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Herbst

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Bunter Herbst

Der Herbst steht auf der Leiter
und malt die Blätter an,
ein lustiger Waldarbeiter,
ein froher Malersmann.

Er kleckst und pinselt fleißig
auf jedes Blattgewächs,
und kommt ein frecher Zeisig,
schwupp, kriegt der auch ¹nen Klecks.

Die Tanne spricht zum Herbste:
Das ist ja fürchterlich,
die andern Bäume färbste,
was färbste nicht mal mich?

Die Blätter flattern munter
und finden sich so schön.
Sie werden immer bunter.
Am Ende falln sie runter.*


* Peter Hacks (1928 -2003)

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Herbst – zwischen Sommer und Winter

Heute beginnt der Herbst. Egal wie das Wetter ist. Der Definition nach steht die Sonne genau senkrecht über dem Äquator und der Tag und die Nacht sind überall auf der Erde gleich lang, nämlich 12 Stunden. Aber genau genommen stimmt das nicht. Denn die Sonne verzögert ihren Untergang (wer täte das nicht?) um einige Minuten: Wenn wir bei Sonnenuntergang die Sonne den Horizont berühren sehen, ist sie „in Wirklichkeit“ bereits untergegangen. Nur dadurch, dass sie wegen der Brechung des Sonnenlichts gehoben wird, sehen wir sie dort, wo sie nicht ist. Eine Art Fata-Morgana.
Das Entsprechende passiert natürlich bei Sonnenaufgang. Die Sonne ist bereits gerade in Gänze zu sehen, wenn sie eigentlich noch unter der Horizontlinie ist. Und das alles ist so, weil die kugelförmige Erde von einer Atmosphärenschicht umgeben ist.
Wer sich über diese als Störung des gesetzmäßigen Ablaufs empfundene Irregularität ärgern sollte, dem sei gesagt, dass wir auf diese Weise die Sonne auch am heutigen Tag der Tag-und Nachtgleiche einen um einige Minuten längeren Tag haben – dank der Atmosphäre. Von ihr hängt es im Übrigen ohnehin davon ab, ob wir die Sonne selbst dann zu Gesicht bekommen, wenn sie offiziell über dem Horizont steht. Ein bedeckter Himmel verhindert nur allzu oft, dass uns das Sonnenlicht direkt erreicht. Und das ist im Herbst und im Winter öfter der Fall als im Frühling und Sommer.

Der Winter kündigt sich mit feinen Kristallen an

Jetzt beginnt die Zeit, in der die Herbstfarben allmählich in den Hintergrund treten, auch wenn sie noch keck durch die Kristalle hindurchschimmern, mit denen der aus Schwarzweiß ausgerichtete Winter das Bunte zu überkrusten versucht. Die Eiskristalle haben sich in der klaren kalten Nacht gebildet. Sie streben alle in nachbarschaftlicher Konkurrenz dem Himmel zu, weil es in der Nähe der Blattoberfläche noch zu warm ist, um die Kristallisationswärme loszuwerden. Denn das ist der energetische Preis für den Übergang vom Gas zum Festkörper.
Jeder Kristall startet auf einem Härchen oder einer kleinen Erhöhung auf dem Blatt und wartet auf Wasserdampfmoleküle, die sich den bereits kristallisierten und damit fixierten zugesellen.
Wir sehen hier nicht mehr die Schönheit des Herbstes, sondern des Übergangs zum Winter, der demnächst auch offiziell beginnt. Inoffiziell hält er ja bereits als meteorologischen Winterbeginn seit Monatsanfang in unseren Breiten seinen noch schüchternen Einzug.

Leuchtende Blätter im Herbst

Dieser Wald ist an einer Stelle derart hell, dass es im ersten Moment so aussieht, als würde das Blattwerk aus sich heraus leuchten. Es ist aber nur das einfallende Sonnenlicht, das hier von den Blättern bereitwillig wieder abgegeben wird.
Dadurch dass im Herbst viele Bäume ihren Blättern das Blattgrün entziehen, nehmen diese meist die Farbe der zurückbleibenden Farbstoffen an, die bislang vom Blattgrün überdeckt wurden. Dies sind vor allem Carotinoide und Gerbstoffe. Die Carotinoide treten in dem Maße hervor, wie das Blattgrün verschwindet und färben beispielsweise Birkenblätter und Lärchenblatter gelb. Die Gerbstoffe sind für die Braunfärbung von Buchen und Eichen verantwortlich. Bei manchen Bäumen werden aber aber auch Farbstoffe, z.B. die Anthocyane neu gebildet. Sie sollen das Blatt solange vor Schädigungen durch das Sonnenlicht zu schützen, wie die Nährstoffe gesichert werden. Anthocyane rufen die Rotfärbung mancher Bäume, zum Beispiel beim Ahorn oder wilden Wein hervor. Im vorliegenden Fall reflektieren die zurück gebliebenen hellen Farbstoffe mehr Licht als es normalerweise der Fall war..

Unter Bäumen ist es mal nass mal trocken

Im Sommer sind die Blätter der Bäume so ausgerichtet, dass sie eine möglichst große Fläche bilden, mit der Sonnenlicht aufgefangen werden kann. Wenn man sich unter einen Baum stellt und nach oben blickt, sieht man nur wenige und oft überhaupt keine Öffnungen, durch die Licht bis an den Boden dringt. Unter diesem natürlichen Baldachin findet man sowahl Schutz vor der heißen Sonne als auch kurzfristig vor einem Regenschauer. Es ist erstaunlich, wie dicht das Blätterdach in einem solchen Fall sein kann. Im linken Foto ist an der hellen Färbung der Asphaltstraße gut zu erkennen, dass die Straße unter dem Baum nach einem Regenschauer trocken geblieben ist. Man kennt das aus Erfahrung; erst wenn der Regenschauer länger anhält, tröpfelt nach und nach das Wasser von den Blättern und es regnet durch.
Im Herbst, wenn die ersten Blätter fallen und die Nebel den Anblick prägen, kann es demgegenüber zu völlig entgegengesetzten Situationen kommen. Die Straße ist trocken und unter dem Baum ist es nass. Auch hier ist die Färbung der Straße wieder ein untrügerisches Zeichen. Wodurch entsteht dieser jahreszeitliche Wechsel?
Wenn die Nächte länger und kühler werden, wird so manches Mal der Taupunkt unterschritten. Das Wasser kondensiert dann an Teilchen in der Luft (Nebel) und an Stellen, die besonders kalt werden. Das sind vor allem Stellen, die einerseits so exponiert sind, dass nachts die Wärme zum kalten Weltraum gestrahlt werden kann und andererseits klein genug (geringe Wärmekapazität), um verhältnismäßig schnell und stark abzukühlen. Dafür sind die (restlichen) Blätter der Bäume ideal geeignet. An ihnen kondensiert der Wasserdampf. Und wenn erst einmal Tropfen an den Blättern entstanden sind, so bilden diese ideale Keime für die weitere Kondensation von Wasserdampf. Die Tropfen wachsen und fallen schließlich herab. Sie benetzen den Boden (rechtes Foto) und schaffen auf diese Weise auf der Straße das „Gegenbild“ zum Sommer.

Bunte Treppen in Spinnennetzen

Heute ist Tag- und Nachtgleiche. Die dunklen Stunden haben zu- und die hellen abgenommen. Heute sind sie beide gleich lang. Damit beginnt nun auch offiziell der Herbst. Die Sonne steigt tagsüber nicht mehr so hoch über den Horizont. Man wird daher oft geblendet. Zum Ausgleich bekommt man aber auch einiges geboten. Zum Beobachten der Sterne braucht man nicht mehr so lange zu warten und – darauf möchte ich heute aufmerksam machen – man kommt häufiger die Chance, Spinnennetze gegen die tiefstehende Sonne in bunten Farben aufflammen zu sehen (siehe Foto). Flach gegen die Sonne betrachtet sieht man, wie das Sonnenlicht an den dünnen Spinnfäden und den darauf befindlichen winzigen Klebetröpfchen gebeugt und dadurch in einzelne Spektralfarben zerlegt wird. Achtet mal darauf wenn ihr an Bäumen und Büschen vorbeikommt, die im Lichte des Sonne liegen.
Das Gefühl, dass im Herbst mehr Spinnennetze vorhanden sind, rührt vor allem daher, dass diese durch Tautröpfchen und durch die Lichtbeugung häufiger gesehen werden als in anderen Jahreszeiten.

Der wilde Wein macht den Anfang…

Bei uns macht der wilde Wein den Anfang mit der Sicherung des Chlorophylls und dem damit verbundenen Hervortreten der bislang überdeckten Blattfarben. Merkwürdigerweise scheint dadurch das Ausbreitungsbegehren dieser alles einnehmenden Pflanze bislang noch nicht in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Jedenfalls sind die nach Haltemöglichkeiten suchenden Ranken noch in voller Aktion mit all ihren lustigen Fehlleistungen (oder sind es spielerischen Anwandlungen), wenn sie sich z.B. gegenseitig umschlingen (unteres Foto).
Die Ranken beim wilden Wein sind aus Sprossachsen hervorgegangen und nehmen offenbar genauso farbenprächtig an der herbstlichen Verfärbung teil wie die Blätter.
Wenn die herbstlichen Verfärbungen nicht biologische Notwendigkeit wären, hätte man sie aus rein ästhetischen Gründen erfinden müssen.

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Ein grünes Blatt

Ein Blatt aus sommerlichen Tagen,
Ich nahm es so im Wandern mit,
Auf dass es einst mir möge sagen,
Wie laut die Nachtigall geschlagen,
Wie grün der Wald, den ich durchschritt*

Ich nahm im Sommer mehrere grüne Blätter mit. Alle sind inzwischen vertrocknet. Nur eines hat zumindest einen Schimmer von Grün und seine Form weitgehend behalten – aber es hat Stacheln…


* Theodor Storm (1817-1888)

Der morbide Charme des Verfalls

Hier sind sie noch einmal versammelt: die Früchte, die Blätter, das Sonnenlicht und die durch sie verkörperte Erinnerung an den vergangenen Sommer. Es sieht so aus, als seien sie überein gekommen,  eine letzte Schönheit in den bevorstehenden Untergang und das anschließende Verfaulen der Blätter und Früchte auf dem Boden des Gewässers zu legen.
Auch die schemenhaft gespiegelte Sonne symbolisiert eine Art Niedergang in winterliche Niederungen. Jedenfalls steigt sie bis zur Wintersonnenwende noch eine Etage tiefer und wird immer mehr zu einer bloßen Verheißung  ihrer selbst. Und das alles, weil sich die Erde dank der Neigung ihrer Achse zur Ekliptik mit ihrer Nordhalbkugel ein Stück weit von der Sonne abwendet.  Ihre wärmenden und erhellenden Strahlen fallen nur noch ziemlich flach ein, sodass sie einen wesentlich längeren Weg durch die Atmosphäre zurücklegen müssen. Und weil dieser Weg auch noch durch die dichten, tieferen Atmosphärenschichten führt sind die Einbußen an Lichtenergie vor allem durch Streuprozesse besonders groß.

Herbstlichtung

Normalerweise versteht man unter einer Lichtung einen baumfreien Bereich im Wald. Hier haben wir es mit einer Lichtung zu tun, die ihre herbstliche Bedeutung vor allem dem Licht verdankt. Die Richtung unserer Aufmerksamkeit im Herbst ist die Lichtung. Zumindest reimt sich das, womit wir bei der Dichtung wären. Das sollte man keineswegs velwechsern:

Lichtung

manche meinen
lechts und rinks
kann man nicht velwechsern
werch ein illtum*

Entschuldigung mir sind da einige Einsen durchs Gehirn gepurzelt: 11.11. um 11:11.


* Ernst Jandl (1925 – 2000)

Die letzten Blätter

Die letzten Blätter einer Buche in eindrucksvoller Illumination. Die schräg einfallenden Sonnenstrahlen bringen das Goldene der bereits vom Chlorophyll befreiten Blätter im Kontrast zur dunklen Umgebung besonders lichtstark hervor. Die zusätzlich zum Leuchten gebrachten Tropfen, die noch vom vorangegangenen Regenschauer an den Ästen hängen, machen daraus etwas Naturschönes.

Zaubernuss – Nachglanz eines Feuerwerks der Farben

Nachdem nun unsere Zaubernuss alle Blätter dem Verfaulen anheimgegeben hat, lasse ich es mir nicht nehmen, einige ihrer farbenprächtigen Blätter in Reih und Glied zumindest elektronisch aufzubewahren und vielleicht auch anderen damit eine kleine Freude zu bereiten.

Wenn das Licht von den Bäumen fällt…

… dann beginnt der Spätherbst. So ist jedenfalls mein Eindruck. Und der wird durch zahlreiche Beispiele untermauert. Beim Blätterfall dieses Ginkgo-Baum (Foto) war mir, als fielen einzelne Lichter herab und erleuchteten anschließend den Boden. Mir erscheint ein kräftiges Gelb in typisch herbstlicher Umgebung oft als leuchtete es aus sich heraus.

Grüne Blätter im Herbst

Hier hat es ein Baum nicht nötig wie die Nachbarn die Energie aus dem Blattgrün in Sicherheit zu bringen. Er lässt die Blätter fallen so wie sie sind. Die grünen Farbtupfer im vorherrschenden Gelb und Rot haben jedoch einen ästhetischen Reiz.

Äquinoktium – Tag und Nacht sind gleich lang

Ab heute beginnt der astronomische Herbst. Die Tage werden fortan kürzer als die Nächte. Die Sonnenuntergänge drängen sich immer mehr in Zeiten hinein, die wir bislang als Tag erlebt haben und die Sonne steht inzwischen später auf als ich. Und wenn man morgens über die Wiese geht, sieht man, dass die Spinnen über Nacht nur Wassertropfen gefangen haben.

Der schöne Sommer ging von hinnen,
Der Herbst der reiche, zog ins Land.
Nun weben all die guten Spinnen
So manches feine Festgewand.

Sie weben zu des Tages Feier
Mit kunstgeübtem Hinterbein
Ganz allerliebste Elfenschleier
Als Schmuck für Wiese, Flur und Hain.

Ja, tausend Silberfäden geben
Dem Winde sie zum leichten Spiel,
Die ziehen sanft dahin und schweben
Ans unbewußt bestimmte Ziel.

Sie ziehen in das Wunderländchen,
Wo Liebe scheu im Anbeginn,
Und leis verknüpft ein zartes Bändchen
Den Schäfer mit der Schäferin.*


* Wilhelm Busch, Im Herbst. Zu guter Letzt, München 1904

Kunst unter dem Weinstock

Eines Sommers, als ich noch klein war, im Sommer vor Pearl Harbor, wollten meine Eltern weg von Bethesda, und wir mieteten uns für eine Monat ein Backsteinhaus in Virginia; da gab es eine riesige Weinlaube mit Backsteinboden, wo die Ameisen kleine Hügel bauten. Ich muß damals – warten Sie – einundvierzig – sieben gewesen sein. Verzeihen Sie, ich bin sonst nicht so geschwätzig.
Ich weiß.
Ich kann mich noch erinnern – die kleinen Nebensprößlinge der Ranken bildeten Buchstaben, waren buchstabenförmig gekringelt, verstehen Sie. Sie formte ein A mit den Fingern. Ich wollte mir eine vollständige Sammlung zulegen. Von A bis Z.
Wie weit sind sie gekommen?
Ich glaube, bis D. Ich habe nie ein richtiges E finden können. Dabei sollte man doch meinen, daß es in all dem Gerank auch ein E gegeben haben muß.
Sie hätten es überspringen und mit F weitermachen sollen.
Ich war abergläubisch. Ich dachte, das dürfe ich nicht. Ich hatte die ganze Zeit Hemmungen.*

Ich habe einfach ein paar dieser vertrockneten und mit dem Beginn des Blätterfalls abgefallenen Nebensprosse der Weinranken auf ein Blatt Papier gelegt. Alles andere spricht für sich. Insbesondere die winzigen Spiralen erinnern an die frühere biologische Funktion dieser nunmehr zum Kunstwerk erstarrten Überbleibsel. Die üppig wuchernde Weinpflanze hatte sich in ihrer Wachstumsperiode durch raffinierte Suchbewegungen der Ranken in der Umgebung Objekte gesucht, an denen sie festmachen konnte, um so den weiteren Wuchs der Pflanze zu sichern. Denn sie ist auf ein Stützgerüst angewiesen. Wer Lust hat, kann ja mal Buchstaben und Ziffern suchen.


John Updike. Ehepaare. Reinbeck 1976

Tröpfelnde Herbsttage

Der Herbst macht sich auch dadurch bemerkbar, dass die morgendlichen Wiesen mit Tropfen bedeckt sind. Sie wurden gewissermaßen aus der Atmosphäre heraus gemolken. Dadurch dass es in der Nacht kühler und der Taupunkt unterschritten wurde, musste der überschüssige Wasserdampf an geeigneten Stellen in flüssiges Wasser übergehen. Der kondensierte Wasserdampf setzte sich in Form von wachsenden Tropfen beispielsweise an Grashalmen und Blättern, aber auch – wie im vorliegenden Fall – an Spinnengewebe ab.  Weiterlesen

Schönheit des Verfalls

Zunächst waren es nur Fraßspuren irgendwelcher Insekten. Dann machte der Baum daraus ein Kunstwerk. Gibt es eine schönere Art auf den „Angriff“ der Insekten zu reagieren als diesen?

Ich vermute, dass man diese Verfärbungen im Rahmen der inzwischen einsetzenden Aktivitäten des Baumes sehen muss, Chlorophyll zur Deponierung an anderen Stellen aus den Blättern abzuziehen. Die durch den Fraß verdünnten Stellen geben als erste die Herbstfarben frei.

Oktoberlied

Der Nebel steigt, es fällt das Laub;
Schenk ein den Wein, den holden!
Wir wollen uns den grauen Tag
Vergolden, ja vergolden!

Und geht es draußen noch so toll,
Unchristlich oder christlich,
Ist doch die Welt, die schöne Welt,
So gänzlich unverwüstlich!

Und wimmert auch einmal das Herz –
Stoß an und laß es klingen!
Wir wissen’s doch, ein rechtes Herz
Ist gar nicht umzubringen.

Der Nebel steigt, es fällt das Laub;
Schenk ein den Wein, den holden!
Wir wollen uns den grauen Tag
Vergolden, ja vergolden!

Wohl ist es Herbst; doch warte nur,
Doch warte nur ein Weilchen!
Der Frühling kommt, der Himmel lacht,
Es steht die Welt in Veilchen.

Die blauen Tage brechen an,
Und ehe sie verfließen,
Wir wollen sie, mein wackrer Freund,
Genießen, ja genießen!*


*Theodor Storm (1817 -1888)

 

Spinnennetze als indirekte Beleuchtung

O sieh das Spinnennetz im Morgensonnenschein,
Wie es vom Tau noch voll kristallner Tropfen hängt!
Im leichten Winde wiegt es seiner Perlen Pracht,
Die in den silbergrauen Maschen hier und dort
So flüchtig sich wie sanft und zierlich eingeschmiegt.
Sieh, so ist alles Glück. So hängt es flüchtig sich
In unsrer Tage schwankendes Gespinst,
Und es erschauert unter seiner köstlichen Last
Des Majaschleiers weltdurchwallendes Geweb*

An manchen Morgen in dieser Zeit, wenn es gerade hell geworden ist, scheint die vertraute Landschaft der Krummhörn verändert. Überall an den Feldrändern, den schilfgesäumten Schloten und Kanälen blitzen hell leuchtende Spinnennetze in den verschiedensten Formen auf. Sie sind nicht erst heute dort, aber sie werden erst jetzt sichtbar, weil die kühlen Nächte für reichlich Tau sorgen, der sich besonders in den Spinnennetzen niederschlägt. Diese Wassertropfen sind so klein, dass sie das Licht wie Nebeltropfen in alle Richtungen streuen und die ansonsten aus verständlichen Gründen nahezu unsichtbaren Spinnennetze zu einer erstaunlichen Sichtbarkeit verhelfen. Sie scheinen aus sich heraus zu leuchten.

 


*Christian Morgenstern (1871 – 1914)

Herbstfarben

Ach, daß ein solches Farben-Spiel
Uns doch ins Hertz, durchs Auge, fallen möchte!

Barthold Heinrich Brockes (1680 – 1747)

Poesie ist Illusion, sagt man. Wohl. Aber ists die Farbe und der Ton weniger? Warum denn gerade an die Poesie den plumpen realistischen Maßstab legen, den man Malern und Musikern läßt?

Friedrich Hebbel (1813 – 1863)

Die prächtigen Blätter stammen übrigens von der Zaubernuss, einem Strauch, der die weitere Besonderheit aufweist, im Winter mit kräftig gelben Blüten meist noch vor dem Blattaustrieb zu blühen.

 

Der November

Ach, dieser Monat trägt den Trauerflor …
Der Sturm ritt johlend durch das Land der Farben.
Die Wälder weinten. Und die Farben starben.
Nun sind die Tage grau wie nie zuvor.
Und der November trägt den Trauerflor.

Der Friedhof öffnete sein dunkles Tor.
Die letzten Kränze werden feilgeboten.
Die Lebenden besuchen ihre Toten.
In der Kapelle klagt ein Männerchor.
Und der November trägt den Trauerflor.

Was man besaß, weiß man, wenn man’s verlor.
Der Winter sitzt schon auf den kahlen Zweigen.
Es regnet, Freunde, und der Rest ist Schweigen.
Wer noch nicht starb, dem steht es noch bevor.
Und der November trägt den Trauerflor …

Erich Kästner (1899 -1974)

Goldene Weinblätter

Nein, diese goldenen Weinblätter haben ihre Farbe nicht durch Phytomining* erworben, sondern lediglich durch eine herbstliche Verfärbung, die sie golden erscheinen lässt. Um diesen Eindruck zu erzeugen genügt es, dass das durch Carotin erzeugte Gelb mit einer glatten Oberfläche kombiniert wird, die das Licht sowohl diffus wie spiegelnd reflektiert. Weiterlesen

Einzugsbereich von Weinblättern

Ähnliche Blätter hatte kürzlich Gerda Kazakou gezeigt. Inzwischen sehe ich, dass viele Weinblätter (jedenfalls in meinem Garten) ähnlich deutlich den Abtransport und damit die Sicherung der in den Blättern lagernden Nährstoffe im Stamm der Pflanze zu erkennen geben. Da mit diesem Vorgang die Pigmente des ehemals für die Fotosynthese wichtigen Blattgrüns (Chlorophyll) in dem Maße verschwinden, wie der Abtransport der Nährstoffe durch das fraktale Adersystem voranschreitet, gewinnen die bislang vom Grün überdeckten Pigmente zunächst in den bereits bereinigten Außenbereichen und ganz zum Schluss in den Hauptadern die Überhand.
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Der Oktober

Fröstelnd geht die Zeit spazieren.
Was vorüber schien, beginnt.
Chrysanthemen blühn und frieren.
Fröstelnd geht die Zeit spazieren.
Und du folgst ihr wie ein Kind.

Geh nur weiter. Bleib nicht stehen.
Kehr nicht um, als sei’s zuviel.
Bis ans Ende musst du gehen.
Hadre nicht in den Alleen.
Ist der Weg denn schuld am Ziel?
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Ein rätselhaftes Weinblatt

Der wilde Wein ist zurzeit dabei, den Blättern wichtige Nährstoffe zu entziehen und für den Neustart im nächsten Frühjahr bereitzuhalten. Durch den Entzug des Blattgrüns, werden andere Farben sichtbar, die bisher durch das Grün überlagert wurden. Beim wilden Wein sind das insbesondere Anthocyane, die für das charakteristische Rot verantwortlich sind.
Im vorliegenden Fall (siehe Foto) sieht es so aus, als ob im Bereich der Überlagerung zweier Blätter ein besonderer Effekt die Rotfärbung wesentlich schwächer ausfallen lässt. Merkwürdigerweise tritt dabei so etwas wie ein „Antischatten“ auf. Die Kontour des (bezüglich der Einfallsrichtung des Lichts) hinteren Blatts zeichnet sich auf dem vorderen ab. Weiterlesen

Der September

Das ist ein Abschied mit Standarten
aus Pflaumenblau und Apfelgrün.
Goldlack und Astern flaggt der Garten,
und tausend Königskerzen glühn.

Das ist ein Abschied mit Posaunen,
mit Erntedank und Bauernball.
Kuhglockenläutend ziehn die braunen
und bunten Herden in den Stall.
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Hinaus gezögerter Blätterfall

Auf den ersten Blick scheint auf dem aktuellen Foto jahreszeitlich gesehen alles in Ordnung zu sein. Der Baum hat fast alle seine Blätter verloren. Schaut man aber genauer hin, so wird verständlich, warum Nicola Gühne mir das Bild geschickt hat mit der vielsagenden Bemerkung, dass es „sozusagen den Herbst mit dem Thema Wärmedämmung“ vereint. In der Tat, der Baum ist fast blattlos, allerdings ist dieses „fast“ nicht statistisch verteilt. Weiterlesen

Die Grazie des Blätterfalls im Herbst

Blätterfall-DSC03055babWer einmal einen Blätterfall im Herbst beobachtet hat und vielleicht sogar mitten in eiem Schwall herunter torkelnder, gleitender, rotierender und andere Kapriolen schlagender Blätter wie Goldmarie im Märchen stand, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier kein bloßer freier Fall vorliegt, sondern ein eindrucksvoller Tanz, desen Choreografie durch Zufall und Notwendigkeit geschrieben wurde. Weiterlesen

Auch die Erinnerung verblasst…

Ein Blatt aus sommerlichen Tagen,
Ich nahm es so im Wandern mit,
Auf dass es einst mir möge sagen,
Wie laut die Nachtigall geschlagen,
Wie grün der Wald, den ich durchschritt.

Theodor Storm (1817 -1888)

Das farbenprächtige Blatt auf dem nebenstehenden Foto stammt nicht aus dem Sommer. Es ist ein Herbstblatt. Man sieht an ihm die „Bemühungen“ der Natur, das Blattgrün abzuziehen und für  bessere Zeiten aufzubewahren. Ganz ist es ihr noch nicht gelungen. Das Blatt ist offenbar vor Vollendung dieser Sparmaßnahme der Natur gefallen. Aber nur so konnte es die schöne bunte Färbung annehmen und mich während einer Wanderung überzeugen, mit nach Hause genommen zu werden, um in Zukunft zwischen zwei Buchdeckeln zu ruhen und mich gelegentlich an die Wanderung zu erinern.

Übergänge 3

„Alles ist Übergang“. An dherbst_winter_dscf6060_rviesen Satz Michel de Montaignes (1533 – 1592) wurde ich erinnert, als ich die herbstlichen Blätter teilweise ganz, teilweise halb in die Eisschicht eines zugefrorenen Sees sah. Ist das eigentlich noch ein typisches Bild für den Herbst oder zeigt sich darin bereits der Winter? Die Frage ist schwer zu entscheiden. Auch der Kalender hilft nicht viel. Zwar befinden wir uns seit dem 1. Dezember meteorologisch bereits im Winter, aber astronomisch beginnt der Winter erst am 21. Dezember.
Wir befinden uns im Übergang, einer Zeit des „Schon“ oder des „Noch-nicht“. Übergänge sind spannend und haben schon immer Poeten, Künstler aber auch Naturwissenschaftler auf den Plan gerufen. Und man kann sich mit Christiaan L. Hart Nibbrig fragen, ob dieser Übergang „ein bloßes Bindemittel oder eine in sich ruhende Vereinigung (ist). Ein Ausgang oder ein Eingang, ein Anfang oder ein Ende? Ein A oder ein O?
Die Antwort fällt wie eine Münze in den Schlitz des Entweder-Oder, weil die Traumszene vorweg schon begrifflich ausgemünzt ist auf das gesagte Identitätsproblem hin“
(Nibbrig, Christiaan L. Hart: Übergänge. Versuch in sechs Anläufen).

Gespinste als Lichtfänger

Weihnachtsbaum_DSC03110arvWar hier ein Verpackungskünstler am Werk? Oder haben fleißige Spinnen ihren Weihnachtsbaum schon geschmückt?
Die Urheber dieser Gespinste, die Spinnen, werden weder an das eine noch an das andere gedacht haben, sondern an Insekten, die sie in diesem ansonsten unsichtbaren Netzwerk zu fangen gedenken. Nach einer kühlen und feuchten Herbstnacht, haben sich Tautropfen an den Spinnfäden niedergeschlagen, an denen seinerseits das Licht gestreut wird und die Fäden auf diese Weise sichtbar macht: Weiterlesen

Die Schönheit des Blätterfalls

fallende-herbstblaetter_rvSieh die Blätter. . . !
Wie schön sie fallen!
Wie sie es verstehen, auf diesem kurzen Weg vom Ast zur Erde,
eine letzte Schönheit zu legen,
und trotz ihres Entsetzens darüber, auf dem Boden zu verfaulen,
wollen, dass dieser Fall die Grazie eines Fluges habe. Weiterlesen

Wenn der bunte Schleier fällt…

Indian-Summer-DSCF2539Im Nebel ruhet noch die Welt,
Noch träumen Wald und Wiesen:
Bald siehst du, wenn der Schleier fällt,
Den blauen Himmel unverstellt,
Herbstkräfitg die gedämpfte Welt
Im warmen Golde fliessen.

Eduard Mörike ( 1804 – 1875 )

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Bilanzieren des Blätterfalls

Der Herbst, der der ErdeHerbst-1-DSC03066rv
Die Blätter wieder zuzählt,
die sie dem Sommer geliehen hat

Georg Christoph Lichtenberg (1742 – 1799)

Wenn im Herbst auf der Nordhalbkugel der Erde die Blätter fallen, bewegt sich Masse von oben nach unten. Diese Einsicht hat doch tatsächlich einige Leute auf die Frage gebracht, ob dies eine Auswirkung auf die Bewegung der Erde habe. Das ist eine sogenannte Fermi-Frage. Eine Antwort, die ich dazu gefunden habe ist, dass die Erde dadurch beschleunigt werde, aber nur gaaanz wenig. Darüber kann man sich streiten – wenn man möchte.

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