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Kerze

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Impression zum 2. Advent

Wenn Licht, Glas und Stimmung zusammenkommen, krümmt sich zuweilen die Wirklichkeit – ich denke mal – vor Lachen.

Physikalische Erklärung.

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Licht im Schatten einer Flamme

Brechende Flamme | Eine brennende Kerze steht im Sonnenlicht. Auf der weißen Wand ist zu erkennen, dass der Schatten der Flamme von zwei senkrechten Lichtbändern eingerahmt wird. Oberhalb des Dochts ist ein ähnlich heller Fleck.

H. Joachim Schlichting. Spektrum der Wissenschaft 12 (2022)

Oh kleines Licht, oh Quelle,
zarte Dämmerung

Jean Wahl

Die heiße Luft und die chemische Umgebung einer brennenden Kerze lenken Licht ab, das auf die Flamme trifft. Deswegen wirft diese in der Sonne nicht bloß einen Schatten, sondern verstärkt an einigen Stellen im Gegenteil die hindurchlaufende Strahlung.

Wenn eine brennende Kerze vom Sonnenlicht bestrahlt wird, wirft sie einen Schatten auf die Fensterleibung oder auf die Wand, vor der sie steht. Interessanterweise zeichnet sich dort nicht nur der Umriss des Wachskörpers ab, sondern auch die Flamme selbst. Haben wir es hier mit dem Schatten von Licht zu tun? Man kann den Vorgang genauer untersuchen, indem man durch die Flamme hindurch auf einen kleinen Gegenstand blickt. Dann zeigt sich: Die Flamme ist an verschiedenen Stellen unterschiedlich durchsichtig.

Im Bereich der Leuchtzone in der Mitte ist ein dahinterliegendes Objekt kaum zu erkennen. Diese Region ist am wenigsten durchlässig und maßgeblich für den Halbschatten auf der Wand verantwortlich. Der äußere Saum und der den Docht umgebende Kern der Flamme sind hingegen nahezu transparent und hinterlassen auf der Wand so gut wie keine Verdunklung.

Erstaunlicherweise gibt es in der Projektion aber nicht nur dunklere Zonen, sondern auch Aufhellungen, die sogar noch intensiver wirken als der direkte Sonnenschein. So leuchten symmetrisch zu beiden Seiten der Flamme zwei senkrechte Streifen, und im Bereich des Dochtschattens fällt ein vergleichbar heller Fleck auf. Insbesondere diese Verstärkungen deuten darauf hin, dass wir es nicht nur mit einer bloßen Schattenabbildung der Kerzenflamme zu tun haben, sondern mit einer komplexen Wechselwirkung des eingestrahlten Lichts mit der heißen Umgebung.

Dem komplexen physikalischen und chemischen Geschehen einer brennenden Kerze liegen mehrere Teilprozesse zu Grunde. Im Docht steigt flüssiges Wachs auf und verdampft zu langkettigen Kohlenwasserstoffmolekülen. Diese heizen sich beim Durchwandern des dunklen Flammenkerns auf und zerbrechen in kleinere Fragmente. Erst in der äußeren Schicht der Flamme im unmittelbaren Kontakt mit dem Luftsauerstoff verbrennen sie schließlich. Hier sind die Temperaturen am höchsten. Die starke Auftriebskraft entsorgt die Verbrennungsprodukte in einer nach oben strebenden Abgasfahne.

© Spektrum der Wissenschaft / Mike Zeitz, nach: H. Joachim Schlichting (Ausschnitt)
Flammenzonen | Im Bereich der Flamme gibt es eine Abgasfahne, eine Leuchtzone, eine Reaktionszone und den Flammenkern.

Der Übergang von der kühlen Luft zum Abgasschlauch ist mit einem großen Temperatursprung verbunden. Daher liegt es nahe, die hellen Linien als Folge davon anzusehen, dass Licht durch diese Grenzschicht geht. In Gasen kommt es nämlich zur Brechung, wenn sich die Temperatur und damit die Dichte ändern. Das kennt man beispielsweise von Luftspiegelungen über heißen Asphaltstraßen oder von dem Flimmern über einem Feuer.

Wie stark das Licht beim Durchgang durch die Kerzenflamme und die Abgasfahne abgelenkt wird, hängt von der jeweiligen Größe des Brechungsindex in diesen Bereichen ab. Dessen Verlauf quer durch die Abgasfahne und die Flamme haben wir experimentell ermittelt, und zwar einmal exemplarisch in einer Ebene im mittleren Bereich der Leuchtzone sowie unmittelbar über dem Docht [1].

Für beide Ebenen gilt: Nähert man sich der Flamme von außerhalb der Abgasfahne, so sinkt der Brechungsindex innerhalb eines Abstands von etwa zehn bis vier Millimetern von der Symmetrieachse zunächst sehr stark. Dann wird die Abnahme schwächer bis zu einem Minimum. Von hier an unterscheiden sich die Ebenen. Bei der Leuchtzone nimmt der Brechungsindex wieder leicht zu und bleibt schließlich bis zum Zentrum konstant. Ganz anders sieht es in der Dochtebene aus. Hier steigt der Brechungsindex nach Durchlaufen des Minimums enorm und übertrifft sogar den Wert für die Umgebungsluft.

Das beobachtete Verhalten in der weiter oben gelegenen Zone war zu erwarten, weil hier die Temperatur drastisch steigt und zur Symmetrieachse hin wieder etwas sinkt. Die Erhöhung des Brechungsindex im Bereich des Flammenkerns beim Docht lässt sich allerdings nicht allein mit dem Temperaturverlauf erklären. Vielmehr macht sich hier die Abhängigkeit von der stofflichen Zusammensetzung des Gases bemerkbar. Der dort vorhandene reine Wachsdampf bricht das Licht wesentlich stärker als die Luft oder die in der Abgasfahne befindlichen Verbrennungsgase.

Unsichtbare Gase mit sichtbarer Auswirkung

Die Variationen des Brechungsindex lenken das Licht in unterschiedlicher Weise aus seiner ursprünglichen Richtung ab. Das betrifft einerseits die Strahlen im schmalen Übergangsbereich zwischen der äußeren Luft und der nach oben strebenden Abgasfahne. Die abgelenkten Strahlen laufen anschließend auf solche zu, die unbeeinflusst geradlinig weiter vom Rand kommen. Das erhöht die Lichtintensität und erzeugt die hellen Lichtbänder auf der Projektionsfläche.

Außerdem wird das Licht im Flammenkern wegen des rapide zunehmenden Brechungsindex verhältnismäßig stark nach innen abgelenkt. Aus Symmetriegründen überlagert es sich rechts und links des Zentrums. Dadurch nimmt auch hier in einem gewissen Bereich hinter der Kerze die Lichtintensität mit wachsendem Abstand zu. Das führt zu dem beobachteten Fleck beim Schatten des Dochts.

© Spektrum der Wissenschaft / Mike Zeitz (Ausschnitt)
Lichtpfade | Im Bereich des Dochts, wo Wachs verdampft, werden Lichtstrahlen zur Mitte hin abgelenkt und zu einem hellen Fleck auf dem Schirm konzentriert. Auch am Rand werden die Lichtstrahlen gebrochen, hier durch die Abgasfahne von innen nach außen, so dass rechts und links der Flamme zwei Streifen entstehen.

Das heißt, das helle Muster hinter einer durchstrahlten Kerzenflamme mit seinen zwei Streifen und einem zentralen Fleck lässt sich insgesamt auf das Profil des Brechungsindex zurückführen. Dieses wiederum wird durch zwei Dinge bestimmt: die charakteristische Variation der Temperatur und den hohen Brechungsindex des Wachsdampfs in der Nähe des Dochts.

Vor allem in der von Rußpartikeln dominierten Leuchtzone ist die Flamme weniger transparent. In der Projektion lässt sich deshalb ein Schatten beobachten, der aber viel heller ist als der Kernschatten des festen Kerzenkörpers. Interessanterweise ist er nicht ganz grau, sondern eher leicht braun getönt. Für die Färbung sind ebenfalls die Rußpartikel verantwortlich. Mit ihrer Größe von zirka 20 Nanometern sind sie mindestens zehnmal kleiner als die Wellenlängen des sichtbaren Lichts. Sie streuen daher vor allem kurzwellige, überwiegend blaue Anteile der Strahlung, ein als Rayleigh-Streuung bezeichnetes Phänomen. Hierbei werden vorwiegend die langwelligen Rottöne durchgelassen, die in der Projektion dominieren. Wir haben es also mit einer ähnlichen Situation zu tun wie bei der Morgen- oder Abenddämmerung.

Quelle: [1] W. Suhr, H. J. Schlichting. Eine Kerzenflamme im Sonnenlicht. Physik in unserer Zeit 52/6 (2021)

Spirale 18 – aus dem Geist der vier Elemente

Ich stelle in dieser Zeit gerne eine brennende Kerze in einer flachen Schale mit Wasser auf. Vielfältige Reflexe multiplizieren die Flamme und ihre Bewegungen und schaffen ein besonders „elementares“ Szenario, wobei, wenn man das Kerzenwachs als Symbol für das Element Erde ansieht, die anderen drei der vier Elemente der alten Griechen ebenfalls präsent sind: Feuer, Wasser, Luft, Erde.
Im vorliegenden Fall (Foto) ist außerdem etwas Neues entstanden. Der feste Rand der Wachsschüssel, die das flüssige Wachs birgt, war an einer Stelle gebrochen. In regelmäßigem Abstand rann eine kleine Portion Wachs an der Außenseite der Kerze hinab und erstarrte im kühlen Wasser zu einem winzigen schwimmenden Ponton, der zunächst an der Kerze verankert blieb. Bevor die Verbindung zur Kerze erstarrte, kam schon der nächste Wachstropfen und schob seinen Vorgänger sich mit ihm locker verbindend ein stückweit auf den Wassersee hinaus. Das passierte noch einige weitere Male, wobei eine spiralförmige Wachskette entstand.
Leider war ich etwas voreilig, indem ich in der Absicht, die Kerze zu „retten“ das Leck stopfte und damit dem selbstorganisierten Entstehungsprozess der Wachsspirale ein Ende setzte. Spätere Versuche den Vorgang gezielt zu wiederholen misslangen bzw. brachten andere aber ebemfalls schöne Gebilde hervor.
Gelungen ist aber die Rettung der spiralförmigen Wachskette, die sich hier auf dem schwarzen Karton naturschön präsentieren lässt.

Der facettenreiche Schatten einer Kerzenflamme

Laservermessung des Flammenschattens

Wilfried Suhr, H. Joachim Schlichting. Physik in unserer Zeit 53/1 (2022), S. 65 – 69

Eine im Sonnenlicht stehende, brennende Kerze wirft auf eine dahinter befindliche weiße Wand ein Lichtmuster, in dem kaustikähnliche Aufhellungen zu sehen sind. Die Abhängigkeit des Brechungsindexes von der Temperatur und der Stoffzusammensetzung erweisen sich als Ursachen dieses Phänomens.

In der dunklen Jahreszeit helfen Kerzen, die Stimmung
etwas aufzuhellen. Steht eine brennende Kerze auf der
Fensterbank, so kann es vorkommen, dass das Licht der
tiefstehenden Sonne den Schatten der Kerze auf die innere Fensterleibung wirft. In einem solchen Fall lohnt es sich, genau hinzuschauen. Denn auf der weißen Wand erkennt man nicht nur den Schatten der Kerze und eines Teils der Flamme, sondern zu beiden Seiten der Flamme ein von der Brennschüssel ausgehendes und sich nach oben erstreckendes langes helles Band (Abbildung 1). Dieses ist noch heller als die im direkten Sonnenlicht liegende Wand. Demgegenüber erscheint der innerhalb dieser Lichtbänder liegende
Bereich etwas dunkler. Oberhalb des Dochts befindet sich ein Schatten der eigentlichen Kerzenflamme, der allerdings deutlich schlanker als diese ist und nur durch die Leuchtzone der Flamme hervorgerufen wird (Abbildung 2, Bereich II links). Bei genauerer Betrachtung entdeckt man oberhalb des Dochts auch noch einen kleinen Lichtfleck, der wie die Lichtbänder heller ist als die direkt von der Sonne beschienene Wand. Im Folgenden gehen wir insbesondere diesen Aufhellungen im projizierten Lichtmuster der Kerze nach, die auf eine Zunahme der Lichtintensität hinweisen. Abgesehen von Streuvorgängen breitet sich das Sonnenlicht in homogener Luft von konstanter Temperatur geradlinig aus. Sobald jedoch Temperaturunterschiede auftreten, wird das Licht gebrochen. Das kann zu erstaunlichen Phänomenen
führen wie etwa Luftspiegelungen über einer aufgeheizten Straße. Wenn aber bereits solche verhältnismäßig moderaten Temperaturunterschiede in der Luft derart auffällige Auswirkungen auf das Verhalten des Lichts haben, sind Brechungserscheinungen im Zusammenhang mit einer brennenden Kerze geradezu zu erwarten. Denn bei letzterer sind noch wesentlich größere Temperaturunterschiede
im Spiel. Außerdem ändert sich durch die Verbrennung von Kerzenwachs die stoffliche Zusammensetzung
der Gase, was ebenfalls das Brechungsverhalten des Lichts beeinflusst…

weiterlesen: Der facettenreiche Schatten einer Kerzenflamme

Zusammenfassung
Bei der Projektion einer brennenden Kerze auf eine helle Wand wird das durch die Flamme und Abgasfahne der Kerze gehende Licht in unterschiedlicher Weise aus seiner ursprünglichen Richtung abgelenkt. Als Ursache dafür erweisen sich die infolge der Verbrennung auftretenden großen Temperaturdifferenzen und die damit einhergehenden Änderungen des Brechungsindexes sowie der hohe Brechungsindex des entstehenden Wachsdampfes im Flammenkern. Mit Hilfe von experimentellen und theoretischen Untersuchungen gelingt es, im Rahmen der Strahlenoptik von der beobachtbaren Lichtablenkung auf die Verteilung des Brechungsindexes in diesem Bereich zu schließen.

Die Sehnsucht nach Licht und Wärme

Die dunkle und kalte Jahreszeit lässt die Menschen seit Urzeiten an die Bedeutung des Lichts und des Feuers denken. Es hat für die Entwicklung zum modernen Menschen eine große Rolle gespielt. Unabhängig davon, wie der Mensch zum Feuer oder das Feuer zum Menschen kam – ob durch den göttlichen Prometheus oder durch einen vom Gewitter entfachten Brand oder… – fortan entwickelte der Mensch ganz unterschiedliche Methoden, diese chemische Reaktion der Verbrennung in Gang zu setzen, aufrecht zu erhalten und für die unterschiedlichsten Verrichtungen zu nutzen.
Obwohl die Verbrennung ein sich selbst aufrecht erhaltender Vorgang ist, solange Brennstoff zur Verfügung steht, bestand für die Urzeitmenschen eine große Herausforderung darin, erst einmal die Entzündungstemperatur zu erreichen, um das Feuer in Gang zu setzen. Zur Aufrechterhaltung musste dann nur noch geeignetes Brennmaterial beschafft werden.

Eine Methode Feuer zu machen bestand darin zwei Steine aufeinanderzuschlagen und den dabei entstehenden  Funken „einzufangen“, indem man mit ihm leicht entzündliches Material, wie etwa den Zunderschwamm, zum Glimmen brachte. Als Steine wurden der Feuerstein (sic!) und Pyrit (Schwefelkies) benutzt. Wenn der Zunder „wie Zunder“ brannte, konnte man das Feuer auf andere für den jeweiligen Zweck (z.B. Licht, Wärme…) spezifische Materialien übergehen. Wer das heute nachmachen will, wird erfahren, welche „technischen“ Schwierigkeiten unsere Altvorderen damit zu bewältigen hatten.
Eine andere, meines Erachtens einfacher zu handhabende Methode bestand darin, Reibungswärme zu nutzen. Dass es beim Reiben glühend heiß werden kann, erfährt man beispieslweise, wenn man mit einem stumpfen Bohrer versucht, ein Loch in ein Stück Hartholz zu bohren. Auf ganz ähnliche Weise wurde früher ein mit beiden Händen gedrillter Holzstab in eine passende Vertiefung eines weiteren Stücks Holz gedrückt wurde, bis es zum Glimmen kam.

Diese Vorgeschichte steckt vermutlich tief verwurzelt im menschlichen Bewusstsein. Ich kenne kaum einen Menschen, der nicht vom Feuer eines Kamins beeindruckt ist oder sich von der Flamme einer Kerze verzaubern lässt. Die heutigen Lichterketten und anderen elektrisch betriebenen Leuchtkörper sind gewissermaßen legitime Abkömmlinge dieser tiefen Sehnsucht des Menschen nach Licht und Wärme in dieser dunklen Jahreszeit, auch wenn vieles inzwischen zum bloßen Ritual erstarrt ist.
Die Begeisterung des modernen Menschen für das Licht drückt sich auch in modernen Lichtinstallationen und anderen Performances aus, oft sogar in eigens dafür eingerichteten Museen und im öffentlichen Raum.

Die Herrschaft des Lichts zum 4. Advent

Die Flamme einer Kerze hat trotz ihrer weitgehenden Erklärung durch die Naturwissenschaften nichts an ihrer Faszination verloren. Das zeigt die vorweihnachtliche Zeit auf eindrucksvolle Weise. Ein akustischer Aspekt, der wohl eher die Stimmung der brennenden Kerze betrifft und einen Flammenträumer zum Flammendenker werden lässt, führt zu der Frage, warum das schweigsame Wesen seiner Kerze plötzlich zu ächsen beginnt. Für Franz von Baader (1765 – 1841) geht dieses Knarren, dieser Schreck, „einem jeden stillen oder geräuschvollen Anzünden voraus“. Dieser Laut wird erzeugt „durch den Kontakt zweier gegensätzlich wirkender Prinzipien, von denen das eine das andere behindert oder es sich untertan macht.“ Die Flamme muß sich beim Brennen stets neu entzünden und gegenüber einer rohen Materie die Herrschaft des Lichts bewahren. Hätten wir ein feineres Ohr, so würden wir die Echos dieser inneren Bewegung vernehmen. Der Anblick läßt zu leicht den Gedanken zu, es gäbe hier Vereinigungen. Doch ganz im Gegenteil verbinden sich die knisternden Geräusche nicht. Die Flamme spricht alle Kämpfe die es bestehen muß, um eine Einheit zu bewahren.*

In der Abbildung sehen wir eine Kerzenflamme, die auf irgendeine Weise verdoppelt (oder sogar verdreifacht?) erscheint. Ist dieser Effekt einzig dem 4. Advent zu verdanken?
(Hilfe für eine Antwort findet man hier.)


* Gaston Bachelard. Die Flamme einer Kerze. München 1988, S. 45f

Die wundersame Verwandlung einer Kerze zum 2. Advent

Die Dreifaltigkeit einer Adventskerze zeigt sich, wenn man sie unmittelbar hinter einem mit Wasser gefüllten Weinglas aufstellt (Es darf auch Champagner sein, wenn der Anlass es hergibt.). Dann gesellen sich zum zentralen Abbild der Kerze noch zwei seitliche Satelliten hinzu, die zwar etwas schlank geraten, aber ihre kerzenhafte Herkunft nicht verleugnen können. Die Herstellung dieses Phänobjekts ist leicht, allerdings muss man schon den passenden Blickpunkt einnehmen, weil sonst ziemlich verunglückte Gestalten resultieren können – also wie im richtigen Leben. Das Phänomen profitiert ganz wesentlich vom Inhalt des Glases. Ein leeres Glas bzw. ein luftgefülltes Glas führt zwar zu anderen interessanten Bildern aber nicht zur dreifaltigen Kerze.

Was die Erklärung des Phänomens betrifft, so kann ich auf einen früheren Beitrag verweisen, in dem die Kerze durch eine ausgewachsene Person und das Glas durch einen überdimensionalen Zylinder ersetzt wurde.

Der Schatten des Lichts am 3. Advent

Man hört und liest immer wieder, dass Kerzenflammen keinen Schatten werfen. Das ist falsch, wie das Foto beweist. Hier steht eine brennende Kerze im Sonnenlicht und man sieht deutlich den Schatten der Kerzenflamme auf der inneren Leibung eines Fensters.
Der Schatten ist etwas kleiner als die Flamme, weil nur der innere Teil der Flamme, durch den glühende Kohlenstoffteilchen hindurchströmen, Sonnenlicht absorbiert. Der Außenbereich der Flamme ist hingegen weitgehend lichtdurchlässig.

 

 

Wie kommt es, dass der Schatten einen geraden Docht zeigt, und warum ist er im Original gekrümmt?

Reelle Kerzen zum 3. Advent

Wenn man nur eine reale Kerze mit einer realen Flamme hat, kann man sie dazu bringen mit zwei reellen Flammen ihre Zahl zum 3. Advent passend auf die nötige Zahl von 3 zu erhöhen. Dazu muss man die Kerze nur in einen Glaszylinder stellen und aus dem richtigen Winkel betrachten. Zwei prominente Reflexionen bringen die beiden fehlenden Flammen hinzu.
Die beiden rein optisch erzeugten Kerzenflammen sind reelle Bilder. Reell heißen sie, weil sie nicht real sind aber so tun als ob. Sie befinden sich wie eine reale Kerze im Glasrohr, sind aber immateriell.
Die erste reelle Flamme kommt durch die Reflexion an der vorderen Grenzfläche der rückwärtigen Glaswand, die zweite darüberstehende durch die Reflexion an der hinteren Grenzfläche zustande. Weil letztere um die Dicke der Glaswand weiter entfernt ist, erscheint sie sogar größer.
Außerdem bringt sie die Farbstruktur der realen Flamme originalgetreuer hervor als es bei den beiden anderen Flammen der Fall ist. Denn während diese aufgrund der mittleren Belichtungszeit der Kamera überbelichtet sind, wird die Intensität der dritten Flamme durch die Lichtabsorption in der im Übrigen verschmutzten Glaswand gerade auf das passende Maß reduziert. Bei korrekter Belichtung der Originalflamme wäre von dem Glasgefäß und den reflektierten Flammen kaum etwas zu sehen.
Reelle Bilder wurden bereits früher hier und hier und hier und hier dargestellt.


Wer sich noch an den Optikunterricht erinnert, für den ist vielleicht die untere Grafik hilfreich, die den Lichtweg der Flammenspitze und damit das Zustandekommen der Abbildung schematisch visualisiert.

Bleigießen mit Kerzenwachs – eine künstlerische Variante

Bleigießen ist ab diesem Jahr verboten. Damit geht zwar eine alte Tradition verloren, aber die Gesundheit geht vor. Denn die Bleigießsets, die in der Vergangenheit benutzt wurden, enthalten ein Vielfaches des in der EU zulässigen Gehalts von Blei.
Aber aus dieser Not kann man eine Tugend machen und mit den vom Weihnachtsfest übrig gebliebenen Resten der Wachskerzen experimentieren. Ich greife auf Erfahrungen zurück, die ich bereits in der Kindheit gemacht habe und zwar deshalb, weil uns damals Blei nicht zur Verfügung stand. Weiterlesen

Der Schwerpunkt der Kerze

Diesmal wurden die Kerzenhalter nicht an den Zweigen festgeklemmt, sondern s-kurvenförmig darüber gehängt. Der Rest wird von der Schwerkraft besorgt. Die unten angebrachte massive Kugel sorgt dafür, dass der Schwerpunkt der Kerze samt Halter stets unterhalb des Unterstützungspunkts liegt. Die Kerze „hängt“ also stabil. Jede Auslenkung aus der Ruhelage führt in die stabile Lage zurück. Weiterlesen

Die Atmosphäre einer Kerzenflamme

Adventzeit ist Kerzenzeit. Wer in Anwesenheit des Kerzenlichts seine Umgebung bewusst erlebt, kann vielleicht Erfahrungen von Menschen aus früheren Zeiten verstehen, für die das Kerzenlicht zu den anspruchsvollsten künstlichen Leuchtmitteln gehörte. Hier eine kleine Episode aus Nikolai Ljesskow*, die leicht als religiöser Humbug angesehen werden kann. Dabei sollte man jedoch nicht übersehen, dass einer solchen Deutung ein beobachtbares Geschehen zugrunde liegt. Weiterlesen

Tiefenstruktur einer brennenden Kerze

Vielleicht ist es der einen oder dem anderen schon aufgefallen, dass zu einer brennenden Kerze außer dem Wachskörper plus Docht mehr gehört, als die leuchtende Flamme, der wir das in dieser Zeit so geschätzte sanfte Licht verdanken. Man muss nur die Hand über die Flamme halten, um alsbald festzustellen, dass dies nur in einer beträchtlichen Höhe auszuhalten ist. Demgegenüber sind seitliche Annäherungsversuche weniger problematisch, man gelangt schmerzlos bis dicht an die Flamme heran. Dadurch wird der Eindruck vermittelt, dass sich oberhalb der Flamme so etwas wie ein Hitzeschlauch befindet. Weiterlesen

Ich bin Feuer und Flamme für die Kerze – 2. Advent

Zündet man eine Kerze an,
erhält man Licht.
Vertieft man sich in Bücher,
wird einem Weisheit zuteil.
Die Kerze erhellt die Stube,
das Buch erleuchtet das Herz.“

Aus China

Lichttechnisch gesehen ist die Kerze ein Fossil, aber ein liebenswertes, das nicht mehr notwendigerweise der Beleuchtung, sondern eher der Erleuchtung und der Schaffung einer stimmungsvollen Atmosphäre dient. Die Menschen, die seinerzeit auf die Kerze als Beleuchtungsmittel angewiesen waren, sahen die Situation daher weitaus nüchterner. Selbst der Dichterfürst Goethe, sonst um keine poetische Wendung verlegen, stellt schlicht fest:

Wo Lampen brennen, gibts Ölflecken,
wo Kerzen brennen, gibts Schnuppen,
die Himmelslichter allein
erleuchten rein und ohne Makel.

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Eine Kerzenkorona zum 1. Advent

1_AdventIn früheren Zeiten waren die einfachverglasten Fensterscheiben im Winter oft beschlagen und trübten den Durchblick. Entschädigt wurde man dafür manchmal durch einen schönen Anblick: Durch die beschlagene Fensterscheibe hindurch betrachtet erschien eine Lichtquelle von mehr oder weniger farbigen Ringen umgeben. Weiterlesen

Rätselfoto des Monats Dezember 2017

Wie kommt es zu dieser Korona?

Diesmal wird die Adventszeit eingeleitet durch eine Kerzenkorona. Dabei soll Altes mit Neuem in ästhetisch ansprechender Weise verbunden werden.


Erklärung zum Rätselfoto des Monats November 2017
Frage:
Was ist physikalisch interessant an Schillers Tintenfass?
Ich habe dieses schöne Gefäß als Schillers Tintenfass gekauft. Ob es wirklich von dem Dichter als ein solches benutzt wurde ist nicht gesichert. Allerdings funktioniert es als solches ausgezeichnet. Die Idee hinter dieser Konstruktion besteht darin, einerseits durch eine kleine aber zum Eintauchen der Schreibfeder passende Oberfläche die Verdunstungsrate so klein wie möglich zu halten, aber andererseits immer einen genügend großen Vorrat an Tinte zu haben. Erstaunlich erscheint auf den ersten Blick, warum das Tintenniveau im großen Vorratsgefäß und im kleinen Napf so unterschiedlich sein kann und kein Niveauausgleich (verbundene Gefäße) stattfindet. Doch wie sollte ein solcher Ausgleich möglich sein? Sobald das Niveau der Tinte im Vorratsgefäß sinken würde, nähme das Luftvolumen zu und der Luftdruck entsprechend ab. Das verhindert der auf der Flüssigkeit im Napf lastende äußere Luftdruck. Denn der durch die Tinte versperrte Weg erlaubt keine Luftzufuhr. Erst wenn so viel Tinte verbraucht wurde, dass das Tintenniveau im Napf unter die obere Kante des Verbindungsstücks gesunken ist, kann ein Ausgleich stattfinden, indem gleichzeitig Tinte in die eine und Luft in die andere Richtung fließen, bis der Weg wieder durch die nachgeflossene Tinte versperrt ist. Das wiederholt sich solange, bis das Tintenniveau im Vorratsgefäß auf das Niveau im Napf gesunken ist. Dann muss Tinte nachgefüllt werden.
Ich habe natürlich nicht so viel schreiben können, bis dieser Zustand erreicht ist, weil ich mich dem Trend der Zeit angeschlossen habe und inzwischen mit der Tastatur des Computers schreibe. Stattdessen habe ich das Gefäß mit Wasser gefüllt einfach stehen lassen und ein anderes physikalisches Phänomen wirken lassen, die Verdunstung. Hätte ich Tinte genommen, so wäre sicherlich ein unschöner fester Rest übrig geblieben.
In einem Kontrollversuch, in dem ich dieselbe Wassermenge in einem offenen Gefäß, also mit einer wesentlich größeren freien Flüssigkeitsoberfläche, verdunstete das Wasser wesentlich schneller. Daran erkennt man einen Vorteil von Schillers Tintenfass gegenüber einem Gefäß mit großer Flüssigkeitsoberfläche.
Eine Vogeltränke funktioniert übrigens nach demselben Prinzip. Wenn es sich in Wirklichkeit bei dem Tintenfass um eine solche handeln sollte, wäre sie aber nur für einen kleinen Vogel zugänglich. Daher glaube ich eher an die Tintenfassversion.

Räteselfoto des Monats Dezember 2016

weihnachtskerzenreflexionenKerze vor dem Fenster. Wie kommt es zu den Farben? Weiterlesen

Zum 1. Advent – Die Flamme als Prozess

Flamme-als-ProzessAlles Anschauen geht aus von einem Einfluß des Angeschauten auf den Anschauenden…Wenn die Ausflüsse des Lichtes nicht – was ganz ohne eine Veranstaltung geschieht – euer Organ berührten, wenn die kleinsten Teile der Körper die Spitzen eurer Finger nicht mechanisch oder chemisch affizierten, wenn der Druck der Schwere euch nicht einen Widerstand und eine Grenze eurer Kraft offenbarte, so würdet ihr nichts anschauen und nicht wahrnehmen, und was ihr also anschaut und wahrnehmt, ist nicht die Natur der Dinge, sondern ihr Handeln auf euch.

1. Die Faszination muß von der Naturerscheinung selbst ausgehen. Zumindest muß sie so vorgestellt werden, daß sie die Aufmerksamkeit auf sich zieht.

2. Die Naturerscheinung muß die Organe möglichst vielseitig berühren und die Sinne affizieren. Die Hand über dem Vacuum spürt unmittelbar den Druck der Luft.

Allerdings sind die Sinne nur bedingt tauglich, das größere Feld der Naturerscheinungen auszumachen. Ein wichtiger Teil naturwissenschaftlicher Untersuchung und Lehrkunst besteht darin, immer neue Manipulationen zu erfinden, die die sinnliche Wahrnehmung erweitern und das von ihr Nicht- Erfaßte in Erscheinung treten zu lassen.

3. Die Naturerscheinung muß nicht als ein einfach Gegebenes hingenommen, sondern als Handlung vorgestellt werden. So die Flamme der Kerze als ein Prozeß„.

Aus: Friedrich Schleiermacher: Sämmtliche Werke, Berlin 1834–64

Im Jahr des Lichts (28) – Die Kerzenflamme und ihre Spiegelbilder

Reflektierte-KerzenflammenAuch am 3. Advent widmen wir uns einer Kerzenflamme. Eine Kerze brennt in einem rotgetönten Glas. Mehrere „Flammen“ zeugen davon auf mehr oder weniger direkte Weise. Obwohl man die weiße Kerze und die Originalflamme durch das Glas hindurch sehen kann, schauen sie durch das getönte Glas betrachtet unterschiedlich verändert aus. Die Kerze hat einen rötlichen Teint angenommen, die Flamme ist nach wie vor weiß. Ist sie dann noch original oder nur noch originell? Ich würde sagen, originell, denn auch das Licht der Flamme wurde durch das Glas gefiltert. Grund für die scheinbare Wirkungslosigkeit des Rotfilters ist ein Wahrnehmungseffekt, der mutatis mutandis auch für die Kamera gilt. Die Originalflamme ist vergleichsweise intensiv. Da sich die Pupillen- bzw. die Blendenöffnung der Kamera nicht nur auf die helle Flamme, sondern auch auf die wesentlich dunkleren Gegenstände in der Umgebung einstellt, werden die Rezeptoren so stark angeregt, dass die vergleichsweise schwache Rottönung des Glases im Vergleich zum dominierenden Weiß der brennenden Flamme keinen merklichen Einfluss mehr hat auf die Farbwahrnehmung (Irradiation, Blooming). Man erkennt auch im Vergleich zur gespiegelten weißen Flamme, dass jede Strukturierung in Form von dunkleren Partien überstrahlt wird. Beim wesentlich schwächeren Streulicht der Kerze macht sich hingegen die Rotfilterfunktion des Glases deutlich bemerkbar. Weiterlesen

Eine Kerzenflamme und ihr Schatten zum 2. Advent

2_AdventHier sieht man eine brennende Kerze vor einer vom Sonnenlicht erhellten Fensterleibung. Nicht nur die Kerze, auch die Flamme ruft einen wenn auch mickrigen Schatten hervor. Aus der Erzählung: Peter Schlemihls wundersame Geschichte von Adelbert Chamisso (1781 – 1831) wissen wir, wie lebenswichtig und bedeutend der Schatten sein kann. Daher werden die Kerzenflamme und ihr Schatten  dem 2. Advent durchaus gerecht.

Bleibt die Frage, wie eine Lichtquelle, die ja selbst in der Lage ist Schatten hervorzurufen, einen eigenen Schatten haben kann. Wie man an der schlanken Form des Flammenschattens sieht, ist er nicht ganz vollständig. Der äußere fast farblose Saum der Flamme ist nämlich lichtdurchlässig und wirft daher keinen Schatten. Der innere Kern der Flamme, dem wir die Leuchtkraft der Kerze verdanken, ist paradoxerweise zumindest teilweise lichtundurchlässig. Das liegt daran, dass dieser Bereich von Kohlenstoffteilchen (Ruß) erfüllt ist, die kein Licht durchlassen und daher als Schattengeber wirken. Die Kohlenstoffteilchen glühen und strahlen daher das typisch gelbliche Licht der Kerze aus.
Bei genauerem Hinsehen entdeckt man eine Aufhellung des Schattens im Bereich des Dochts. Dies könnte daher rühren, dass das die Flamme durchsetzende Sonnenlicht fokussiert wird. Denn der Brechungsindex hängt von der Temperatur des Gases ab. Zwar wird das Licht beim Übertritt von der kalten Luft in die heißen Gase der Flamme zunächst defokussiert, dann aber zum kühleren Bereich des Dochts hin fokussiert wird.

Spirale 3 – Spiralen aus Wachs

Schlichting, H. Joachim. Spektrum der Wissenschaft 12 (2014), S. 56 – 57

KerzenmuschelnLässt man von einer brennenden Kerze flüssiges Wachs in Wasser laufen, bilden sich formschöne Muscheln.

»Schließlich besteht ja jedes Ding nur durch seine Grenzen
und damit durch einen gewissermaßen feindseligen Akt
gegen seine Umgebung«
Robert Musil (1880 – 1942)

PDF: Spiralen aus Wachs

„Der Baum ist nichts anderes als eine blühende Flamme“

Baum_Flamme_Ssagt Novalis und verweist damit auf einen Zusammenhang zwischen, der sich rein äußerlich oft geradezu aufdrängt. Die Aussage kann leicht zu Missverständnissen führen, wenn man darin eine Gleichsetzung der Flamme mit dem Blätterkleid des Baumes sieht. Denn die in der Sonne assimilierenden Blätter sind eher das Gegenteil der leuchtenden Flamme. Denn die Flamme – beispielsweise einer Kerze – spendet Licht, während der Baum nur dann wie eine Flamme blühen kann, wenn er im Licht der Sonne steht. Sehr vereinfacht gesprochen wird in den Blättern eines Baumes der Vorgang des Verbrennens, der sich in der Flamme manifestiert, wieder rückgängig gemacht: Weiterlesen

Was das Feuer am Leben hält

Schlichting, H. Joachim. In: Spektrum der Wissenschaft 42/12 (2011), S. 44 – 45

Damit eine Kerzenflamme ruhig brennen kann, müssen zahlreiche komplexe Vorgänge perfekt aufeinander abgestimmt sein.

In der Flamme sind alle Naturkräfte tätig.
Novalis (1772 – 1801)

Die gute alte Kerze hat alle Neuerungen der Beleuchtungstechnik überstanden. Gerade auch in der Adventsund Weihnachtszeit, wenn die Tage kürzer werden, setzt sie Zeichen der Hoffnung, der Freude und des Lebens. Was aber denkt sich der Physiker bei ihrem Anblick? Ihn beeindruckt über all das hinaus der Kontrast zwischen der Einfachheit der ruhig vor sich hin brennenden Flamme und dem, was unsichtbar bleibt: dem komplexen Zusammenspiel physikalischer, chemischer und technologischer Vorgänge, die das Phänomen erst möglich machen.
Die Kerzenflamme, so beständig sie erscheint, ist Ergebnis eines äußerst bewegten Mikrogeschehens: In jedem Moment verlassen Teilchen verglühend den klar umgrenzten Bereich der Flamme und werden durch neu erglühende Teilchen ersetzt. Rein energetisch betrachtet ist die Flamme der sichtbare Teil einer „dissipativen Struktur“ (Ilya Prigogine), eines von Energie und Materie durchströmten Systems fernab vom thermodynamischen Gleichgewicht. Aufrechterhalten wird die Flamme durch die Dissipation von Energie: Sie nimmt hochwertige chemische Energie und Materie in Form von Kerzenwachs und Sauerstoff auf und gibt im Gegenzug Wärme und Gase an die Umgebung ab. Energie- und Materieströme bleiben dabei im zeitlichen Mittel konstant. Warum klappt das so gut? Oder etwas technischer gefragt: Wie kommt es zu dieser eindrucksvollen Selbstorganisation gut aufeinander abgestimmter Vorgänge?
In der Regel wird eine Kerze mit Hilfe einer anderen Flamme entzündet. Das im Docht enthaltene erstarrte Wachs beginnt dabei zu schmelzen und zu verdampfen. Schließlich erreicht es eine so hohe Temperatur, dass es mit dem Sauerstoff der Luft reagiert und verbrennt, wobei Wasserdampf und Kohlenstoffdioxid entstehen. Außerdem wird Energie frei, die als Bewegung, Wärme und Licht der Flamme in Erscheinung tritt. Danach geht alles wie von selbst. Dank der von der Flamme ausgehenden Wärmestrahlung sorgt »das System« eigenständig für Nachschub an Brennstoff. Von der Hitze flüssig gehalten steigt das Wachs durch die Kapillaren des Dochts nach oben. Gleichzeitig schmilzt die Flamme einen schüsselförmigen Brennstofftank in das obere Ende der festen Kerzensubstanz und füllt ihn mit Vorrat. Auch der Tank erneuert sich ständig, wenngleich man ihm das nicht ansieht: Das feste Wachs, aus dem seine Wand besteht, schmilzt in genau dem Maß, in dem der Docht flüssiges Wachs ins Reaktionszentrum der Flamme transportiert. Erst dort, am oberen Ende des Dochts, verdampft und verbrennt das Wachs schließlich. Denn das flüssige Wachs im Docht liefert die zur Verdampfung nötige Wärme, wodurch seine eigene Temperatur unterhalb des Siedepunkts gehalten wird.

Der Docht neigt sich zur größten Hitze
Probleme gäbe es erst, wenn der Docht zu lang würde. Dann wäre das Gleichgewicht zwischen Brennstoff- und Sauerstoffzufuhr gestört, und die Kerze begänne zu rußen. Doch auch in dieser Hinsicht organisiert sich die Flamme selbst. Weil die brennende Kerze kürzer wird und der heiße Saum der Flamme sich mit ihr nach unten bewegt, schiebt sich der Docht kontinuierlich in die Hitzeregion hinein. Dort verkohlt und verdampft seine Spitze, was seine Länge konstant hält. Zudem kippt der biegsame Docht, je länger er wird, zur Seite weg und damit genau in den bestens mit Sauerstoff versorgten Bereich der Flammenoberfläche. Hier ist die Flamme rund 1400 Grad Celsius heiß, und hier beginnt der Docht auch zu glühen.Kerze_Funktion
Selbst die elegante, stromlinienförmig nach oben gezogene Gestalt der Flamme ist keine bloße Laune der Natur. In ihr wird ein Konvektionsvorgang sichtbar, der für die Funktion des Systems wesentlich ist. Die Temperatur der heißen Flamme sorgt für eine im Vergleich zur Umgebungsluft geringe Dichte der Verbrennungsgase. Der entstehende Auftrieb lässt diese zügig aufsteigen, was Platz schafft für die von unten nachströmende sauerstoffreiche Frischluft. Dieser Vorgang ist für den Fortgang der Verbrennung ebenso wichtig wie der Wachsdampf selbst. Die heißen Gase steigen in einem schmalen Schlauch auf. Das spürt man schon mit bloßen Fingern, es geht aber auch gefahrloser. Stellt man die brennende Kerze ins helle Sonnenlicht, bildet dieses den Schlauch an der dahinterliegenden Wand ab (oben). Denn beim Übergang zwischen kalter Umgebungsluft und heißen Verbrennungsgasen ändert sich schlagartig der Brechungsindex. Ein Teil des Lichts, welches durch das Innere des Schlauchs fällt, wird nach außen abgelenkt und überlagert sich mit dem nicht abgelenkten Licht zu einem schmalen, hellen Band.
Da die Konvektion in der Schwerelosigkeit nicht funktioniert, kämen Raumfahrer nie in den Genuss einer normalen Kerzenflamme. Was aber sähen sie stattdessen? Fixieren Sie einfach eine brennende Kerze in einem durchsichtigen Gefäß und werfen Sie dieses einem (guten) Fänger zu. Während des Flugs sehen Sie, wie die Flamme zu einer winzigen, blau leuchtenden Lichtkugel zusammenschrumpft. Weil unter diesen Bedingungen die Konvektion wegfällt, wird die Flamme nämlich nur über die vergleichsweise langsam ablaufende Diffusion mit Sauerstoff versorgt.
Die Hartnäckigkeit, mit der eine Kerzenflamme allen Störungen zum Trotz stets wieder dieselbe Größe einnimmt, beruht auf nichtlinearen Rückkopplungsvorgängen. Wächst die Flamme, muss ein entsprechend größeres Volumen mit Sauerstoff und Wachs versorgt werden. Da das Volumen mit der dritten Potenz der Flammengröße zunimmt, gilt dies auch für das Volumen der zu- und abgeführten Gase. Der Nachschub an Gasen erfolgt aber zwangsläufig durch die äußere Grenzschicht der Flamme, die ihrerseits nur mit dem Quadrat der Flammengröße variiert. Berücksichtigen wir nun noch, dass die Geschwindigkeit, mit der die Gase nachströmen, nicht beliebig groß werden kann, ist dem Flammenwachstum zwangsläufig eine Grenze gesetzt. Dies gilt auch umgekehrt. Verkleinert eine vorübergehende Störung die Flamme, sind auf einmal mehr Verbrennungsgase vorhanden, als benötigt werden. So kann das Gebilde wieder wachsen, bis erneut ein stationäres Gleichgewicht erreicht ist.
Doch warum leuchtet die Flamme überhaupt? Bei der Reaktion von Wachsdampf und Sauerstoff wird auf kleinstem Raum so viel Energie frei, dass die meisten Gasatome in Elektronen und Atomrümpfe – kurz: in ein Plasma – zerlegt werden. Die Natur strebt aber nach Zuständen minimaler Energie. Die Teilchen versuchen also, wieder Gasatome zu bilden, und entledigen sich ihrer überschüssigen Energie durch Aussenden von Lichtteilchen.
Weit wichtiger für die Kerze als Lichtquelle ist aber ein anderer Effekt. Im Inneren der Flamme klappt es mit dem Sauerstoffnachschub nicht mehr so gut. Wie die Farben zeigen (Foto linke Seite), nimmt die Temperatur darum allmählich ab, bis sie in unmittelbarer Dochtnähe noch lediglich 600 bis 800 Grad Celsius beträgt. Das verdampfende Wachs verbrennt dort nur unvollständig. Der nicht verbrannte Kohlenstoff lagert sich zu Rußteilchen zusammen, die mit den Abgasen nach oben steigen und in dem weiß erscheinenden Bereich der Flamme bei etwa 1200 Grad Celsius zu glühen beginnen. Vor allem diesem Glühen ist es zu verdanken, dass die Kerze so hell leuchtet! Eine chemische Unvollkommenheit – schlechte Verbrennung – trägt also wesentlich zu ihrer technologischen Vollkommenheit bei. Es sind übrigens auch genau diese Rußteilchen, die Licht absorbieren und daher der Flamme selbst zu einem Schatten verhelfen.
Ist Ihnen aufgefallen, dass die Stoffwechselvorgänge der Kerze denen von Pflanzen und Tieren überraschend ähneln? In beiden Fällen sind es die Aufnahme von Sauerstoff und Nährstoffen sowie die Abgabe von Wasser, Kohlenstoffdioxid und anderen Substanzen, welche für den Fortbestand der Systeme sorgen. Das haben schon die Dichter erkannt: »Der Baum ist nichts anderes als eine blühende Flamme«, formulierte etwa Novalis. Manchem diente die Metapher sogar als Bild für das Leben schlechthin: »Das, was sich in der Schöpfung Leben nennt«, schrieb Johann Gottfried Herder, »ist in allen Formen und allen Wesen ein und derselbe Geist, eine einzige Flamme.«

http://www.spektrum.de/alias/schlichting/was-das-feuer-am-leben-haelt/1124690

Die Flamme als Prozeß und Form

Schlichting, H. Joachim. In: Physik in der Schule 35/11, 402 (1997).

Eine brennende Kerze ist mehr als eine Lichtquelle. Das zeigt ihre weite Verbreitung bei festlichen Anlässen. Die über den reinen Beleuchtungszweck hinausgehende, wenn man so will, poetische Wirkung geht vor allem von der Flamme aus. Schon das Zustandekommen der Flamme ist ein faszinierender Vorgang.

PDF: Die Flamme als Prozeß und Form

Physikalische Anmerkungen zur schwimmenden Kerze

Schlichting, H. Joachim. In: Praxis der Naturwissenschaften – Physik 43/4, 15 (1994).

Als der Lehrer den Schülerinnen und Schülern eine in einem Glasgefäß schwimmende brennende Kerze präsentiert, sind einige von ihnen doch erstaunt. Sie waren der Meinung, daß eine Kerze „schwerer“ als Wasser sei. Nun sehen sie, daß die Kerze schwimmt, auch wenn sie dabei nur ein wenig aus dem Wasser herausschaut (Abb. 1). Angesichts dieser Situation äußert ein Schüler die Vorhersage: „Lange brennt die nicht mehr“. Er meint, das Wasser würde die Flamme zum Erlöschen bringen, sobald die Kerze bis zum Wasserrand  abgebrannt sei. Im anschließenden Unterrichtsgespräch macht man sich jedoch klar, daß die Kerze durch das Abbrennen leichter und daher stets aus dem  Wasser herausschauen wird. Wie weit wird sie herausschauen? Ein Schüler meint, immer gleich weit. Eine Schülerin schließt daraus messerscharf: Dann müßte die Kerze schließlich über dem Wasser schweben. Es dauert einige Zeit, bis jeder diese scharfsinnige Schlußfolgerung durchschaut.

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