Ein Jäger denkt und spricht: es ist die Welt ein Wald,
Des Wildes Lager-Statt, der Hasen Aufenthalt,
Und, mit Vergnügen steif vom täglichen Gerenne,
Begreift er nicht, wie man in Städten wohnen könne.*
Oh doch, lieber Herr Brockes, zu Ostern ist alles anders, da sind (vermutlich aushilfsweise) sogar Osterkaninchen in der Stadt tätig. Das abgebildete sieht zwar etwas verhuscht und ängstlich aus; außerdem ist der Korb mit den bunten Eiern nicht zu sehen. Aber die werden sich vielleicht noch in der Kirche befinden, an dessen Mauer das Tierchen hockt.
*Barthold, Hinrich Brockes. Aus: Im grünen Feuer glüht das Laub.
Wer einmal erlebt hat, wie sich ein neu geborenes Küken bis zur Erschöpfung aus dem Ei herauspickt und das Licht der Welt erblickt, kann sich leicht vorstellen, dass dieser eindrucksvolle Vorgang symbolisch für die Entstehung von Leben gesehen werden kann. Daher wird das Ei von jeher in vielen Kulturen als Symbol für neues Leben, Fruchtbarkeit, Wiedergeburt und Ursprung der Welt angesehen.
Im antiken Griechenland und Rom wurden zur Feier des neu beginnenden Jahres, der Tag- und Nachtgleiche bunt bemalte Eier verschenkt und dekorativ aufgehängt. Da das christliche Osterfest etwa in diese Jahreszeit fällt wird vermutet, dass diese Tradition übernommen wurde, zumal das schlüpfende Küken symbolisch mit der Wiedergeburt Jesu in Verbindung gebracht werden konnte.
Das im Foto abgebildete „Käfigei“ soll an die Tradition des Eiersuchens und -versteckens erinnern. Hier geht es aber nicht so sehr darum, das Ei zu finden – es schein sogar aus sich heraus zu leuchten – sondern darüber nachzudenken, wie es aus seiner stählernen Umklammerung befreit werden könnte.
Dröhnend verkündete der Ansager neben uns: „Letzte Fahrt des Riesenrades für diese Saison ! Wer will noch mal ! Wer . . . “ Schon hatte ich 2 Bilets erstanden; schon Ilse bei der sommersprossigen Hand genommen; schon saßen wir nebeneinander in der Gondel, die unter angemessener Sambabegleitung nach oben zu steigen begann.
Hoch; ja höher. Oben allein. Und untertauchen in Krach und Helligkeit (wie sagt Sir Thomas Browne im <Religio Medici>? : And even that tavern-music, which makes one merry, another mad, in me strikes a deep fit of devotion.“ And so on) . Neuerdings aufstiegen wir. Sanken wieder auf den Grund des Lichterteiches : in die korallenbunten Gerüste; Knaben ritten auf Seepferdchen; langbeinige Wasserjungfern quälten Würste mit spitzen Fingern, mit Zähnen…..*
Erinnert wurde ich an diese Passage von Arno Schmidt (1914 – 1979) als ich beim vergangenen Münsteraner Send beobachtete, wie die Sonne dabei war, ein Loch in eben die Gondel zu brennen, in der die beiden saßen.
Übrigens, heute ist Sommersonnenwende (Solstize) der offizielle (astronomische) Sommeranfang. Die Sonne erreicht ihre größte Höhe in diesem Jahr. Danach geht es wieder abwärts, wie im Riesenrad, nachdem der höchste Punkt überschritten ist. Der Sonnenreflex wechselt bei der Linksdrehung des Riesenrades zur reflektierenden Scheibe der nächst niedrigen Gondel usw. In der Bewegung betrachtet, sieht es für einen Moment so aus, als würde die Sonne sinken. Tut sie im Grunde auch, aber zunächst ganz langsam. Es wird einige Zeit dauern, bis wir es merken.
*Arno Schmidt. Schulausflug. In: Sommermeteor. München 1969.