Hier ruhen einige Wassertropfen auf der Oberfläche eines Schilfblatts. Bis auf den in die Länge gezogenen Tropfen im Vordergrund haben alle Tropfen nahezu Kugelform angenommen, was darauf schließen lässt, dass das Blatt weitgehend wasserabweisend (hydrophob) ist. Das liegt daran, dass die Tropfen die eigentliche Blattoberfläche gar nicht berühren, sondern gewissermaßen auf feinen, kaum sichtbaren Härchen sitzen und daher nur ganz geringen Kontakt mir dem Blatt haben (siehe nebenstehende Grafik oben).
Die Physiker sprechen vom Cassey-Baxter-Zustand und Unterschied zum Wenzel-Zustand (siehe nebenstehende Grafik). Im letzteren Fall ist der Tropfen gewissermaßen durchgesackt und hat nun die volle Berührung mit der an sich hydrophilen Blattoberfläche.
Ausgehend von der Idee, einen Tropfen vom Cassey-Baxter- in den Wenzel-Zustand zu überführen, habe ich den Tropfen im Vordergrund im obigen Foto mit einer kleinen Nadel etwas auf das Blatt gedrückt und siehe da: Der Tropfen berührt an dieser Stelle die Blattoberfläche und erfahrt die eigentliche Wasserliebe (Hydrophilie) des Blatts. Aber nur an dieser Stelle, wie man an der Verformung sehen kann. Der an sich Kugelform anstrebende Tropfen ist in diesem Fall zwiegespalten. Mit dem rechten Teil bleibt er auf den Härchen hocken während er mit dem linken Teil gewissermaßen von der hydrphilen Blattoberfläche angezogen wird und den Tropfen auf diese Weise in eine Form bringt, die das Blatt links als anziehend und rechts als abstoßend erfährt – im doppelten Wortsinn.
Dieser Wasservogel (zumindest der Kopf besteht aus Wasser) ist nicht nur schön anzusehen, sondern auch physikalisch interessant. Tropfen tendieren dazu, so weit wie möglich Kugelgestalt anzunehmen und können nur durch äußere Bedingungen daran gehindert werden, dieser Tendenz voll und ganz nachzugeben. Dem großen Tropfen auf der Blattspitze ist es auch weitgehend gelungen. Das Blatt ist offenbar ziemlich hydrophob (wasserabweisend), sodass der Kontaktwinkel zwischen Tropfen und Blattoberfläche weit über 90° beträgt. Dafür verantwortlich sind kleine Blatthärchen, auf denen der Tropfen hockt und gar nicht erst in großflächigen Kontakt mit dem eigentlichen Blatt kommt. (Die Physiker sprechen vom Cassie-Baxter-Zustand).
Erstaunlich ist weiterhin, dass die Blattspitze mehr zur Wasserliebe (Hydrophilie) neigt, denn der Tropfen weicht hier deutlich von der Kugelgestalt ab und lässt sich von der Spitze ein wenig in die Länge ziehen. Schuld daran ist weniger der Drang, die Ähnlichkeit mit einem Vogelkopf zu vergrößern (aber wer weiß?) als vielmehr die Tatsache, dass die noch im Wachstum befindliche Spitze noch keine Härchen ausgebildet hat und daher die Hydrophilie der nackten Blattoberfläche mehr zur Geltung kommen kann.
Das was unter dem Wasserkopf wie eine Art Kropf hervorscheint, ist ein weiterer Wassertropfen, der die gräserne Umgebung spiegelt.
Ein großer Tropfen in der Gabelung einer Pflanze mit leicht hydrophober (wasserabweisender) Oberflächenbeschaffenheit zeigt sich hier in einigen seiner optischen Möglichkeiten mit großer Deutlichkeit.
Er ist transparent: Man blickt von der Seite her durch ihn hindurch auf eine kleine Verzweigung. Durch die Brechung des Lichts tritt ein Sprung auf zwischen dem was man durch den Tropfen hindurch sieht und dem direkt gesehenen Teil der Verzweigung.
Er zeigt Reflexionen: partielle Spiegelungen der Umgebung und eine diffuse Reflexion der auf dem rechts verlaufenden Stängel fokussierten Sonnenstrahlen. Diese ist so stark, dass es zu einer Überstrahlung (Irradiation) kommt: Der grüne Stängel erscheint daher weiß.
Außerdem ist das ganze Szenario naturschön – vor allem deshalb habe ich dieses Motiv fotografiert.
Es gibt gleichseitige, gleichschenklige, rechtwinklige Dreiecke und solche, die durch Grashalme gebildet werden an denen sich Tautropfen niederlassen. Ein solches besonderes Dreieck haben wir hier (Foto).
Die Tropfen an den Halmen sind gut gerundet. Das spricht dafür, dass die Halme wasserabweisend (hydrophob) sind. Allerdings verfügen sie über kleine wasserliebende (hydrophile) Härchen, an denen sich die Tropfen angehängt haben.
Lässt man einen kleinen Wassertropfen aus geringer Höhe auf die Tischplatte oder andere Unterlagen fallen, so wird man in den meisten Fällen feststellen, dass der Tropfen vor lauter Liebe nur so dahinschmilzt. Jedenfalls läuft er ein wenig auseinander, wenn die Unterlagen hydrophil, also wasserliebend sind. Da die Natur dazu tendiert, soviel Oberflächenenergie wie unter den gegebenen Bedingungen möglich ist, an die Umgebung abzugeben, wird jeder Tropfen versuchen, eine möglichst kleine Oberfläche annehmen, also kugelförmig zu werden. Dagegen sprechen oft die aktuellen Gegebenheiten. So kann bei einer hydrophilen Unterlage noch mehr Energie abgegeben werden, wenn der Tropfen sich ein stückweit ausbreitet und eine möglichst große Grenzfläche mit der Unterlage einnimmt.
Im vorliegenden Fall hatte ich mit Bärlappsporen experimentiert und beim Reinigen der blanken Tischoberfläche fiel mir ein Tropfen in die dort verteilten Sporen hinein. Statt nach dem Auftreffen auseinander zu laufen rollte der Tropfen – nahezu kugelförmig geworden – über die Fläche und bedeckte sich mit Sporen. Denn auch diese waren hydrophil. Sie isolierten den Tropfen blitzschnell von der Unterlage, sodass in diesem Fall zur Energieminimierung die Möglichkeit bestand, die Kugelgestalt anzunehmen (siehe Foto). Wenigstens nahezu, denn die Schwerkraft drückt den Tropfen ein wenig in die Breite. Da der Tropfen ziemlich klein ist (Durchmesser etwa 5 mm), sieht man davon aber nicht viel. Doch kaum war die schöne Kugelzur Ruhe gekommen, da fiel sie auch schon auseinander. Denn die Wasserliebe der Bärlappsporen war so groß, dass diese schließlich durchnässt wurden, in den Tropfen eindrangen und der Tropfen Kontakt mit der hydrophilen Unterlage herstellte.
Manch einer wird jetzt denken: So ein kleiner Tropfen und so viele Worte…
Wer sich am frühen Morgen anschickt, diesen Weg zu gehen, kann sich zwar über einiges freuen – die strenge Linearität in einer an sich nichtlinearen Umgebung – sozusagen als Kontrastprogramm, über den üppigen Bewuchs und eventuell weitere schöne Dinge.
Wer sich aber über das Anschicken und Anschauen hinauswagt und vielleicht wie ich mit dem Fahrrad über diese künstlich angelegte Piste flitzt, wird sich bestimmt ärgern. Ich habe mich geärgert. Denn nach einigen Metern war ich bis zu den Oberschenkeln so durchnässt, dass ich eine schnelle Trocknung in den Wind schreiben konnte, der an diesem Tage ziemlich selbstbewusst über das Land zog: Das Gras war so hydrophil, also Wasser liebend, dass es sich voll eingedeckt hatte, es aber auch – das muss ich zugeben – sehr großzügig mit meinen ebenfalls hydrophilen Hosenbeinen teilte. Ich wurde darob so hydrophob, dass der Elan, mit dem ich den Tag startete, vorerst verflogen war.
Das Wasser, das unfairerweise in meinen Hosenbeinen eine neue Heimat gefunden hatte, dachte gar nicht daran, zu verfliegen. Selbst als der Fahrtwind zu Hilfe kam und die Verdunstungsrate kräftig in die Höhe schnellen ließ, dauerte es eine ganz Weile, bis ein merklicher Teil verdunstet war.
Den energetischen Preis dafür musste ich obendrein bezahlen: Indem der Wind den durch Verdunstung entstandenen Wasserdampf abtransportierte, wurde die Verdunstungsrate stark angefacht – mit der unangenehmen Konsequenz, dass die dafür nötige Energie meinen Beinen durch Wärme entzogen wurde, was am frühen Morgen, wenn die Sonne noch nicht so richtig hochgekommen ist, hydrophobe Gedanken geradezu provoziert.
Bei stehender Luft bleibt der Wasserdampf erstaunlich lange in der Nähe seines Ursprungsortes – also meinen in den Hosenbeinen steckenden, im Unterschied zu diesen aber sehr empfindlich auf warm und kalt reagierenden Beinen. Ohne weitere Bewegung und damit ohne Wind hätten sich die nassen Hosenbeine auf Körpertemperatur erwärmt und auf diese Weise zumindest eine mittelerträgliche Situation geschaffen. Aber wegen der großen Verdunstungswärme von Wasser hätte es sehr lange gedauert, bis eine merkliche Trocknung eingetreten wäre. Also verwarf ich diesen Gedanken, trat kräftig in die Pedalen und überließ dem Fahrtwind unter Ausnutzung meiner Körperwärme die Hosenbeine zu trocknen.
Der Tag wurde warm, er wurde sogar so warm, dass diesmal die Feuchtigkeit durch Schwitzen von meinen Beinen ausging und von den hydrophilen Hosenbeinen von der anderen Richtung aufgenommen wurde und im Fahrwind zu einer angenehmen Kühle führte. So startete ich an diesem Tag als Hydrophiler, wurden zwischendurch Hydrophober und kehrte schließlich wieder als Hydrophiler zurück. Diese Bekehrung war zwar nicht das einzige Highlight dieses Tagesausflugs aber ein sehr ungewöhnliches.
Ein Blatt, das im stürmischen Regenschauer vom Baum heruntergerissen kommt rücklings auf dem Boden zu liegen. Einige versprengte Wassertropfen sind in muldenförmigen Vertiefungen des Blatts zur Ruhe gekommen, malerisch inszeniert durch die inzwischen wieder dominierende Sonne. Das zeigt sich nicht nur in den Schattierungen des Blattes, sondern auch in den hellen Lichtflecken. Diese kommen dadurch zustande, dass die Wassertropfen wie Sammellinsen wirken und das Licht auf einen Lichtfleck fokussieren. Dieser ist im Vergleich zur Umgebung so hell, dass die grüne Farbe des Blattes überstrahlt wird (Irradiation bzw. Blooming). Außerdem wirkt die Tropfenlinse als Lupe und zeigt die Struktur des Blattes in leicht vergrößerter Form.
Dass der aufprallende Regen sich in Tropfen sammelt ist der Minimierung der Grenzflächenenergie zwischen Wasser, Blatt und Luft zu verdanken. Um die Grenzflächenenergie zu minimieren strebt das Wasser die Form an, die unter den gegebenen Bedingungen die kleinste Grenzfläche hat – das ist die Kugel. Sie wird allerdings näherungsweise nur von den kleinen Tropfen erreicht, weil einerseits der Einfluss der Schwerkraft umso geringer ist, je kleiner die Masse der Tropfen ist und andererseits für die Ausbildung einer Grenzfläche mit dem Blatt verhältnismäßig viel Energie nötig ist. Man sagt auch, das Blatt sei hydrophob. Die Hydrophobie wird hauptsächlich durch winzige Härchen auf den Blättern hervorgerufen, auf denen die Tropfen gewissermaßen ruhen und daher nur winzige Berührflächen mit dem Blatt haben.
Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb ein naturschöner Anblick.
H. Joachim Schlichting. Spektrum der Wissenschaft 5 (2022), S. 77-78
Es regnete so stark, daß alle Schweine rein
und alle Menschen dreckig wurden
Georg Christoph Lichtenberg (1742–1799)
Auf Pflanzenblättern sammeln sich Pollen und anderer feiner Staub. Ein Regenschauer wirkt reinigend und hinterlässt manchmal Tropfen, die einiges über die physikalischen Vorgänge bei der Schmutzbeseitigung verraten.
Manche Pflanzen verteilen ihre Pollen so verschwenderisch, dass andere in ihrer Nachbarschaft regelrecht mit einer Schicht aus Blütenstaub eingedeckt werden. Das kann die betroffenen Blätter in ihrer Photosynthese einschränken. Zum Glück sorgen ab und zu Regenschauer wieder für klare Verhältnisse. An Wassertropfen, die an den Blättern hängenbleiben, kann man nachvollziehen, wie die Reinigungsvorgänge physikalisch ablaufen.
Das zeigt sich zum Beispiel an Maiglöckchen (siehe »Maiglöckchenblatt«). Nach einem heftigen Regenschauer sind bei anschließendem Sonnenschein auf waagerecht ausgerichteten, leicht konkaven Blättern einige liegen gebliebene Wassertropfen zu sehen. An dem größten von ihnen lassen sich die wesentlichen Aspekte des Reinigungsvorgangs rekonstruieren. Neben einer kleinen Spiegelung der Sonne fällt ein größerer heller Fleck auf der höchsten Stelle des Tropfens auf. Wie man an seinem Schatten auf dem Blatt erkennen kann, hat er einen materiellen Ursprung: eine nahezu kreisförmige Ansammlung von Pollenkörnern, die der Regen beim Gleiten über das ehemals bestaubte Blatt eingesammelt hat.
Wenn Regentropfen auf Bäumen oder anderen Pflanzen landen, hängt ihr Schicksal vor allem von der Beschaffenheit der Blattoberfläche ab. Bei wasserliebenden (hydrophilen) Flächen ist für eine gemeinsame Grenzfläche zwischen Wasser und Blatt weniger Energie nötig als zwischen Wasser und Luft. Die Tropfen breiten sich also möglichst ausladend auf dem Blatt aus. Bei wasserabweisenden (hydrophoben) Flächen muss hingegen verhältnismäßig viel Energie aufgebracht werden, und die gemeinsame Grenzfläche zwischen Blatt und Wasser bleibt daher vergleichsweise klein.
Ein Maß für die Benetzbarkeit ist der so genannte Kontaktwinkel, der sich zwischen Festkörper und Flüssigkeit einstellt. Von Hydrophobie spricht man, wenn er größer ist als 90 Grad. Das ist bei den Maiglöckchen offenbar der Fall. Insbesondere die kleinen Tropfen erscheinen fast kugelförmig. Bei ihnen macht sich der Einfluss der Schwerkraft weniger stark bemerkbar als bei den deutlich abgeflachten voluminöseren Exemplaren.
Sobald Regentropfen auf dem Maiglöckchenblatt landen, nehmen sie die Pollen auf, mit denen sie in Kontakt geraten. Die Pollen sind hydrophil und bleiben deswegen am Wasser haften. Interessanterweise versammeln sie sich entgegen der Schwerkraft an der höchsten Stelle der Tropfen und ordnen sich nahezu kreisförmig an.
Die Vorgänge lassen sich auf einfache Weise in einem Freihandexperiment nachvollziehen. Dazu füllt man ein Trinkglas vorsichtig so voll mit Wasser, dass es sich über den Rand hinaus aufwölbt – die Oberflächenspannung und die Hydrophilie des Glases verhindert ein Überlaufen. Die höchste Stelle des konvexen Wasserspiegels liegt dann in der Mitte. Gibt man nun einige Styroporkügelchen auf die Oberfläche, driften sie sofort dorthin und ziehen sich gegenseitig an (siehe mittleres Foto). Sie tendieren dazu, gemeinsam eine hexagonale Form mit minimalem Umfang anzunehmen. Bei einer größeren Anzahl kleiner Teilchen wie den Pollen erscheint das als Kreis.
Durch die Benetzung der Kügelchen werden diese ein wenig tiefer ins Wasser gezogen, als es ihrem Gewicht entspricht. Ähnlich wie bei einem im Schwimmbad herabgedrückten Ball provoziert das eine zusätzliche Auftriebskraft. Bei der erstbesten Gelegenheit nehmen die Teilchen daher die jeweils höchste Stelle ein. Deswegen wandern die Pollen am Tropfen und die Styroporkügelchen die gewölbte Wasseroberfläche im Trinkglas empor. Die gegenseitige Anziehung erfolgt aus demselben Grund. Sobald ein Teilchen in die Reichweite des konkaven Meniskus eines anderen kommt, steigen sie jeweils darin auf, bis nur noch eine schmale Wasserlamelle zwischen beiden besteht.
Der reinigende Effekt durch Staubpartikel einsammelnde Tropfen ist am stärksten bei hydrophoben Blättern ausgeprägt, also solchen, die von Wasser nur wenig benetzt werden. Da die Lotuspflanze das Phänomen besonders eindrucksvoll zeigt, spricht man auch vom Lotuseffekt. Er hat seine Ursache in einer besonderen mikroskopischen Struktur und wird häufig als Paradebeispiel für die Bionik genannt, bei der es darum geht, natürliche Phänomene technisch zu adaptieren. So reinigen sich speziell beschichtete Oberflächen bei einem Regenguss selbst.
Aber selbst bei hydrophilen Pflanzenblättern kann es bei größeren Schmutzansammlungen zu einer Art Hydrophobisierung kommen. Indem die aufprallenden Tropfen sich mit einer Staubschicht umgeben, haben die Blätter weniger direkten Kontakt zum Wasser, und die Hydrophilie nimmt ab. Den Effekt kann man ebenfalls durch ein einfaches Experiment nachvollziehen. Träufelt man etwas Wasser auf Bärlappsporen, so werden die Tropfen mehr oder weniger vollständig damit überzogen, während sie über das Puder kullern (siehe unteres Foto). Jetzt erfolgt der Kontakt mit dem Untergrund nur noch über die Staubhülle, und so werden die ummantelten Tropfen praktisch hydrophob. Sie rollen bei der kleinsten Neigung vom Blatt hinab und hinterlassen schließlich eine mehr oder weniger gesäuberte Unterlage.
Manche Pflanzen lieben das Wasser, sie sind hydrophil, andere verabscheuen es, sie sind hydrophob. Wieder andere nehmen eine Position dazwischen ein. Darin unterscheiden sie sich kaum von den Menschen. Ein Freund von mir, Wilfried Suhr, hat eine Situation fotografiert, in der man die Hydrophobie der aus dem Wasser wachsenden Pflanzen deutlich erkennen kann (rechts: Ausschnitt). Sie stoßen das Wasser so deutlich ab, dass die Wasseroberfläche ein Stück weit eingedellt wird. Lediglich die das Wasserniveau ausgleichende Schwerkraft verhindert eine weitere Absenkung. Als Kompromiss ergibt sich eine Vertiefung rund um die aus dem Wasser herauswachsenden Pflanzen, ein sogenannter konvexer Meniskus, der die Wasserphobie eindrucksvoll zum Ausdruck bringt. Die auf der Wasseroberfläche gespiegelte Sonne (eine Lichtphobie?) sowie einige Wolken heben die Strukturen eindrucksvoll aus dem ansonsten ziemlich monochromen Hintergrund heraus.
Dies ist wieder ein kleines Phänomen, das leicht übersehen wird, aber – einmal bemerkt – zu Fragen Anlass gibt, die ansonsten wohl kaum in den eigenen Fragehorizont gelangt wären.
Ab heute bin ich wieder einmal in der netzfreien Zone und kann daher erst in etwa einer Woche wieder auf Kommentare eingehen. Ich habe allerdings einige neue Beiträge für den kommenden Tage erstellt.
Dieses vermutlich vorzeitig gefallene auf dem Boden liegende grüne Blatt hat ein zwiespältiges Verhältnis zum Wasser. Einerseits lässt es sich vom Wasser nicht flächendeckend benetzen, ist also nicht total wasserliebend (hydrophil). Andererseits stößt es das Wasser nicht völlig ab und erlaubt einzelnen Tropfen und Tröpfchen die Blattoberfläche zu bedeckten. Lediglich in den grabenartig vertieften Bereichen der Blattadern werden größere Benetzungsgebiete dadurch erzwungen, dass die Tröpfchen infolge der Schwerkraft die Vertiefung ausfüllen.
Während die größeren Wasserflächen das Grün des Blattes kräftig hervortreten lässt, wird es in den übrigen von Tropfen bedeckten Bereichen erheblich ausgeblichen. Denn insbesondere die kleineren Tröpfchen streuen ähnlich wie Nebeltröpfchen das auftreffende Licht und „verwässern“ das Blattgrün. Dadurch und durch die selbstähnliche Struktur der unterschiedlich großen Tropfen ergibt sich insgesamt eine naturschöne Struktur, die wert ist auch einem gefallenen Blatt eines Blickes zu würdigen.
Natürlich fällt zunächst die schöne Seerose ins Auge. Sie präsentiert sich hier einige Zeit nach einem Regenschauer, der seine Spuren in fast perfekt kreisförmigen Wasserlinsen auf den Blättern hinterlassen hat. Die Ursache für die nach Größe und Verteilung eher statistisch verteilten Tropfen ist das Ergebnis einer Wechselwirkung zwischen der Blattoberfläche und dem Regenwasser zu sehen. Die Blätter zeigen eine deutliche Ablehnung des Wassers (wohl um die Fotosyntheseaktivitäten nicht durch eine flächendeckende Benetzung einzuschränken). Diese Hydrophobie führt dazu, dass sich das Wasser entgegen der Tendenz sich schwerkraftbedingt gleichmäßig über die Blätter zu verteilen auf eine möglichst kleine Fläche zurückzieht. Die kleinste Fläche auf der die größte Menge Wasser unterzubringen ist, ist der Kreis. Wenn die Schwerkraft nicht wäre, würde sich das Wasser noch mehr in Richtung Kugelgestalt aufwölben, wodurch die Kontaktfläche mit dem Blatt noch weiter hätte reduziert werden können.
Immerhin wird der Kontakt zwischen Wasser und Blatt nicht ganz eingestellt. Die „Wasserlinsen“ und die Blattoberfläche ziehen sich zumindest so stark an, dass sie trotz einer gewissen Neigung der Blättter nicht zur tiefsten Stelle rollen/gleiten, sondern dort bleiben, wo sie entstanden sind.
An den hellen Punkten am Rande eines jeden Tropfens, die spiegelnde Reflexionen des Sonnenlichts, sieht man, dass die Sonne schon wieder scheint.
Bei einem leichten Regen waren die Fliesen der Terrasse mit einem Wasserfilm benetzt. Die leicht abschüssige Terrasse sorgte dafür, dass nur eine dünne Wasserschicht auf den wasserliebenden (hydrophilen) Fliesen verblieb. Lediglich an einer Stelle, an der ein Vogel seinen Schiss hinterlassen hatte, blieb es trocken. Interessanterweise wurde nicht nur die Auftreffstelle des Kots wasserfrei, sondern in einem bestimmten Umkreis kam es zu einer vollständigen Entnetzung der getroffenen Fliese (siehe Foto).
Offenbar hatte sich ein wasserentspannender Bestandteil um den eigentlichen Fleck herum ausgebreitet und das Wasser verdrängt.
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Beim Duschen beobachte ich seit einiger Zeit das folgende auf den ersten Blick merkwürdig erscheinende Phänomen. Immer dann, wenn ein kleiner Fladen Seifenschaum auf den nassen, d.h. mit einer dünnen Wasserschicht bedeckten Fliesenboden fällt, entsteht darin ein „Loch“, das als rundes trockenes Gebiet mit einem deutlichen Rand in Erscheinung tritt. Das Gebiet ist knochentrocken, was nicht nur an der stumpfer gewordenen Farbe zu erkennen ist, sondern auch mit dem trockenen Finger erspürt werden dann. Weiterlesen
H. Joachim Schlichting. Spektrum der Wissenschaft 8 (2020)
Wer lauter große Dinge sehen will,
muß sich zu einer Mücke wünschen.
Wilhelm Heinse (1746 – 1803)
Im freien Flug überleben kleine Insekten selbst den Aufprall vergleichsweise schwerer Wassertropfen. Paradoxerweise rettet die Tiere ausgerechnet ihr geringes Gewicht. Weiterlesen
H. Joachim Schlichting. Spektrum der Wissenschaft 5 (2020), S. 60
Die Tropfen Tau schon rinnen,
Auf uns und über uns.
Achim von Arnim (1781 – 1831)
Einige Pflanzen schöpfen lebenswichtige Feuchtigkeit direkt aus der Luft, indem Wasserdampf an ihren spezialisierten Blättern kondensiert. Winzige Rillen auf deren Oberfläche lassen die wachsenden Wassertropfen verschmelzen und zu Boden fließen.
Bei einem Regenschauer suchen wir Schutz unter Bäumen, denn das Blätterdach hält den Boden trocken. Gelegentlich allerdings verhält es sich gerade umgekehrt, vor allem am Morgen – dann ist es nur rund um den Stamm nass. Dieses sonderbare Phänomen ist sogar von großer ökologischer Bedeutung. In niederschlagsarmen Gebieten der Erde trägt es maßgeblich zur Wasserversorgung mancher Pflanzen bei.
Bei Nebel kommt man den Ursachen schnell auf die Spur. Ein Teil der durchziehenden Schwaden bleibt an den Blättern der Bäume hängen. Die winzigen Tropfen vereinigen sich mit nachfolgenden und fallen schließlich auf Grund der eigenen Schwere ab.
Doch manchmal findet man frühmorgens selbst nach einer klaren Nacht ohne Anzeichen von Nebel trotzdem feuchte Stellen unter manchen Pflanzen. Dann verdankt sich die Wassergewinnung aus dem vermeintlichen Nichts einem anderen Effekt: Auf den Blättern der Bäume bildet sich Tau. Wenn es nachts kälter wird, nimmt die maximal mögliche Wasserdampfkonzentration ab. Sie sinkt dabei oft unter die tatsächlich vorhandene Feuchte – der so genannte Taupunkt wird unterschritten.
Die Blätter der Pflanzen kühlen sich schnell ab, denn sie sind von geringer Masse und haben daher eine geringe Wärmekapazität. Als Folge ihrer eigentlichen Funktion, tagsüber möglichst viel Sonnenlicht einzufangen, sind sie nachts ebenso optimal zum kalten Weltall ausgerichtet – und strahlen diesem Energie durch Wärme zu.
Damit sich Wasserdampf absetzen kann, sind zusätzlich zur Unterschreitung des Taupunkts Kondensationskeime nötig. Wegen winziger Oberflächenstrukturen und Verunreinigungen gibt es davon reichlich. Sobald an den Stellen Miniaturtröpfchen entstanden sind, wachsen diese zügig, denn sie sind ihrerseits ideale Orte für weitere Kondensation.
Schließlich neigen sich die Blätter. Meist sind sie ohnehin nicht waagerecht ausgerichtet, und selbst wenn, verbiegt sie die zunehmende Last. Die Schwerkraft lässt die Tropfen herabgleiten und zu Boden fallen. Das geschieht aber erst bei einer kritischen Größe.
Diese hängt einerseits von der Benetzbarkeit der Blätter ab, also der Adhäsionskraft, mit der Wasser daran haftet. Der Wert dafür lässt sich mit Hilfe des so genannten Kontaktwinkels bestimmen. Das ist die Neigung zwischen dem Rand der gekrümmten Oberseite eines Tropfens und der Blattoberfläche (siehe Illustration). Bei einem flachen Winkel von 0 bis 90 Grad ist der Untergrund hydrophil (wasserliebend), bei 90 bis 180 Grad ist er hydrophob (wasserabweisend). Im letzteren Fall können sich bereits relativ kleine Tropfen ablösen. Das ist der berühmte Lotoseffekt, der sich hier zu Lande beispielsweise auch bei Kapuzinerkresse oder bei Kohlrabi beobachten lässt (siehe Foto).
Andererseits ist die Voraussetzung für das Herunterfallen eine ausreichende Neigung der Blätter. Denn mit ihr wächst die Komponente der Schwerkraft, die für das Hinabkullern entscheidend ist. Da die Belastung durch das sich sammelnde Wasser das Blatt krümmt, kommt es zu einer Art Rückkopplung: Je mehr Tropfen entstehen und je größer sie werden, desto eher lösen sie sich ab.
Die Vorgänge kommen morgens zum Erliegen, wenn mit zunehmender Umgebungstemperatur die maximal mögliche Feuchte wieder zunimmt. Dann erhöht sich der Taupunkt, und die Neigung zur Kondensation nimmt ab. Schließlich überwiegt die Verdunstungsrate, so dass die letzten Wasserrückstände wieder verschwinden. Um bis dahin möglichst viel Feuchtigkeit zu den Wurzeln zu leiten, sollten die Tropfen rasch zu Boden gehen und Platz für neue machen. Falls die Pflanze auf diese Form der Versorgung angewiesen ist, sollten sie also möglichst schnell das kritische Volumen zum Abgleiten erreichen.
Zu Beginn wachsen einmal entstandene Tropfen jeder für sich. Zwei kleine verschmelzen erst dann zu einem großen, wenn sie sich zufällig berühren. Der Menge an herab rieselndem Wasser würde demnach zunehmen, wenn solche Vereinigungen öfter und zielgerichteter vorkämen. Die kanarische Kiefer etwa hat dafür besonders lange und schmale Nadeln entwickelt – eine fast eindimensionale Struktur. Die Tropfen kommen daher wesentlich rascher mit Nachbarn in Kontakt als bei einem ungerichteten Wachstum in der Fläche.
Auf den sehr biegsamen Nadeln geraten die Tropfen bald ins Gleiten und reißen auf dem Weg herab kleinere Exemplare mit. Und zwar nicht nur einige weitere, zufällig auf ihrer Bahn liegende, wie es auf einem flächenhaften Blatt der Fall wäre, sondern gleich alle, die sich unterhalb von ihnen befinden. Auch andere Pflanzen bieten eine solche anisotrope Topografie, etwa der Bambus. Dieser verfügt über in Längsrichtung geordnete Blattadern. Sie begünstigen schmale, elliptisch geformte Wassertröpfchen und führen sie gezielt hinab.
Die Idee, durch eine derartige Strukturierung Flüssigkeit effektiver aus Dampf zu produzieren, fasziniert Wissenschaftler schon länger. Sie wollen mit maßgeschneiderten Oberflächen unter anderem in Wüsten Trinkwasser gewinnen. 2019 hat eine französische Forschergruppe von einer Möglichkeit berichtet, auch kleinere Tropfen in Bewegung zu versetzen und ablaufen zu lassen, die normalerweise wieder verdunsten würden.
Das Team um Pierre-Brice Bintein von der Université Paris Diderot hat dazu mikroskopisch kleine Rillen auf Materialien aufgebracht. Daraufhin floss kondensiertes Wasser wesentlich schneller ab als auf glatten Flächen. Die kleineren Tropfen verschmelzen eher zu einer kritischen Größe, und auf dem Substrat verbleiben weniger Rückstände. Wenn es Ingenieuren gelingt, solche Strukturen großflächig und günstig herzustellen, ließe sich nicht nur mehr Nebel und Wasserdampr in Wüsten ernten, sondern außerdem die Entwässerung in anderen Systemen verbessern, bei denen die Schwerkraft eine Rolle spielt, von der Destillation bis zum Wäschetrockner.
Quelle
Bintein, P.-B. et al.: Grooves accellerate dew shedding. Physical Review Letters 122, 2019
Wie kommt es zu dem Nebelstreifen? Weiterlesen
Wie kommen die Teile in die Tropfen?
Erklärung des Rätselfotos des Monats September 2019
Weiterlesen
Seit langem wundere ich mich darüber, dass entgegen sonstiger Erfahrungen der ausgetrocknete Boden im Garten oder anderswo sich weigert, das Wasser gewissermaßen lustvoll aufzunehmen, das ihm nach der langen Trockenheit nunmehr großzügig zugeführt wird. Das Wasser läuft über den trockenen Boden hinweg wie Quecksilber über eine glatte Oberfläche, will sagen: Der Boden ist wasserabweisend, hydrophob. Das widerspricht anderen Erfahrungen: Ist der Boden auch nur ein wenig feucht, nimmt er das zugeführte Wasser begierig auf. Auch trockener Sand am Strand oder in der Sandkiste liebt das Wasser, ist hydrophil.
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Schlichting, H. Joachim. Physik in unserer Zeit 49/3 (2018), S. 151
Weil die Oberseite der Blätter bei einigen Pflanzenarten Wasser abweisend und die Unterseite benetzbar ist, kommt es zu unterschiedlichem Verhalten von Wassertropfen. Weiterlesen
Die Situation ist an sich trivial. Ich habe wegen leichten Nieselregens den in der Reparatur befindlichen Balkon mit einer transparenten Folie abgedeckt. Nach und nach wurde er mit kleinen Tröpfchen bedeckt, die sich je nach gegenseitiger Attraktivität* allmählich zu größeren Tropfen zusammenfinden und den unebenen Gegegebenheiten der Folie entsprechend zuweilen längliche Gebilde darstellen. Nur eines tun sie nicht: sie bilden keinen Supertropfen, der die ganze Folie gleichmäßig bedeckt. Vielmehr wahren sie den Abstand soweit die Bedingungen es erlauben. Weiterlesen
Die Natur wiederholt ewig
in weitere Ausdehnung
denselben Gedanken;
darum ist der Tropfen
ein Bild des Meeres.
Friedrich Hebbel (1813 – 1863) Weiterlesen
Erklärung des Rätselfotos vom Vormonat: Halo und Kondensstreifen
H. Joachim Schlichting. Spektrum der Wissenschaft 2 (2015) S. 48 – 50
Es erscheint fast schon als Naturgesetz, dass Tee- und Kaffeekannen tropfen. Nun versprechen hydrophobe Tüllen Abhilfe.
»Gott erschuf die Festkörper,
aber der Teufel die Oberflächen.«
Wolfgang Pauli (1900 – 1958)