Normalerweise sieht man sie nicht, sondern ist unangenehm berührt – ein nur schwer zu beseitigendes Kitzeln im Gesicht durch aufgringliche Anhänglichkeit zeigen, dass es bereits zu spät ist – der Spinnfaden ist gerissen.
In diesem Fall (Foto) wurde ich im letzten Moment gewarnt. Der Faden hatte sich eine größere Sichtbarkeit zugelegt, indem seine wasserliebende Oberfläche mit winzigen Tröpfchen belegt war. Ich bückte mich also und entging damit einer Minidusche, obwohl diese Erfahrung vielleicht ganz interessant gewesen wäre.
Warum und wie die Spinne den Faden über den Wanderweg gespannt hat, blieb ihr Geheimnis. Ich hätte ihr geraten, sich eine andere Stelle zu suchen. Zwar würde der nächste oder übernächste Wanderer ins unfertige Netz gehen, aber trotz der fetten Beute hätte die Spinne nichts davon. Vielleicht war es ja auch nur eine künstlerische Installation, der ich durchaus das Prädikat „naturschön“ verleihen würde.
Erstaunlich erscheint der einen oder dem anderen vielleicht, wie straff der Faden trotz der verhältnismäßig großen Wasserlast gespannt ist. Die Ursache dafür habe ich in einer früheren Arbeit beschrieben.
Hier ruhen einige Wassertropfen auf der Oberfläche eines Schilfblatts. Bis auf den in die Länge gezogenen Tropfen im Vordergrund haben alle Tropfen nahezu Kugelform angenommen, was darauf schließen lässt, dass das Blatt weitgehend wasserabweisend (hydrophob) ist. Das liegt daran, dass die Tropfen die eigentliche Blattoberfläche gar nicht berühren, sondern gewissermaßen auf feinen, kaum sichtbaren Härchen sitzen und daher nur ganz geringen Kontakt mir dem Blatt haben (siehe nebenstehende Grafik oben).
Die Physiker sprechen vom Cassey-Baxter-Zustand und Unterschied zum Wenzel-Zustand (siehe nebenstehende Grafik). Im letzteren Fall ist der Tropfen gewissermaßen durchgesackt und hat nun die volle Berührung mit der an sich hydrophilen Blattoberfläche.
Ausgehend von der Idee, einen Tropfen vom Cassey-Baxter- in den Wenzel-Zustand zu überführen, habe ich den Tropfen im Vordergrund im obigen Foto mit einer kleinen Nadel etwas auf das Blatt gedrückt und siehe da: Der Tropfen berührt an dieser Stelle die Blattoberfläche und erfahrt die eigentliche Wasserliebe (Hydrophilie) des Blatts. Aber nur an dieser Stelle, wie man an der Verformung sehen kann. Der an sich Kugelform anstrebende Tropfen ist in diesem Fall zwiegespalten. Mit dem rechten Teil bleibt er auf den Härchen hocken während er mit dem linken Teil gewissermaßen von der hydrphilen Blattoberfläche angezogen wird und den Tropfen auf diese Weise in eine Form bringt, die das Blatt links als anziehend und rechts als abstoßend erfährt – im doppelten Wortsinn.
Dieser Wasservogel (zumindest der Kopf besteht aus Wasser) ist nicht nur schön anzusehen, sondern auch physikalisch interessant. Tropfen tendieren dazu, so weit wie möglich Kugelgestalt anzunehmen und können nur durch äußere Bedingungen daran gehindert werden, dieser Tendenz voll und ganz nachzugeben. Dem großen Tropfen auf der Blattspitze ist es auch weitgehend gelungen. Das Blatt ist offenbar ziemlich hydrophob (wasserabweisend), sodass der Kontaktwinkel zwischen Tropfen und Blattoberfläche weit über 90° beträgt. Dafür verantwortlich sind kleine Blatthärchen, auf denen der Tropfen hockt und gar nicht erst in großflächigen Kontakt mit dem eigentlichen Blatt kommt. (Die Physiker sprechen vom Cassie-Baxter-Zustand).
Erstaunlich ist weiterhin, dass die Blattspitze mehr zur Wasserliebe (Hydrophilie) neigt, denn der Tropfen weicht hier deutlich von der Kugelgestalt ab und lässt sich von der Spitze ein wenig in die Länge ziehen. Schuld daran ist weniger der Drang, die Ähnlichkeit mit einem Vogelkopf zu vergrößern (aber wer weiß?) als vielmehr die Tatsache, dass die noch im Wachstum befindliche Spitze noch keine Härchen ausgebildet hat und daher die Hydrophilie der nackten Blattoberfläche mehr zur Geltung kommen kann.
Das was unter dem Wasserkopf wie eine Art Kropf hervorscheint, ist ein weiterer Wassertropfen, der die gräserne Umgebung spiegelt.
Es gibt gleichseitige, gleichschenklige, rechtwinklige Dreiecke und solche, die durch Grashalme gebildet werden an denen sich Tautropfen niederlassen. Ein solches besonderes Dreieck haben wir hier (Foto).
Die Tropfen an den Halmen sind gut gerundet. Das spricht dafür, dass die Halme wasserabweisend (hydrophob) sind. Allerdings verfügen sie über kleine wasserliebende (hydrophile) Härchen, an denen sich die Tropfen angehängt haben.
Lässt man einen kleinen Wassertropfen aus geringer Höhe auf die Tischplatte oder andere Unterlagen fallen, so wird man in den meisten Fällen feststellen, dass der Tropfen vor lauter Liebe nur so dahinschmilzt. Jedenfalls läuft er ein wenig auseinander, wenn die Unterlagen hydrophil, also wasserliebend sind. Da die Natur dazu tendiert, soviel Oberflächenenergie wie unter den gegebenen Bedingungen möglich ist, an die Umgebung abzugeben, wird jeder Tropfen versuchen, eine möglichst kleine Oberfläche annehmen, also kugelförmig zu werden. Dagegen sprechen oft die aktuellen Gegebenheiten. So kann bei einer hydrophilen Unterlage noch mehr Energie abgegeben werden, wenn der Tropfen sich ein stückweit ausbreitet und eine möglichst große Grenzfläche mit der Unterlage einnimmt.
Im vorliegenden Fall hatte ich mit Bärlappsporen experimentiert und beim Reinigen der blanken Tischoberfläche fiel mir ein Tropfen in die dort verteilten Sporen hinein. Statt nach dem Auftreffen auseinander zu laufen rollte der Tropfen – nahezu kugelförmig geworden – über die Fläche und bedeckte sich mit Sporen. Denn auch diese waren hydrophil. Sie isolierten den Tropfen blitzschnell von der Unterlage, sodass in diesem Fall zur Energieminimierung die Möglichkeit bestand, die Kugelgestalt anzunehmen (siehe Foto). Wenigstens nahezu, denn die Schwerkraft drückt den Tropfen ein wenig in die Breite. Da der Tropfen ziemlich klein ist (Durchmesser etwa 5 mm), sieht man davon aber nicht viel. Doch kaum war die schöne Kugelzur Ruhe gekommen, da fiel sie auch schon auseinander. Denn die Wasserliebe der Bärlappsporen war so groß, dass diese schließlich durchnässt wurden, in den Tropfen eindrangen und der Tropfen Kontakt mit der hydrophilen Unterlage herstellte.
Manch einer wird jetzt denken: So ein kleiner Tropfen und so viele Worte…
Wer sich am frühen Morgen anschickt, diesen Weg zu gehen, kann sich zwar über einiges freuen – die strenge Linearität in einer an sich nichtlinearen Umgebung – sozusagen als Kontrastprogramm, über den üppigen Bewuchs und eventuell weitere schöne Dinge.
Wer sich aber über das Anschicken und Anschauen hinauswagt und vielleicht wie ich mit dem Fahrrad über diese künstlich angelegte Piste flitzt, wird sich bestimmt ärgern. Ich habe mich geärgert. Denn nach einigen Metern war ich bis zu den Oberschenkeln so durchnässt, dass ich eine schnelle Trocknung in den Wind schreiben konnte, der an diesem Tage ziemlich selbstbewusst über das Land zog: Das Gras war so hydrophil, also Wasser liebend, dass es sich voll eingedeckt hatte, es aber auch – das muss ich zugeben – sehr großzügig mit meinen ebenfalls hydrophilen Hosenbeinen teilte. Ich wurde darob so hydrophob, dass der Elan, mit dem ich den Tag startete, vorerst verflogen war.
Das Wasser, das unfairerweise in meinen Hosenbeinen eine neue Heimat gefunden hatte, dachte gar nicht daran, zu verfliegen. Selbst als der Fahrtwind zu Hilfe kam und die Verdunstungsrate kräftig in die Höhe schnellen ließ, dauerte es eine ganz Weile, bis ein merklicher Teil verdunstet war.
Den energetischen Preis dafür musste ich obendrein bezahlen: Indem der Wind den durch Verdunstung entstandenen Wasserdampf abtransportierte, wurde die Verdunstungsrate stark angefacht – mit der unangenehmen Konsequenz, dass die dafür nötige Energie meinen Beinen durch Wärme entzogen wurde, was am frühen Morgen, wenn die Sonne noch nicht so richtig hochgekommen ist, hydrophobe Gedanken geradezu provoziert.
Bei stehender Luft bleibt der Wasserdampf erstaunlich lange in der Nähe seines Ursprungsortes – also meinen in den Hosenbeinen steckenden, im Unterschied zu diesen aber sehr empfindlich auf warm und kalt reagierenden Beinen. Ohne weitere Bewegung und damit ohne Wind hätten sich die nassen Hosenbeine auf Körpertemperatur erwärmt und auf diese Weise zumindest eine mittelerträgliche Situation geschaffen. Aber wegen der großen Verdunstungswärme von Wasser hätte es sehr lange gedauert, bis eine merkliche Trocknung eingetreten wäre. Also verwarf ich diesen Gedanken, trat kräftig in die Pedalen und überließ dem Fahrtwind unter Ausnutzung meiner Körperwärme die Hosenbeine zu trocknen.
Der Tag wurde warm, er wurde sogar so warm, dass diesmal die Feuchtigkeit durch Schwitzen von meinen Beinen ausging und von den hydrophilen Hosenbeinen von der anderen Richtung aufgenommen wurde und im Fahrwind zu einer angenehmen Kühle führte. So startete ich an diesem Tag als Hydrophiler, wurden zwischendurch Hydrophober und kehrte schließlich wieder als Hydrophiler zurück. Diese Bekehrung war zwar nicht das einzige Highlight dieses Tagesausflugs aber ein sehr ungewöhnliches.
H. Joachim Schlichting. Spektrum der Wissenschaft 5 (2022), S. 77-78
Es regnete so stark, daß alle Schweine rein
und alle Menschen dreckig wurden
Georg Christoph Lichtenberg (1742–1799)
Auf Pflanzenblättern sammeln sich Pollen und anderer feiner Staub. Ein Regenschauer wirkt reinigend und hinterlässt manchmal Tropfen, die einiges über die physikalischen Vorgänge bei der Schmutzbeseitigung verraten.
Manche Pflanzen verteilen ihre Pollen so verschwenderisch, dass andere in ihrer Nachbarschaft regelrecht mit einer Schicht aus Blütenstaub eingedeckt werden. Das kann die betroffenen Blätter in ihrer Photosynthese einschränken. Zum Glück sorgen ab und zu Regenschauer wieder für klare Verhältnisse. An Wassertropfen, die an den Blättern hängenbleiben, kann man nachvollziehen, wie die Reinigungsvorgänge physikalisch ablaufen.
Das zeigt sich zum Beispiel an Maiglöckchen (siehe »Maiglöckchenblatt«). Nach einem heftigen Regenschauer sind bei anschließendem Sonnenschein auf waagerecht ausgerichteten, leicht konkaven Blättern einige liegen gebliebene Wassertropfen zu sehen. An dem größten von ihnen lassen sich die wesentlichen Aspekte des Reinigungsvorgangs rekonstruieren. Neben einer kleinen Spiegelung der Sonne fällt ein größerer heller Fleck auf der höchsten Stelle des Tropfens auf. Wie man an seinem Schatten auf dem Blatt erkennen kann, hat er einen materiellen Ursprung: eine nahezu kreisförmige Ansammlung von Pollenkörnern, die der Regen beim Gleiten über das ehemals bestaubte Blatt eingesammelt hat.
Wenn Regentropfen auf Bäumen oder anderen Pflanzen landen, hängt ihr Schicksal vor allem von der Beschaffenheit der Blattoberfläche ab. Bei wasserliebenden (hydrophilen) Flächen ist für eine gemeinsame Grenzfläche zwischen Wasser und Blatt weniger Energie nötig als zwischen Wasser und Luft. Die Tropfen breiten sich also möglichst ausladend auf dem Blatt aus. Bei wasserabweisenden (hydrophoben) Flächen muss hingegen verhältnismäßig viel Energie aufgebracht werden, und die gemeinsame Grenzfläche zwischen Blatt und Wasser bleibt daher vergleichsweise klein.
Ein Maß für die Benetzbarkeit ist der so genannte Kontaktwinkel, der sich zwischen Festkörper und Flüssigkeit einstellt. Von Hydrophobie spricht man, wenn er größer ist als 90 Grad. Das ist bei den Maiglöckchen offenbar der Fall. Insbesondere die kleinen Tropfen erscheinen fast kugelförmig. Bei ihnen macht sich der Einfluss der Schwerkraft weniger stark bemerkbar als bei den deutlich abgeflachten voluminöseren Exemplaren.
Sobald Regentropfen auf dem Maiglöckchenblatt landen, nehmen sie die Pollen auf, mit denen sie in Kontakt geraten. Die Pollen sind hydrophil und bleiben deswegen am Wasser haften. Interessanterweise versammeln sie sich entgegen der Schwerkraft an der höchsten Stelle der Tropfen und ordnen sich nahezu kreisförmig an.
Die Vorgänge lassen sich auf einfache Weise in einem Freihandexperiment nachvollziehen. Dazu füllt man ein Trinkglas vorsichtig so voll mit Wasser, dass es sich über den Rand hinaus aufwölbt – die Oberflächenspannung und die Hydrophilie des Glases verhindert ein Überlaufen. Die höchste Stelle des konvexen Wasserspiegels liegt dann in der Mitte. Gibt man nun einige Styroporkügelchen auf die Oberfläche, driften sie sofort dorthin und ziehen sich gegenseitig an (siehe mittleres Foto). Sie tendieren dazu, gemeinsam eine hexagonale Form mit minimalem Umfang anzunehmen. Bei einer größeren Anzahl kleiner Teilchen wie den Pollen erscheint das als Kreis.
Durch die Benetzung der Kügelchen werden diese ein wenig tiefer ins Wasser gezogen, als es ihrem Gewicht entspricht. Ähnlich wie bei einem im Schwimmbad herabgedrückten Ball provoziert das eine zusätzliche Auftriebskraft. Bei der erstbesten Gelegenheit nehmen die Teilchen daher die jeweils höchste Stelle ein. Deswegen wandern die Pollen am Tropfen und die Styroporkügelchen die gewölbte Wasseroberfläche im Trinkglas empor. Die gegenseitige Anziehung erfolgt aus demselben Grund. Sobald ein Teilchen in die Reichweite des konkaven Meniskus eines anderen kommt, steigen sie jeweils darin auf, bis nur noch eine schmale Wasserlamelle zwischen beiden besteht.
Der reinigende Effekt durch Staubpartikel einsammelnde Tropfen ist am stärksten bei hydrophoben Blättern ausgeprägt, also solchen, die von Wasser nur wenig benetzt werden. Da die Lotuspflanze das Phänomen besonders eindrucksvoll zeigt, spricht man auch vom Lotuseffekt. Er hat seine Ursache in einer besonderen mikroskopischen Struktur und wird häufig als Paradebeispiel für die Bionik genannt, bei der es darum geht, natürliche Phänomene technisch zu adaptieren. So reinigen sich speziell beschichtete Oberflächen bei einem Regenguss selbst.
Aber selbst bei hydrophilen Pflanzenblättern kann es bei größeren Schmutzansammlungen zu einer Art Hydrophobisierung kommen. Indem die aufprallenden Tropfen sich mit einer Staubschicht umgeben, haben die Blätter weniger direkten Kontakt zum Wasser, und die Hydrophilie nimmt ab. Den Effekt kann man ebenfalls durch ein einfaches Experiment nachvollziehen. Träufelt man etwas Wasser auf Bärlappsporen, so werden die Tropfen mehr oder weniger vollständig damit überzogen, während sie über das Puder kullern (siehe unteres Foto). Jetzt erfolgt der Kontakt mit dem Untergrund nur noch über die Staubhülle, und so werden die ummantelten Tropfen praktisch hydrophob. Sie rollen bei der kleinsten Neigung vom Blatt hinab und hinterlassen schließlich eine mehr oder weniger gesäuberte Unterlage.
Manche Pflanzen lieben das Wasser, sie sind hydrophil, andere verabscheuen es, sie sind hydrophob. Wieder andere nehmen eine Position dazwischen ein. Darin unterscheiden sie sich kaum von den Menschen. Ein Freund von mir, Wilfried Suhr, hat eine Situation fotografiert, in der man die Hydrophobie der aus dem Wasser wachsenden Pflanzen deutlich erkennen kann (rechts: Ausschnitt). Sie stoßen das Wasser so deutlich ab, dass die Wasseroberfläche ein Stück weit eingedellt wird. Lediglich die das Wasserniveau ausgleichende Schwerkraft verhindert eine weitere Absenkung. Als Kompromiss ergibt sich eine Vertiefung rund um die aus dem Wasser herauswachsenden Pflanzen, ein sogenannter konvexer Meniskus, der die Wasserphobie eindrucksvoll zum Ausdruck bringt. Die auf der Wasseroberfläche gespiegelte Sonne (eine Lichtphobie?) sowie einige Wolken heben die Strukturen eindrucksvoll aus dem ansonsten ziemlich monochromen Hintergrund heraus.
Dies ist wieder ein kleines Phänomen, das leicht übersehen wird, aber – einmal bemerkt – zu Fragen Anlass gibt, die ansonsten wohl kaum in den eigenen Fragehorizont gelangt wären.
Ab heute bin ich wieder einmal in der netzfreien Zone und kann daher erst in etwa einer Woche wieder auf Kommentare eingehen. Ich habe allerdings einige neue Beiträge für den kommenden Tage erstellt.
Dieses vermutlich vorzeitig gefallene auf dem Boden liegende grüne Blatt hat ein zwiespältiges Verhältnis zum Wasser. Einerseits lässt es sich vom Wasser nicht flächendeckend benetzen, ist also nicht total wasserliebend (hydrophil). Andererseits stößt es das Wasser nicht völlig ab und erlaubt einzelnen Tropfen und Tröpfchen die Blattoberfläche zu bedeckten. Lediglich in den grabenartig vertieften Bereichen der Blattadern werden größere Benetzungsgebiete dadurch erzwungen, dass die Tröpfchen infolge der Schwerkraft die Vertiefung ausfüllen.
Während die größeren Wasserflächen das Grün des Blattes kräftig hervortreten lässt, wird es in den übrigen von Tropfen bedeckten Bereichen erheblich ausgeblichen. Denn insbesondere die kleineren Tröpfchen streuen ähnlich wie Nebeltröpfchen das auftreffende Licht und „verwässern“ das Blattgrün. Dadurch und durch die selbstähnliche Struktur der unterschiedlich großen Tropfen ergibt sich insgesamt eine naturschöne Struktur, die wert ist auch einem gefallenen Blatt eines Blickes zu würdigen.
Es lohnt sich im leichten Nieselregen die Tropfenbildung auf Blättern und Trieben zu beobachten. Wasserliebende (hydrophile) Pflanzen halten die winzigen Tröpfchen zunächst durch die Adhäsionskraft fest. Da sich Wassertröpfchen selbst am meisten lieben, fließen benachbarte Tröpfchen zusammen und bilden größere Tropfen. Je größer/schwerer der Tropfen, desto mehr macht sich die Schwerkraft bemerkbar. Das führt dann dazu, dass die Tropfen sich schließlich in Bewegung setzen und sich in Richtung tiefster Stelle bewegen. Dort bleiben sie meist nicht lange, weil sie weiter wachsen, bis die Schwerkraft die Adhäsionskraft überwindet und die Tropfen zu Fall bringt. Vorher bilden sie aber die Umgebung ihrer Kleinheit entsprechend en miniature ab.
Wenn Wasser sich zum Beispiel an/auf dem Teil einer wasserliebenden Pflanze sammelt, bildet es einen Tropfen, um die Oberfläche so klein wie möglich zu machen. Der Tropfen wird von den meisten Blättern bis zu einer bestimmten Größe „gehalten“, weil die Grenzfläche mit dem Blatt weniger Energie erfordert als mit der Luft. Doch die Schwerkraft ist allenthalben wirksam. Je größer der Tropfen und damit seine Masse werden, desto stärker macht sich diese bemerkbar. Der Tropfen wird in die Länge gezogen bis die Schwerkraft größer ist als die Adhäsionskraft mit der Pflanze. Der Tropfen fällt.
Soweit zur Vorgeschichte dieses Fotos. Denn hier hat sich ein sehr großer Tropfen zwischen den Früchten (?) einer Pflanze gebildet. Weil der Tropfen gleich von mehreren Seiten gehalten wird, nimmt er eine eindrucksvolle Größe an.
Das wiederum qualifiziert den Tropfen zu einer entsprechend großen Sammellinse, durch die die Umgebung verkleinert und kopfstehend abgebildet wird. Die Verkleinerung hat den Vorteil, dass wir durch die Wasserlinse blickend einen größeren Bereich der dahinter befindlichen Pflanzenteile überblicken können.
Soweit zur Physik. Aufgefallen ist mir dieses Detail allerdings aus anderen Gründen. Es sah einfach schön aus – das Zusammenspiel der filigranen verkleinerten Strukturen mit den Strukturen normaler Größe.
Spinnennetze in freier Natur bekommt man meistens eher ins Gesicht als zu Gesicht. Es sei denn das Spinnennetz wird nächtens benetzt, statt dass in ihm fette Beute hängen bleibt. In diesem Fall (oberes Foto) kommt verschärfend hinzu, dass es sich um ein Mininetz handelt, das man normalerweise weder so noch so wahrnimmt. Mich hat erstaunt, dass alles dran ist wie an einem normal großen Netz – nur eben kleiner. Das gilt auch für die Tropfen. Insbesondere an den Stellen, an denen keine Tropfen sind, sieht es fast so aus, als wäre hier auch eine Unterbrechung im Netz. Allerdings ist unser Vertrauen in die gewohnte Beschaffenheit der Welt so groß, dass wir nicht davon ausgehen, diese Leerstellen seien wirklich leer. Und wenn man ganz genau hinschaut (auf Foto klicken), schimmert uns der „missing link“ auch schemenhaft entgegen.
Die starke Wasserliebe des Netzes (Hydrophilie) und die dadurch gegebene Möglichkeit, Wasser aus der Luft zu ernten hat in der physikalischen Forschung bereits dazu geführt, einmal mehr die Natur zu plagiieren und Materialien mit ähnlichen hydrophilen Eigenschaften zu konzipieren.
Natürlich fällt zunächst die schöne Seerose ins Auge. Sie präsentiert sich hier einige Zeit nach einem Regenschauer, der seine Spuren in fast perfekt kreisförmigen Wasserlinsen auf den Blättern hinterlassen hat. Die Ursache für die nach Größe und Verteilung eher statistisch verteilten Tropfen ist das Ergebnis einer Wechselwirkung zwischen der Blattoberfläche und dem Regenwasser zu sehen. Die Blätter zeigen eine deutliche Ablehnung des Wassers (wohl um die Fotosyntheseaktivitäten nicht durch eine flächendeckende Benetzung einzuschränken). Diese Hydrophobie führt dazu, dass sich das Wasser entgegen der Tendenz sich schwerkraftbedingt gleichmäßig über die Blätter zu verteilen auf eine möglichst kleine Fläche zurückzieht. Die kleinste Fläche auf der die größte Menge Wasser unterzubringen ist, ist der Kreis. Wenn die Schwerkraft nicht wäre, würde sich das Wasser noch mehr in Richtung Kugelgestalt aufwölben, wodurch die Kontaktfläche mit dem Blatt noch weiter hätte reduziert werden können.
Immerhin wird der Kontakt zwischen Wasser und Blatt nicht ganz eingestellt. Die „Wasserlinsen“ und die Blattoberfläche ziehen sich zumindest so stark an, dass sie trotz einer gewissen Neigung der Blättter nicht zur tiefsten Stelle rollen/gleiten, sondern dort bleiben, wo sie entstanden sind.
An den hellen Punkten am Rande eines jeden Tropfens, die spiegelnde Reflexionen des Sonnenlichts, sieht man, dass die Sonne schon wieder scheint.
Seifenblasen bestehen aus einem kugelförmigen Film aus Seifenwasser, der innen mit Luft oder einem anderen Gas gefüllt und außen von Luft umgeben ist. Wenn man Seifenblasen auf die Reise schickt, so kommen sie meist nicht sehr weit, weil sie vorher platzen. Ihre Lebensdauer ist vor allem aus zwei Gründen stark begrenzt. Der Wasserfilm wird zum einen durch Verdunstung von Wasser und zum anderen durch das schwerkraftbedingte Abfließen von Wasser immer dünner. Wenn man genau hinschaut, sieht man unten an der Blase einen entsprechend wachsenden Wassertropfen hängen.
Da die Natur dazu tendiert unter den gegebenen Umständen so viel Energie wie möglich an die Umgebung abzugeben (2. Hauptsatz der Thermodynamik), wird die Oberfläche des Seifenfilms so klein wie möglich. Denn die Oberflächenenergie ist proportional zur Oberfläche. Das erklärt zum einen, warum die Seifenblase Kugelgestalt hat, zum anderen, dass die Luft im Innern des Seifenfilms zusammengepresst wird, bis der dadurch entstehende Innendruck einer Verkleinerung der Blase Einhalt gebietet.
Sobald die Dicke der Seifenhaut ein kritisches Maß unterschreitet, führt der Innendruck zum Platzen der Blase. Die Blase platzt manchmal auch schon vorher, wenn sie beispielsweise mit bestimmten Hindernissen kollidiert und zerrissen wird. Denn sobald ein Loch in der Seifenhaut entsteht, entweicht das Gas aus dem Innern und der Wasserfilm schnurrt zu Wassertropfen zusammen. Jeder kennt den enttäuschenden Versuch von Kindern, Seifenblasen aufzufangen. Sobald die Blase berührt wird, zerplatzt der schöne Traum. Weil die Haut der Hände wasserliebend (hydrophil) ist, sich also benetzen „möchte“ saugt diese bei Berührung gewissermaßen das Wasser aus der Blase.
Ähnliches gilt für viele weitere Gegenstände. Interessanterweise gehören manche Blätter nicht dazu. Im Gegenteil, die Seifenblase integriert manchmal eine Blattoberfläche in ihre eigene mit ein und bleibt an dem Blatt hängen (siehe Foto). Dies ist vor allem dann der Fall, wenn das Blatt feucht ist. Auf diese Weise – bis auf kleine windbedingte Schwankungen immobil geworden – überlebt die Blase in vielen Fällen erstaunlich lange. Man kann die Blase von allen Seiten betrachten und dabei die Spiegelungen von Gegenständen im Zusammenspiel mit den Gegenständen selbst genießen, sowie das farbliche Irisieren der Seifenhaut bewundern.
Es gibt kaum eine Situation, in der die Natur eine hässliche Gebärde an den Tag legt, selbst wenn es den ganzen Tag geregnet hat. Wenn ich mir vorgestellt hätte, wie dasblühende Schilf, der sich sanft den Stromlinien des Windes nachgebend eine äußerst elegante Form annimmt, wohl nach einer kühlen feuchten Nacht aussieht, so wäre ich kaum auf ein Bild gekommen wie auf dem Foto zu sehen. Diesmal gehorcht das Schilf der Schwerkraft, die durch die Belastung des Blüten- und Blätterwerks mit einer verhältnismäßig großen Wasserlast zu einer dominierenden Größe geworden ist, indem es sich in eindrucksvoller Gestalt dem Boden zuneigt.
In der vorausgegangenen klaren Nacht haben sich vor allem die feinen Strukturen des Blütenstands und die dünnen Blätter des Schilfrohrs sehr schnell abgekühlt. Denn aufgrund ihrer Feingliedrigkeit haben sie nur eine geringe Dichte und damit eine auf das Volumen bezogene geringe Wärmkapazität, sodass ihre Temperatur schneller sinkt als bei kompakteren Pflanzen und Gegenständen. Und weil bei großer Feuchte mit der schnell sinkenden Temperatur ebenso schnell der Taupunkt erreicht wird, kondensiert der Wasserdampf der Luft vor allem an diesen Strukturen.
Indem die wasserliebende (hydrophile) Pflanze vor allem im feingliedrigen Blütenstand Kondenswasser aufnimmt, steigt dort einerseits ihre Masse und andererseits „verkleben“ die feuchten Strukturen miteinander, weil sich die Wassertropfen vereinigen. Denn dadurch wird Oberflächenenergie gespart: Mehrere Tropfen zusammen haben eine auf das Wasservolumen bezogene kleiner Oberfläche. Durch diese Vorgänge wird das Schilfrohr kopflastig und neigt sich dem Boden zu. Die durch die Vereinigung entstandenen größeren Tropfen bewegen sich zur tiefsten Stelle und fallen ab, sobald die Schwerkraft die Oberflächenkraft (Adhäsionskraft) mit der die Tropfen an der Pflanze haften übersteigt. Man sieht auf dem Foto einige Tropfen an den Spitzen, bereit abzufallen, sobald das Maß voll ist.
Das ist die physikalische Geschichte, die eine Pflanze nach einer klaren, kühlen Sommernacht erzählen könnte. Ich habe es ihr abgenommen und es gleich versucht in Deutsche zu übersetzen.
H. Joachim Schlichting. Spektrum der Wissenschaft 4 (2021), S. 68 – 69
Wie oft ein Glas Wein ein System erzeugt
Georg Christoph Lichtenberg (1742–1799)
Schwenkt man ein alkoholisches Getränk im Glas, rinnen an dessen Innenwand Tropfen herab. Sie entstehen, weil verdunstender Alkohol einen dünnen Film aus der Flüssigkeit in Form einer instabilen Stoßfront hochsaugt.
Weintrinker schwenken ihr Glas, um die Aromen besser zur Geltung zu bringen. Dabei bilden sich an der Innenseite Tropfen, die in das Getränk zurückfließen. Das Phänomen ist vielen Genießern vertraut und erlaubt gewisse Rückschlüsse auf die Konzentrationen der enthaltenen Stoffe – beispielsweise ist es besonders bei hochprozentigen Vertretern gut zu beobachten. Da die entstehenden Figuren ein wenig an Kirchenfenster erinnern, werden sie zuweilen auch so genannt.
Dass Wein auf diese Weise gewissermaßen Tränen vergießt, ist seit langem bekannt. Der englische Physiker Charles Vernon Boys (1855–1944) ging in seinem früher sehr populären Buch über Seifenblasen sogar davon aus, die Erscheinung würde bereits »in den Sprüchen Salomons Kapitel 23, Vers 31 erwähnt: Siehe den Wein nicht an, wenn er rot ist, wenn er seine Farbe dem Glase gibt, und wenn er von selbst aufwärts steigt.« (In der deutschen Bibelübersetzung Luthers lautet die Stelle etwas anders.)
Die erste physikalische Erklärung lieferte James Thomson (1822–1892) Mitte des 19. Jahrhunderts, doch die Details des Alltagsphänomens beschäftigen die Wissenschaft bis heute. Im März 2020 hat eine Forschergruppe um die Mathematikerin Andrea Bertozzi von der University of California in Los Angeles eine Arbeit dazu publiziert. Die Untersuchung bezieht die Geometrie des Glases ein und soll eine vollständige quantitative Beschreibung der Tränen liefern. Das Phänomen wirkt auf den ersten Blick einfacher, als es tatsächlich ist. Zum Verständnis ist es nötig, das Wechselspiel vielfältiger physikalische Aspekte zu entwirren.
Zunächst kommt die Tendenz gewisser Flüssigkeiten ins Spiel, Flächen zu benetzen. Schaut man sich ein Glas mit Wasser darin etwas genauer an, erkennt man, wie letzteres ein Stück weit an der Wand aufsteigt und einen typischen konkaven Meniskus hervorbringt. Das passiert, weil zur Ausbildung einer Grenzfläche zwischen zwei Substanzen Grenzflächenenergie nötig ist. Die Natur tendiert dazu, diese möglichst gering zu halten, und bei Wasser und Glas ist weniger Energie erforderlich als im Fall von Luft und Wasser.
Der Weg nach oben endet allerdings bald: Der Energiegewinn infolge des Anhaftens wird durch die potenzielle Energie, die das Medium nach unten zieht, mit zunehmender Höhe aufgewogen. Der Vorgang heißt auch Kapillareffekt. Wenn man nämlich das Glas auf ein Röhrchen mit winzigem Durchmesser verengt, reduziert das die anzuhebende Masse der Flüssigkeitssäule enorm, und das Wasser kann weiter steigen. In Bäumen spielt das eine wesentliche Rolle beim Transport von der Wurzel bis in die Blätter (siehe »Spektrum« Juli 2015, S. 50).
Wein und andere alkoholische Getränke bestehen vor allem aus Wasser und Alkohol sowie einigen für den Geschmack entscheidenden Stoffen. Beide Flüssigkeiten gehen zwar eine homogene Mischung ein, verhalten sich aber in physikalischer Hinsicht unterschiedlich. Alkohol verdunstet wesentlich bereitwilliger, hat also eher die Tendenz, in den gasförmigen Zustand überzugehen. Das ist unter anderem auf die größere Grenzflächenspannung des Wassers zurückzuführen, die der Verdunstung entgegenwirkt. Der Alkohol verfliegt daher früher – das wird bei der Destillation zum Abtrennen des »Weingeistes« ausgenutzt. Der Prozess läuft in der dünnen Schicht an der Glaswand besonders stürmisch ab. Dort ist die Grenzfläche zwischen Luft und Wein im Verhältnis zum Volumen sehr groß, und der Anteil des Wassers nimmt rasch zu. Dessen Anreicherung wiederum steigert die Grenzflächenspannung im Flüssigkeitsfilm.
Zur Verdunstung ist Energie nötig, die der Umgebung entzogen wird, also vor allem dem Wein selbst. Damit ist eine verhältnismäßig starke Abkühlung verbunden. Einen lebhaften Eindruck von der Verdunstungskälte kann man sich verschaffen, indem man einen Tropfen Alkohol auf dem Handrücken verteilt und die Hand schwenkt oder anbläst (siehe »Spektrum« Januar 2012, S. 52). Die Grenzflächenspannung nimmt mit sinkender Temperatur zu, was zusätzlich zum Spannungsunterschied zwischen dem dünnen Film und dem übrigen Wein beiträgt.
Das führt zu Ausgleichsströmungen: In dem Maß, in dem vor allem der Alkohol verdunstet, wird Wein aus dem Glas nachgezogen. Der Effekt ist nach dem italienischen Physiker Carlo Marangoni (1840–1925) benannt, der ihn schon im 19. Jahrhundert eingehend studiert hat. Jedoch war bislang noch nicht geklärt, wie der Prozess im Einzelnen abläuft. Denn stiege die Flüssigkeit in einem Film von einheitlicher Dicke auf, wäre nicht einzusehen, wieso sie nicht einfach ähnlich gleichmäßig wieder zurückfließen sollte – statt es in Form von Tränen zu tun.
Bertozzi und ihre Kollegen haben nun mit einem mathematischen Modell und Experimenten eine Lösung des Problems gefunden. Sie gehen unter anderem davon aus, dass die Grenzflächenspannung mit der Höhe des Films gleichmäßig zunimmt. Dann bewegt sich die Flüssigkeit in einer ringförmigen Welle nach oben. Dabei handelt es sich – in wissenschaftlicher Terminologie – um eine »umgekehrte unterkompressive Stoßwelle«. Trotz der äußeren Ähnlichkeit mit einer normalen Stoßwelle lässt hier das anhaltende Ziehen infolge der Marangoni-Strömung das Gebilde instabil werden.
Innerhalb der Schicht rücken einzelne Fronten nach, die von der Grenze zum Weinmeniskus ausgehen. Sie laufen gegen die bereits an der Glaswand befindliche, mit Wasser angereichte Flüssigkeit an. Dann lassen kleinste Inhomogenitäten entlang der Welle diese an solchen Stellen zerreißen. Um die Grenzflächenenergie zu minimieren, ziehen sich die Bruchstücke sofort zu separaten Tropfen zusammen, die wie Tränen am Rand herabfließen. Das Szenario wiederholt sich, solange ausreichend Alkohol im Wein ist. Angetrieben werden diese Vorgänge letztlich durch die Tendenz von Flüssigkeiten, sich durch Verdunstung gleichmäßig im zur Verfügung stehenden Raum zu verteilen. Sofern wir sie nicht daran hindern, indem wir sie vorher konsumieren.
Quelle
Dukler, Y. et al.: Theory for undercompressive shocks in tears of wine, Physical Review Fluids 5, 2020
Originalversion: Weinender Wein
Manchmal scheint die Natur den Menschen nachzuahmen. Als ich diesen Baumstamm, der auch schon bessere Tage gesehen hat, wie eine Anschlagtafel mit verschiedensten Blättern vorfand, wurde ich an das Schwarze Brett so mancher Institutionen erinnert. Dort sind auch die verschiedensten Blätter angeschlagen. Sie landen dort allerdings nicht weil sie so schön sind, sondern wegen ihres vermeintlichen Informationsgehalts. Da erscheinen mir diese Baumblätter wesentlich sehenswerter und informationsreicher. Dieses gekrümmte schwarze Brett betrachtete ich mit Wohlwollen und Verwunderung darüber, wie es sich die verschiedensten Blätter hat aneignen können und nach welchen Kriterien sie auf die Fläche verteilt wurden. War es der Wind? Oder sind sie im letzten Herbst nur von den Bäumen herabgefallen wie die umliegenden Blätter auch. Und warum haften sie so fest? Weiterlesen
Man schaue sich die Wimpern dieses Kindes an. Sie scheinen sorgfältig gestylt, zu spitz auslaufenden Bündeln vereinigt. Dahinter steckt jedoch keine exaltierte Mutter, sondern letztlich Mutter Natur. Denn das Kind hat nur heftig im Wasser geplanscht. Alles andere geschah von selbst (Selbstorganisation). Wer mit dem Tuschpinsel vertraut ist, kennt das Phänomen in einem völlig anderen Kontext. Solange sich der Pinsel in Wasser befindet, bleiben seine Borsten in etwa so buschig wie außerhalb. Weiterlesen
Diese Blüte einer Prachtkerze sieht zwar tropfenbehängt etwas traurig aus, obwohl sie bis jetzt keine Anstalten macht, das Blühen jahreszeitbedingt aufzugeben. Schaut man sich einige Wassertropfen etwas genauer an, so könnte man den Eindruck gewinnen, dass sich die Blüte mit auffallend vielen dieser Klunker behängt hat. Insbesondere der untere Tropfen erinnert an ein sorgfältig eingefasstes Schmuckstück – Bergkristall vielleicht.
Dass das Regenwasser nicht einfach an der Pflanze und ihren Blüten abperlt, hat vor allem zwei Ursachen. Zum einen nehmen Wasserportionen unter dem Einfluss ihrer Grenzflächenspannung mit der Luft die kleinstmögliche Oberfläche ein, um Energie zu sparen. Im Idealfall wäre das die Kugelgestalt. Doch die Erde (Schwerkraft) zerrt an den so entstandenen Tropfen und führt zu mehr oder weniger großen Abweichungen. Zum anderen sind die Pflanze und ihre Blüten wasserliebend. Das heißt, die gemeinsame Grenzfläche zwischen Pflanze und Wasser erfordert weniger Energie als die zwischen Wasser und Luft. Daher haften die Wassertropfen bis zu einer bestimmten Größe noch lange an der Pflanze und lassen sie je nach Stimmung schön und traurig oder schön und fröhlich erscheinen.
Bei einem leichten Regen waren die Fliesen der Terrasse mit einem Wasserfilm benetzt. Die leicht abschüssige Terrasse sorgte dafür, dass nur eine dünne Wasserschicht auf den wasserliebenden (hydrophilen) Fliesen verblieb. Lediglich an einer Stelle, an der ein Vogel seinen Schiss hinterlassen hatte, blieb es trocken. Interessanterweise wurde nicht nur die Auftreffstelle des Kots wasserfrei, sondern in einem bestimmten Umkreis kam es zu einer vollständigen Entnetzung der getroffenen Fliese (siehe Foto).
Offenbar hatte sich ein wasserentspannender Bestandteil um den eigentlichen Fleck herum ausgebreitet und das Wasser verdrängt.
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Beim Duschen beobachte ich seit einiger Zeit das folgende auf den ersten Blick merkwürdig erscheinende Phänomen. Immer dann, wenn ein kleiner Fladen Seifenschaum auf den nassen, d.h. mit einer dünnen Wasserschicht bedeckten Fliesenboden fällt, entsteht darin ein „Loch“, das als rundes trockenes Gebiet mit einem deutlichen Rand in Erscheinung tritt. Das Gebiet ist knochentrocken, was nicht nur an der stumpfer gewordenen Farbe zu erkennen ist, sondern auch mit dem trockenen Finger erspürt werden dann. Weiterlesen
Wie kommt es zu dem Nebelstreifen? Weiterlesen
Wie kommen die Teile in die Tropfen?
Erklärung des Rätselfotos des Monats September 2019
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Dieses Foto ist auf einem Spaziergang am frühen Morgen entstanden, als das Gras noch mit leuchtenden Wassertröpfchen übersät war. Diese sind das Ergebnis von Kondensationsvorgängen in der vergangenen kühlen Nacht, in der sich überschüssiger Wasserdampf in der Atmosphäre besonders an feingliedrigen Gräsern niedergeschlagen hat und nun dem Vernichtungswerk der aufsteigenden Sonne überlassen wird. Keine zwei Stunden später waren kaum noch Tropfen zu finden: Mit zunehmenden Temperaturen verdunstet die prachtvolle Glitzerwelt wieder zu unsichtbarem Wasserdampf. Weiterlesen
Seit langem wundere ich mich darüber, dass entgegen sonstiger Erfahrungen der ausgetrocknete Boden im Garten oder anderswo sich weigert, das Wasser gewissermaßen lustvoll aufzunehmen, das ihm nach der langen Trockenheit nunmehr großzügig zugeführt wird. Das Wasser läuft über den trockenen Boden hinweg wie Quecksilber über eine glatte Oberfläche, will sagen: Der Boden ist wasserabweisend, hydrophob. Das widerspricht anderen Erfahrungen: Ist der Boden auch nur ein wenig feucht, nimmt er das zugeführte Wasser begierig auf. Auch trockener Sand am Strand oder in der Sandkiste liebt das Wasser, ist hydrophil.
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Schlichting, H. Joachim. Physik in unserer Zeit 49/3 (2018), S. 151
Weil die Oberseite der Blätter bei einigen Pflanzenarten Wasser abweisend und die Unterseite benetzbar ist, kommt es zu unterschiedlichem Verhalten von Wassertropfen. Weiterlesen
Die Situation ist an sich trivial. Ich habe wegen leichten Nieselregens den in der Reparatur befindlichen Balkon mit einer transparenten Folie abgedeckt. Nach und nach wurde er mit kleinen Tröpfchen bedeckt, die sich je nach gegenseitiger Attraktivität* allmählich zu größeren Tropfen zusammenfinden und den unebenen Gegegebenheiten der Folie entsprechend zuweilen längliche Gebilde darstellen. Nur eines tun sie nicht: sie bilden keinen Supertropfen, der die ganze Folie gleichmäßig bedeckt. Vielmehr wahren sie den Abstand soweit die Bedingungen es erlauben. Weiterlesen
Was bleibt einem nach einem verregneten Sommer anderes übrig, als den wässrigen Erscheinungen auch etwas Positives abzugewinnen. So bemerke ich beispielsweise zu Beginn eines neuen Regenschauers, dass die ersten Tropfen sich oft perlenkettenartig auszurichten scheinen, wie auf dem Foto zu sehen. Später wenn die Anzahl der Tropfen überhand nimmt, geht dieses Phänomen im Tropfengedränge unter. Weiterlesen
Schlichting, H. Joachim. Naturwissenschaften im Unterricht Physik 159/160 (2017) S. 56 – 57
Trockener Sand rinnt wie eine Flüssigkeit durch die Finger. Vom Wind verweht, bildet es jedoch teilweise sehr komplexe wellenartige Muster aus, die sich als Sandrippel und Sanddünen fortbewegen. Am Strand sinkt man tief in den trockenen Sand ein. Es ist anstrengend darüber zu laufen. Lässt man den Sand in Gefäße fließen, so nimmt er nahezu wie eine Flüssigkeit die Gefäßform an.
Aber kaum gerät Sand mit Wasser, dem Inbegriff einer echten Flüssigkeit, in Berührung, ist plötzlich alles anders: Feuchter Sand wird fest und am Meeressaum kann man ohne einzusinken auf ihm gehen. Er ist aber auch plastisch formbar und taugt zum Bau von Sandburgen und anderen Skulpturen. Doch sobald durch die aufkommende Flut oder andere Umstände die Wässerung überhandnimmt, zerrinnen die Burgen und fließen die Pisten der Läufer dahin. Weiterlesen
Da Wasser durchsichtig und damit selbst nicht sichtbar ist, sind wir auf sekundäre Erscheinungen angewiesen, die uns mögliche Strukturen im Wasser verraten. Oft handelt es sich dabei um Reflexionen der Umgebung oder Brechungen des Lichts an den Grenzflächen. Diese werden im vorliegenden Fall dadurch sichtbar, dass der Boden nicht so erscheint, wie er ohne Wasser zu sehen wäre, sondern verformt. Da der Boden zudem aus kleinen Fliesen besteht und man davon ausgehen kann, dass diese Fliesen alle von gleicher Form sind, zeigt uns ihre scheinbare Verformung indirekt die tatsächliche Verformung des Wassers in der Nähe des Blattes an.
Wer mit 3D-Darstellungen von mathematischen Kurven vertraut ist, die ebenfalls durch ein entsprechend verformtes Gitternetz visualisiert werden, sieht vermutlich direkt das verformte Wasser, ohne sich dies gedanklich bewusst zu machen.
Auf diese Weise erkennen wir, dass das Blatt aufgrund seiner Unebenheit, die Wasseroberfläche verformt, sie teilweise eindellt und wegen seiner Liebe zum Wasser (Hydrophilie) das Wasser etwas anzieht und infolgedessen anhebt.
Schlichting, H. Joachim. In: Spektrum der Wissenschaft 10 (2015), S.56 – 57
Die ästhetischen Rissmuster in ausgetrocknetem Sediment entstehen beim Zusammenspiel ganz unterschiedlicher physikalischer Vorgänge.
»Und Risse schlitzen jählings sich
und narben am grauen Leib«
August Stramm (1874 – 1915)
Während eines kräftigen Regenschauers landen an tiefer gelegenen Stellen mit dem fließenden Wasser auch Erde und andere Stoffe, die den Boden bedecken. Eine schlammige Pfütze entsteht. Das strömende Nass schiebt das Baumaterial dafür jedoch nicht nur mechanisch vor sich her. Durch Oberflächenkräfte verleibt sich das Wasser einen Teil der benetzten Körnchen gewissermaßen ein. Die Partikel überziehen sich mit einer Flüssigkeitsschicht, weil sie hydrophil sind – für eine solche Substanz ist es energetisch günstiger, eine Grenzschicht mit Wasser zu bilden als mit Luft. Dahinter steckt ein bedeutendes Prinzip der Natur, wonach Vorgänge von selbst so ablaufen, dass möglichst viel Energie frei wird.
Spielende Kinder nutzen diese Zusammenhänge unwissentlich beim Bau von Sandburgen. Gibt man Wasser zum Zuckersand, so benetzt es so viel Oberfläche wie möglich. Das klebt die Körner zusammen – es entsteht eine zusammenhängende Substanz.
Erklärung des Rätselfotos vom Vormonat: Tropfenbelastete Pflanzen