Ich sitze in einem Hotelzimmer und ziehe den Vorhang vor das Fenster, um das Tageslicht wenigstens teilweise auszusperren. Aber selbst der kleinste Spalt lässt Licht durch. Das ich nun nicht weiter erstaunlich, ich wundere mich aber zunächst darüber, dass das Licht in einzelnen Strahlen ins Zimmer kommt. Jedenfalls zeichnen sich an der Decke und an der Wand mehrerer unterschiedlich helle Streifen ab, die von diesen Strahlen hervorgerufen werden.
Durch einen Blick nach daußen vergewissere ich mich, dass keine Scheinwerfer auf das Fenster gerichtet sind. Allerdings erscheinen mir einige der von der Sonne angestrahlte Fensterleibungen blendend hell und mir wird klar, dass diese als dominierende Lichtquellen wirken. Sie reflektieren das Licht diffus u. A. in Richtung auf den durch den Vorhang gebildeten schmalen Spalt des Fensters.
Sonnenstrahlen, jene ephemeren Lichtstäbe, die durch Lücken im Blätterdach der Bäume dringen und auch das Innere von Gebäuden nicht verschonen, haben es den Menschen immer wieder angetan. Sie wurden und werden oft von Schriftstellern und Poeten sehr konkret genommen. So spricht Arno Schmidt (1914 – 1979), von einem „Sonnenstrahlengebälk wie massiv, man möchte’s mit der Hand anfassen und sich dran vorbeiducken“. Aber nicht nur Sonnenstrahlen, auch Mondstrahlen haben die dichterische Fantasie immer wieder beflügelt. Man denke nur an Theodor Storms (1817 – 1888) „Kleine(n) Häwelmann“, der mit seinem Rollenbett auf einen langen Strahl, den der gute Mond durch das Schlüsselloch fallen ließ, zum Haus hinaus fuhr. Auch Felix Timmermanns (1886 – 1947) lässt Sankt Nikolaus mit seinem Eselchen auf einem Mondstrahl zur Erde kommen. Dabei stellte sich das Eselchen auf den Strahl, „stemmte die Beine steif und glitschte nur so hinunter, wie auf einer schrägen Eisbahn“ (siehe Abbildung). Und Wilhelm Busch (1832 – 1908) lässt in seinem derb ironischen Humor den heiligen Antonius seinen Glauben daran erweisen, dass er seine Haube an einen Sonnenstrahl hängt.
Die Dichter ziehen die Wirkung ihrer Aussagen aus der Differenz zwischen der physischen Nichtigkeit der Strahlen und der äußerst konkret erscheinenden Realität ihres Daseins. Physikalisch gesehen sind die Strahlen nichts anderes als Tröpfchen oder Staub, an denen das Licht eines durch Öffnungen zwischen den Blättern von Bäumen ausgeblendeten Strahls in alle Richtungen reflektiert wird, also auch in unsere Augen. Von wegen „Gebälk“ – ephemerer geht es nicht.
Bei naiver Betrachtung scheinen die scheinbaren Lichtstrahlen die an sich korrekte Vorstellung, dass die Sonne das Licht radial in alle Richtungen ausstrahlt zu bestätigen. Diese Vorstellung kollidiert allerdings mit der ebenso unverbrüchlichen Tatsache, dass die Strahlen wegen der Größe der Sonne fast parallel auf der Erde ankommen. Der Öffnungswinkel beträgt gerade einmal 0,5°. Die scheinbare Divergenz der Sonnen- und Mondstrahlen ist ein Perspektiveneffekt von derselben Art, nach der parallele Bahnschienen zum Horizont hin zusammenzulaufen scheinen.
Die Dreifaltigkeit einer Adventskerze zeigt sich, wenn man sie unmittelbar hinter einem mit Wasser gefüllten Weinglas aufstellt (Es darf auch Champagner sein, wenn der Anlass es hergibt.). Dann gesellen sich zum zentralen Abbild der Kerze noch zwei seitliche Satelliten hinzu, die zwar etwas schlank geraten, aber ihre kerzenhafte Herkunft nicht verleugnen können. Die Herstellung dieses Phänobjekts ist leicht, allerdings muss man schon den passenden Blickpunkt einnehmen, weil sonst ziemlich verunglückte Gestalten resultieren können – also wie im richtigen Leben. Das Phänomen profitiert ganz wesentlich vom Inhalt des Glases. Ein leeres Glas bzw. ein luftgefülltes Glas führt zwar zu anderen interessanten Bildern aber nicht zur dreifaltigen Kerze.
Was die Erklärung des Phänomens betrifft, so kann ich auf einen früheren Beitrag verweisen, in dem die Kerze durch eine ausgewachsene Person und das Glas durch einen überdimensionalen Zylinder ersetzt wurde.
Die Situation liegt schon lange zurück. Aber angesichts dieser morgendlichen Erscheinung (siehe Foto), wurde ich wieder einmal an sie erinnert. Ich ging seinerzeit mit meinem damals kleinen Sohn im Wald spazieren und wir sahen ein ähnliches Phänomen. Mein Sohn sagte dem Sinne nach: Das Licht prallt am Baum ab wie wenn man mit einem Wasserschlauch gegen einen Gegenstand spritzt. Ich war deshalb etwas verwirrt, weil ohne den Baum im Wege ein ähnlicher Anblick zu beobachten war. Allerdings mied man diesen Anblick, weil einem die Sonne unangenehm blendete. Und Unangenehmes blendet man gerne aus, sodass es oft als nichtexistent angesehen wird.
Eine einfache Erklärung für die sogenannten Lichtstrahlen findet man z.B. hier.
Schlichting, H. Joachim. Physik in unserer Zeit 4 (2018) S. 204
Die Elemente eines Kirchenfensters wirken wie unterschiedlich geformte und eingefärbte Öffnungen und ihre Projektionen auf dem relativ weit entfernten Kirchenboden nehmen die Form der Lichtquelle an.
Wenn man die Projektion von Kirchenfenstern mit farbigen Motiven auf dem Boden sieht, erscheint der Anblick zunächst wenig erstaunlich. Erst auf den zweiten Blick wird man sich vielleicht darüber wundern, dass die ursprünglichen Motive kaum zu erkennen sind, weil ihre Details in einem Ensemble runder Farbflecken verschwinden. Weiterlesen
Wie kommt es zu den „farbigen Strahlen“?
Erklärung des Rätselfotos des Monats Februar 2018
Frage: Blick auf den inneren Boden eines Kochtopfes. Wie kommt es zu den Farb- und Ringstrukturen?
Antwort: Die Farbmuster auf dem Topfboden werden von einer sehr dünnen Oxidationsschicht hervorgerufen. Sie entsteht durch die Einwirkung von Hitze, wodurch Sauerstoffatome ein wenig in den Stahlboden des Topfes hineindiffundieren. Die Schichtdicke entspricht größenordnungsmäßig der Wellenlängen des sichtbaren Lichts, ist also sehr dünn. Das Licht wird an der Oberseite teilweise reflektiert und teilweise in die Schicht hinein gebrochen, wo es an der Unterseite der Schicht abermals reflektiert wird usw. Kommt es zur Überlagerung der so entstehenden Teilwellen im Auge des Betrachters oder auf dem Chip der Kamera, so unterscheiden sie sich u.a. aufgrund des unterschiedlichen Weges, den beide zurückgelegt haben in der Phase. Das führt zu Auslöschungen oder Verstärkungen bestimmter Farben des weißen Lichts, deren Wellenlänge einem halbzahligen oder ganzzahligen Vielfachen der Schichtdicke entspricht.
Aufgrund der unterschiedlichen Einwirkung der Wärme infolge der unterschiedlichen Lebensmittel, die mit dem Topfboden in Wechselwirkung treten, entstehen auch unterschiedliche farbige Flächenabschnitte (Genaueres findet man hier).
Auffallend sind weiterhin die quasikonzentrischen Ringe auf dem Topfboden. Auf den ersten Blick scheint es sich um herstellungsbedingte Riefen zu handeln, an deren Flanken das Licht reflektiert wird. Dagegen spricht aber, dass sich das Ringsystem verschiebt, wenn man die Orientierung des Topfbodens zur Lichtquelle verändert: Das Ringsystem läuft gewissermaßen mit der Lichtquelle mit. Die Ursache sind vielmehr riefenartige, statistisch verteilte Gebrauchsspuren auf dem Topfboden, von denen nur die Abschnitte sichtbar werden, die dem Reflexionsgesetz entsprechend Licht ins Auge reflektieren (ausführlicher:hier).
In der Jugendherberge gab es nur jene an Zahnputzbecher erinnernden Wassergläser mit vertikalen Riffeln, die mir auf eine unerklärliche Weise nicht besonders geschmackvoll vorkamen. Als ich dann auf der Terrasse, die einen herrlichen Blick auf eine schöne Landschaft bot, in eben diesem Glas ein erfrischendes stilles Wasser zu mir nahm, war es als wollte dieses Glas mich eines anderen belehren. Weiterlesen