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Kapillarität

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Rätselfoto des Monats Juli 2021

Was hält die Burg zusammen?


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Fliegen – zwischen Ärgernis und Bewunderung

Fliegen haben es mir angetan. Diese Sympathie übertrifft bei weitem die Antipathie, die manchmal bei allzu aufdringlichen Besuchen aufkommt. Dabei tun die Fliegen einem eigentlich nichts. Das auf die Dauer nervige Summen bzw. Brummen ist eine physikalische Nebenwirkung ihres Flugs. Die Flügel bewegen sich einfach so schnell auf und ab, dass die Schwingung eine Frequenz erreicht, die im akustischen Bereich liegt. Je kleiner die Fliege, desto größer die Flügelfrequenz und desto höher der Ton. Und wenn sie einem über den nackten Arm oder gar im Gesicht herumspazieren, entsteht ein störendes Kitzeln, an das ich mich nie gewöhnen konnte. Vielleicht liegt es ja zum Teil an der Technik, mit der sich diese winzigen Tierchen an unserem Körper anklammern. Weiterlesen

Baumhoher Aufstieg

baumhoher-aufstiegSchlichting, H. Joachim. In: Spektrum der Wissenschaft  7  (2015), S. 50 – 51

»Im Kapillaren nimmt es zu,
röhrig aufwärts gesaugt
in die äußersten Verästelungen
deines zahlloszweigigen Daseins«

Rainer Maria Rilke (1875 – 1926)

Kraft der Verdunstung transportieren Bäume große Mengen Wasser in erstaunliche Höhen – aber wie genau?

Wer sich an einem heißen Sommertag in den Schatten eines großen Baums setzt, ist nicht nur vor der Sonne geschützt, sondern genießt auch eine spürbar niedrigere Temperatur als im Schatten eines Gebäudes. Diese angenehme Kühle ist indessen nur ein Nebeneffekt der Vorgänge im Blätterdach.
Damit in seiner Krone die Fotosynthese ablaufen kann, nutzt ein Baum die Sonnenenergie, Kohlenstoffdioxid aus der Umgebung und Wasser aus dem Erdreich aufzunehmen. Das Gas ist aber nur zu einem geringen Anteil in der Luft enthalten und die Blätter nehmen es durch ihre Spaltöffnungen (Stomata) nur sehr langsam per Diffusion auf. Daher geht viel Wasser durch Verdunstung verloren. Denn das Gewebe muss feucht gehalten werden, um nicht auszutrocknen. Allein dafür benötigt ein Baum 95 Prozent seines Wasserbedarfs. Auf diese Weise kann ein ausgewachsenes Exemplar mit einem Kronendurchmesser von 16 Meter bis zu 1000 Liter am Tag als Dampf abgeben.
Wasser derart vom flüssigen in den gasförmigen Zustand zu bringen erfordert sehr viel Energie (siehe » Warum wir in der Sauna überleben«, SdW 11/2012, S. 74). Sie wird der Umgebung entzogen. Da die Wärmekapazität der Luft aber sehr klein ist, wird die spürbare Abkühlung in der Nähe des Baums verständlich. An einem heißen Tag öffnet der Baum weitere Stomata in den Blättern, um den Effekt zu verstärken und die Temperatur im für die Fotosynthese optimalen Bereich von etwa 20 Grad Celsius zu halten.
Wie schafft es ein riesiger Organismus aus festem Holz, ohne Herz oder andere kontraktile Organe derartige Wassermengen in luftige Höhen zu befördern? Ausgewachsene Bäume erreichen nicht selten 30 bis 50 Meter und einige werden – so man sie lässt – sogar mehr als 100 Meter groß. Der Wassertransport ist dann eine echte physikalische Herausforderung.
Wasser lässt sich heben, indem man einen Unterdruck erzeugt. Das kennt jeder, der ein Getränk mit einem Strohhalm einsaugt. Dazu wird die Höhenenergie der Atmosphäre genutzt, die einen äußeren Luftdruck von rund 1000 Hektopascal bzw. 0,1 Megapascal erzeugt. Das entspricht der Gewichtskraft einer Wassersäule von etwa zehn Metern auf eine gegebene Fläche. Wasser kann mit Unterdruck daher maximal auf diese Höhe gehoben werden.
Legt man ein trockenes Stück Holz in Wasser, stellt man fest, dass es sich mit Wasser vollsaugt. Dabei zeigt sich ein Vorgang, der beim Wassertransport in den Leitgefäßen der Bäume eine wesentliche Rolle spielt. Wasser steigt in einem Glasgefäß ein wenig höher am Rand auf. Es tut dies, weil für die Ausbildung der Grenzfläche zwischen Wand und Wasser weniger Energie nötig ist als für diejenige zwischen Wasser und Luft. Daher sucht die Flüssigkeit möglichst mehr Kontaktfläche mit dem Glas. In einem normalen Gefäß kommt dieser Vorgang aber schnell zum Stillstand: Der Energiegewinn wird beim Anheben des Wassers aufgebraucht.
In einem dünnen Rohr kann das Wasser sehr viel höher klettern, denn mit abnehmendem Radius nimmt das Verhältnis von Grenzfläche zu Volumen zu und damit die pro Grenzfläche aufzubringende Höhenenergie ab. Dieser Kapillareffekt entsteht nicht nur bei Glas, sondern auch bei vielen anderen Festkörpern und insbesondere dem holzigen Leitgewebe (Xylem) eines Baums. Eine genauere Rechnung ergibt: Um eine Steighöhe von 100 Metern zu erreichen müsste der Baum über Gefäße mit einem Radius von weniger als 0,1 Mikrometer verfügen.
Die Leitelemente eines Baums, die Tracheen und Tracheiden, haben einen Radius von 0,15 beziehungsweise 0,015 Millimeter. Damit wären nur Höhen von 10 und 100 Zentimetern zu schaffen. Tausendfach enger sind aber die Poren in den Zellwänden – genug, um einen entsprechenden Wasseranstieg zu ermöglichen. Das Problem ist nur, dass für die enormen Wasserströme in die Baumkronen zugleich unrealistisch hohe Druckunterschiede nötig wären.
Bereits vor mehr als 100 Jahren kam die Idee auf, dass die Grenzflächenkraft von einem Zug nach oben unterstützt wird. Dieser negative Druck in den Leitsystemen entsteht durch die Verdunstung. In den Blattöffnungen grenzen die oberen Moleküle der Wassersäulen an die Atmosphäre. Sie tendieren dazu, sich aus der Flüssigkeit zu lösen und in der Luft zu verteilen. Wegen der Grenzflächenkraft bleibt die Oberfläche stets an einer Position und zieht die gesamte darunter liegende Säule in dem Maß hoch, wie Wassermoleküle in den umgebenden Raum übergehen.
Doch warum reißt dieser Zug die Flüssigkeitssäulen nicht einfach auseinander? Sie sind eine Art Faden, den Kohäsionskräfte zusammenhalten, also die zwischenmolekularen Wechselwirkungen. Man kann sich leicht vorstellen, dass der negative Druck in den Wasserfäden 100 Meter hoher Bäume sehr groß sein muss. Bereits im Fall einer unbewegten Flüssigkeit wäre betragsmäßig das Zehnfache des Luftdrucks nötig. Das Wasser muss sich obendrein bewegen, und zwar durch sehr enge Kapillare. In einem mehr als 100 m hohen Mammutbaum haben Forscher zwei Megapascal, also das 20-Fache des Luftdrucks festgestellt. Erstaunlicherweise halten die Flüssigkeitsfäden diese enorme Belastung aus. Messungen lieferten als Grenzwert der Reißfestigkeit minus 3 Megapascal.
Dabei sollte bei einem derartig großen negativen Druck eigentlich ein Siedevorgang beginnen und infolge der Verdampfung die Säule unterbrechen. Wasser so bei Umgebungstemperatur aufkochen zu lassen ist nicht schwierig. Dazu muss man nur etwas in eine Einwegspritze füllen, die Öffnung mit einem Finger fest verschließen und den Kolben kräftig hochziehen. An kleinsten Keimen, meist unsichtbaren Lufteinschlüssen an den Gefäßwänden, erkennt man die Entstehung von Dampfblasen. Diese Kavitation kann Wasserfäden zerreißen. Zudem besteht die Gefahr, dass durch Poren kleinste Luftbläschen eingesogen werden und den Fluss unterbrechen. Und schließlich muss man sich fragen, warum bei so großen Druckdifferenzen die Zellwände nicht einfach kollabieren.
Zum Glück ist das Porensystem, das die Leitgefäße umgibt, so eng, dass ein Lufteintritt sehr unwahrscheinlich ist. Das bannt auch weitgehend das Risiko einer Verunreinigung mit Kavitation auslösenden Keimen. Und die hölzernen Bahnen sind so verstärkt, dass sie den enormen Drücken standhalten. Bekanntlich bestätigen aber Ausnahmen die Regel. In der Praxis kommt es nämlich tatsächlich zu Kavitationen. Wie in einer Heizungsanlage äußern sich die Miniexplosionen akustisch, tönen jedoch im Ultraschallbereich und lassen sich nur mit speziellen Geräten detektieren. Die Kavitationen betreffen stets nur einzelne der redundant ausgelegten Leitungssysteme, so dass keine größeren Bereiche zusammenbrechen und der Wasseraufstieg insgesamt intakt bleibt. Neuerdings fanden Wissenschaftler sogar heraus, dass zerrissene Wasserfäden von selbst wieder ausheilen können. Wie das genau geschieht und welche molekularbiologischen und physiologischen Prozesse dem ganzen System zugrunde liegen, ist Gegenstand aktueller Forschung.
Insgesamt erinnert der Wassertransport stark an die Vorgänge in einer brennenden Kerze. Das flüssige Wachs steigt ebenfalls in einem kapillaren Docht auf und wird durch die Verdampfung in der Flamme ständig nachgezogen. Das hatte aber bereits Novalis gesehen, wenn er den Baum als eine blühende Flamme ansieht.

Quellen

John S. Sperry: Hydraulics of Vascular Water Transport.
Brent R. Helliker1 & Suzanna L. Richter Subtropical to boreal convergence of tree-leaf temperatures. Nature07031 (2008)

PDF: Baumhoher Aufstieg

Lautlose Explosionen

Schlichting, H. Joachim. In: Spektrum der Wissenschaft 44/3 (2013), S.Clip_135 52-53

Bleiben Sie gelassen, wenn sich Rotwein über das weiße Tischtuch ergießt. Denn dabei können Sie einen komplexen Strukturbildungsprozess studieren.

Betrachte die Flecken an der Wand,
die Asche im Ofen,
die Wolken oder den Rinnstein
Beim genauen Beobachten
wirst du dort wunderbares
entdecken.
Leonardo da Vinci (1452 – 1519)

Laulose Explosionen

Getunkt und nicht gebröselt

Schlichting, H. joachim. In: Physik in unserer Zeit 43/1 (2012), S. 45

Nicht nur in der Weihnachtszeit muss man sich genau überlegen, ob man Kekse trocken und bröselig zu sich nimmt oder ob man ihnen durch Eintunken in ein heißes Getränk eine mundgerechtere Konsistenz verleiht. Warum manche Menschen aufgeweichte Kekse mögen, muss hier unbeantwortet bleiben. Uns interessiert lediglich die Frage, warum ein harter Keks seine Konsistenz in einer Flüssigkeit so drastisch verändert.

Tunken für Fortgeschrittene

Schlichting, H. Joachim. In: Spektrum der Wissenschaft 41/12 (2010), S.32-33

Sind beim Tunken von Keksen physikalische Vorgebildete gegenüber reinen Empirikern im Vorteil?

Abbé Montret tauchte zwei Kekse auf einmal in sein Glas und schnappte sie gierig auf, bevor sie sich in der Flüssigkeit auflösten und im Glas verschwinden konnten.
Pascal Quignard (*1948)

http://www.spektrum.de/alias/schlichting/tunken-fuer-fortgeschrittene/1050043

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