Ich bin ein Sonnentalersammler. Wobei das Sammeln sich meist auf die Betrachtung beschränkt und letztlich ich es bin, der sich sammelt. Nur manchmal zücke ich noch die Kamera. So auch in diesem Fall, obwohl sich vielleicht nicht sofort erschließt, was es hier Besonderes zu sehen gibt. Im Hintergrund sind einige Sonnentaler schön rund, im Vordergrund zerflettern sie weitgehend, weil die verursachenden „Löcher“ in den Ausläufern der Zweige zu groß werden.
Allerdings zeigt sich hier, wo die Löcher dicht an dicht auftreten und sich gewissermaßen bedrängen, so etwas wie eine dichteste Lochpackung in Form von hexagonalen Zellen zu sehen ist (siehe Ausschnitt im unteren Bild). Das ist ganz ähnlich wie bei den Waben der Bienen, die von diesen zunächst als zylinderförmig, also mit kreisrunder Öffnung geschaffen werden und sich wegen der Weichheit des Wachses von den Nachbarzellen gedrückt zu hexagonalen Mustern gruppieren.
So große Sonnentaler (mit einem Durchmesser von etwa 50 cm) habe ich bislang noch nicht gesehen. Der Kontext, in dem sie hier erscheinen ist zwar nicht besonders“naturschön“, aber alles kann man nicht haben. Mein bisheriger Rekord lag bei etwa 24 cm. Da in diesem Fall wegen des fast waagerechten Lichteinfalls kreisförmige Sonnentaler entstehen ergibt sich die einfache Daumenregel, dass der „Durchmesser des Sonnentaler in cm der Entfernung (des Lochs) in m“ entspricht und damit die Löcher, durch die die Taler hervorgerufen werden, etwa 50 m weit entfernt sind. Weiterlesen
Schlichting, H. Joachim. Physik in unserer Zeit 4 (2018) S. 204
Die Elemente eines Kirchenfensters wirken wie unterschiedlich geformte und eingefärbte Öffnungen und ihre Projektionen auf dem relativ weit entfernten Kirchenboden nehmen die Form der Lichtquelle an.
Wenn man die Projektion von Kirchenfenstern mit farbigen Motiven auf dem Boden sieht, erscheint der Anblick zunächst wenig erstaunlich. Erst auf den zweiten Blick wird man sich vielleicht darüber wundern, dass die ursprünglichen Motive kaum zu erkennen sind, weil ihre Details in einem Ensemble runder Farbflecken verschwinden. Weiterlesen
Ich gehe durch einen langen Gang in einem Universitätsgebäude und entdecke nach vielen Jahren zum ersten Mal, dass manche Türen von einem Lichtfleck erhellt werden, deren Ursache sich nicht auf Anhieb erschließt. Eine Lichtquelle ist zunächst weit und breit nicht zu sehen. Doch dann entdecke ich, dass der schmale Spalt zwischen Tür und Boden bei der gegenüberliegenden Tür hell erleuchtet ist. Indem ich die Tür öffne, kann ich mich davon überzeugen, dass die Sonne durch die der Tür gegenüberliegende Fenster hindurch schräg auf den Boden strahlt und auch den Streifen unter dem Spalt ein Stück weit beleuchtet. Weiterlesen
Lieber Lano, hast du schon mal deine Sternlampe über deinem Bett betrachtet? Sie hat viele kleine runde Löcher, durch die das Licht hindurch auf die Wand strahlt. Dadurch sollten dort viele kleine Sterne entstehen. Doch was siehst du statt der Sterne? Viele krakelige Lichtfussel. Wie ist das möglich, die Löcher im blauen Stern sind doch rund? Weiterlesen
Ich freue mich immer wieder, wenn ich unter dem Blätterdach von Bäumen Sonnentaler zu sehen bekomme. Diese Freude drückt sich in diesem Blog in zahlreichen Beiträgen aus, von denen ich nur einige erwähnen möchte (hier und hier und hier und hier). Die Freude ist nich nicht minder groß, wenn ich auf einem sonnenbeschienenen Gehweg gewissermaßen das Gegenteil von Sonnentalern, von mir sogenannte Schattentaler, zu Gesicht bekomme. Von – im Prinzip – beliebig geformten Schattengebern, meist hervorstehenden Blättern eines Baumes, werden isolierte, gerundete (in unseren Breiten meist elliptische) Schatten auf eine ebene Fläche projiziert.
Diese Schattentaler sind wie gesagt inverse Sonnentaler, die man sich wie diese entstanden denken kann, wenn man nicht mit Lichtstrahlen argumentiert, sondern mit Schattenstrahlen, die im Übrigen nicht weniger fiktiv sind als die Sonnenstrahlen. In beiden Fällen handelt es sich um eine Idealisierung eines physikalischen Phänomens, der geradlinigen Ausbreitung des Lichts, wie es beispielsweise an den geradlinigen Schattengrenzen, eines beliebigen Schattengebers beobachtet werden kann.
Schattentaler habe ich auch schon früher angesprochen.
Bei einem Besuch bei Freunden fiel mir nicht nur das farbenprächtige Blumengesteck auf, sondern auch die merkwürdigenLichtkringel im Schattenbereich des Gestecks erregten meine Aufmerksamkeit. Obwohl die Löcher zwischen den Blättern unterschiedliche Form besitzen, rufen sie einheitlich gleichartig geformte kreisrunde Lichtkringel hervor.
Da Lichtkringel durch eine Lichtquelle hervorgebracht werden, lohnt es sich, zur Lichtquelle zu blicken. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Lampe, deren Licht durch eine strukturierte runde Glasplatte fällt, die damit die effektive Form der Leuchte bestimmt. Weiterlesen
Einen eindrucksvollen Beitrag zum Jahr des Lichts liefert zurzeit das LWL-Landesmuseum in Münster mit einer Retrospektive des künstlerischen Werks von Otto Piene (1928 – 2014). Auch wenn dieser Bezug vermutlich zufällig ist, sind insbesondere die Lichtinstallationen eindrucksvolle und beziehungsreiche Auseinandersetzungen mit verschiedenen Facetten und Aspekten des Lichts. Als Beispiel sei ein völlig abgedunkelter Raum genannt. Das Licht bewegter Lampen (die selbst nur erahnt werden können) dringt durch zahlreiche an einen geordneten Sternenhimmel erinnernde winzige Löcher in der einen Wand und entfaltet ein komplexes bewegtes Lichtspiel auf der gegenüberliegenden Wand. Befinden sich Besucher in dem Raum, so werden sie selbst Teil der Installation, indem sie unfreiwillig als Projektionsschirm herhalten müssen. Weiterlesen
Alles schien perfekt zu laufen, die Sonne schien vor blauem Himmel und es schien ausgeschlossen, dass sich daran in den nächsten Stunden noch etwas ändern würde. „Schien“ heißt aber nicht „scheint“. Kurz nach 9:00 Uhr zog nämlich langsam Hochnebel auf. Die Sonne sah jetzt aus wie ein Mond aus, und zu Beginn der erwarteten Sonnenfinsternis war nichts mehr vom Hauptdarsteller zu sehen. Normalerweise geht es umgekehrt. Der Tag beginnt mit Hochnebel, der dann allmählich verschwindet. Die Enttäuschung war natürlich groß. Zum Trost habe ich mir die Fotos der Sonnenfinsternis vom 11.8.1999 angeschaut. Um die momentane Stimmung in etwa zu treffen, zeige ich wie es im Schatten unter dem Nussbaum aussah: Die üblicherweise kreisrunden Sonnentaler hatten die aktuelle Form der zum großen Teil vom Mond abgedeckten Sonne angenommen.
Als Kind besaß ich eine rechteckige Armbanduhr. Im Religionsunterricht – woanders hätte ich mir das nicht erlaubt – hielt ich die Uhr so in die Sonne, dass ich den Reflex an den Wänden verfolgen konnte. Manchmal ließ ich ihn auch in die Augen der einen oder anderen Mitschülerin fallen. Bei diesen Spielereien fiel mir auf, dass der Reflex trotz des rechteckigen Glases, durch das das Sonnenlicht reflektiert wurde, stets kreisrund oder – wenn es schräg auf die Wand auftraf – oval war. Obwohl mich dieser Befund sehr interessierte, kam ich nicht auf die Idee, einen Lehrer zu fragen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass auch nur irgendeiner von ihnen diese Spielerei gutgeheißen, geschweige denn ernst genommen hätte. Das Phänomen geriet in Vergessenheit, nachdem die Uhr das Zeitliche gesegnet hatte. Später waren meine Armbanduhren rund. Weiterlesen
Der Physiker und Pädagoge Martin Wagenschein (1896 – 1988) hat die runden Abbilder der Sonne, die man unter dem Blätterdach der Laubbäume sehen kann, ausdruckstark mit SONNENTALER bezeichnet. Ob er dabei an eine Passage aus François Rabelais‘ Roman Gargantua und Pantagruel gedacht hat, ist nicht verbürgt. Darin gibt es eine Szene, die auf die runden Lichtflecken der Sonne passen könnte. Eine Laube, von Wein überrankt ist eine ideale Voraussetzung für die Entstehung von Sonnentalern: Weiterlesen
Gedichte sind gemalte Fensterscheiben!
Sieht man vom Markt in die Kirche hinein,
Da ist alles dunkel und düster;
Und so sieht’s auch der Herr Philister:
Der mag denn wohl verdrießlich sein
Und lebenslang verdrießlich bleiben.
Kommt aber nur einmal herein,
Begrüßt die heilige Kapelle;
Da ist’s auf einmal farbig helle,
Geschicht und Zierat glänzt in Schnelle,
Bedeutend wirkt ein edler Schein;
Dies wird euch Kindern Gottes taugen,
Erbaut euch und ergetzt die Augen! Weiterlesen
Schlichting, H. Joachim. In: Experimente mit Sonnentalern in der Natur und im Klassenzimmer Grundschule 3 (2008) S. 25-27
Einen kindgerechten Umgang mit einem optischen Phänomenen bietet eine Unterrichtseinheit zum Thema Sonnentaler. Wenig Theorie und viele Experimente machen Gesetzmäßigkeiten des Lichts erfahrbar und regen zu sonnigen Entdeckungen an.
Schlichting, H. Joachim. In: Nordmeier, V. (Red.): Didaktik der Physik. Vorträge der Frühjahrstagung der DPG. Leipzig 2002.
In Lehrveranstaltungen zur geometrischen Optik in Schule und Universität zeigt sich immer wieder, dass kaum angemessene physikalische Vorstellungen über das Zustandekommen einer optischen Abbildung anzutreffen sind. Es wird auf der Grundlage des euklidisch- keplerschen Modells des Lichts versucht, eine anschauliche Darstellung der Entstehung einer Abbildung zu geben. Dabei erweist sich der Durchgang des Lichtes durch ein möglichst kleines Loch als zentraler Gesichtspunkt.
Schlichting, H. Joachim. In: Der mathematische und naturwissenschaftliche Unterricht 48/4, 199-207 (1995).
Das Phänomen der Sonnentaler zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Optik. Die Entstehung eines runden Abbildes hinter einer rechteckigen Öffnung stellte über Jahrtausende hinweg eine Herausforderung des physikalischen Denkens dar und führte in der Verteidigung der geradlinigen Ausbreitung des Lichtes in ein Labyrinth von – aus heutiger Sicht – merkwürdigen Erklärungen. Kepler diente dieser rote Faden als Ariadnefaden, der ihn aus dem Labyrinth herausführte. Die Geschichte der Sonnentaler soll uns dazu dienen, auf Lernschwierigkeiten unserer Schülerinnen und Schüler aufmerksam zu machen, die im Bereich der üblicherweise als einfach angesehenen geometrischen Optik auftreten.
Schlichting, H. Joachim. In: Praxis der Naturwissenschaften Praxis der Naturwissenschaften – Physik 43/4, 19 (1994).
Was der Mensch sieht, hängt sowohl davon ab,
worauf er blickt, wie davon, worauf zu sehen
ihn seine visuell- begriffliche Erfahrung gelehrt hat.
Thomas S. Kuhn
Dass die obige Einsicht Thomas S. Kuhns nicht nur die großen wissenschaftlichen sondern auch die kleinen alltäglichen Entdeckungen betrifft, wird mir immer wieder am Beispiel der Sonnentaler bewußt. Obwohl es kaum jemanden gibt, dessen Netzhäute nicht von diesen ovalen bis kreisförmigen Lichtflecken unterschiedlicher Größe, die sich bei Sonnenschein am Boden unterhalb des Blätterdachs von Bäumen bilden, getroffen worden wären, haben die wenigsten sie als solche gesehen. Jedenfalls ist ihnen nichts aufgefallen, die Lichtflecken sind für sie zu keinem in irgendeiner Weise fragwürdigen Phänomen geworden (Abb. 1 u.2). Selbst wenn ich meinen Mitmenschen die runden Lichtflecken zeige, bleiben sie meist völlig unberührt. Auf meine Behauptung, bei den Flecken handele es sich um Abbilder der Sonne, reagieren sie in der Regel skeptisch bis ungläubig. „Abbild der Sonne“, das klingt
insbesondere in den Ohren naturwissenschaftlich vorgebildeter Menschen fast wie „Zeichen der Götter“ und erinnert eher an mythisches Naturerleben als an rationale Naturerkenntnis. (siehe auch: Sonnentaler fallen nicht vom Himmel)