Seitdem die Sonne sich wieder vermehrt blicken lässt und ihre Strahlen radial in alle Richtungen sendet – jedenfalls nach der geometrischen Optik – werden einige frühe Blüten dazu angeregt, es ihr gleich zu tun. Die Strahlen der Weidenblüte sind kürzer, dafür enden sie in kleinen gelben Proviantpaketen für die frühen Insekten.
Frühlingsanfang bedeutet, dass die Tage fortan länger sind als die Nächte. Das bedeutet, dass sich die Sonne am Tage länger über dem Horizont aufhält als darunter, auch wenn das möglicherweise infolge von Nebel und Wolkenbedeckungen nicht unmittelbar nachvollzogen werden kann. Wer in den letzten Tagen Sonnenauf- und -untergangzeiten sehr genau beobachtet oder nur auf einer Liste verfolgt hat, wird zu seinem Erstaunen festgestellt haben, dass der Tag bereits vorgestern länger war als die Nacht. Schuld daran ist die „Hebung“ der tiefstehenden Sonne durch Lichtbrechung in der dichten Atmosphäre.
Obwohl Kiefern immergrün sind, auch im Winter, hatte ich den Eindruck, dass dieses Exemplar eines filigran gewachsenen Baumes das Licht von weit her reflektiert und die Verheißung von Frühlingsgefühlen zum Ausdruck bringt.
Fühlst Du durch die Winternacht
Durch der kalten Sternlein Zittern
Durch der Eiskristalle Pracht
Wie sie flimmern und zersplittern,
Fühlst nicht nahen laue Mahnung,
Keimen leise Frühlingsahnung?
Drunten schläft der Frühlingsmorgen
Quillt in gährenden Gewalten
Und, ob heute noch verborgen,
Sprengt er rings das Eis in Spalten:
Und in wirbelnd lauem Wehen
Braust er denen, die’s verstehen.
Hörst Du aus der Worte Hall,
Wie sie kühn und trotzig klettern
Und mit jugendlichem Prall
Klirrend eine Welt zerschmettern:
Hörst Du nicht die leise Mahnung,
Warmen Lebensfrühlings Ahnung?*
* Hugo von Hofmannsthal (1874 – 1929)
Nachdem nun auch die letzten Pflanzen sich aus ihrer Verpackung befreien und sich frei entfalten, sieht man wie sich die jungen Triebe der Tannen ihrer schützenden Hülle entledigen. Man sieht sie allenfalls noch als eine Art Zipfelmütze an dem einen oder anderen werdenden Neuzweig hängen.
Indem sich die noch angenehm weichen Tannennadeln immer mehr spreizen entwachsen sie der Hülle und schieben sie von sich. Während ich das Foto machte, sah ich die Mützen hier und da Fallen (siehe Foto rechts).
Heute ist auf der Nordhalbkugel der Erde Frühlingsanfang, jedenfalls im astronomischen Sinn. Das ist der Zeitpunkt, wenn Tag und Nacht gleich lang sind (Tag- und – Nachtgleiche). Ab jetzt werden die Tage länger als die Nächte. Der astronomische Frühlingsanfang fällt nicht unbedingt mit dem zusammen, was wir uns vom Wetter her darunter vorstellen. Es kann immer noch Frost geben und auch Schneefälle sind nicht auszuschließen. Das Wetter lässt sich eben nicht so genau voraussagen wie die Stellung der Erde zur Sonne. Daher lasse ich lieber den Dichter sprechen:
Die Wahrheit ist, daß der Frühling die revolutionäre Jahreszeit schlechthin ist; die Vögel singen, die Blumen blühen, aber unter dem stürmischsten Himmel des Jahres. Bei der ersten Wärme glauben wir bereits, der Sommer sei da, obwohl er noch in unendlicher Ferne ist und der Norden nicht aufgehört hat, Hagel und Schnee zu mahlen. Beim ersten Sonnenstrahl wähnen wir, den Winter wie ein Hemd abzulegen und sodann in der Festtagswäsche dazustehen. Das kommt daher, weil wir uns an dem, was ist, im allgemeinen nicht zu erfreuen verstehen und unser Glück immer an Zukunftshoffnungen knüpfen.*
* Jean Giono. Die Terrassen der Insel Elba.
Die Reste der vergangenen Vegetationsphase verschwinden unter der Wasseroberfläche eines Teiches. Manche Blätter lassen sich noch nicht ganz unterkriegen und versuchen den Kontakt mit der neuen Vegetationsphase herzustellen. Auch wenn der Frost der vergangenen kalten Nächte ein solches Geplänkel mit einer trennenden Eisschicht zu unterbinden versuchte, entstanden wie zum Trotz und zum Trost, je nachdem wie man es ansieht, einige kristalline Pflänzchen, die – weil es ihnen nicht anders möglich ist – auf den unvermeidlich anstehenden Frühling verweisen.
’s war doch wie ein leises Singen
In dem Garten heute nacht,
Wie wenn laue Lüfte gingen:
„Süße Glöcklein, nun erwacht,
Denn die warme Zeit wir bringen,
Eh’s noch jemand hat gedacht.“ –
’s war kein Singen, ’s war ein Küssen,
Rührt‘ die stillen Glöcklein sacht,
Daß sie alle tönen müssen
Von der künft’gen bunten Pracht.
Ach, sie konnten’s nicht erwarten,
Aber weiß vom letzten Schnee
War noch immer Feld und Garten,
Und sie sanken um vor Weh.
So schon manche Dichter streckten
Sangesmüde sich hinab,
Und der Frühling, den sie weckten,
Rauschet über ihrem Grab *
Die Blumen haben die nächtliche Kälte der letzten Tage locker überstanden, denn sie haben mit einem Frostschutzmittel vorgesorgt.
* Joseph von Eichendorf (1788 – 1857)
Warum sind Löwenzahnblüten gelb?
Warum sind Löwenzahnblüten gelb?
Das weiß jedes Kind.
Weil Löwenzahnblüten
Briefkästen sind.
Wer hat die Briefkästen aufgestellt?
Die grasgrüne Wiese.
Sie steckt in die Briefkästen
all ihre Grüße.
Wem werden die Grüße zugestellt?
Das weiß jedes Kind.
Briefträger sind
Biene und Wind.*
Auch der verblühte Löwenzahn ist in mindestens einem Gedicht gewürdigt worden. Der Löwenzahn ist auch in naturwissenschaftlicher Hinsicht äußerst interessant. Dazu finden sich Ausführungen in diesem Blog, z.B. hier und hier und hier und hier.
Reiner Kunze (*1933)
Die neuen Strukturen erwachenden Lebens werden begleitet durch die schöne Musterung der durch den Zerfall freigelegten Blattadern der Reste des vergangenen und nunmehr zerfallenden Lebens. Es ist eine Erinnerung daran, dass der Zerfall kein Ende und damit endgültige Vergängnis darstellt, sondern einen Übergang, bei dem die Zerfallsprodukte Ausgangspunkt für das Kommende bedeutet.
Das Foto zeigt die gelben Sterne des Scharbockskraut (Ranunculus ficaria), das auf einem Teppich von zerfallenden Blättern und anderen Überresten der Vorjahresvegetation heranwächst.
Wer gedacht hätte, dass die Eiskristalle erst einmal vorbei sind, sieht sich zumindest in unserer Gegend eines Besseren belehrt. Die jungen Blätter sind mit feinen Eiskristallen besetzt und vermitteln alles andere als ein Gefühl des Frühlings. Allerdings muss ich zugeben, dass zumindest die grünen Pflanzen, die einige Grad unter Null vertragen können, auf eine ästhetisch ansprechende Weise veredelt erscheinen. Einige andere Pflanzen ließen ihre Blätter traurig hängen und wie es den Obstblüten ergangen ist, wird sich spätestens bei Bildung der Früchte zeigen.
Der Reif besteht aus vielen kleinen Eiskristallen. Sie bilden sich, wenn die Temperatur sinkt und die maximale Luftfeuchte die absolute unterschreitet. Dabei kondensiert der überschüssige Wasserdampf zu Tautropfen, die bei weiterer Temperaturabnahme des Blattes kristallisieren. Dieses Phänomen hat mit der Tatsache zu tun, dass kleine Körper an einer kalten Umgebung schneller auskühlen als größere.
Der Grund: Kleine Körper haben eine im Vergleich zu ihrem Volumen größere Oberfläche als größere. Die Oberfläche ist aber maßgeblich für die Abgabe von Wärme an die kältere Umgebung. Das kann man sich folgendermaßen klarmachen: die Oberfläche eines Körpers nimmt grob gesagt mit dem Quadrat seiner Größe (Länge, Radius…) das Volumen aber mit der dritten Potenz zu. Und wenn nun der Körper beispielsweise um den Faktor 10 verkleinert wird, so verkleinert sich die Oberfläche um den Faktor 100 und das Volumen sogar um den Faktor 1000. Das Volumen und damit die zum Volumen proportionale innere Energie des Körpers nehmen also um den Faktor 10 stärker ab als die Oberfläche. Daher kühlt der kleinere Körper etwa 10-mal schneller ab als der größere. Diese für den Wärmeverlust wichtige Oberflächen-Volumen-Relation spielt bei der Abkühlung der Blätter eine wichtige Rolle. Die vom Blatt abstehenden winzigen Zacken und Härchen sind besonders klein und geben daher ihre Energie sehr schnell durch Wärmstrahlung ab, sodass vornehmlich an diesen Stellen der Wasserdampf der Luft kondensiert und schließlich kristallisiert.
Alle Jahre wieder wundere und freue ich mich über die sich entfaltende Natur. Sie tut dies ja nicht nur im übertragenen sondern auch im tatsächlichen Sinn des Wortes: Etwas sehr klein und kompakt Gefaltetes – hier am Beispiel des Rhabarbers – glättet allmählich seine ziehharmonikaartig gefalteten Vorformen der späteren Blätter (oberes Foto). Von Tag zu Tag wird das ursprünglich Verkrumpelte zu einem immer glatter werdenden Blatt (unteres Foto).
Sehr schön zu sehen sind die Entfaltungen zurzeit auch an den Kastanienblättern bei deinen eine etwas andere Technik der platzsparenden Faltungstechnik ausgenutzt wird. Und in ein zwei Monaten steht uns auch noch die Entfaltung der Klatschmohnblüten bevor, die ebenfalls sehr schön zu beobachten ist.
Es ist als spielte das Wetter noch einmal seine Möglichkeiten zwischen Schnee, Sonne, Wind und Gewitter noch einmal in alter Vielfalt durch. Jedenfalls war der gestrige Tag von diesen Extremen geprägt. Als der Schnee gegen das Fenster prallend und dann – durch Adhäsions- und Oberflächenkräfte gehalten – gebremst an der Scheibe herab rutschte und sich am Fensterrahmen angekommen zu einem unregelmäßigen kristallenen Gitter staute, kamen Strukturen in den Blick, die man dem Wetter gar nicht zugetraut hätte (siehe Foto). Durch die unregelmäßig benetzte Scheibe wird das Licht diesen Strukturen entsprechend gebrochen und die durchscheinende Baumkulisse erscheint entsprechend kreativ variiert.
Angesichts der heutigen Tag- und Nachtgleiche, dem astronomischen Frühlingsanfang also, bin ich häufiger gefragt worden, wie denn die Jahreszeiten Frühling, Sommer, Herbst und Winter plausibel mit dem Stand der Sonne in Verbindung gebracht werden kann.
Schaut man sich nämlich den Sonnenstand im Laufe eines Jahres an, so würde man naiverweise daraus folgern können, dass der Frühling dann einsetzen sollte, wenn nach dem kürzesten Tag am 21. Dezember die Tage wieder länger werden, bis Tag und Nacht wieder gleich lang sind. Das ist heute, am 20. März der Fall. Und mit den länger werdenden Tagen sollte sich langsam der Sommer anschicken, seines Amtes zu walten, denn die Tageslänge nimmt bis zum 21. Juni, dem längsten Tag zu usw.
Aber dem ist aber nicht so. Erst heute beginnt offiziell der Frühling und der Sommer beginnt, wenn die Tage schon wieder kürzer werden. Eine anschauliche Erklärung für diese Phasenverschiebung würde ich in einer Art Trägheit der auf diese Änderungen reagierenden Systeme sehen. Beispielsweise braucht das Wasser der Meere, Flüsse usw. ziemlich lange, bis sich die zunehmende Sonnenstrahldauer in einer Erwärmung bemerkbar macht. Und auch die Pflanzen benötigen Zeit, auf die veränderten Umweltbedingungen entsprechend zu reagieren. Weiterlesen
Beim Blick durch ein altes Kellerfenster zeigt sich zunächst noch sehr diskret, mehr als eine Annäherung an das Kommende ein zartes hoffnungsvolles Grün. Alles noch mit Vorbehalt; der nackte Boden, der demnächst die ersten Pflanzen aufnehmen soll, wartet im Hintergrund. Das Grün ist vorerst eine bloße VorSpiegelung.
Der frühe Frühling in diesem Jahr, der sich gefühlt ja bereits durch den ganzen Winter hindurchzog bringt in diesen Tagen einige botanische Eisblumen hervor. Nachdem vorgestern noch der Löwenzahn seine Blüte in der prallen Sonne entfalten konnte, musste er in der gestrigen Nacht einige kristalline Gäste auf seinen Blütenblättern dulden. In der Nacht sanken die Temperaturen unter Null Grad, sodass der Taupunkt unterschritten wurde: Überschüssiger Wasserdampf kondensierte und/oder resublimierte an feinen Strukturen, so auch an der Löwenzahnblüte. Weiterlesen
Der Knospen Frühling war annoch:
Man sah fast sichtbarlich, wie bey dem lauen Wetter,
Das grüne heer der jungen Blätter
Aus ihren röthlichen Behältern kroch.
Sie hingen erst annoch verwickelt unter sich;
Entwickelten sich aber nach und nach,
Und fingen allgemach,
An allen Seiten,
Sich auszudehnen, auszubreiten,
Sich auszuspannen an, und sanft sich zu erhöhn.
Der allerdünnste Tafft, ist nicht so sanft, so schön,
So klar, so glatt, so gläntzend, zart und fein,
Als neu-gebohrne Blätter seyn.
Die Aederchen sind selbst durchsichtig, und noch vielmehr
Das noch viel zärtere Gespinnst. Das Sonnen-Licht,
So ungehemmt fast, durch sie bricht,
Und durch ihr zart Gewebe strahlet;
Wird, echt als fiel es durch ein grünes Glas,
Auch grün bemahlet.
Hiedurch entstehen klare Schatte,
Die Wald und Garten, Lufft und Matten
Fast unaussprechlich lieblich füllen,
Sie zeigen manchen Schmuck, auch wann sie ihn verhüllen.*
Das obige Foto ist am 9. April 2013, das untere am 9. März 2020 aufgenommen worden. Beide Huflattischpflanzen haben etwa denselben Entwicklungsstand, die diesjährige ist also der von 2013 einen Monat voraus. Insofern kann man ganz im Sinne des Barockdichters Barthold Hinrich Brockes (1680 – 1747) von einem frühen Frühling sprechen, der heute mit der Tag-und-Nachtgleiche (Primär-Äquinoktium auf der Nordhalbkugel) beginnt. Geozentrisch gesehen ist die Sonne schon wieder auf dem halben Rückweg nach Norden – sie überquert heute um 4:49 Uhr MEZ den Äquator.
Aus: Brockes, Barthold, Hinrich. Im grünen Feuer glüht das Laub. Weimar 1975, S. 68
Wie gebogene Bischofsstäbe sprießen die Farne, wie Keulen, die ihre Festen, kleinen Fäuste gegen den vergangenen Winter ballen. Dann, mit einem zuversichtlichen Recken und Strecken, entrollen sie ihre breiten Chlorophyllsegel, trinken das rote und blaue Licht der Sonne und verleihen der Jahreszeit ihre grüne Gestalt.
Chet Raymo (*1936)
Mich erinnern die sich entrollenden Farne an Papyrus-Rollen, in denen bereits zur Zeit der alten Ägypter Informationen gespeichert und durch Entrollen zugänglich gemacht werden konnten. Die Farnrollen enthalten in nuce das, was die spätere Pflanze ausmacht, die auch in anderer Hinsicht beeindruckend ist.
Wenn der Planete*, der die Stunden scheidet,
Zum Zeichen wieder sich des Stiers** erhoben,
Fällt aus den Flammenhörnern Kraft von oben,
So ganz die Welt in neue Farbe kleidet.
Und nicht nur was den Blick von außen weidet,
Bach, Hügel wird mit Blumen rings umwoben,
Nein, auch der Erd inwendiges Feucht gehoben,
Geschwängert was den Tag, verborgen, weidet.
Vielfältige Frucht entquillet diesem Triebe;
So sie, die unter Frauen eine Sonne,
Zuwendend mir der schönen Augen Schimmer,
Wirkt in mir Wort, Gedanken, Tat der Liebe:
Jedoch, wie sie auch lenkt der Strahlen Wonne,
Frühling ist für mich von nun an nimmer.***
Für Francesco Petrarca (1304-1376) ist die Natur noch eine Projektionsfläche für seine innere Befindlichkeit. Was Frühling ist, bestimmt in erster Linie die Stellung der Erde zur Sonne. Wie wenig diese Konstellation über das was wir vom Frühling wahrnehmen aussagt, möge der Vergleich der Blüten aus diesen Tagen und von vor drei Jahren zeigen, als sie noch mit Eishüten besetzt waren.
*die Sonne, **Frühling
*** Francesco Petrarca, übertragen von August Wilhelm von Schlegel
Vor ein paar Tagen haben wir eine Wanderung zum Canyon zwischen Lengerich und Tecklenburg unternommen, einem in einer Schlucht gelegenen türkisfarbenen See, der in einem stillgelegten Kalksteinbruch entstanden ist. Die Farbe steht in einem eindrucksvollen Kontrast zu den steil aufragenden Kalksteinwänden, die teilweise bereits von verschieden Pflanzen besiedelt wurden.
Der helle Kalkuntergrund des Sees sorgt dafür, dass alle Lichtfrequenzen des bis dorthin durchdringenden Lichts weitgehend reflektiert werden, so dass lediglich die im Wasser schwebenden und gelösten Stoffe, vor allem Kalk, die volle Eigenfarbe des Wassersvom reinen Blau zum Grün hin „verschieben“, ansonsten aber eine intensive Färbung hervorbringen.
(Nebenbei gesagt erscheint auch unser Leitungswasser grün, wenn man durch eine genügend große Schicht blickt.)
Da der Wasserspiegel des Sees sehr tief liegt und von hohen Wänden umgeben ist, kommen außerdem verschiedene andere Phänomene ins Spiel, die ein ganzes Spektrum des Türkis hervorrufen. Ein sehr dunkler Farbton entsteht im schmalen Schattenbereich der Steilwand. Darüber hinaus spiegelt sich die Silhouette der Wand mit ihren Bäumen bis weit über die Mitte hinaus und lässt das Wasser in helleren Farbtönen erstrahlen, die schon fast ans reine Grün heranreichen. Die Felswand blendet die tieferen Bereiche des Himmels ab, sodass – wegen Einfallswinkel gleich Reflexionswinkel – in diesem Bereich kein Himmelsblau ins Auge des Betrachters reflektiert wird. Erst im Vordergrund ist dies der Fall; die bläulichen Reflexe sind deutlich zu erkennen. Einige kleinere dunklere Farbflecken sind auf entsprechende dunkle Bereiche im Untergrund zurückzuführen, die das meiste eingestrahlte Licht absorbieren.
Blickt man auf die Wasseroberfläche im oberen rechten Bereich des oberen Fotos (zur Vergrößerung aufs Bild klicken), so erkennt man dort eine deutliche Blaufärbung. Sie ist darauf zurückzuführen, dass die Wasseroberfläche in dem Bereich vom Wind aufgeraut wird, sodass durch die Reflexion von Himmelslicht an den steileren Wellenflanken den überwiegenden Grüntönen Himmelblau beigemischt wird.
Schaut man sich die Wasseroberfläche von Nahem an, so erkennt man, dass sie auch in den scheinbar ruhigen Bereichen nicht völlig glatt, sondern von kleinen Wellen bedeckt ist (mittleres Foto).
Im Übrigen sollte man auch die in diesen Tagen erwachende Pflanzenwelt nicht übersehen, die hier in Gestalt blühender Weiden zur frühlinghaften, farbenfrohen Stimmung an diesem warmen Frühlingstag an einem einzigartigen Gewässer beitragen.
Was anderes treibt dich, oh Mensch, deine Behausung in der Stadt zu verlassen, von den Freunden und Verwandten zu scheiden und über Berge und Wälder durch ländliche Orte zu schweifen, als die Naturschönheit der Welt, die du, wenn du’s genau bedenkst, nur mit den Augen genießen kannst?
Leonardo da Vinci (1452 – 1519)
Ein Frühlingsbild wie aus Tagen meiner Kindheit: Das Wintergetreide wächst in sattem Grün und wird fast täglich höher. Der Raps bringt seine ersten gelben Blüten hervor und der einsame Kirschbaum steht in voller Blüte. Im Hintergrund ist eine Stromleitung zu sehen. An den damals noch hölzernen „Telegrafen“-Masten haben wir Kinder unser Ohr gelegt und der sphärischen Klänge gelauscht, die der Wind wie auf einer Aeolsharfe spielend in den erzwungenen Schwingungen der Drähte erzeugte und die in den als Resonanzkörper fungierenden Masten so verstärkt wurden, dass man sie hören konnte. Die Melodien waren gleichförmig und ohne besondere Höhen und Tiefen aber dennoch von faszinierender Eindringlichkeit. Irgendwie gehörten sie mit zum Sound der damaligen Zeit. Weiterlesen
Bei einem Vorfrühlingsspaziergang durch den noch winterlich kahlen aber dafür sonnendurchfluteten Buchenwald im Hüggel erblicke ich eher zufällig die ersten Sauerkleeblätter, die sich durch die Schicht der im vorangegangenen Herbst abgefallenen Buchenblätter ans Licht vorgearbeitet haben. So zerbrechlich sie auch erscheinen mögen, sie haben immerhin die Kraft aufgebracht, die relativ dicke Schicht der verfaulenden Buchenblätter anzuheben und durch einen infolgedessen aufbrechenden Spalt hindurchzudringen. Weiterlesen
Hier lieg‘ ich auf dem Frühlingshügel:
Die Wolke wird mein Flügel,
Ein Vogel fliegt mir voraus.
Ach, sag‘ mir, alleinzige Liebe,
Wo d u bleibst, dass ich bei dir bliebe!
Doch du und die Lüfte, ihr habt kein Haus. Weiterlesen
Offiziell ist heute der astronomische Frühlingsanfang. Was sich genau berechnen und messen lässt, ist auf den Tag genau jedoch nicht ohne Weiteres festzustellen geschweige denn zu spüren. Die Weidenkätzchen nehmen es auch nicht so genau. Mal sind sie ein paar Tage früher, mal etwas später dran. Vor zwei Jahren waren zu dieser Zeit bereits die gelben Pollen zu sehen. Vor ein paar Tagen noch haben sie einen eisigen Hut aufgesetzt bekommen. Ein letztes Rückzugsgefecht des Winters. Auch einige Schneeflocken waren gefallen, denen die Sonne aber schnell den Garaus bereitete.
Sieh, der Kastanie kindliches Laub hängt noch wie der feuchte
Flügel des Papillons, wenn er die Hülle verließ;
Aber in laulicher Nacht der kürzeste Regen entfaltet
Leise die Fächer und deckt schnelle den luftigen Gang.
– Du magst eilen, o himmlischer Frühling, oder verweilen,
Immer dem trunkenen Sinn fliehst du, ein Wunder, vorbei.
Laue Luft kommt blau geflossen,
Frühling, Frühling soll es sein!
Waldwärts Hörnerklang geschossen
Mutger Augen lichter Schein;
Und das Wirren bunt und bunter
Wird ein magisch wilder Fluss,
In die schöne Welt hinunter
Lockt dich dieses Stromes Gruß.
Und ich mag mich nicht bewahren!
Weit von euch treibt mich der Wind,
Auf dem Strome will ich fahren,
Von dem Glanze selig blind!
Tausend Stimmen lockend schlagen,
Hoch Aurora flammend weht,
Fahre zu! Ich mag nicht fragen,
Wo die Fahrt zu Ende geht!
Joseph von Eichendorff (1788 – 1857)
Auf der Erde sitzend, die Sonne umkreisend fahren wir in den Frühling. Und heute ist der astronomische Frühlingsanfang. Das konnte ich gestern Abend von meinem Zimmer voraussehen, dessen Fenster direkt nach Westen zeigt. Die untergehende Sonne nähert sich seit der Wintersonnenwende mit jedem Tag einem genau im Westen stehenden Baum und „berührt“ ihn am heutigen Tag erstmalig in diesem Jahr. Ich freue mich schon, wenn sie ihn dann einige Tage später beim Untergang ganz in den Blick nimmt und wie in Flammen stehend erscheinen lässt. Vorausgesetzt natürlich, dass der Himmel nicht bedeckt ist, wovon man in unseren Breiten nicht immer ausgehen kann.
Von seinem Fenster aus aber konnte Montès jeden Tag dieser Art von friedlichem, unwiderstehlichem Wiederbeginn von neuem beiwohnen, jenem geheimnisvollen, majestätischen, märchenhaften Pulsieren mit seiner Folge immer gleicher Vorgänge, die etwas von dem an sich hatte, was die jungen Triebe zu sprießen zwang und die zerbrechlichen, anschwellenden, machtvoll drängenden Knospen von innen her spannte, während der Wind sie ohne Unterlaß wiegte.
Claude Simon (1913-2005)
’s war doch wie ein leises Singen
In dem Garten heute Nacht,
Wie wenn laue Lüfte gingen:
„Süße Glöcklein, nun erwacht,
Denn die warme Zeit wir bringen,
Eh’s noch jemand hat gedacht.“ –
’s war kein Singen, ’s war ein Küssen,
Rührt‘ die stillen Glöcklein sacht,
Daß sie alle tönen müssen
Von der künftgen bunten Pracht.
Ach, sie konntens nicht erwarten,
Aber weiß vom letzten Schnee
War noch immer Feld und Garten,
Und sie sanken um vor Weh.
So schon manche Dichter streckten
Sangesmüde sich hinab,
Und der Frühling, den sie weckten,
Rauschet über ihrem Grab.
Joseph von Eichendorff