscheiden, kommt es zur Interferenz. Und die macht sich in bunten Spektralfarben bemerkbar. Genaueres findet man z.B. hier.
Hier bildet ein Fenster ein gegenüberliegendes zweites Fenster durch spiegelnde Reflexion ab. Allerdings tut es das nicht so wie man es von einer ordentlichen Spiegelung erwarten würde. In den gespiegelten Bruchstücken ist kaum das Abbild eines normalen Fensters zu erkennen. Vielmehr wird es total verzerrt dargestellt, obwohl man dem spiegelnden Fenster keine entsprechenden „Anomalien“ ansieht. Sie sind aber da. Denn es handelt sich um ein doppelt verglastes Fenster, das offenbar geringe Deformationen aufweist, die man allerdings ohne diese Abbildung kaum erkennen würde.
Die Deformationen – eine der Scheiben ist nach innen, die andere nach außen gewölbt – kommen dadurch zustande, dass im luftdicht abgeschlossenen Hohlraum zwischen den beiden Scheiben ein Über- oder ein Unterdruck herrscht.
Da die Spiegelung an der hinteren Scheibe stets etwas lichtschwächer ist, weil bereits ein Teil des Lichts an der vorderen Scheibe reflektiert wurde, kann man einen Unterschied in der Helligkeit des gespiegelten gegenüberliegenden Fensters erkennen. Demnach fungieren die vorderen Scheiben als Wölbspiegel, die hinteren als Hohlspiegel.
Daraus lässt sich wiederum schließen, dass zwischen den beiden Scheiben ein größerer Luftdruck als der natürliche äußere Luftdruck herrscht. Und das setzt voraus, dass zum Zeitpunkt der Herstellung des Fensters ein größerer Außendruck vorhanden war als zum Zeitpunkt dieser Fotografie. Daraus folgt entweder, dass der Herstellungsort tiefer gelegen war als das Fenster (höherer Luftdruck). Oder aber zum Zeitpunkt der Aufnahme herrschte wetterbedingt ein sehr niedriger Luftdruck. Auf diese Weise kann ein Fenster eine ganze Geschichte „erzählen“, man muss nur genau hinhören – pardon: hinschauen.
Habe ich das Bild jetzt physikalisch entzaubert? Sicher nicht, denn die zauberhafte Struktur bleibt erhalten. Vielleicht, so denke ich manchmal, wird sie durch die Beschreibung überhaupt erst bemerkt und dadurch bemerkenswert. Ich spreche in solchen Zusammenhängen gerne von einer Wiederverzauberung…
Gedichte sind gemalte Fensterscheiben!
Sieht man vom Markt in die Kirche hinein,
Da ist alles dunkel und düster;
Und so sieht’s auch der Herr Philister:
Der mag denn wohl verdrießlich sein
Und lebenslang verdrießlich bleiben.
Kommt aber nur einmal herein,
Begrüßt die heilige Kapelle;
Da ist’s auf einmal farbig helle,
Geschicht und Zierat glänzt in Schnelle,
Bedeutend wirkt ein edler Schein;
Dies wird euch Kindern Gottes taugen,
Erbaut euch und ergetzt die Augen!
Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)
Soviel zur Schönheit von Licht und Farbe, die durch Kirchenfenster verbreitet werden. Johannes Kepler (1571 – 1630) fielen die Löcher in den Kirchenfenstern auf, durch die Sonnentaler auf dem Kirchenboden oder der gegenüberliegenden Wand entworfen wurden. Zu seiner Zeit war das Phänomen noch nicht verstanden. Kepler war der erste, der eine auch heute noch gültige Erklärung publizierte.
„Dass der Sonnenstrahl, der durch irgendeine Spalte dringt, in Form eines Kreises auf die gegenüberliegende Fläche auffällt, ist eine allen geläufige Tatsache. Dies erblickt man unter rissigen Dächern, in Kirchen mit durchlöcherten Fensterscheiben und ebenso unter jedem Baume. Von der wunderbaren Erscheinung dieser Sache angezogen, haben sich die Alten um die Erforschung der Ursachen Mühe gegeben. Aber ich habe bis heute keinen gefunden, der die richtige Erklärung gefunden hätte“ (Johannes Kepler. Grundlagen der geometrischen Optik. Leipzig 1922, S. 13).
Heute haben die Kirchenfenster nur selten Löcher. Aber auch ohne Löcher entdeckt man schöne, farbenprächtige Sonnentaler. Denn jedes Element eines beliebig geformten Segments der Kirchenfenstermosaike stellt eine Öffnung dar, durch die in hinreichender Entfernung Abbilder der Sonne projiziert werden. Die obige Abbildung ist die Projektion des seltenen Falls eines Kirchenfensters mit zwei fehlenden Glaselementen. Diese rufen weiße Sonnentaler hervor. Alle farbig verglasten anderen Elemente erzeugen schöne Farbkreise.
Wer mit offenen Augen durch die Welt geht, dem fallen vielleicht auch einmal Fensterscheiben mit wellenartigen Reflexionen auf. Leider habe ich die auf dem Foto abgebildeten Scheiben nicht im Original gesehen, sondern in Gnaddrigs Blog. Ich habe mich allerdings angesprochen gefühlt zur Frage, wie es zu diesen Wellen kommt.
Ich vermute, dass die Fenster in dem neu errichteten Gebäude mit Sicherheitsglas ausgestattet wurden. Dieses Glas wird dadurch hergestellt, dass die Glasscheiben in einem speziellen Ofen bis nahe an die Grenze der Verflüssigung (ca. 600° C) erhitzt werden. Dabei wird das erhitzte Glas auf Quarzglasrollen kontinuierlich hin und her transportiert. Mit zunehmender Temperatur wird das Glas leicht verformbar und neigt dazu, während des Erhitzungsprozesses ein wenig zwischen den Rollen durchzusacken. Dadurch kann eine periodische Welligkeit im Glas auftreten, die bei direkter Betrachtung kaum zu bemerken ist. Betrachtet man jedoch an der Scheibe reflektierte Strukturen, so werden die Wellen durch entsprechende Mehrfachreflexionen indirekt sichtbar. Es ist eine Art strukturierter Beleuchtung, wie man sie beispielsweise vom chinesischen Zauberspiegel her kennt. Da die Scheiben stets etwas reflektieren, fällt dieser Effekt den wenigsten Menschen auf. Allerdings ist die wellenartige Struktur in der Spiegelung verräterisch.
Um diese Jahreszeit der tiefstehenden Sonne scheint diese in einem unserer Fenster fast waagerecht hinein und liefert bei fast vollständig herabgelassener Jalousie interessante teils farbige Streifen auf der Rückwand. In diesem Fall wird das Szenario überlagert von zunächst unverbundenen Streifen, aus denen unser visuelles Vermögen der Gestaltwahrnehmung eine Gestalt hervorhebt, die sich als der Fotograf erweist, der vor dem Fenster steht und dieses Foto macht.
Doppelglasscheiben haben wir einige schöne Anblicke in Form von Lichtkreuzen in Lichtkreisen zu verdanken. Schaut man sich die deformierten Scheiben an, wenn sie von Licht beleuchtet werden, das von einfach strukturierten Objekten ausgeht, kann es zu interessanten Mustern kommen. Diese lassen Rückschlüsse auf die Art der Verformung der Fensterscheiben zu.
Wird eine ganze Fensterfront auf diese Weise beleuchtet, so werden oft ästhetisch ansprechende Reflexionsmuster in den Scheiben hervorgerufen, die als Ganzes wie eine überdimensionale Kunstinstallation wirken (siehe Fotos). Im vorliegenden Fall liegt der wie von künstlerischer Hand gestalteten Fensterfront eine gleichartige von der Sonne angestrahlte Fensterfront als „Mustergeber“ gegenüber.
Aufgrund der Deformationen der Doppelglasfenster und damit der Spiegelbilder kommt es zu den charakteristischen Verformungen der gespiegelten Elemente. Ihre Wirkung geht vor allem aus der einfachen quadratischen Form und der Vielzahl ähnlich strukturierter Spiegelbilder hervor. Die Variationen eines nicht festgelegten, aber festlegbaren Urmusters zwingen gewissermaßen den Blick, sich in das Labyrinth zu begeben, das hier vom manipulierten Licht gezeichnet wird. Als Ariadnefaden kann – wer möchte – die zugrundeliegenden physikalischen Mechanismen aufnehmen, um damit zum Urphänomen zu gelangen.
Letztlich landet man dann bei so etwas Profanem wie den individuellen Abweichungen bei der Fertigung der Doppelscheiben. Die große Ähnlichkeit in Gruppen benachbarter Scheiben deutet zudem darauf hin, dass diese Scheiben jeweils aus derselben Produktion stammen und unter gleichen Bedingungen entstanden sind.
Erklärung des Rätselfotos des Monats Mai 2021
Frage: Wie kommt es zu der Miniaturabbildung
Antwort: Bei einer Teepause, in der ich ein Stück Kandis in den Tee fallen ließ, entstand eine Blase und ermöglichte es mir durch sie hindurch auf das Stück Kandis zu linsen. Dieses erschien nämlich deutlich verkleinert, so als ob man durch eine Zerstreuungslinse blickte. Wie kann das sein?
Da der Blase ohnehin nur eine kurze Lebensdauer beschieden war und die geselligen Umstände es unmöglich machten, der Sache vor Ort auf den Grund zu gehen, rekonstruierte ich die Situation später in einer Tasse mit Wasser, in das ich zur Entspannung einem Tropfen Spülmittel gegeben hatte. Zur Erzeugung der Blase nahm einen Strohhalm zu Hilfe, mit dem ich auch noch die Blasengröße bestimmen konnte. Und anstelle des Kandis, legte ich eine Cent- Münze auf den Grund der Tasse.
Mit einer solchen Anordnung lässt sich schön verfolgen, dass die Münze wie ehemals der Kandis durch die Blase hindurch betrachtet tatsächlich verkleinert erscheint und zwar umso mehr je kleiner die Blase ist.
Zur Erklärung muss man sich zunächst klarmachen, dass es sich bei der Blase um eine Halbblase handelt und selbst das stimmt nur ungefähr. Damit eine Blase überhaupt als solche existieren kann, muss der Innendruck größer sein als der Außendruck. Denn die Tendenz der Seifenhaut, sich zu einem kugelförmigen Tropfen zusammenzuziehen muss durch einen höheren Innendruck kompensiert werden. Dadurch wird nicht nur die Seifenhaut straff gehalten, sondern im Falle der auf dem Wasser driftenden Halbblase auch die Wasseroberfläche ein wenig eingedellt, sodass im Wasser so etwas wie eine konkave Linse entsteht.
Blickt man durch eine solche Zerstreuungslinse, so erscheinen die durch sie betrachteten Gegenstände – also hier die 1-Cent-Münze – verkleinert: Je kleiner die Blase und damit die Brennweite der von ihr geformten Linse, desto kleiner ist die Abbildung.
In der Abbildung ist die Blase wegen ihrer Transparenz nur indirekt zu erkennen, nämlich durch die tassenfarbene Spiegelung auf dem konkaven Rand der Blase und durch Interferenzfarben im Bereich des Spiegelbilds des lichtspendenden Fensters.
Zu Beginn der Neuzeit mutierte das Gemälde zum Fenster. Emile Zola sollte später einmal über diesen Wandel sagen: Jedes Kunstwerk ist wie ein Fenster, das auf die Schöpfung hinaus geöffnet ist.
Wenn ich so durch die Straßen einer Stadt flaniere, wird für mich umgekehrt so manches Fenster zum Kunstwerk. So auch die in diesem Foto festgehaltenen Fenster. In einem kräftigen Gelbton variieren sie ein abstraktes Gemälde. Jedenfalls kann man es so sehen.
In Wirklichkeit liegt folgende Situation vor: Es ist Abend, das helle Gebäude reflektiert diffus das blaue Himmellicht. Die Fenster können mehr, sie reflektieren spiegelnd das vom oberen Stockwerk eines gegenüber liegenden Gebäudes diffus reflektierte Licht eines farbenprächtigen Sonnenuntergangs.
Die abstrakte Strukturierung des realen Geschehens verdankt sich der Doppelverglasung der Fenster. Infolge des Unterschieds zwischen dem Luftdruck innerhalb des von den beiden Scheiben gebildeten Hohlraums und dem der Außenwelt mutieren sie zu leicht konkaven und konvexen Spiegeln. Daher erscheinen die abgebildeten Gegenstände nicht nur von jedem der Scheiben auf eigene Weise deformiert, sondern bringen diese deformierten Abbilder auch noch zur Überlagerung mit dem Ergebnis des im Foto festgehaltenen Gemäldes.
Auf einer (langwierigen) Konferenz wagte ich es nicht, meine Langeweile dadurch zu verraten, dass ich durch das Fenster auf das frische Grün dieses schönen Frühlingsmorgens blickte. Ich schaute stattdessen auf eines der glasgerahmten Bilder an der Wand, das direkt in meinem Blickfeld lag. Darauf war eine Frau mit einem Krug abgebildet, die mir – so verstand ich es – den Blick in die Natur gestattete.
P.S.: Das Foto machte ich, als alle gegangen waren.
Zurzeit sind die Wollsocken wirklich wichtiger als Fischbrötchen, die einem ja in der Hand gefrieren würden.
Gesehen in Greetsiel
Ein buntes Kaleidoskop von Farben und Formen zeigt sich hier in Gestalt von Fensterscheiben. Obwohl die Fenster dicht beieinanderliegen treten die Reflexe in mehr oder weniger unterschiedlicher Weise auf.
Die Reflexe des 1., 3. und 10. Fensters (von oben links nach unten rechts gezählt) stimmen in ihrer Grundstruktur weitgehend überein. Entsprechendes gilt für das 4., 5., und das 8. Fenster; auch das 2. und 7. Fenster könnte man dazurechnen. Ganz aus dem Rahmen fallen das 6. und das 9. Fenster, deren Scheiben kaum eine Struktur zeigen, dafür aber eine weitgehend einheitliche tief blaue Färbung. Gemeinsam ist allen Fenstern, dass sie dem Reflexionsgesetz gemäß das Licht von den gegenüberliegenden indirekten Lichtquellen reflektieren. Das ist im Falle der beiden blauen Fenster der blaue Himmel. In allen anderen Fällen handelt es sich offenbar um Teile von Gebäuden, die der Fensterfront von der Sonne beschienen gegenüber liegen. Anders als man es in den meisten Fällen gewohnt ist, sind die gespiegelten Ansichten aber dermaßen verzerrt, dass sie so gut wie nicht zu erkennen sind. Man kann nur erahnen, dass in einigen Fällen ebenfalls Fenster der Ausgangspunkt für das Licht sind.
Der Grund für diese Verzerrungen liegt nicht etwa darin, dass es sich um schlecht gefertigte Fenster handelt. Vielmehr erkennt man an ihnen eindeutig, dass wir es mit doppelt verglasten, also modernen Fenstern zu tun haben. Sie sind aufgrund von Luftdruckunterschieden zwischen dem Innenraum der luftdicht verklebten Scheiben und der Außenwelt leicht nach innen oder außen gewölbt und wirken, wie in einem früheren Beitrag ausführlicher dargestellt, ähnlich wie Hohl- und Wölbspiegel. Im vorliegenden Fall dominiert allerdings nur der Reflex einer der beiden Scheiben.
Die Verzerrung und damit die Wölbung der Scheiben ist umso größer, je mehr sich die Stärke des Luftdrucks zwischen dem Innenraum der Doppelglasscheiben zum Zeitpunkt ihrer Herstellung und dem Außendruck bei der fotografischen Aufnahme unterscheidet. Die Ähnlichkeit der Verzerrungen der abgebildeten Scheiben weist darauf hin, dass der gleiche Außendruck geherrscht haben muss, die entsprechenden Scheiben also etwa zur gleichen Zeit hergestellt wurden. Dies gilt vermutlich nicht nur für die Scheiben 4, 5 und 8, sondern auch für die Restlichen. Der Unterschied ist vermutlich dem unterschiedlichen Grad der Strukturiertheit der reflektierten Gebäudeteile zuzuschreiben. Unstrukturierte Teile zeigen auch in der Reflexion keine Struktur, wie insbesondere bei den beiden Scheiben zu erkennen ist, die Ausschnitte des blauen Himmel reflektieren.
Bleibt nur noch die Frage, warum die beiden blauen Fenster aus der Reihe tanzen und offenbar über das gegenüberliegende Gebäude „hinwegschauen“. Wie am dunklen Schattenstreifen am oberen Rand dieser Fenster zu erkennen ist, stehen sie „Kipp“ und stellen daher einen anderen Einfallswinkel für das einfallende Licht dar als es bei den übrigen Fenstern der Fall ist. Die Kippstellung von Fenstern führt auch in anderen Zusammenhängen zu überraschenden Phänomenen (z.B. hier und hier, hier).
Die abgebildete Fensterfront hat also einiges zu „erzählen“ über
– die Art der Fensterverglasung,
– den Luftdruckunterschied zwischen Ort und/oder Zeit der Herstellung und ihres jetzigen Aufenthalts und
– über das Wetter.
Sonnentaler bringt man normalerweise mit den Lichtkreisen unter dem Blätterdach von Bäumen in Verbindung. Wie erstaunt war ich doch, als ich perfekt aussehende Sonnentaler in der Stadt in einer bestimmten Anordnung über die Straße verstreut vorfand. Ich fragte mich natürlich, durch welche Löcher hier die Sonne wohl durchstrahlen würde und stieß schließlich auf hochgelegene Sprossenfenster mit kleinen quadratischen Scheiben (Schätzungsweise 15 cm x 15 cm). Diese reflektierten einen Teil des auftreffenden Sonnenlichts, was denselben Effekt hat, wie wenn das Licht durch quadratische Löcher geht: In der Nähe würde man quadratische Abbilder der kleinen Fenster auffangen, in weiterer Entfernung das Bild der Sonne.
Wer es nicht glaubt, dem empfehle ich folgendes kleines Expermiment. Man nehme einen quadratischen oder rechteckigen Taschenspiegel, lasse das Sonnenlicht darauf fallen und richte den Reflex auf eine möglichst weit entfernte schattige Fläche, z.B. die Wand eines hohen Hauses. Man wird einen runden Fleck wahrnehmen.
Dass die Reflex-Sonnentaler auf der Straße nicht so ordentlich aufgereiht erscheinen, wie die Fensterelemente liegt wohl daran, dass letztere nicht völlig plan eingebaut worden sind und die große Entfernung zu entsprechenden Verschiebungen der Abbilder auf dem Asphalt führt.
Wolken sind normalerweise in Bewegung. Wenn sie nicht gerade von einem starken Wind getrieben werden, sieht man kaum etwas von ihrer Bewegung, es sei denn man betrachtet sie in Relation zu einem festen Gegenstand, einem Baum oder einem Gebäude. Auch der Mond weist oft dadurch auf die bewegten Wolken hin, dass er durch sie hindurch zu driften scheint. Und nur durch das Wissen um die kaum merkbare Bewegung des Monds, erschließt man die Bewegung der Wolken.
Als Kind habe ich oft auf dem Rücken im Gras gelegen und die Wolkenbewegung dadurch genossen, dass sie in mein Blickfeld ein- und austraten. Heute kann man die bewegten Wolken zuweilen durch die Bewegung ihrer Spiegelbilder in verglasten Gebäuden erkennen. Die Spiegelwolken treten auf der einen Seite in die Scheiben ein und verlassen sie auf der anderen Seite. Dabei kann man teilweise Bewegungen innerhalb einer Wolke erkennen, die auf Deformationen der mehrfach verglasten Scheiben schließen lassen. Da die realen und die reflektierten Wolken nicht gleichzeitig in den Blick genommen werden, erlebt man die Wolkenbewegung in der Spiegelwelt oft als eine vom Menschen gemachte Inszenierung. Dies entdeckte ich als ich auf einer Bank wartend die Spiegelwolken verfolgte und auf diese Weise neben kontemplativen Momenten auch physikalische Vorgänge erleben konnte.
Im 46. Stockwerk eines Hochhauses, in dem die immer wieder unter großen akrobatischen Einsatz (jedenfalls kam es mir so vor) geputzen Fenster, hat man einen einen guten Durchblick und damit auch einen weitreichenden Überblick über die Megastadt. Damit ist jedoch bei weitem kein Einblick verbunden in die Maschinerie, die all dies in Gang hält. Wendet man den Blick, so verliert man sich leicht in Spiegelungen, die den vorher noch als deutlich und klar empfindenen Durchblick wie ein Anblick einer anderen Welt erscheinen lassen. Man ist sehr schnell müde, die Überlagerungen von realen und virtuellen Eindrücken zu ordnen und nimmt es und sich selbst mittendrin schließlich als eine Art Kunstwerk wahr.
Das Geheinmis liegt hier nicht nur hinter den Fenstern als vielmehr darin, welches Fenster ein wahrhaftiges Fenster ist und welches nur eine Spiegelung. Man muss sich schon ganz schön in die Situation hineinfuchsen, um ein in sich stimmiges inneres Bild von den äußeren Bildern zu gewinnen. Oft bin ich selbst vor der Situation mir nachträglich klarzumachen, was ich denn beim Fotografieren realiter vor mir hatte. In einigen – allerdings seltenen Fällen – bin ich später sogar zum Original zurückgegangen, um meine Vorstellung zu überprüfen.
Diese Erfahrung wirft ein bezeichnendes Licht auf die Selektivität und die damit verbundene Einschränkung der Wahrnehmung. Denn während des Fotografierens sind einem häufig noch nicht alle Aspekte präsent, die bei der späteren Betrachtung des Fotos interessant werden.
Ursprünglich war das Fenster ein praktisches Bauelement, das eine semitransparente Kommunikation mit der Außenwelt ermöglicht. Durch das Fensterglas wurde es möglich, Räume materiell von der Außenwelt zu trennen ohne wesentliche optische Einschränkungen hinnehmen zu müssen. Doch die Glasscheiben führen darüber hinaus ein multivisuelles Eigenleben, dass oft zu verblüffenden, manchmal sogar künstlerisch anmutenden Effekten führt. Im vorliegenden Foto erleben wir Fenster von außen, wobei ihre Wirkung als Lichtfalle und Spiegel dominiert. Obwohl dies ursprünglich kaum beabsichtigt war, kann ihne eine gewisse Ästhetik nicht abegesprochen werden. Auch spielen Fenster in der Kunst eine wichtige Rolle.
Vor einigen Tagen habe ich ein Problem geschildert, bei dem Sonnenlicht sowohl aus dem realen Fenster eines Gebäudes sowie aus dem Fenster des Spiegelbilds des Gebäudes in einem Wasserbecken reflektiert wird. Um dem einen oder der anderen beim eigenen Lösen des Rätsels nicht vorzugreifen, ließ ich die Erklärung offen und hole sie hiermit nach. (Dabei sollte man sich das dort abgebildete Foto noch einmal vor Augen halten. Das aktuelle Foto betrifft ein neues Phänomen.)
Wenn Reflexionsphänomene auf den ersten Blick unverständlich erscheinen, hilft oft eine Zeichnung mit der man (im Rahmen der geometrischen Optik) den Lichtwegen nachspürt. Das habe ich getan (siehe Grafik) und denke, dass die Vorgänge damit veranschaulicht werden können.
Das Sonnenlicht wird natürlich auf der ganzen Häuserfront reflektiert. Wir sehen jedoch je nach unserem Standpunkt nur das Licht, das in unsere Augen gerät. Hier kommt es vor allem auf die spiegelnden Reflexe der Sonnenscheibe selbst an. Die zeigt sich zum einen in der Reflexion des Lichts, das aus dem oberen Fenster gemäß Einfallswinkel = Reflexionswinkel in unsere Augen umgelenkt wird. Zum anderen trifft das im nächst niedrigeren Fenster reflektierte Licht der Sonnenscheibe so auf die Wasseroberfläche auf, dass es von dort in unsere Augen gelangt. Da diese jedoch von dem „Knick“ des Lichtweges auf der Wasseroberfläche nicht „wissen“ können, wird das Licht aus der geradlinigen Verlängerung (gestrichelte Linie) kommend gesehen.
Das heißt aber, dass es in der hier vorliegenden Konstellation so aussieht, als käme das Licht aus dem Fenster der nächst niedrigeren Etage. Eine Reflexion aus derselben Etage wie das direkt reflektierte Licht erscheint also physikalisch nicht möglich. Damit dürfte das Rätsel gelöst sein. Oder?
Schaut man sich das Foto des aktuellen Beitrags im Lichte dieser Erkenntnis an, so scheint es zu zeigen, dass es auch anders geht. Hier scheint das im Wasser reflektierte Sonnenlicht nicht aus der Höhe des nächst niedrigeren Stockwerks zu kommen, sondern aus dem nächst höheren. Kann man da der Physik noch vertrauen? Auch hier hilft wieder eine Zeichnung. Allerdings sollte die begleitende Frage lauten: Wie müssen die betroffenen Fenster beschaffen sein, damit ein solcher Anblick möglich ist.
Ich komme darauf zurück.
Der Blick durch/in ein Fenster auf die Innen- und Außenwelt offenbart einige interessante Ein- und Aussichten. In der rechten Bildhälfte blickt man durch die geöffnete Balkontür auf einen Balkon und die dahinter liegende Seitenfassade eines anderen Gebäudes, das weitgehend im Halbschatten liegt. Auf der linken Bildhälfte sieht man auf/durch die schräggestellte Balkontür. Man sieht in Durchsicht kaum etwas von dem wenig beleuchteten Zimmer, lediglich die dicht hinter der Scheibe angebrachte weiße Gardine ist deuchtlich zu erkennen. In der Spiegelung der Balkontür zeigt sich der Balkon aus etwas anderer Perspektive und vor allem ein voll in der Morgensonne liegendes Gebäude in den frischen Farben des frischen Tags. Der gespiegelte Himmel zeigt das passende Blau dazu. Beim Blick durch die offene Balkontür ist kein Himmelsblau zu sehen. Wir wissen aber durch die Spiegelung, dass uns durch die automatische Kameraeinstellung hier etwas vorenthalten wird. Weil die Kamera eine Blendeneinstellung wählt, die als Kompromiss angesehen werden kann zwischen der unterschiedlichen Helligkeit der linken und rechten Seite, haben wir rechts eine Überbelichtung, die den blauen Himmel weiß erscheinen lässt und links ein unterbelichtetes Zimmer (im linken und unteren Bereich nur Schwärze). Lediglich der in der Scheibe reflektierte Ausschnitt aus der Außenwelt wird einigermaßen korrekt wiedergegeben.
Und noch etwas fällt auf. Das diffus reflektierte Licht der halbtransparenten hellen Gardine wird im oberen Bereich von der spiegelnden Reflexion der hellen Szenerie überstrahlt und nahzu unsichtbar, während im unteren Bereich kaum Streulicht aus dem Zimmer kommt und die diffuse Reflexion voll zur Geltung kommt.
Fenster gewähren Ausblick und Einblick. Obwohl Fensterglas transparent ist, wird diesen Blicken nicht immer in der gewünschten Weise stattgegeben. Von einem hellen Zimmer aus in die dunkle Außenwelt zu blicken gelingt nur sehr unvollkommen. Während es umgekehrt leicht möglich ist. Tagsüber hat man hingegen nur eine eingeschränkte Möglichkeit von außen durch die Fenster in einen unbeleuchteten Raum zu blicken.
Wenn man es trotzdem tut, sind die Einblicke eher impressionistischer Natur als reale Anblicke (siehe Foto).
Ursache für diese Verwirrungen ist die Tatsache, dass Glasscheiben nicht nur transparent sind, sondern zu einem sehr kleinen Teil das Licht auch reflektieren (ca. 4% bei senkrechtem Blick durch eine Grenzschicht zwischen Luft und Glas). Dieser geringe Anteil wird jedoch dominierend, wenn in der Reflexionsrichtung kaum durchgehendes Licht auftritt.
Ich werde manchmal gefragt, wie ich zu den Alltagsphänomenen komme, die hier im Blog angesprochen werden. Die Frage kann ich nur exemplarisch beantworten, indem ich typische Situationen schildere, in denen ich von einem Phänomen gewissermaßen angesprungen werde.
Das vorliegende Foto ist entstanden, als ich meinen Zug verpasst hatte und die Zeit auf dem Bahnhofsvorplatz verbrachte. Ich betrachtete die Gebäude und konnte den Ärger dadurch teilweise auf andere (u.A. bauliche) Unvollkommenheiten ablenken. Schließlich stand ich vor einem größeren Wasserbecken, das hier aus Dekorationsgründen angelegt worden war. Darin spiegelte sich mehr oder weniger deutlich ein Hotelgebäude. Sogar die in einem der Hotelfenster reflektierte Sonne wurde im gespiegelten Hotelgebäude reflektiert. Während der Reflex im realen Fenster unerträglich blendete (und in der Fotografie einen weiten Bereich des Fensters überstrahlte) war die Reflexion im Wasser stark herabgedimmt und erträglich.
So sollte es auch sein und ich hätte zufrieden mit der Welt, mit der Physik und mit mir (trotz des Zuspätkommens) sein können. Doch irgendetwas schien hier nicht zu stimmen. Richtig: Die Spiegelung der Sonne erscheint im gespiegelten Gebäude in einem niedrigeren Fenster als im realen Gebäude. Wie das? Schon hatte mich ein Phänomen angesprungen und bestimmte die folgende Zugfahrt,für die ich mir eigentlich schon etwas anderes vorgenommen hatte.
Eine Erklärung gebe ich in einem späteren Beitrag.
Wenn man ein solches Gebäude mit gekrümmten Fassaden erblickt, wird man vielleicht an moderne Architektur à la Hundertwasser erinnert… Aber nein, nicht wirklich. Denn die Linien sind doch wohl etwas zu umstürzlerisch. Außerdem erscheinen sie genau in den Kreuzungen der Sprossen des Fensters, durch das man blickt zusammengezogen zu werden. Man wird ziemlich schnell das Fenster im Verdacht haben. Richtig, es handelt sich um eine Doppeltverglasung und die führt in den meisten Fällen dazu, dass die Scheiben infolge unterschiedlichen Luftdrucks innerhalb und außerhalb der Scheiben deformiert werden. Diese Deformationen führen meist zu kissenförmigen Verzerrungen der Gegenstände, die man im Blick hat.
Aber wie wäre es, wenn wir gar keinen Hinweis auf das Fenster hätten? Würden wir dann die Realität anders wahrnehmen. Würden wir etwa davon ausgehen, dass gesehene Gegenstände je nach Blickwinkel ihre äußere Form ändern? Welche Wirklichkeitsauffassung resultierte daraus? Ich will den Gedanken nicht weiterspinnen, obwohl er geeignet ist, einige stillschweigende Voraussetzungen der Wahrnehmung zu unterminieren. Und da wir nun mal nicht ständig durch Fenster blicken, sind diese Fragen außerdem sehr hypothetisch. Sind sie das wirklich? Sind nicht auch unsere Augen eine Art Fenster? Jedenfalls blicken wir durch den Glaskörper, die Linse, die Hornhaut und nehmen alles auch noch auf dem Kopf stehend wahr. Ist das wirklich vertrauenswürdig? Nun, wir haben nichts Besseres und kommen in der Regel bestens damit zurecht – von Augenfehlern einmal abgesehen. Jedenfalls macht unser Gehirn aus den Seheindrücken die schöne, stabile, in Senkrechten und Waagerechten normierbare Welt. Aber ist nicht gerade darin das Problem zu sehen? Sind wir noch Herr im eigenen Hause?
Einige Fenster scheinen hier aus dem Rahmen zu fallen. Sie erzählen eine andere Geschichte.
Das künstlerisch gestaltete, mit Goldrand versehene Fenster fordert geradezu dazu heraus, durchschaut zu werden. Auch wenn der Erkenntnisgewinn sich dabei in Grenzen halten mag, kann doch der Eindruck mitgenommen werden, einen Durchblick gehabt zu haben – auch wenn man dabei nur durch Fenster blickt, die einem durch ihre transparenten Scheiben dabei sehr entgegen kommen. Außerdem blickt man durch zwei Fenster. Und so oft hat man nun auch wieder nicht die Gelegenheit, einen doppelten Durchblick mit Goldrand zu haben.
Ehrlicherweise muss jedoch zugegeben werden, dass trotz dieser Doppelung der Durchblick nicht vollkommen sein kann. Ein vollkommener Durchblick würde nämlich ins Nichts führen. Man muss sich also schon damit begüngen, dass der Durchblick endlich bleibt und günstigenfalls in der Weitsicht endet.
Diese Weitsichtigkeit besteht in diesen Zeiten bereits darin, dass man genügend Abstand nimmt, auch wenn wir wissen, dass Weitsichtigkeit weit mehr bedeutet. Sie bringt uns unseren Zielen näher und verschafft uns Übersicht und Umsicht. Solange sich Weitsichtigkeit nicht als bloßer Augenfehler entpuppt, kann sie zu Visionen führen, wenn es glingt Wissen und Sehen kreativ miteinander zu verbinden.
H. Joachim Schlichting. Physik in unserer Zeit 51/6 (2020), S. 308
Ein vor einer kalten Fensterscheibe befindliches Hindernis ermöglicht eine Visualisierung der Strömung wärmerer Luft. Weiterlesen
Während eines Fluges hoch über den Wolken unter strahlend blauem Himmel wurde ich durch Eiskristalle am Kabinenfenster daran erinnert, dass außen ungemütliche Temperaturen von circa – 50° C und nur noch etwa ein Viertel des Luftdrucks (ca. 250 hPa) auf Meereshöhe (Normaldruck von ca. 1000 hPa) herrschen. Die Flugzeugkabine ist daher eine Art Luftballon, der mit warmer Luft gefüllt ist. Es wird zwar nicht der volle Luftdruck auf der Erdoberfläche im Fahrgastraum des Flugzeugs aufrecht erhalten, sondern nur etwa Dreiviertel (750 hPa) des Normaldrucks. Das entspricht in etwa dem Druck, der in 2500 m Höhe im Hochgebirge herrscht.
Damit die Flugreisenden zumindest visuell mit der Außenwelt Kontakt aufnehmen können, gibt es Flugzeugfenster, die die Differenzen zwischen Innen und Außen so überbrücken, dass der Durchblick weitgehend ungestört bleibt. Ein solches Flugzeugfenster besteht in der Regel aus drei Acrylglascheiben, von denen die innere Scheibe nur dazu da ist, dass die Reisenden nicht mit den beiden extrem kalten äußeren Scheiben in Berührung kommen.
Ein kleines Loch in der mittleren Scheibe sorgt dafür, dass die Druckunterschiede zwischen Kabine und äußerer Scheibe stets ausgeglichen werden können. Der damit verbundene Luftaustausch erfüllt damit außerdem die Funktion, die Ansammlung von Feuchtigkeit zwischen den Scheiben und damit ein die Sicht behinderndes Beschlagen der Scheiben zu verhindern. Damit unterscheiden sich die Flugzeugfenster grundlegend von den mehrfach verglasten Scheiben in Wohnhäusern, die fest versiegelt sind und keinen Luftaustausch mit der Außenwelt ermöglichen.
Aber Ausnahmen bestätigen die Regel. Ab und zu kommt es dann doch dazu, dass Scheiben beschlagen oder sogar Eiskristalle an der äußeren Scheibe entstehen, die meist auf die Nähe des Lochs beschränkt bleiben. Auf dem Foto sieht man den nicht allzu häufig vorkommenden Fall, dass sich die Eisblumen über einen größeren Bereich ausbreiten. Ich habe auf Flugreisen beobachten können, dass die Kristalle während ein und desselben Flugs auch wieder verschwinden können. Da die Kristallbildung nicht an allen Scheiben gleichzeitig auftritt, müssen Besonderheiten in der Nähe des betroffenen Fensters ausschlaggebend sein.
Ein Platz am Flugzeugfenster ist übrigens ein idealer Beobachtungsposten, von dem aus nicht nur großartige Ausblicke aus nicht alltäglicher Perspektive möglich sind, sondern auch Naturphänomene erlebt werden können, die einem normalerweise entgehen.
Dieses Schaufenster wirkte auf mich eher wie ein modernes Kunstwerk als wie eine übersichtliche Auslage von verkaufswürdigen Gegenständen. Nur wenn ich nahe genug an das Fenster heranging und im eigenen Schatten hineinblickte erschlossen sich mir die Verkaufsobjekte.
Das Problem war in den von der Sonne hell beleuchteten Gegenständen und Gebäuden, die dem Fenster gegenüberliegen zu sehen. Das von ihnen diffus in Richtung Schaufensterscheiben reflektierte Licht war so intensiv, dass der von den Scheiben spiegelnd reflektierte Anteil von etwa gleicher Helligkeit war wie das von den Auslagen ausgehende Licht.
Diese Überlagerungen des direkten und gespiegelten Lichts ganz unterschiedlicher Herkunft erzeugten Impressionen, denen am ehesten noch unter dem Aspekt der abstrakten Kunst bezukommen war.
Physikalisch gesehen spielen die durch den unterschiedlichen Luftdruck zwischen der Außenwelt und dem Raum zwischen den beiden deformierten Doppelglasscheiben eine wesentliche Rolle.
Seit einigen Jahren führe ich im Frühsommer und im Herbst in Neustadt (Weinstraße) eine Lehrerfortbildung zum Thema „Kunst und Physik“ mit wechselnden Schwerpunkten durch. Ich bin mehrfach gebeten worden, dies in meinem Blog mitzuteilen. Heute findet eine solche ganztägige Fortbildung statt. Dabei geht es diesmal um den Schwerpunkt des Fensters aus künstlerischer und physikalischer Perspektive. Weiterlesen
Leider konnte ich aus meiner Position die Figur auf der Spitze des Doms (Gendarmenmarkt in Berlin) nicht ganz auf das Foto bekommen. Mir kam eines der unteren Fenster zu Hilfe, das die Ergänzung besorgte. Glück muss man haben.
Das Reflexionsgesetz wird dadurch nicht außer Kraft gesetzt. Im Gegenteil, das Foto zeigt, dass es gilt. 😉